Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Premierminister Luvsannamsrai Oyun-Erdene am 14. Oktober 2022 in Berlin

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BK Scholz: Einen schönen guten Tag! Ich freue mich sehr über den Besuch des Ministerpräsidenten der Mongolei. Es ist der erste Besuch auf dieser Ebene seit dem Jahr 2009, und es wurde also wirklich Zeit! Wir möchten damit die engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern bekräftigen.

Ich habe erfahren, dass die Mongolei Deutschland gerne als ihren „Drittnachbarn“ bezeichnet. Obwohl mehr als 6000 Kilometer Entfernung zwischen uns liegen, gefällt mir die Bezeichnung Nachbar sehr gut; denn wir teilen zentrale Werte wie Rechtsstaatlichkeit und auch Demokratie.

Gerade in diesen Zeiten sind dies Werte, die gar nicht überschätzt werden können. Der russische Überfall auf die Ukraine bedroht die internationale Ordnung nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt. Deshalb stellen wir uns so entschlossen gegen diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Wir stehen wahrlich nicht allein: Gerade erst haben in der UN-Generalversammlung in New York 143 Staaten Russland scharf verurteilt. Der Versuch Putins, sich Teile der Ukraine mit Gewalt unter den Nagel zu reißen, ist absolut unakzeptabel.

Der russische Angriffskrieg verschärft bestehende Krisen. Er führt weltweit zu hohen Preisen für Nahrungsmittel und Energie, zu Inflation und Verschuldung, und er unterbricht wichtige Lieferketten. Für die Mongolei an der Nahtstelle zwischen Russland und China ergeben sich aus der aktuellen weltpolitischen Lage ganz besondere Herausforderungen. Deutschland möchte die Mongolei als engen Partner unterstützen und sich auch solidarisch zeigen. Deshalb haben der Premierminister und ich heute vereinbart, die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern weiter zu vertiefen und auszubauen. Die Kooperation mit Demokratien wie der Mongolei ist für Deutschland von strategischer Bedeutung.

Unsere Kooperation in der Entwicklungszusammenarbeit werden wir fortsetzen. Im kommenden Jahr sind Regierungsverhandlungen in der Mongolei geplant. Dort sollen gemeinsam Programme und Schwerpunkte für die zukünftige Zusammenarbeit festgelegt werden. Der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel und die Transformation des Energiesektors werden zentrale Themen sein. Der perspektivische Ausstieg aus der Kohle wird auch für die Mongolei eine enorme Herausforderung, und zugleich hat das Land enormes Potenzial, was Wind- und Solarkraft anbetrifft.

Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg sind wir bestrebt, unsere Abhängigkeiten gegenüber einzelnen Staaten zu verringern, gerade wenn es um strategisch wichtige Rohstoffe geht. In unserer Diversifizierungsstrategie wird die Mongolei ein wichtiger Partner für viele Rohstoffe werden. Seit 2011 arbeiten unsere Ländern im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich enger zusammen. Diese Kooperation wollen wir deutlich verstärken und erweitern. Neu sollen dabei auch die erneuerbaren Energien und die Nahrungsmittelproduktion einbezogen werden.

Austausch und Begegnung fördern die gemeinsamen Beziehungen. Deshalb ist es gut, dass am Rande dieses Besuchs bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet wurde, um jungen Menschen aus unseren Ländern im Rahmen des Programms „weltwärts“ solche Begegnungen auch zu ermöglichen. Unsere Verkehrsministerien stehen aktuell in Verhandlungen über ein Abkommen über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie wir unsere Zusammenarbeit verstärken werden.

Eines ist mir noch ganz besonders wichtig: Im Jahr 2024 feiern wir gemeinsam das 50. Jubiläum unserer diplomatischen Beziehungen, ein halbes Jahrhundert. Dieses Jubiläum wollen wir auch angemessen begehen, und zwar nicht nur mit einem Rückblick auf das, was wir bereits erreicht haben, sondern um unsere Partnerschaft auf eine neue Stufe zu heben. Daran werden und wollen wir gemeinsam arbeiten.

PM Oyun-Erdene: Sehr geehrter Bundeskanzler, Herr Olaf Scholz, sehr geehrte Presse, sehr geehrte Gäste und Vertreter sowie alle Bürger dieses Landes, unseres nächsten Nachbarn und Partners, als Vertreter des Landes, als Premierminister der Mongolei, möchte ich noch einmal diesen 50. Jubiläumstag, der 2024 stattfinden wird, betonen und übermittle die Grüße des mongolischen Präsidenten.

Wir hatten bereits dem Bundespräsidenten Besuch abgestattet und haben uns auch mit dem Herrn Bundeskanzler ausgetauscht. Im strategischen Bereich möchten wir auch zusammenarbeiten.

Im internationalen und im regionalen Bereich stellen die Pandemie und die geopolitisch schwierige Lage eine schwierige Situation dar. Das ist auch ein Thema unserer Gespräche gewesen. Darüber konnten wir uns ausgiebig austauschen.

Für die Mongolei ist Deutschland der größte Partner in der Europäischen Union im Bereich der Politik, der grünen Entwicklung, der zivilen Entwicklung und der Verteidigung. In all diesen Bereichen wollen wir auch zusammenarbeiten und haben uns darüber ausgetauscht.

Im Rahmen der offiziellen Gespräche haben wir uns noch einmal zu unserer Politik geäußert. Es geht um die Vision 2050. In diesem Rahmen wollen wir auch die Zusammenarbeit im Energiebereich intensivieren. Auch im Bereich der Infrastruktur wollen wir zusammenarbeiten und haben uns ausgiebig darüber ausgetauscht. Auch sollen in Ömnö-Gobi-Aimag das (akustisch unverständlich) Kraftwerk gebaut und das fünfte Wärmekraftwerk modernisiert werden. In diesem Bereich wollen wir zusammenarbeiten. Dafür wollen wir auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Investoren verbessern, sie auf eine neue Stufe anheben und somit unsere Zusammenarbeit verbessern.

Im Bereich der Industrie gibt es diese „EU recovery policy“, und über diesen Bereich haben wir uns noch einmal sehr detailliert ausgetauscht.

Die Verarbeitung von Kupfer als Rohstoff für die Elektromobilität wollen wir auch als Halbfabrikatbetrieb gemeinsam aufbauen. Dazu haben wir uns ausgetauscht. Wir haben auch vorgeschlagen, in führenden Zweigen der Industrie tausend Ingenieure auszubilden. In den Bereichen Bergbau, Stadtplanung und Forstwirtschaft möchten wir in der Mongolei erst einmal die sprachlichen Voraussetzungen vorbereiten, und dann möchten wir diese Menschen für die Ausbildung nach Deutschland schicken. Das heißt, es geht um zukünftige Fachkräfte für die Mongolei, und darüber haben wir uns ausgetauscht.

Nicht nur auf politischer Ebene und zwischen den Regierungen wollen wir die Zusammenarbeit vertiefen, sondern auch im Bereich zwischen den Bürgern. Wir rufen das Jahr 2023 zum Besuchsjahr der Mongolei aus und möchten Direktflüge steigern. Wir möchten auch den kulturellen Austausch entwickeln und darüber sprechen, also über die Entwicklung der Mongolistik und auch über die Verbreitung der deutschen Kultur.

Wir wollen auch den Verkehr von Menschen, also die Zahl der Flüge, steigern. Auch im Bereich Digitales und Verkehr wollen wir auch zusammenarbeiten. Wir wollen für den öffentlichen Verkehr den Eurostandard einführen; das wäre für den Luftverkehr von hoher Bedeutung. Auch das wird als Beginn einer wichtigen Zusammenarbeit in diesem Bereich gesehen.

Der Herr Bundeskanzler hatte am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober gesagt: Die Demokratie kommt nicht von alleine zu uns, sondern wir müssen die Demokratie erschaffen. Das möchte ich als Schlusswort zu dieser Einleitung sagen.

Frage: Für die Mongolei ist es so, dass wir seit 1990 auf dem Weg der Demokratie laufen, und in dieser Zeit haben wir mit vielen Ländern, zum Beispiel auch Japan, zusammengearbeitet. Sie haben gesagt, dass wir auf einem anderen, höheren Niveau zusammenarbeiten und die Zusammenarbeit vertiefen wollen und dass Sie das in dieser Legislaturperiode im Rahmen der Zusammenarbeit umsetzen wollen. Herr Bundeskanzler, werden Sie die Mongolei auch besuchen?

BK Scholz: Schönen Dank für diese Fragen. In der Tat ist es so, dass die Mongolei sich schon seit vielen Jahren auf einen großen Weg gemacht hat, nämlich auf den Weg, eine demokratische Gesellschaft zu entwickeln. Das ist etwas ganz Besonderes und ich bin ‑ das habe ich bereits in meinem Eingangsstatement gesagt ‑ auch von der Idee des Drittnachbarn sehr berührt. Das machen Sie mit Japan, aber auch mit uns ist das vorgesehen. Das ist, glaube ich, etwas, was ein gutes Bild darstellt ‑ auch für das, was wir an guter Kooperation miteinander vorhaben.

Ganz konkret wird es darum gehen, dass wir in der nächsten Zeit die verschiedenen Themenfelder, in denen Zusammenarbeit möglich ist, abarbeiten. Dazu sind unsere Teams fest verabredet, und es wird ja auch das schon angekündigte Gespräch geben, was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft, die wir wieder aufgenommen haben. Auch das ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

Die Zielperspektive ist natürlich das Jahr 2024 mit dem 50-jährigen Jubiläum. Da soll es dann darum gehen, dass vieles zusammengeführt wird und man den Aufbruch in dieser guten Zusammenarbeit auch spüren kann. Sicherlich werden wir dann auch gucken, dass es möglich ist, dass Regierungsvertreter aus Deutschland, Vertreter unseres Landes, die Mongolei besuchen. Anders kann das ja nicht funktionieren.

Frage: Herr Bundeskanzler, eine Frage zu den Rohstoffen, die Sie erwähnt haben: Seit vielen Jahren besteht ja eine Rohstoffpartnerschaft mit der Mongolei. Die großen Hoffnungen, die man damals hatte ‑ 2011 wurde diese Partnerschaft gegründet ‑, haben sich ja nicht ganz erfüllt. Können Sie sagen, woran das liegt und woran Deutschland besonders bei dieser Partnerschaft interessiert ist?

Herr Ministerpräsident, eine Frage an Sie: Die Mongolei hat sich in der eben erwähnten UN-Abstimmung über die Ukraine enthalten. Können Sie noch einmal sagen, wie Sie das Spannungsfeld zwischen Russland und China beurteilen, und erklären, warum sich die Mongolei da enthalten hat?

BK Scholz: Schönen Dank für diese Fragen ‑ ich will gerne antworten, soweit sie mich betreffen.

Wir haben jetzt gesehen, dass es eine ganze Reihe von Investitionen im Bereich Rohstoffe gibt ‑ nicht nur aus Deutschland, auch von anderen Ländern. Da sind Erfahrungen gewachsen, und jetzt ist wichtig, dass der Rechtsrahmen funktioniert und dass die Investitionen sicher getätigt werden können. Wichtig ist jetzt auch, dass ganz konkrete Projekte identifiziert werden, mit denen dann die Zusammenarbeit vorangebracht werden kann.

Nun will ich hier nicht das ganze Feld erörtern, aber zwei Sachen sind natürlich wichtig. Zum einen geht es um all das, was für die wirtschaftliche Entwicklung der Zukunft von Bedeutung ist ‑ ob das nun Kupfer oder seltene Erden betrifft ‑, wenn wir an die Batterieentwicklung, an Elektromobilität, an Halbleiter denken, also um all das, was wir für die Zukunft unserer Volkswirtschaften brauchen. Ich habe es schon gesagt: Deutschland wird seine Strategie so verfolgen, dass wir nicht ‑ um es mit einem deutschen Sprichwort zu sagen ‑ alle Eier in einen Korb legen, sondern dass wir dafür Sorge tragen, dass wir viele gute Partner in der Welt haben. Die Mongolei als Demokratie und als Drittnachbar bietet sich da als ein sehr guter Partner an.

PM Oyun-Erdene: Ich möchte eine Antwort auf die Frage geben. Die Mongolei hat im Jahr 1992 eine neue Verfassung verabschiedet und ist ein demokratisches Land geworden. Ohne einen Kilometer auszulassen, haben wir eine natürliche Grenze zu unseren beiden mächtigen Nachbarn Russland und China. In den letzten 30 Jahren haben wir immer für die Demokratie gekämpft und sie ausgebaut. Wir haben nach diesem demokratischen Prinzip auch den Regierungswechsel vorgenommen. Das hat sich etabliert. Das ist unser Beitrag für die Entwicklung der Demokratie weltweit.

Was unsere Wirtschaft angeht, geht hundert Prozent des Exportvolumens nach China. Das heißt, es ist eine Abhängigkeit da. In Bezug auf Energie und Kraftstoffe sind wir in hohem Maße abhängig von Russland. Die Mongolei tritt natürlich immer für den Frieden ein. Wir haben ein mehrsäuliges Außenpolitiksystem. Meinen heutigen Besuch sollte man so verstehen, dass er Ausdruck und unser Beitrag für die Demokratie ist. In Zukunft sollte man in der Welt nicht zu sehr gegenseitig aufeinander einwirken und zu viel Einfluss nehmen. Man sollte immer sehr ausdauernd sein und den Frieden als wichtigstes Symbol ansehen. Was das angeht, können Sie sehr zuversichtlich sein.

Wir haben uns mit dem Herrn Bundeskanzler auch über die derzeitige Situation ausgetauscht. Dieser Krieg darf nicht zu lange weitergehen. Es darf auch nicht zu einem atomaren Krieg kommen. Deshalb müssen wir alle, die Vereinten Nationen, die Europäische Union, Deutschland und auch China, unseren Beitrag leisten, dass es nicht mehr zu den vielen Opfern von Menschenleben kommt. Wir müssen allen Raum nutzen, um uns zu vereinen und für den Frieden einzustehen.

Ich möchte Sie in die Mongolei einladen. Sie können sich ein Bild davon machen, wie sich die Demokratie in der Mongolei entwickelt. Ich bedanke mich und wünsche Ihnen alles Gute!

Frage: Es kursiert eine Zahl, nach der über 40 000 Mongolen Deutsch sprechen. Wenn man bedenkt, dass wir drei Millionen Einwohner haben, ist das ein hoher Anteil an Menschen, die Deutsch sprechen. Das ist zu stärken. Somit ist auch in Deutschland die Mongolistik zu stärken und auch die Anzahl der mongolischen Studenten und Auszubildenden zu erhöhen. Was sollte dafür getan werden?

BK Scholz: Schönen Dank für Ihren Hinweis. In Tat, ich bin sehr beeindruckt, wie viele Bürgerinnen und Bürger der Mongolei Deutsch sprechen und es gelernt haben. Wir haben eben schon gehört, dass diese Fähigkeiten weiter ausgebaut werden sollen, gerade auch, um die verschiedenen Vorhaben voranzubringen, die wir uns hier vorgenommen haben.

Selbstverständlich bedeutet das auch, dass wir unsererseits unsere Beiträge dazu leisten, dass sich die wechselseitigen Beziehungen auch gut entwickeln können. Da können wir aber auf Traditionen aufbauen. Deshalb ist das, glaube ich, sehr erfolgversprechend.

Frage: Ich hätte jenseits der deutsch-mongolischen Beratungen eine innenpolitische Frage zur Atomkraft-Debatte in Deutschland. Schließen Sie, Herr Scholz, die Neubeschaffung von Brennelementen für die noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland aus?

Wird es, wie Herr Klingbeil sagt, hierbei bis Sonntag, also noch diese Woche, eine koalitionsinterne Einigung geben?

BK Scholz: Es ist so, dass wir ganz praktisch Stück für Stück alle Probleme, die in unserem Land zu lösen sind, auch lösen. Wir haben da eine sehr erfolgreiche Bilanz vorzuweisen. Seit dem russischen Angriffskrieg haben wir sehr viele Entscheidungen getroffen, die dazu beitragen, dass wir die Energieunabhängigkeit und Energiesicherheit in Deutschland gewährleisten. Wir haben entschieden, dass wir die Importmöglichkeiten über die westeuropäischen Häfen der Niederlande, Belgiens und jetzt auch Frankreichs erhöhen, wo es gerade mit dem Import begonnen hat. Wir werden diese auch weiter ausbauen. Wir werden, wie Sie wissen, an den norddeutschen Häfen in Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und Lubmin an der Ostsee Flüssiggasterminals und die Pipelines dazu bauen, sodass wir in der Lage sind, selber über unsere norddeutschen Küsten die notwendigen Gasmengen zu importieren und auch unser Gasnetz insgesamt ertüchtigen.

Unsere Speicher sind voll, und zwar jetzt über 95 Prozent. Kohlekraftwerke sind in Betrieb gelassen geworden und neue sind hinzugekommen, sodass wir kein Gas zur Stromproduktion einsetzen müssen. Wir haben in den Unternehmen den „Fuel Switch“ möglich gemacht. Wir haben dazu beigetragen, dass überall Entscheidungen getroffen werden können, wie man unabhängig vom Gas wird und auf andere Weise Energie erzeugen kann. Wir haben auch entschieden, dass wir es insbesondere im kommenden Winter weiter möglich machen werden, den Atomstrom zu nutzen. Die ganz konkrete praktische Frage werden wir ganz schnell zeitnah bis zur nächsten Woche lösen.