Kabinett beschließt Handlungskonzept
Energieversorgung, Mobilität oder Gesundheit – in vielen Bereichen können Quantentechnologien eine wichtige Rolle spielen. Bis 2026 sollen drei Milliarden Euro in die Förderung von Quantencomputern und deren Anwendung fließen. Doch was bedeuten eigentlich Quantentechnologien und was bringen sie? Ein Überblick.
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Das Wort „Quant“ kommt vom Lateinischen „quantum“ und bedeutet „wie groß“ beziehungsweise „wie viel“. Es beschreibt also etwas Messbares und Quantifizierbares. In der Physik wird „Quant“ als der kleinstmögliche noch messbare Wert einer physikalischen Größe beschrieben. Quant ist also eine Art "Stückelung“ wie beispielsweise die Pixel eines digitalen Fotos.
Quantentechnologie ist ein vergleichsweise junges und hochkomplexes Teilgebiet der Physik, in dem bestimmte Effekte und Mechanismen auftreten und die sich in keinem anderen Feld der Physik finden.
Quantentechnologien sind eine Zukunfts- und Schlüsseltechnologie mit besonders vielversprechenden Anwendungsperspektiven. Sie können bestehende Technologien nachhaltig verändern. Das Potenzial reicht von der Arzneimittelforschung über abhörsichere Kommunikation bis hin zu neuartigen Sensoren, die Kampfmittelaltlasten oder Navigation ohne Satellitenunterstützung ermöglichen.
Mit dem Handlungskonzept gibt sich die Bundesregierung für die Jahre 2023 bis 2026 einen politischen Gestaltungsrahmen im Bereich Quantentechnologien. Dafür stehen insgesamt etwa drei Milliarden Euro zur Verfügung. Das Handlungskonzept umfasst folgende Schwerpunkte:
- Ziel ist, Quantentechnologien in Wirtschaft, Gesellschaft und staatlichen Institutionen zur Anwendung zu bringen.
- Die Bundesregierung will die Technologieentwicklung zielgerichtet vorantreiben: insbesondere soll Deutschland ein zentraler Akteur im Bereich Quantencomputing werden. Dabei wird bis 2026 die Entwicklung eines leistungsfähigen universellen Quantenrechners angestrebt. Ziel ist, zu den Technologieführern USA, China und Großbritannien aufzuschließen.
- Die Bundesregierung schafft einen exzellenten Rahmen für ein starkes Ökosystem. Vor allem geht es darum, die Gründerkultur zu stärken, Wissenschaft und Wirtschaft zu vernetzen und eine Fachkräftebasis aufzubauen.
Insgesamt sind während der Laufzeit des Handlungskonzepts bis 2026 für die Weiterentwicklung der Quantentechnologien in den beteiligten Ressorts etwa 2,18 Milliarden Euro vorgesehen. Die Maßnahmen werden ergänzt durch Aktivitäten der durch die Bundesregierung mitfinanzierten Wissenschaftsorganisationen. Diese stellen zusammen gut 850 Millionen Euro für Forschung in den Quantentechnologien bereit.
Klimaforschung: Mit neuartiger Quantensensorik kann die Überwachung von Klimaveränderungen mittelfristig wesentlich verbessert werden, zum Beispiel Änderungen der Wasservorkommen durch Gravimeter zur Erdbeobachtung.
Energieversorgung: Die zukünftige Energieversorgung wird in hohem Maße dezentral sein. Hier werden verteilte Energienetze und lokale Anbieter erneuerbarer Energien sowie private Haushalte in einem komplexen System zusammenarbeiten. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ist ein komplexes Optimierungsproblem, für dessen Lösung sich zukünftige Quantencomputer besonders eignen könnten.
Mobilität: Durch verbesserte Sensorik eröffnen sich neue Möglichkeiten in verschiedenen Bereichen der Mobilität, beispielsweise durch verbesserte Lagestabilisierung mit sogenannten Quantengyroskopen (Anwendung für autonomes Fahren im Straßenverkehr bis zur Raumfahrt). Langfristig kann Quantencomputing neue Ansätze für die Optimierung von Verkehrsströmen schaffen.
Gesundheit: Durch die Entwicklung von Quantensensoren kann kurz- und mittelfristig der Zugang zu verbesserten oder neuartigen Therapie- und Diagnosemöglichkeiten in der Medizintechnik geschaffen werden. Insbesondere neue Bildgebungsverfahren werden in der Laboranalyse oder der intraoperativen Diagnostik große Bedeutung haben. Langfristig können Quantensensoren beispielsweise für die Steuerung von Prothesen entwickelt werden. Die Entwicklung von Medikamenten oder Impfstoffen kann durch die Nutzung von Quantencomputern beschleunigt und/oder verbessert werden.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz: Themen wie etwa die personalisierte Medizin, autonomes Fahren oder die Steuerung der Infrastruktur von Städten benötigen schnelle Entscheidungsalgorithmen bei der Entwicklung von Systemantworten für die massiven Daten in diesen Bereichen. Hier können Quantensimulatoren und Quantenalgorithmen von großer Hilfe sein. Denn sie sind in ihrer Leistungsfähigkeit und Genauigkeit klassischen Verfahren überlegen.
Gängige Computer, Smartphones, Smartwatches oder Taschenrechner arbeiten mit Bits, also mit binären Zahlen. Ein Bit kann nur zwei Werte annehmen: entweder eine [1] oder eine [0]. Dies wird in den Prozessoren von heutigen Computern mit Strom dargestellt: "Strom an“ bedeutet [1] und "Strom aus“ [0].
Quantencomputer dagegen arbeiten mit der Recheneinheit "Quanten-Bit“ (abgekürzt: Qubits). Qubits sind in der Lage, beliebig viele Überlagerungen aus [0] und [1] einzunehmen. Mit dieser Eigenschaft können Quantencomputer eine Vielzahl von Rechenaufgaben parallel lösen.
Die Entwicklung von Quantenrechnern und -simulatoren ist mit außerordentlichen Herausforderungen verbunden. Damit ein Quantencomputer störungsfrei funktioniert, benötigt man einen Ort mit einem besonderen Fundament, damit jede noch so winzige Erschütterung abgefedert wird.
Quantenrechner müssen also gegen Erschütterungen, magnetische und elektrische Felder und alle anderen möglichen äußeren Einflüsse abgeschirmt werden.
Das Problem dabei: Bewegung. Haben Teilchen eine bestimmte Energie, beginnen sie sich zu bewegen und „wackeln“. Das passiert allgemein bei Wärme. Deshalb müssen die Prozessoren fast bis auf den absoluten Nullpunkt, der mit 0 Kelvin definiert ist, heruntergekühlt werden. In Grad Celsius ausgedrückt sind dies minus 273,15 und damit die tiefstmögliche Temperatur. Dafür braucht es aufwendige und große Kühlmaschinen. Das erklärt gleichzeitig, warum es vorerst keine Quantenchips in Smartphones geben wird.
Schon jetzt hat Deutschland in den Quantentechnologien eine gute Position:
- In der Grundlagenforschung ist Deutschland in allen Feldern der Quantentechnologien sehr gut aufgestellt.
- In den Basistechnologien und Basiskomponenten für die Quantentechnologien existiert in Deutschland bereits eine Unternehmenslandschaft aus Start-ups und großen Unternehmen.
- In der Quantensensorik, den Quantenmaterialien und der Quantenkommunikation haben bereits erste Produkte die Marktreife erreicht.
So belegt Deutschland bei entsprechenden Publikationen im internationalen Vergleich Platz vier hinter den USA, China und Großbritannien und weist die meisten Publikationen europäischer Länder auf. Auch bei Patentfamilien findet sich Deutschland hinter China, USA und Japan unter den ersten vier. Der Schwerpunkt der deutschen Patentfamilien liegt dabei in den Bereichen Quantenmesstechnik und Quantenelektronik.
Anfang Januar 2022 ging am Forschungszentrum Jülich einer der weltweit leistungsfähigsten Quantencomputer in Betrieb, ein sogenannter „Quanten-Annealer“. Diese spezialisierte Art eines Quantencomputers ist besonders geeignet für die Lösung von kombinatorischen Optimierungsproblemen, die insbesondere auch für die Industrie von großem Interesse sind – etwa um Verkehrsflüsse effizient zu steuern. Zum Beispiel versucht man mit Hilfe eines Quanten-Annealers die Gesamtzeit in einem Verkehrssystem zu minimieren, in dem hunderte oder tausende Fahrzeuge unterwegs sind und nicht die beste Route für ein einzelnes Auto zu finden.
Das „Handlungskonzept Quantentechnologie“ sieht für Deutschland die Entwicklung eines leistungsfähigen und international wettbewerbsfähigen Quantencomputers bis 2026 vor.