Im Wortlaut
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
- Mitschrift Pressekonferenz
- Dienstag, 3. Mai 2022
BK Scholz: Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie alle noch einmal hier zu unserer Kabinettsklausur und ganz besonders zu dieser Pressekonferenz mit meinen Kolleginnen, der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin und der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson.
Wir haben hier über unsere gemeinsamen Fragestellungen gesprochen, und wir haben das getan als Freunde, als Länder, die schon lange eng zusammenarbeiten, die auch verbunden sind in der Europäischen Union und die natürlich gleichermaßen bedrückt sind angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Das ist ein brutaler Krieg, den Russland gegen ein unabhängiges Land führt - ein Land, das ein friedlicher Nachbar Russlands war und das deshalb umso mehr alles Recht hat, sich gegen diese Aggression zu verteidigen.
Wir alle gemeinsam haben in den letzten Wochen sehr weitreichende Entscheidungen getroffen, um die Ukraine zu unterstützen in ihrem Recht, die eigene Integrität und Souveränität zu verteidigen, indem wir finanzielle Hilfe geboten haben, dass es humanitäre Unterstützung gibt, aber natürlich vor allem und am allermeisten, indem wir in großem Ausmaß militärische Unterstützung zur Verfügung gestellt haben, indem wir Waffen und Munition geliefert.
Deutschland hat diese Entscheidung getroffen in Abkehr von einer Politik, die wir viele, viele Jahre betrieben haben, in denen wir nie Waffen in ein solches Gebiet geliefert haben, und auch nicht an die Ukraine. Aber nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war es richtig und notwendig, dass wir diese Politik geändert haben und dass wir jetzt in großem Ausmaß Unterstützung gewährleisten, was wir auch weiter tun werden.
Wir haben gleichermaßen entschieden, dass der Rechtsbruch, den der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit sich bringt, natürlich uns allen auch klar machen muss, dass es sich um eine Zeitenwende handelt - eine Zeitenwende, die verbunden ist mit dem Übertreten aller rechtlichen Vereinbarungen und Verständigungen, die wir in Europa in den letzten Jahrzehnten gefunden hatten. Es war für uns alle klar, dass Grenzen nicht mehr mit Gewalt verschoben werden und dass die Souveränität von Staaten geachtet werden muss. Dieses Recht ist von Russland gebrochen worden, und deshalb kann niemand davon ausgehen, dass der russische Präsident und die russische Regierung nicht auch bei anderer Gelegenheit das Recht der Völker und unsere Verständigung brechen würde - mit Gewalt.
Das ist der Grund, warum wir auch gleichzeitig alle entschieden haben, dass wir unsere Verteidigungsanstrengungen ausweiten. Deutschland wird ein Sondervermögen für die Bundeswehr bilden, um dafür zu sorgen, dass sie in den nächsten Jahren ausreichend ausgestattet sein kann und wir dauerhaft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufwenden. Das sind Antworten auf die putinschen Aggressionen - notwendige Antworten, die wir hier auch miteinander besprochen haben.
Finnland und Schweden sind befreundete Länder. Die beiden Ministerpräsidentinnen sind auch enge Freundinnen von mir, wenn ich das so sagen darf - wir sind eng miteinander verbunden. Deshalb ist es mir wichtig, bei dieser Gelegenheit auch zu sagen, dass wir sehr genau die Debatten über einen möglichen Beitritt zu unserer Verteidigungsallianz, der Nato, verfolgen, die in beiden Ländern stattfinden. Das sind Entscheidungen und Diskussionen, die dort vor Ort stattfinden müssen und die in Finnland und in Schweden getroffen werden.
Für uns ist aber klar: Wenn sich diese beiden Länder dafür entscheiden sollten, dass sie zur Nato-Allianz dazugehören wollen, dann können Sie mit unserer Unterstützung rechnen. Das haben alle Mitglieder der Regierung hier in unserem Gespräch sehr übereinstimmend deutlich gemacht. Das ist, denke ich, auch ein wichtiges Zeichen. Ohnehin können sich beide Länder auch unabhängig von der Nato-Mitgliedschaft und auch in der Zeit, bevor über eine solche in der Nato entschieden würde, immer auf die Unterstützung Deutschland verlassen. Dazu sehen wir uns als Europäerinnen und Europäer ohnehin verpflichtet.
Was uns miteinander eint, ist auch die Sorge um die Auswirkung dieses Krieges auf die ganze Welt. Mit diesem Krieg sind Konsequenzen verbunden, die mit Hunger in armen Ländern verbunden sein können, weil die Ernährungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist und wichtige Akteure zum Beispiel für Getreide ausfallen, was bei der Ukraine, was bei Russland zum Beispiel der Fall ist. Eine große Sorge, die wir miteinander teilen, ist auch, dass die Energiepreise so stark steigen, dass dies die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten vieler Länder sehr beeinträchtigen kann.
Wir wissen uns einig darin, dass wir jetzt unabhängig vom Import fossiler Ressourcen werden wollen. Wir wissen gleichermaßen, dass dies in den einzelnen Ländern unterschiedlich lange dauert, je nach dem Ausmaß der Abhängigkeit. Deutschland ist den Weg gegangen, sich schon seit Dezember auf eine solche Situation vorzubereiten. Deshalb können wir im Herbst aus der Kohle aussteigen. Deshalb tun wir alles dafür, schnell auf den Import von Öl verzichten zu können und ebenfalls mit großer Geschwindigkeit Infrastrukturen zu schaffen, die es uns möglich machen, Gas zu importieren.
Dauerhaft wird es aber darum gehen, dass wir unsere Gesellschaft und Wirtschaft so modernisieren, dass wir von fossilen Ressourcen unabhängig werden. Deshalb ist Deutschland auf dem Weg, sich so auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu konzentrieren, dass wir 2045 ein CO2-neutral wirtschaftendes Land sein können. Auch über diese Fragen haben wir uns ausgetauscht, weil sie gemeinsame Anstrengungen sind, die wir auf etwas unterschiedliche, aber im Wesentlichen gleichgerichtete Weise unternehmen.
In dem Sinne war es eine sehr gute, eine sehr freundschaftliche Debatte und eine gute Kooperation zwischen unseren Ländern. Ich freue mich nun auf die Statements meiner beiden Kolleginnen. - Sanna!
MP’in Marin: Danke schön, Olaf! - Meine Damen und Herren Medienvertreter, wir hatten heute einen guten Tag für die Pressefreiheit in der Welt. Auch ich möchte dem Bundeskanzler, Herrn Olaf Scholz, für die Diskussion heute über die Auswirkungen, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat, danken.
Dies bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, sich mit der deutschen Regierung in diesem Umfeld auszutauschen. Wir hatten heute eine vertrauliche und offene Diskussion in Anwesenheit der finnischen und schwedischen Seite. Wir teilen das gleiche Sicherheitsumfeld, und unsere Entscheidungen sind eng miteinander verbunden. Dies war auch genau der richtige Zeitpunkt für solch ein Treffen. Denn Finnland und Schweden stehen vor wichtigen Entscheidungen im Hinblick auf ihre eigene Sicherheit. Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat unser Sicherheitsumfeld dramatisch verändert. Das lässt sich auch nicht ungeschehen machen. Wir sehen jetzt klarer, wohin uns Russland führen möchte, nämlich in eine Welt mit Einflusssphären, wo der Stärkere das letzte Wort hat. Russland hat sehr deutlich gezeigt, dass es den grundlegenden Prinzipien der europäischen Sicherheit genauso wenig verpflichtet ist wie den Grundprinzipien des Völkerrechts.
Die Nato hat doch beständig ihre Politik der offenen Tür bekräftigt, die weiterhin zu einem Schlüsselelement der europäischen Sicherheit werden wird. In einer Zeit, in der Russland ohne jede Berechtigung anderen ihre Entscheidungen diktieren will, ist die Politik der offenen Tür der Nato wichtiger als je zuvor.
Finnland hat glaubwürdige Verteidigungsfähigkeiten, und wir sind entschlossen, unser Land zu verteidigen. Wir haben eine starke, moderne Wehrpflichtigenarmee, die in der Lage ist zu agieren und bereit ist, mit der Nato zusammenzuarbeiten. Wir haben die Europäische Union mit Deutschland gemeinsam errichtet, auch wenn wir außerhalb der Nato geblieben sind. Die meisten Mitglieder der EU haben ihre Sicherheit im Rahmen der Nato organisiert. Unsere Linie hat auch einen Beitrag zur Stabilität und Sicherheit in Europa geleistet, aber in einer Welt, die sich dramatisch von der heutigen Welt unterschied.
Wir haben noch nicht entschieden, ob wir einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft stellen werden oder ob wir unseren gegenwärtigen Pfad weiterverfolgen wollen. Diese Diskussion führen wir jetzt in unserem Parlament. Wie auch immer die Entscheidung Finnlands ausfallen wird, ob wir beitreten werden oder nicht, wird diese Entscheidung auf unserer Verpflichtung gegenüber den Finnen und unserem Willen beruhen, zur gemeinsamen Sicherheit beizutragen.
Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, Finnland schätzt die deutsche Führungsrolle bei der Darlegung unserer gemeinsamen Reaktion auf die Invasion Russlands in der Ukraine. Die Führungsrolle Deutschlands spielt jetzt eine noch größere Rolle. Das Sanktionsregime der EU gegenüber Russland hat bereits Wirksamkeit gezeigt, und es ist notwendig, dass wir die Sanktionen ausweiten. Russland muss begreifen, dass wir einen langfristigen Ansatz verfolgen. Die Finnen fühlen ein starkes Gefühl der Solidarität mit der Ukraine und seiner Bevölkerung und stehen bereit, auch die negativen Auswirkungen der Sanktionen zu tragen, auch in dem Fall, in dem es Finnland betrifft.
Nun noch ein letztes Wort zu Europäischen Union: Seien Sie versichert, dass unsere Entscheidungen Entscheidungen sind, die die EU stärker machen werden. Die Verpflichtungen, die wir hinsichtlich der gemeinsamen Unterstützung der Solidarität der EU-Mitgliedstaaten eingegangen sind, sind wichtig und werden fortgeführt. Wir müssen auch unsere Anstrengungen zur Stärkung der strategischen Autonomie der EU verstärken; denn strategische Autonomie bedeutet, dass wir Verantwortung übernehmen und die Förderung unserer Interessen geschlossen verfolgen. Die Union muss auch in Zukunft eine wachsende Rolle spielen.
MP’in Andersson: (auf Deutsch) Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für die außergewöhnliche Gelegenheit, die Ministerpräsidentin Marin und ich erhalten haben, Bundeskanzler Scholz, Olaf, und die Bundesregierung hier auf Schloss Meseberg zu treffen.
Schweden und Finnland sind unabhängige Länder. Aber unsere Sicherheit ist eng miteinander verbunden. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte und teilen auch die Zukunft. Zusammen mit Deutschland teilen unsere Länder ein tiefes Bekenntnis zu gemeinsamen europäischen Werten: der Demokratie, des Völkerrechts und der unantastbaren Menschenwürde.
(auf Englisch) Nun fahre ich auf Englisch fort. – Ich würdige diese starken Beziehungen zwischen unseren Staaten, und ich freue mich, sie noch weiter zu stärken und zu vertiefen. Der Militärangriff Russlands auf die Ukraine hat die Lage dramatisch verändert, und das hat auch dramatische Auswirkungen auf Europa und auf Schweden. Wir haben geschlossen reagiert - innerhalb der Europäischen Union, aber auch gemeinsam mit unseren Partnern in anderen Regionen der Welt -, und das ist von großer Bedeutung gewesen, ebenso die Einigung bezüglich des Themas der Sanktionen gegenüber Russland, aber auch die geschlossene Unterstützung der Ukraine aus allen Regionen der Welt. Gemeinsam mit der Europäischen Union und anderen Partnern müssen wir weiterhin Geschlossenheit beweisen.
Die Sicherheitslage fordert auch, dass wir die Zusammenarbeit der Staaten in der Ostseeregion untereinander, mit der Europäischen Union und auch mit unseren transatlantischen Partnern noch weiter vertiefen. Schweden passt sich wie auch die anderen Staaten an diese neuen Umstände an. Wir beschleunigen die Bemühungen, unsere nationale Verteidigung zu verbessern. Wir würdigen die mutige Entscheidung Deutschlands und spiegeln sie wider; denn auch wir wollen unsere Verteidigungsausgaben so bald wie möglich auf zwei Prozent unseres BIP hochfahren. Meine Regierung stellt auch deutliche Unterstützung für die Ukraine bereit. Dazu gehören auch Verteidigungsgerät und -waffen.
Meine Regierung diskutiert mit allen im Parlament meines Landes vertretenen Parteien über die sicherheitspolitische Lage. Wir nehmen eine gründliche Analyse vor, die am 13. Mai vorgelegt werden wird. Dies wird dann die Grundlage einer eingehenden Diskussion und Analyse bilden. Zu der Analyse gehört auch die Möglichkeit zukünftiger Verteidigungspartnerschaften Schwedens und auch eine mögliche Mitgliedschaft in der Nato. Alle Optionen liegen auf dem Tisch. In meiner Partei, den schwedischen Sozialdemokraten, führen wir jetzt eben auch einen Dialog über die neue Sicherheitslage in und um die Ostseeregion und in und um Europa. Unsere jeweiligen Sicherheitsvorkehrungen sind national gestaltet, aber wir arbeiten sehr eng mit Finnland zusammen und führen einen engen Dialog, der von größter Bedeutung ist, mit Deutschland und anderen Partnern in Europa. Das betrifft unsere gemeinsame Sicherheit. Vielen Dank!
BK Scholz: Schönen Dank!
MP’in Marin: (auf Deutsch) Schönen Dank!