Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Alexander Dobrindt im Rahmen der CSU-Klausurtagung am 7. Januar 2021

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Alexander Dobrindt

Dobrindt: Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen zum zweiten Tag unserer Klausurtagung der CSU im Deutschen Bundestag.

Wir freuen uns, dass wir heute einen ganz besonderen Gast begrüßen dürfen: Herzlich willkommen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela. Ich freue mich ausdrücklich, dass du meiner Einladung gefolgt bist, zur CSU auf unsere Winterklausurtagung zu kommen. Es ist ein Zeichen der Geschlossenheit, das wir hiermit abgeben.

Die Einheit zwischen CDU/CSU zur Bewältigung der Herausforderungen der Pandemie ist zwingend geboten, und wir leben diese Einheit auch. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, die nach der Pandemie anstehen, die Herausforderungen in Europa und der Welt, die brauchen ein enges Bündnis zwischen CDU und CSU, und ich bin dir persönlich, liebe Angela, sehr, sehr dankbar, dass wir gerade auch in den schweren Herausforderungen des letzten Jahres diese Einheit so offen gelebt haben - selbst bei schwierigsten Entscheidungen, die in Europa notwendig waren, wie beispielsweise die Errichtung des Aufbaufonds, haben wir gemeinsam gut organisiert. Auch da hat es für die CSU einen weiten Weg gebraucht. Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir so einen Fonds organisieren können. Wir mussten auch über eine Schwelle treten, sodass wir bereit sind, diese gemeinsam Politik der Finanzierung dieses Wiederaufbaufonds in Europa ermöglichen. Es war richtig, diese Entscheidungen genau so zu treffen. Das zeigt: CDU/CSU können gemeinsam sehr erfolgreich die Herausforderungen in Deutschland und in Europa bewältigen.

Ganz herzlichen Dank dir dafür! Wir freuen uns, dass wir mit dir heute über internationale Themen, die Herausforderungen in der Welt und natürlich auch über die aktuellen Ereignisse in der Welt sprechen können. Noch einmal, liebe Angela: Herzlichen Dank, dass du heute bei uns, bei der Klausur mit dabei bist!

BK’in Merkel: Lieber Alexander, meine Damen und Herren, ich freue mich auch, dass ich heute dabei bin, bitte aber um Verständnis, dass ich zunächst auf die Situation in Washington eingehen möchte. Wir alle haben ja die verstörenden Bilder von der Erstürmung des Kongresses gestern Abend gesehen. Mich haben diese Bilder wütend und auch traurig gemacht, und ich bin mir ziemlich sicher, da geht es mir wie den allermeisten Freunden der Vereinigten Staaten von Amerika, den Millionen Menschen, die Amerikas demokratische Tradition bewundern.

Eine Grundregel der Demokratie ist: Nach Wahlen gibt es Gewinner und Verlierer. Beide haben ihre Rolle mit Anstand und Verantwortungsbewusstsein zu spielen, damit die Demokratie selbst Sieger bleibt. Ich bedaure sehr, dass Präsident Trump seine Niederlage seit November und auch gestern wieder nicht eingestanden hat. Zweifel am Wahlausgang wurden geschürt, und das hat die Atmosphäre dafür bereitet, dass die Ereignisse der Nacht möglich wurden.

Die Worte des gewählten Präsidenten Joe Biden sowie viele Reaktionen aus beiden großen Parteien der USA machen mich aber ganz sicher: Diese Demokratie wird sich als viel stärker erweisen als die Angreifer und Randalierer. Es ist tragisch, dass Menschen in den Ereignissen dieser Nacht ihr Leben verloren haben. Aber für mich ist es ein Zeichen der Hoffnung, dass der Kongress seine Arbeit in der Nacht fortgesetzt hat. Nun steht auch fest: Der Wahlsieg von Joe Biden und Kamala Harris wurde bestätigt. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden in weniger als zwei Wochen, so wie es sein muss, ein neues Kapitel ihrer Demokratie eröffnen.

Das zu den aktuellen Ereignissen, lieber Alexander.

Aber wir werden heute den Blick vor allen Dingen auch auf dieses Jahr werfen. Wir sind uns einig, dass CDU und CSU das nur gemeinsam können. Deshalb bin ich mir auch der besonderen Bedeutung dessen bewusst, dass ich zu eurer Klausurtagung eingeladen bin. Die Umstände sind nicht so, dass ich jetzt nach Bayern kommen könnte, wo wir immer die klassischen Bilder mit Schnee und dem Ambiente, das die CSU ausmacht, haben. Aber die Pandemie erfordert es, dass wir uns auf diese Art und Weise sehen, immerhin. Ich freue mich auf die Diskussion über die aktuellen Themen und über das, was in diesem Jahr noch zu leisten ist.

Natürlich haben wir jetzt die schwersten Monate der Pandemie noch vor uns - das kann man, denke ich, erahnen -, gepaart mit einem Stück Hoffnung dadurch, dass Impfstoffe zur Verfügung stehen, im Übrigen ein wunderbarer Ausdruck unserer wissenschaftlichen Fähigkeiten, da auch deutsche Hersteller dabei sind.

Wir werden den Blick aber auch über den Tellerrand werfen. Das war euer Wunsch, und das zeichnet die CSU auch immer aus. Denn wir sind eingebettet in Europa. Du hast eben darauf hingewiesen, welch gemeinsamen, aber auch nicht ganz einfachen Weg wir gegangen sind, angesichts einer pandemisch verursachten ganz besonderen Herausforderung für Europa doch auch neue Wege zu gehen, Wege, die einmalig sind, die aber eine richtige Antwort auf die Herausforderung sind. Der Wiederaufbaufonds ist ein Beispiel dafür. Deshalb glaube ich, dass wir, CDU und CSU, auch die Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses im Deutschen Bundestag gemeinsam gestalten werden.

Wir haben uns in den Jahren dieser Legislaturperiode sehr mit der Frage der gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Deutschland beschäftigt. Das wird nach der Pandemie eine noch größere Herausforderung werden und ist für mich auch die Voraussetzung dafür, dass die Fliehkräfte in unserem Lande nicht immer größer werden. Die CSU, aber auch die CDU begreifen sich ja als Volksparteien. Als Bundeskanzlerin ist es mir natürlich ganz wichtig, dass wir möglichst viele Menschen erreichen.

Wir erleben durch die Krisen, durch die wir gehen und auch in den letzten Jahren gegangen sind, dass wir natürlich ein starkes Europa brauchen, ein Europa, das gemeinsam international auftritt, ob beim Klimaschutz, bei den Menschenrechten oder bei internationalen Handelsabkommen.

Wir brauchen natürlich auch einen klugen Blick auf das, was sich im Rest der Welt tut. Man muss sagen - die Pandemie hat uns das auch für unser Land noch einmal gezeigt -: Wir sind nicht überall auf der Welt führend, sondern es gibt sehr viele Länder, die sich auch sehr anstrengen, die auch wissenschaftlich brillant sind und die auch schnell agieren können. Deshalb sind Deutschland und Europa, wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, herausgefordert, die richtigen Antworten zu geben und auch schnell und entschieden zu handeln.

All das wird in unserer sich jetzt anschließenden Diskussion eine Rolle spielen. Ich habe keine Sorge, dass uns die Zeit zu lang wird, sondern es wird sehr kurzweilig sein. Ich freue mich auf die Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen aus der CSU-Landesgruppe und danke, dass wir das jetzt gemeinsam der Presse mitteilen können.

Dobrindt: Vielen Dank. Bevor wir ein paar Fragen ermöglichen, lassen Sie mich nur noch im Anschluss sagen: Was die Ereignisse in den USA anbelangt, kann man das ja nur mit Schrecken verfolgen und sagen, dass das einer Demokratie absolut unwürdig ist. Übrigens kann man auch das Verhalten des Ex-Präsidenten Trump, das wir gestern gesehen haben, nur als absolut unwürdig bezeichnen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, zwei Fragen, wenn Sie erlauben:

Welche Verantwortung trägt aus Ihrer Sicht Präsident Trump für die Ausschreitungen gestern in Washington?

Die zweite Frage: Ihr Willkommen bei der CSU war in den letzten Jahren nicht immer nur von Freude geprägt. Das wissen Sie besser als wir. Dennoch haben sich gestern sowohl Herr Dobrindt als auch der Parteichef Markus Söder hier vor Herzlichkeit fast überschlagen. Wie ist Ihre Sicht auf die Zusammenarbeit und auch die Wiederannäherung zwischen der CSU und Ihnen?

BK’in Merkel: Ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich eben gesagt habe: Präsident Trump hat bedauerlicherweise seit November - und auch gestern - seine Niederlage nicht eingestanden. Das hat natürlich die Atmosphäre bereitet, in der dann auch solche Ereignisse - solche gewalttätigen Ereignisse - möglich sind. Diesen Zusammenhang sehe ich, wie ich es eben auch dargestellt habe.

Zum Thema CDU und CSU und Merkel und CSU: Das ist über die vielen Jahre ein lebendiges Buch mit verschiedenen Kapiteln geworden. Das Kapitel, das wir seit geraumer Zeit gestalten, ist bei allen Unterschieden ein Kapitel der Gemeinsamkeit, auch des Versuchs des gegenseitigen Verständnisses, warum wer wie agiert. Es ist also durchaus auch ein Kapitel, bei dem wir aus den vergangenen Ereignissen gelernt haben.

Für mich ist deshalb im Augenblick die Zusammenarbeit - egal, ob mit der Staatsregierung oder mit Alexander Dobrindt und den Kolleginnen und Kollegen aus der CSU - eine sehr erfolgsbringende oder resultatbringende Zusammenarbeit. Es ist eine Zusammenarbeit, in der wir gerade auch im Bereich der Digitalisierung vieles geschafft haben. Hier hat die CSU ein sehr originäres und eigenes Interesse. Wir werden darüber heute auch noch einmal sprechen, auch mit den beiden Ministern Horst Seehofer und Andi Scheuer sowie mit Doro Bär als Staatsministerin hier im Bundeskanzleramt. Sie sind wichtige Player, die die Digitalisierung für die Bundesregierung mit voranbringen. Insofern ist das heute sozusagen Teil eines konstruktiven Kapitels unserer Zusammenarbeit.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben es zum Teil schon angedeutet: Mit welcher Wahlkampfstrategie würden Sie angesichts der Unsicherheiten und der Herausforderungen der Zukunft der Union, also CDU und CSU gemeinsam, in diesem Jahr raten?

BK’in Merkel: Bekanntermaßen werde ich ja nicht wieder antreten. Das heißt, ich gebe jetzt hier keine Ratschläge. Ich glaube, wir haben ein gemeinsames Ausgangsverständnis. Das Ausgangsverständnis heißt: Politik muss für Menschen die Probleme lösen, und davon haben wir reichlich. Wir müssen Antworten geben. Wir müssen vor allen Dingen auch Resultate vorzeigen können.

Das, was mich jetzt gerade in dieser Situation der Pandemie schon sehr beschäftigt, ist, dass dieses wirklich eine Zeit des Handelns ist, in der auch schnell gehandelt werden muss und ganz besondere Wege gegangen werden müssen. Ich finde, es ist schon eine Stresssituation. Das ist gerade mit der CSU sehr gut zu diskutieren, weil sie auf allen staatlichen Ebenen tief verankert ist. Das ist eine Diskussion, in der unser Föderalismus und unsere Subsidiarität, von der wir ja sprechen - von der Kommune über das Land bis zum Bund und nach Europa -, vor große Herausforderungen gestellt wird. Was müssen wir tun, damit das schneller und noch effektiver funktioniert, damit wir schnell agieren können? Das sind die Themen, die ich in diesem Zusammenhang sehr wichtig finde.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie groß ermessen Sie den Schaden, den die Demokratie durch die Szenen in Washington genommen hat? Sie sprechen im Kontext der Pandemie ja oft über den Systemwettbewerb, in dem sich westliche Demokratien befinden.

BK’in Merkel: Ich bin sehr erleichtert, dass wir gerade die Nachricht bekommen haben, dass die Zertifizierung der Wahlergebnisse im Kongress erfolgt ist und dass Joe Biden der nächste Präsident sein wird. Das heißt, die demokratischen Kräfte haben sich durchgesetzt. Ich habe immer gewusst, dass das in den Vereinigten Staaten von Amerika so sein wird und habe das auch erwartet.

Wie ich schon gesagt habe: Aber natürlich sind die Bilder, die um die Welt gehen, verstörend. Sie werden an anderer Stelle der Welt sicherlich so gesehen werden, dass das natürlich nicht ein Ausweisschild für gute demokratische Prozesse ist. Umso wichtiger ist, dass sich die Demokraten durchgesetzt haben.

Dobrindt: Herzlichen Dank, liebe Angela! Wir sehen uns gleich.