Pressestatements von Bundeskanzler Scholz und Generalsekretär Stoltenberg zu seinem Besuch am 17. März 2022

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Lieber Jens, herzlich willkommen in Berlin! Heute haben wir zwei wichtige Themen miteinander zu besprechen, auch mit Blick auf den NATO-Gipfel in der kommenden Woche.

Das erste und wichtige Thema ist unverändert der Krieg in der Ukraine. Bei deinem letzten Besuch hier in Berlin im Januar hatten wir beide noch die Hoffnung, dass wir den russischen Angriff auf die Ukraine würden abwenden können. Leider haben wir erlebt, wie der russische Präsident alle friedlichen Möglichkeiten der Konfliktlösung verweigert hat und allein auf Gewalt setzt. Er hat seinen Nachbarn angegriffen und einen furchtbaren Krieg vom Zaun gebrochen. Tag für Tag bringt Putin entsetzliches Leid und Tod über die Menschen in der Ukraine, und er bringt auch Leid über sein eigenes Volk.

Das Schicksal der Menschen in der Ukraine berührt uns zutiefst. Heute Vormittag sprach der Präsident der Ukraine, Selensky, mit eindrucksvollen Worten im Deutschen Bundestag. Wir stehen an der Seite der Ukraine.

Uns berührt auch das Schicksal der vielen jungen Russen, die von ihrer Führung in einen sinnlosen Krieg gegen ihren eigenen Nachbarn geschickt werden. Es ist wichtig, dass das Schicksal dieser jungen Menschen auch in Russland bekannt wird. Jeder in Russland muss wissen: Präsident Putin trägt für deren Tod oder Verwundung die alleinige Verantwortung.

Wir müssen alles daransetzen, die Waffen so rasch wie möglich zum Schweigen zu bringen, und wir stehen den tapferen Ukrainerinnen und Ukrainern weiter bei, ihr Land zu verteidigen und sich der russischen Aggression zu widersetzen – durch finanzielle Mittel, durch humanitäre Hilfe, aber eben auch durch die Lieferung von Militärgütern, wie wir das bereits getan haben. Deutschland leistet hier seinen Beitrag und wird das weiter tun. Eines aber gehört auch klar und deutlich ausgesprochen: Die NATO wird nicht militärisch in diesen Krieg eingreifen.

Das zweite Thema, Jens, über das wir heute miteinander sprechen werden, sind die Auswirkungen, die Konsequenzen, die der Krieg auf die NATO haben wird. Die Allianz muss sich wappnen, um die Sicherheit aller Alliierten zu gewährleisten. Das ist die Kernaufgabe der Allianz, und dazu stehen wir ohne Wenn und Aber. Dazu stehen alle Alliierten, wie ich ganz deutlich auch aus all meinen Gesprächen und Begegnungen mit den NATO-Partnern erfahren habe.

Wir haben im Rahmen der NATO bereits viele Entscheidungen getroffen, um unsere östlichen Alliierten in dieser Situation tatkräftig zu unterstützen. So zeigen wir: Wir alle stehen füreinander ein. Deutschland leistet seinen Beitrag, und wir sind weiterhin bereit, alles Notwendige zu tun. Gestern haben wir im Kabinett beschlossen, zusätzliche Investitionen in unsere Fähigkeit zur Abschreckung und Verteidigung zu unternehmen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur weiteren Stärkung der Allianz. Wir haben gestern eben auch nicht nur den Haushalt für das laufende und die Eckwerte für das kommende Jahr auf den Weg gebracht, sondern auch das „Sondervermögen Bundeswehr“, mit dem wir sicherstellen wollen, dass Deutschland seinen angemessenen Beitrag im Rahmen der NATO leisten kann. Die 100 Milliarden Euro für die Investitionen der nächsten Jahre, die uns auch in die Lage versetzen, jährlich zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung zu investieren, sind ein ganz deutliches Zeichen unseres Willens und unserer Entschlossenheit, auf die veränderte Lage zu reagieren. Natürlich werden wir in der NATO weiter miteinander beraten, wie wir gemeinsam stärker werden können, und darüber haben sich ja gestern auch schon die Verteidigungsminister ausgetauscht.

Lieber Jens, vielen Dank für deinen Einsatz für unsere Allianz in diesen ganz schwierigen Tagen und Wochen!

Stoltenberg: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, vielen Dank, lieber Olaf! Ich freue mich, erneut in Berlin zu sein, und ich danke dir für die freundliche Begrüßung. Ich möchte dir für die Führungsrolle, die du gespielt hast, und für deine Verpflichtung zum Bündnis danken. Es ist sehr wichtig, dass wir heute miteinander im Gespräch sind und einander konsultieren, eine Woche vor dem Sondergipfel der NATO-Staats- und ‑Regierungschefs in Brüssel.

Deutschland befindet sich im Herzen Europas und im Herzen des transatlantischen Bündnisses. Ihre Führungsrolle ist zu diesem Zeitpunkt, der für die Sicherheit Europas so entscheidend ist, von noch größerer Bedeutung. Der Krieg, den Präsident Putin gegen die Ukraine führt, hat den Frieden erschüttert und die Welt zutiefst schockiert. Wir würdigen heute das mutige ukrainische Volk und die mutigen ukrainischen Soldaten und Soldatinnen. Sie kämpfen in einer Situation, die von Bedeutung für uns alle ist. Wir werden sie weiterhin unterstützen, damit sie ihr Recht auf Selbstverteidigung ausüben können, wie es in der Charta der Vereinten Nationen verankert ist.

Ich danke Deutschland dafür, dass es der Ukraine viele verschiedene Formen der Unterstützung zukommen lässt, militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung. Sie haben bereits mehr als 100 000 ukrainische Flüchtlinge in Ihrem Land aufgenommen. Dadurch beweisen Sie Ihre Großzügigkeit und Ihre Solidarität.

Die NATO trägt die Verantwortung dafür, diesen Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Denn das wäre noch gefährlicher und würde noch mehr Leid, Tod und Zerstörung über alle bringen. Dies ist Präsident Putins Krieg. Er muss ihn beenden. Er muss seine Truppen zurückziehen und sich in treuem Glauben auf den Pfad der Diplomatie begeben.

Ich danke Ihnen, Herr Bundeskanzler, für die Anstrengungen, die Sie unternommen haben und unternehmen, um eine diplomatische Lösung zu finden. Ich danke Ihnen ausdrücklich auch für Ihren direkten Kontakt zu Präsident Putin. Er zahlt einen hohen Preis, schlagkräftige Sanktionen, die seine Kriegsmaschine behindern. Ich danke der Bundesrepublik für die wichtige Rolle, die sie dabei spielt, internationale Sanktionen durchzusetzen.

Deutschland bemüht sich auch verstärkt, alle NATO-Bündnismitglieder zu unterstützen. In Litauen sind Sie präsent, Flugzeuge sind in Rumänien, und Schiffe patrouillieren. Das ist Teil der raschen, entschlossenen und geeinten Reaktion seitens der NATO auf die Sicherheitslage, die sich so dramatisch verändert hat. Mit 100 000 Soldatinnen und Soldaten, die in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt wurden, stehen 100 000 Soldatinnen und Soldaten umfassende Truppen unter direktem Kommando der NATO. Luft- und Seestreitkräfte sind aktiviert.

Die Verteidigungsminister und ‑ ministerinnen haben das getan, was sie gestern zu tun hatten, um unsere Abwehr, Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit auch langfristig weiterzuentwickeln. Dafür muss investiert werden, und Deutschland hat hierzu einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan und führt uns alle voran. Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag und die Entschlossenheit, mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung unseres Bündnisses zu investieren, und auch für die Entscheidung, in die Beschaffung von Flugzeugen der fünften Generation zu investieren.

Dies ist in der Tat ein Wendepunkt für die Sicherheit Europas. Denn wir dürfen den Frieden und die Sicherheit nicht als etwas Gegebenes hinnehmen. Europa und Nordamerika müssen weiterhin innerhalb der NATO zusammenstehen und zusammenarbeiten, um unseren Frieden, unsere Freiheit und unsere Werte zu schützen.

Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, ich danke dir noch einmal und freue mich auf unsere heutigen Gespräche.