Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 5. Januar 2021

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Regierender Bürgermeister Michael Müller, Ministerpräsident Markus Söder

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, von meiner Seite aus noch einmal ein gesundes neues Jahr - es ist ja das erste Mal, dass wir uns sehen!

 Es war klar, dass wir uns schon zu Beginn des Jahres wieder treffen, denn die Verordnungen, die wir im Dezember erlassen haben, gelten nur bis zum 10. Januar, und um die nötigen Vorbereitungen für die Zeit danach treffen zu können, mussten wir uns ein Bild von der Lage machen. Dazu haben wir gestern eine Expertenanhörung vorgeschaltet, in der der Chef des Robert-Koch-Instituts, Herr Wieler, uns noch einmal darauf hingewiesen hat, dass durch die Weihnachts-, Silvester- und Neujahrstage eine klare Datenlage über die wirkliche Inzidenz in Deutschland erst ab etwa dem 17. Januar zu gewinnen ist. Das heißt, wir erahnen und wissen, dass die Inzidenz deutlich über 50 ist, aber genau wie hoch sie ist, kann zurzeit nicht abgesehen werden.

Unser Ziel bleibt natürlich weiterhin, unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen zu kommen. Warum? Damit die Nachverfolgung der Infektionsketten wieder möglich ist. Das gewinnt noch einmal an Bedeutung, weil wir aus Großbritannien von einer Mutation des Virus Kenntnis erlangt haben, die sich schneller verbreitet und damit mehr Infektionen pro Kontakt verursacht. Das heißt also, hier müssen wir besonders vorsichtig sein. Daraus entsteht noch einmal eine neue und besondere Lage.

Wir haben gestern unter den Experten stellvertretend für die Universitätsklinika Professor Kroemer, den Chef der Charité hier in Berlin, gehört, der uns noch einmal darauf hingewiesen hat, unter welch hoher Belastung die Intensivstationen in der Bundesrepublik Deutschland jetzt arbeiten. Sie wissen, dass wir immer von einer Verhinderung der Überforderung des Gesundheitswesens ausgegangen sind. An einigen Krankenhäusern sind wir jetzt aber doch sehr stark in Grenzsituationen geraten. Das heißt, auch das hat uns dazu bewogen, heute weitreichende Beschlüsse zu fassen - neben all den Argumenten, die ich eben genannt habe.

Wir wollen die Beschlüsse, die wir im Dezember gefasst haben, bis zum 31. Januar verlängern, und aus den Gründen, die ich eben genannt habe, werden wir die Beschlüsse in einigen Bereichen noch einmal verschärfen müssen. Ein Grund dafür ist, dass die Kontakte noch weiter reduziert werden müssen, weil wir gesehen haben, dass wir die Inzidenz in den letzten Wochen eben nicht so weit senken konnten, wie wir wollten, und weil wir durch das Virus und seine Mutation noch einmal Unsicherheiten haben.

Das heißt, wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger auf, die Kontakte auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken, und wir werden in Erweiterung der bisherigen Beschlüsse private Zusammenkünfte nur im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestatten. Das ist eine deutliche Reduktion gegenüber der jetzt bestehenden Regelung von fünf Personen aus zwei Haushalten. Wir sehen uns zu dieser Rückkehr zu der März-Maßnahme aus den genannten Gründen genötigt und glauben, dass sie richtig ist, auch wenn sie für die Menschen hart ist. Wir wollen, dass niemand alleine ist; deshalb sind Kontakte mit einer nicht im Hausstand lebenden Person, aber ansonsten nur Kontakte innerhalb des Hausstandes gestattet.

Wir werden Betriebskantinen schließen, wo immer die Arbeitsabläufe das zulassen. Die Abgabe von mitnahmefähigen Speisen und Getränken bleibt möglich, aber ein Verzehr vor Ort wird untersagt. Wir appellieren noch einmal an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die großzügigen Homeoffice-Möglichkeiten wieder gelten zu lassen oder neue zu schaffen, um den Grundsatz „Wir bleiben zu Hause“ wirklich umsetzen zu können und auch den öffentlichen Personennahverkehr zu entlasten.

Wir haben uns mit Blick auf die schon früher beschlossene Hotspotstrategie - was passiert in Landkreisen mit über 200 Infektionen? - noch zu einer weiteren möglichen Maßnahme entschieden, nämlich zur Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort herum, sofern kein triftiger Grund vorliegt. Triftige Gründe sind natürlich Arztbesuche oder das Aufsuchen von Arbeitsstätten. Insbesondere haben wir hier im Blick, dass tagestouristische Ausflüge keinen triftigen Grund darstellen. Sie wissen, was in bestimmten Regionen los war, als es jetzt geschneit hatte, und wie viele Kontakte da entstanden sind. Das muss verhindert werden. Einige Bundesländer praktizieren diese 15-Kilometer-Regel schon; das ist also nichts ganz Neues. Es kann aber zu der Hotspotstrategie bei Inzidenzen über 200 hinzutreten.

Wir haben uns noch einmal mit den Pflegeheimen befasst - das ist ja bei Weitem nicht das erste Mal. Eine Testpflicht gibt es bereits; diese gilt schon seit einiger Zeit. Wir haben aber festgestellt, dass diese Testanordnung nicht überall ausreichend durchgeführt wird und dass es notwendig ist, Personalaufstockungen vorzunehmen. Wir sind sehr dankbar, dass auch die Bundesagentur für Arbeit Extrateams mit schulen wird, um wirklich sicherzustellen, dass diese Teststrategie in allen Altenheimen umfassend umgesetzt wird. [Hinweis: Präzisierung auf S. 9] Was die Erstattung der Kosten hierfür anbelangt, so haben wir seit Langem eine großzügige Regelung sowohl für die Erstattung der Testkosten als auch für die Erstattung der Kosten für zusätzliches Personal, das nötig sein wird. Wir haben jetzt außerdem noch einmal deutlich gemacht, dass auch Einrichtungen der Eingliederungshilfe mit dieser Initiative erfasst werden sollen.

Wir sagen auch etwas zu der neuen Mutation des Virus. Hier geht es vor allen Dingen darum, dass die Sequenzierung von Viren in Deutschland verstärkt durchgeführt wird. Dazu wird im Rahmen des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes eine zusätzliche Verordnung erlassen werden.

Wir haben uns sehr lange mit dem Thema Impfen beschäftigt - richtigerweise, denn wir wissen, dass mit den nunmehr verfügbaren Impfstoffen eine Perspektive für eine Normalisierung unseres Alltags und die Rückkehr zu einem Leben ohne pandemiebedingte Einschränkungen besteht. Wir haben in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass Bund und Länder begrüßen, dass es eine gemeinsame Impfstoffbestellung der Europäischen Union gibt und dass das Ziel, den Impfstoff gemeinsam für alle 27 Länder der EU zu sichern, ein richtiges und wichtiges Ziel ist. Es ist im Übrigen auch ein Ziel, das im deutschen Interesse liegt; denn wir sind umgeben von vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wir arbeiten in einem freien Binnenmarkt, wir haben einen Schengen-Raum, in dem freie Bewegung möglich ist, und eine hohe Zahl von Geimpften in Deutschland kombiniert mit vielen in unserer Nachbarschaft, die nicht geimpft sind, würde auch nicht zum Wohle Deutschlands sein. Deshalb wollen wir keine nationalen Alleingänge, sondern glauben, dass der wirkungsvollste Gesundheitsschutz für uns durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen erreicht werden kann.

Wir haben in diesem Zusammenhang noch einmal geklärt - was natürlich für das Terminmanagement für die Länder extrem wichtig ist -, wann man voraussagen kann, welche Lieferung man bekommt. Im Augenblick haben wir nur für den Impfstoff eines Impfstoffherstellers eine Zulassung, nämlich für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Andere werden dazukommen; wir wissen allerdings nicht, wann und wie viele. Wir werden aber sicherstellen, dass dann, wenn Impfstoff da ist, dieser auch wirklich verimpft werden kann. Dazu bedarf es natürlich eines Höchstmaßes an Berechenbarkeit. Den Entscheidungen der Zulassungsbehörden - in diesem Fall der europäischen Zulassungsbehörde - können wir da aber nicht vorgreifen, das ist natürlich klar.

Hier haben sich eine ganze Reihe von Fragen gestellt. Im ersten Quartal werden wir nur priorisierte Gruppen impfen können - das ist aber keine neue Erkenntnis. Im zweiten Quartal werden wir nach menschlichem Ermessen und nach allem, was wir von den Herstellern wissen, bereits deutlich mehr Impfdosen haben. Das wird sich dann im zweiten und auch im dritten Quartal natürlich noch einmal fortsetzen. Insgesamt hat die Europäische Union deutlich mehr Impfstoff bestellt, als notwendig ist, um alle Menschen in der Europäischen Union zu impfen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen. Hier haben wir uns entschieden, dass die von den Ländern ergriffenen Maßnahmen entsprechend dem Beschluss vom 13. Dezember bis Ende Januar verlängert werden. Wir wissen, dass auch das eine harte Entscheidung ist, aber wir halten sie für notwendig. Weil das mit sich bringt, dass Eltern zu Hause auf ihre Kinder aufpassen müssen und sie selber betreuen müssen, wiederholen wir die Regelung, die wir schon für das Jahr 2020 hatten, dass je Elternteil zehn zusätzliche Tage zu den rechtlich schon bestehenden zehn Tagen für die Betreuung von Kindern hinzukommen. Diese Tage kann man normalerweise dann in Anspruch nehmen, wenn die Kinder krank sind. Wir erweitern den Zweck auf Situationen, in denen pandemiebedingt der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt ist. Das heißt, dass diese Tage, die sonst nur für kranke Kinder in Anspruch genommen werden können, auch von Eltern, die aus Gründen eines bedingten Zugangs zu Schulen oder Kindertagesstätten oder wegen geschlossener Schulen ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, in Anspruch genommen werden können, und dass die Anzahl der möglichen Tage verdoppelt wird.

Wir sagen auch etwas zu den finanziellen Kompensationen, die natürlich mit Hochdruck bearbeitet werden, weil wir wissen, was die Ausfälle für geschlossene Geschäfte, Restaurants usw. bedeuten. Hier arbeiten Bund und Länder eng zusammen und versuchen, die Dinge soweit es möglich ist zu beschleunigen.

Wir werden außerdem bei Einreisen aus Risikogebieten eine Doppelteststrategie einführen. Das heißt, man muss bei Einreise einen Test vorweisen, dann aber trotzdem in Quarantäne gehen, und kann sich dann nach dem fünften Tag wieder freitesten lassen, so wie das bis heute auch schon ist. Das ist sehr wichtig. Wir hatten über Weihnachten wieder sehr großen Reiseverkehr, und in diesem Bereich der offenen Grenzen, aber der sehr großen Risikogebiete um uns herum, ist das wichtig, um den Eintrag zu verringern.

Wir werden uns am 25. Januar wieder treffen, um dann zu schauen, wo wir stehen. Die Maßnahmen, die wir heute beschlossen haben, sind einschneidend. Sie sind nicht nur die Fortsetzung dessen, was wir vor Weihnachten getan haben, sondern sie sind angesichts der Lage härter, gerade was Kontaktbeschränkungen anbelangt, und zum Teil auch, was Bewegungsmöglichkeiten in Hotspots anbelangt und was die Schulen und Kitas anbelangt. Die Fortsetzung der Maßnahmen ist natürlich auch eine große Herausforderung für Eltern und für die Kinder, aber wir sehen uns dazu genötigt, um unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich habe immer wieder gesagt: Die Wintermonate sind - das haben uns gestern auch die Experten noch einmal gesagt - die Monate, in denen die Pandemie am stärksten wüten kann. Auch angesichts der Kombination mit dem mutierten Virus, das auch bei uns schon eingetragen wurde, sind diese Maßnahmen absolut notwendig. Deshalb müssen wir zu einem Punkt kommen, an dem wir die Infektionsketten wieder nachvollziehen können; denn ansonsten können wir immer wieder nur nach einer kurzen Lockerung in einen Lockdown zurückgehen. Um das zu verhindern, ist jetzt der Versuch wichtig, wirklich noch einmal deutlich herunterzukommen.

BGM Müller: Das war eine schwere Ministerpräsidentenkonferenz, eine konstruktive, aber eine schwere. Denn ich glaube, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen so ging wie mir: Man ist in der Situation, in der wir uns befinden, doch hin und her gerissen und beschäftigt sich täglich nicht nur mit der Frage, wo wir in diesem Infektionsgeschehen stehen, sondern auch mit der Frage, wie man auch wieder eine Perspektive ermöglichen und die ersten Schritte wieder hin zu einer Normalität gehen kann. Das spielt jeden Tag bundesweit in der Politik eine Rolle, weil wir auch sehen, wie umfassend und wie belastend für viele Menschen diese Einschränkungen sind. Das ist gar keine Frage.

Wir haben viel erreicht, das muss man auch sagen. Von allen wurde auch noch einmal gewürdigt, dass die Maßnahmen, die im November und im Dezember miteinander formuliert wurden, auch entsprechende Erfolge zeitigen und dass wir sehen, dass die Zahlen nach unten gehen. Sie gehen regional unterschiedlich stark nach unten, aber sie bewegen sich in die richtige Richtung.

Man muss aber auch festhalten, dass es noch nicht reicht. Die Bundeskanzlerin hat eben schon darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht nur gestern in der Expertenanhörung, sondern auch durch unser eigenes Erleben, wenn wir die entsprechenden Kliniken besuchen, sehen, wie die Belastung in den Krankenhäusern ist, insbesondere in den intensivmedizinischen Abteilungen, und wie das Personal jeden Tag gefordert ist und tatsächlich an Grenzen kommt, auch an Grenzen der Belastbarkeit.

Insofern war klar, dass wir, obwohl wir schon viele Erfolge sehen und obwohl wir schon sehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, obwohl wir sehen, dass sich viele Zahlen in die richtige Richtung bewegen, doch noch deutlich mehr zu tun haben. Insofern war auch klar, dass es eine Verlängerung der beschlossenen Maßnahmen bis zum 31. Januar geben soll. Das war auch im Kreise der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unstrittig. Unstrittig war auch, dass es zu weiteren Einschränkungen kommt. Sie sind nicht ohne. Man muss das wirklich noch einmal sagen. Wir sehen, dass das, was wir jetzt auch an zusätzlichen Kontaktbeschränkungen beschlossen haben, insbesondere auch die Maßnahmen, die in den Schulen nun weiter umgesetzt werden müssen, weiterhin Belastungen oder sogar zusätzliche Belastungen sind. Aber diese Dinge sind eben nötig, um einen wirklich erfolgreichen Weg im Laufe dieses Jahres gehen zu können.

Gut ist, dass wir jetzt in unserer Strategie eine zweite Säule zur Bekämpfung dieser Pandemie haben. Das ist das Thema des Impfens. Es ist eine zweite Säule neben den Einschränkungen, neben den Maßnahmen, die bisher beschlossen wurden. Diese zweite Säule und die Einschränkungen müssen ineinandergreifen. Das ist ganz klar.

Insofern war es natürlich auch sehr wichtig, heute zu erfahren, wie verlässlich und wie planbar die nächsten Lieferungen mindestens für Januar und Februar sind. Denn das hat ganz praktische Konsequenzen. Wenn wir wissen, wann wir mit welchen Impfstoffmengen rechnen können, dann wissen wir auch, wen wir wann zu den nächsten Impfterminen einladen können. Ganz konkret für Berlin: Wir haben so, wie es bundesweit priorisiert ist, nach den Menschen, die erst in den Pflegeheimen besucht und geimpft werden, die über 90-Jährigen eingeladen. Jetzt gehen gerade die Briefe für die über 80-Jährigen hinaus. Das alles an Briefen und Einladungen, die jetzt zu den nächsten Impfterminen ausgesprochen werden, bewegt sich schon in Größenordnungen von Zehntausenden. Natürlich ist es dann wichtig, den Menschen verlässliche Termine nennen zu können. Insofern war es den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten heute sehr wichtig, Planungssicherheit für die nächsten Monate zu bekommen. Wir wissen auch, dass die Kapazitäten nun mit zusätzlichem Impfstoff anderer Anbieter, der in den nächsten Monaten dazukommen kann, aufwachsen können.

Wir sind in den Ländern also gut vorbereitet. Das ist klar. Seit Mitte des Dezembers sind die Länder mit Impfzentren und mobilen Teams vorbereitet. Wir haben entsprechende Terminvergaben koordiniert. Wenn nun auch die Impfstofflieferungen verstetigt werden, dann haben wir neben unseren Maßnahmen ein weiteres Standbein, eine weitere Säule, um gut auf Corona reagieren zu können.

Es ist auch wichtig, dass wir mit beiden Maßnahmen reagieren. So gut und richtig alle Einschränkungen auch in der Vergangenheit waren - ich sage es noch einmal - und so viel sie auch gebracht haben, so klar ist doch auch - das erleben wir jeden Tag -, dass es temporäre Erfolge sind. Deswegen müssen wir mit dem Impfen einfach eine langfristige Perspektive bekommen, um die Menschen dann auch tatsächlich zu entlasten und wieder Schritte in die Normalität zu ermöglichen. Ich denke, wir haben in diesem Sinne jetzt auch große Schritte nach vorn gemacht.

Ich will abschließend noch einmal sagen, dass ich trotz dieser nach wie vor auch bedrückenden Situation sehe, dass es in diesem Vorgehen ein sehr klares und sehr eindeutiges Commitment der Bundesländer und der Bundesländer mit dem Bund gibt. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Ich glaube, dass sehr wichtig ist, dass zu spüren ist, dass wir diese Krisensituation gemeinsam bewältigen wollen und bewältigen werden. Sie ist auch nur gemeinsam zu bewältigen. Das ist immer wieder deutlich geworden. Uns allen ist klar, dass jetzt auch keine Zeit für Halbherzigkeit ist. Weder bei den beschlossenen Maßnahmen, die jetzt umzusetzen sind, noch im Rahmen unserer Impfstrategie ist jetzt die Zeit für Halbherzigkeit. Wir müssen gerade dann, wenn wir unsere bisherigen Erfolge nicht infrage stellen wollen und nicht wollen, dass sie uns in den nächsten Wochen wegrutschen, diesen Weg auch entschlossen weitergehen, und ich glaube, dass viele Menschen in unserm Land spüren, dass wir jetzt an genau dieser entscheidenden Stelle sind, dass wir in den nächsten Wochen mit diesen Maßnahmen, die jetzt beschlossen wurden, durchhalten müssen, damit wir dann, ergänzend zu den Impfungen, die zu erleben sind, auch wirklich eine Perspektive für die Mitte des Jahres bekommen, um dann wieder mehr Dinge zu ermöglichen, im Bereich der Kultur, des Sports und in vielen anderen Bereichen, die uns in unserem Zusammenleben wichtig sind.

Insofern glaube ich - um daran noch einmal anzuknüpfen -, dass man nach einem schweren Tag und einer schweren Ministerpräsidentenkonferenz doch sagen kann: Es war eine sehr wichtige und sehr erfolgreiche Ministerpräsidentenkonferenz auf unserem Weg, diese Pandemie zu bekämpfen.

MP Söder: Meine sehr verehrten Damen und Herren, war es ein schwerer Tag? - Ich glaube nicht. Aber es ist eine schwierige Situation für unser ganzes Land und für die Menschen, nicht nur für Deutschland, sondern europaweit. Wir spüren immer wieder: Corona kommt immer wieder zurück. Wer auch immer glaubt, dass er Corona besiegt hat, stellt fest, dass er, wenn er ein Stück weit zu schnell und vielleicht zu unvorsichtig oder zu hoffnungsvoll ist, von den Herausforderungen durch Corona eingeholt wird. Deswegen ist heute, glaube ich, ein sehr ehrlicher Tag.

Wir haben gestern eine sehr wichtige und auch sehr nachhaltige Expertenrunde gehört, die uns das noch einmal nachdrücklich vor Augen geführt hat. Das, was wir heute tun, folgt ausschließlich dem wissenschaftlichen Rat, Corona ernst zu nehmen und darauf entsprechend zu reagieren. Zu der Grundkonzeption gibt es auch international keine bessere Alternative. Man sieht es an Schweden: Überall dort, wo man versucht hat, einen anderen Weg zu gehen, wird man dramatisch eingeholt. Deswegen ist die Lage nach wie vor ernst. Es gibt leider keine Möglichkeit zu einer Entwarnung.

Wir haben die Situation, dass die Zahlen nach wie vor sehr hoch sind, obwohl wir in den letzten Tagen weniger Meldungen hatten, weil es weniger Tests gab. Einige Gesundheitsämter haben weniger gemeldet. Deswegen ist die Dunkelziffer wahrscheinlich relativ hoch. Das hat uns auch das RKI gesagt.

Die Herausforderung, die wir aus Weihnachten, Silvester und durch die Reiserückkehrer haben, ist in den Zahlen bislang noch nicht abgebildet. Das heißt, dass wir davon ausgehen müssen, dass die Zahlen wachsen.

Seien wir bitte ehrlich: Vielen von uns haben im Rahmen der ersten Welle relativ wenige Fälle im persönlichen Umfeld erlebt. Aber es geht doch fast jedem von uns so, dass er Fälle im nahen, im beruflichen Umfeld, im privaten Bekanntenkreis erlebt, und zwar häufig eben auch mit den schlimmsten Folgen, nämlich mit dem Tod eines lieben Familienmitglieds. - Deswegen glaube ich einfach, dass es falsch wäre, jetzt frühzeitig abzubrechen.

Hinzu kommt die wirklich große Sorge um ein mutiertes Virus. Wenn es stimmt, dass sich mutierte Viren, also die aggressiveren Viren, in der Regel gegen die bisherigen Viren durchsetzen, dann könnte uns noch einiges bevorstehen. Das Beispiel Großbritanniens zeigt, dass wir das auf keinen Fall unterschätzen dürfen. Wenn wir diese Risiken einander gegenüberstellen, zum einen die Dunkelziffer, weil wir nicht genau wissen, was sich insbesondere aus dem Reiseverkehr ergeben hat, und zum anderen die Feststellung, dass sich möglicherweise ein neues, mutiertes Virus unterwegs befindet, dann stellt sich die Frage, wie wir darauf reagieren. Ich glaube, das war vielleicht die schwerere Entscheidung, aber auch die Klarheit, die dahintersteht: Wir machen da keine Experimente; wir setzen auf Sicherheit. - Das ist ganz entscheidend. Je weniger intensiv wir einen Lockdown machen, desto länger wird er dauern, und zwar mit der Gefahr einer geringeren Wirkung. Je intensiver wir es machen, desto besser und nachhaltiger könnte die Wirkung am Ende sein. Das ist letztlich das Motiv, das hinter allen Entscheidungen steht, die wir heute getroffen haben.

Deswegen, im Grunde genommen, die Zweiteilung: Der Lockdown wird verlängert, klar, und er wird an einigen Stellen vertieft. Die Fragen bezüglich des Kontaktradius und der Kontaktpersonen handeln die zwei zentralen Elemente ab, die wir haben, nämlich auf der einen Seite die Mobilität und auf der anderen Seite die Kontakte, die da sind. Das sind die zwei zentralen Parameter, an denen sich entscheidet, wie stark oder wie abgeschwächt sich Corona verbreiten kann. Wie viele Kontakte hat der Einzelne, und wie verhält es sich mit der Mobilität?

Insofern ist das keine Drangsalierung, und es ist nicht überzogen, sondern wir wissen, dass das alles für die Menschen unglaublich schwer ist und dass es die Menschen nervt. Ich sage es auch persönlich. Es nervt jeden Einzelnen, auch uns. Es macht keinen Spaß, immer wieder sozusagen im Coronadauermodus zu sein. Aber wir müssen in der Verantwortung nicht das Bequemste tun, sondern das Entscheidende, von dem wir überzeugt sind.

Deswegen: Weiterhin Kontakte reduzieren! Deswegen: Weiterhin Mobilität reduzieren!

In dem Zusammenhang sind leider auch Schule und Kita zu sehen. Das ist eine der schweren Entscheidungen, weil wir wissen, wie wichtig die Betreuung für Eltern ist, wie wichtig für Kinder Unterricht ist, die Lebendigkeit, das Treffen von Freunden, aber auch Bildung, und wie wichtig die Bildungsabschlüsse in unserm Land sind. Trotzdem glaube ich, dass es entscheidend ist, dass wir die Beschlüsse vom Dezember fortsetzen und dabei auch sehr klar machen - das haben wir ja erlebt -, dass auch Schule und Kita ein Teil der Verbreitung sein kann. Aus anderen Ländern, aus Österreich, aus Dänemark, aus Großbritannien, bekommen wir Berichte, dass vielleicht gerade Schule und Kita eine zentrale Rolle für die Verbreitung des neuen Virus spielen könnten. Deswegen ist es auch da aus meiner Sicht klar.

Die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer steht jedenfalls als erster Punkt da, den es zu berücksichtigen gilt. Deswegen werden wir auch in Bayern, wenn ich das sagen darf, die Maßnahmen verlängern. Das heißt für uns: Keine Präsenz in Schule und Kita, dafür Distanzunterricht und entsprechende Notbetreuung! Beides ist an dieser Stelle entscheidend, Distanzunterricht und Notbetreuung als entsprechender Ersatz.

Ein ganz wichtiges Signal vonseiten des Bundes ist es heute, dass es die Möglichkeit gibt, dann, wenn Eltern in der Betreuung erhebliche Probleme haben und es nicht gelingt, das allein über die Notbetreuung abzudecken, weitere Krankheitstage einzureichen, und zwar bei vollem Lohnausgleich. Das ist ein ganz starkes und wichtiges Angebot. Das heißt, dass alle Eltern, die keine Notbetreuung finden und die keine andere Möglichkeit zur Betreuung ihrer Kinder haben, dann das Angebot haben, bei finanziellem Ausgleich selbst zu Hause zu bleiben. Das ist vonseiten des Bundes eine wichtige Zusage, die die Situation erleichtert. Wir bitten da wirklich einfach um Verständnis.

Noch einen Satz zum Impfen: Ich finde, auch dabei müssen wir einfach miteinander ehrlich sein. Impfen bedeutet Hoffnung, aber wir dürfen keine falsche Hoffnung haben. Es ist vielleicht zu Beginn der Impfaktion von dem einen oder anderen zu viel Euphorie versprüht worden.

Impfen ist in der Kürze der Zeit eine sensationelle Möglichkeit. Ich glaube, es ist auch genügend Impfstoff bestellt worden. Ich glaube, dass der europäische Weg viele Vorteile hat. Er ist - das haben wir heute gesagt - richtig. Es ist aber auch nicht verkehrt, sich um das eigene Land zu kümmern. Dass wir uns sorgen, was in Deutschland und auch im europäischen Verbund passiert, ist heute noch einmal sehr klar geworden. Deshalb fand ich es heute sehr gut, dass sich die Kanzlerin selbst mit diesem Thema so beschäftigt hat und es zur Chefsache gemacht hat, um diesbezüglich einfach voranzukommen. Aber wir versprechen jetzt nicht, dass es zu einem bestimmten Stichtag eine bestimmte Anzahl von Impfdosen gibt. Die Wahrheit ist: Das liegt natürlich in der Hand der Hersteller, die den Impfstoff entsprechend produzieren. Aber mein Eindruck ist, dass wir heute in der Debatte ein großes Stück vorangekommen sind.

Letzter Punkt: Ist damit am 1. Februar alles wieder gut? Ist damit alles vorbei? Ich rate uns dringend, keine falschen Hoffnungen zu wecken oder Versprechen zu machen. Wir hoffen, dass wir die Situation wieder deutlich verbessern können und dass wir so gut wie möglich an einen Inzidenzwert von 50 oder vielleicht unter 50 herankommen. Die Wahrheit ist, dass man in Ländern wie Frankreich und Spanien mit viel härteren Maßnahmen eine Reduktion erreicht hat, aber nicht so weit, wie das nötig war. Deswegen befürchte ich, dass wir in den nächsten Monaten irgendwie mit diesem Virus weiter klug umgehen, leben und einen Weg finden müssen, es zu überwinden.

Ich bin fest davon überzeugt: Im Laufe des Jahres werden wir Corona mit Impfungen und anderen Möglichkeiten überwinden können. Davon bin ich fest überzeugt. Aber was wir jetzt brauchen ist einfach nach wie vor die Geduld, die Rücksicht und das Verständnis. Ich bitte darum noch einmal ausdrücklich und bedanke mich sehr bei den unzähligen Menschen, die das machen. Einige machen nicht so mit. Für diese gibt es noch einige zusätzliche Regeln. Das sollen aber diejenigen, die bislang gut mitgemacht haben, nicht als Bestrafung empfinden, sondern eigentlich nur als Ausgleich, weil wir die Vernünftigen ein Stück weit vor den Unvernünftigen schützen wollen.

Insofern ist der heutige Tag wieder ein wichtiger Meilenstein. Er ist aber sicher nicht der letzte in der gesamten Corona-Chronik, die uns dieses Jahr noch beschäftigen wird.

Frage: Ich wollte nach der Mutation des Virus fragen. Herr Ministerpräsident Söder, Sie haben gerade gesagt: Wenn das in Deutschland ankommt, haben wir noch eine ganz andere Situation. Ich würde gerne Sie, Frau Bundeskanzlerin, und auch die beiden Ministerpräsidenten fragen, was das für eine Situation wäre. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass dieser Kelch an Deutschland überhaupt vorübergeht?

BK’in Merkel: Na ja, das ist in gewisser Weise ein Wettlauf mit der Zeit. Wir haben gestern insbesondere von Prof. Drosten einige Aussagen gehört. Es gibt keine abschließende Klarheit über die Wirkung dieses Virus in seiner mutierten Form. Man hat aber in England gesehen, dass es in den vergangenen Wochen oder Monaten - dieses Virus ist wahrscheinlich schon seit September in England unterwegs - doch alle anderen Virensorten sehr verdrängt hat.

Klar ist: Je weniger Fallzahlen wir haben, umso besser können wir nachverfolgen und umso weniger hat das neu mutierte Virus eine Chance, sich auszubreiten. Deshalb ist es nicht ein neuer Grund, aber ein Grund mehr, dass die Inzidenzzahlen sinken sollten.

Alles, was wir wissen, ist, dass der Krankheitsverlauf nicht schwieriger ist, dass aber die Verbreitungsgeschwindigkeit erhöht ist, also die Frage, bei wie viel Kontakten das Virus eine Chance hat, sozusagen zu einem anderen Menschen zu gelangen. Um wie viel, das steht, wie gesagt, noch nicht ganz klar fest. Wir müssen ja vorsorglich agieren. Wir haben in Deutschland einzelne Fälle nachgewiesen, was ja bekannt ist und worüber in der Presse berichtet worden ist. Wie weit es sich ansonsten verbreitet hat, wissen wir noch nicht. Deshalb unternehmen wir auch diese Anstrengung, stärker zu sequenzieren, also die Genome stärker zu analysieren, als wir das bisher in Deutschland gemacht haben. Es ist sowieso richtig und gut, das zu tun.

Ich will noch eine Präzisierung in Bezug auf das vornehmen, was ich bezüglich der Altenheime und der Teams gesagt habe, die wir da zusammenstellen: Die Bundesagentur für Arbeit wird die Vermittlung von Personal unterstützen. Die Schulungen werden von den Hilfsorganisationen unternommen. Die kommunalen Spitzenverbände werden koordinieren. Ich sage das, damit sich morgen bei der Bundesagentur für Arbeit nicht eine Flut von Interessenten für Schulungen meldet. Das machen die Hilfsorganisationen.

BGM Müller: Um es noch einmal zu sagen: Wir wissen noch zu wenig über die Mutation, um schon sagen zu können, wie man konkret darauf reagieren soll. Wir wissen, dass es da ist. Wir wissen, dass es auch bei uns angekommen ist. Wir wissen nicht, in welchem Umfang. Wir wissen nicht, was es ganz konkret an weiteren Krankheitsverläufen auslöst und wie man konkret darauf reagieren soll. Das ist in der Expertenanhörung gestern ganz deutlich geworden. Es ist aber völlig unstrittig, dass es weitere Erkrankungen auslöst. Jede weitere Erkrankung kann potentiell eine schwere Erkrankung und damit eine zusätzliche Belastung sein. Das ist ganz eindeutig. Insofern müssen wir alles tun, um das möglichst zu vermeiden.

Um das an dieser Stelle auch einmal ganz klar zu sagen, weil das immer mitschwingt: Auch ein kompletter Lockdown, also die Frage, ob man alles richtig schließen muss, damit möglichst niemand mit diesem Gefahrenpotential zu uns kommt, ist kein Königsweg. Das spielt in dem Zusammenhang und auch in vielen anderen Diskussionen eine Rolle. Wir haben Beispiele dafür; wir haben sie in Europa. Wir sehen jetzt gerade in Asien, dass dort Länder, die sich vielleicht viel einfacher in ihrer Situation isolieren können, als wir das in Deutschland können, erhebliche Rückschläge haben. Es gibt bei dieser Pandemiebekämpfung nicht den einen Königsweg. Das ist schlichtweg ausgeschlossen.

Ich weiß, dass viele das so nicht hören wollen: Aus diesem Grunde bin ich sehr davon überzeugt, wie wir in den letzten Monaten gemeinsam mit der Situation umgegangen und vorgegangen sind. Wir haben immer sehr genau geguckt, wie die Situation ist und haben abgewogen, was der richtige Schritt ist. Je nachdem, wie die Situation war, haben wir Dinge ermöglicht oder auch Dinge eingeschränkt. Wir sind damit nicht schlecht gefahren. Wir sind nicht schlechter gefahren als europäische Nachbarländer oder auch im internationalen Vergleich.

Ich glaube, dass der richtige und zum Schluss auch wirklich erfolgversprechende Weg ist, dass wir jetzt wiederum neben den Maßnahmen mit dieser zweiten Möglichkeit des Impfens noch einmal zusätzlich reagieren können und dass wir es wieder sehr abgewogen und besonnen tun, dass wir also priorisieren und nacheinander die entsprechend gefährdeten Gruppen einladen. Einen einfachen Weg, einen Königsweg, gibt es bei dieser Pandemiebekämpfung nicht.

MP Söder: Ich möchte noch einen Satz zu dem sagen, was uns Virologen sagen: In der Virologie könnte es sein, dass sich mutierende Viren, die sich schneller verbreiten, am Ende durchsetzen werden. Wenn wir sehen, was um uns herum in einigen Ländern passiert, ist es sehr optimistisch, zu glauben, dass es in stärkerem Umfang bei uns nicht auch auftreten könnte. Insofern ist Vorsicht einfach der beste Weg. Es ist nicht ganz klar, wie das weitergehen wird. Deswegen ist dies heute einfach eine Entscheidungsgrundlage dafür, dies sehr ernst zu nehmen.

Die Lage ist jetzt nicht so, dass wir sagen „Wir verlängern einfach, weil die Zahlen jetzt zu hoch sind“, sondern es kommt noch eine neue Sorge dazu, die nicht hundertprozentig klar einschätzbar ist. Aufgrund dieser unterschiedlichen Entscheidungserwägungen ist einfach eine vorsichtige Strategie in jedem Fall die bessere.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, würden Sie bitte, weil viele die Einschränkung der Bewegungsfreiheit interessiert, erläutern, was genau unter „Wohnort“ zu verstehen ist. Die Straße, die Wohnadresse oder die Stadt oder Gemeinde? Warum ist man ausgerechnet auf 15 Kilometer gekommen?

Wenn Sie erlauben, noch eine Frage an den Ministerpräsidenten Söder. Nachdem im Zusammenhang mit dem Impfen heftig kritisiert wird, dass es ein Durcheinander bei den Einladungen gibt, warum hat man sich heute unter den Ländern nicht darauf verständigt, gemeinsam zu sagen „Wir laden jetzt alle über 70- oder über 80-Jährige schriftlich ein und jagen sie nicht ins Internet“? - Vielen Dank.

BK’in Merkel: Wohnort ist der Wohnort. Wir haben das ausführlich diskutiert, weil das in Sachsen mit der Bezeichnung „Wohnbereich“ - oder wie es dort benannt wurde - geregelt ist. Aber für eine Stadt wie Berlin macht es, glaube ich, keinen Sinn, abzuzirkeln, ob man noch von Mitte bis Spandau oder nur bis kurz vorher darf. Das heißt, der Wohnort ist in diesem Zusammenhang als Wohnort gemeint.

Was die 15 Kilometer angeht, haben wir einfach Anleihe bei dem genommen, was die Sachsen und Thüringer schon vereinzelt praktizieren. Es geht im Kern darum, dass keine touristischen Tages- und Freizeitreisen in potenziell besonders attraktive Gebiete unternommen werden, die dann zu großen Menschenansammlungen führen, obwohl gar keine Verabredung stattgefunden hat. Das ist der Hintergrund. Das werden die Länder in der jeweiligen Situation sehr verantwortungsvoll entscheiden.

Zuruf: Wohnort heißt also Stadt und nicht Wohnadresse, oder habe ich das falsch verstanden?

BK’in Merkel: Ja. Ich habe es doch gesagt: Wenn Sie in Mitte wohnen, ist der Wohnort Berlin. Wir fangen nicht an, innerhalb von Berlin den Weg von Mitte nach Spandau oder Marzahn abzumessen und dann kurz vor der Stadtbezirksgrenze - - - Das halten wir nicht für praktikabel. Deshalb ist zum Beispiel Pars pro Toto die Bewegung innerhalb von Berlin erlaubt.

BGM Müller: Was die 15 Kilometer angeht, haben wir uns, wie gesagt, an Sachsen und Thüringen und den Erfahrungen dort orientiert. Wir gehen einfach davon aus - so wird uns das auch von dort bestätigt -, dass man innerhalb dieses Radius das, was man für den täglichen Bedarf erledigen muss, auch erledigen kann - ob es der Arztbesuch oder die Einkäufe sind, die für den täglichen Bedarf wichtig sind - und dass sich das entsprechende private Umfeld in diesem Radius bewegt. Insofern haben wir tatsächlich von den Erfahrungen aus Sachsen und Thüringen gelernt.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben uns deshalb nicht auf ein einheitliches Einladungssystem verständigt, weil die Länder jetzt schon mit ihren Systemen arbeiten. Wir in Berlin arbeiten so, wie Sie es angesprochen haben, nämlich mit diesem schriftlichen Einladungssystem. Die Menschen werden Gruppe für Gruppe eingeladen und können dann die Termine verabreden. Andere haben schon die entsprechenden Plattformen im Internet dafür freigeschaltet und vergeben Termine. Dass wieder in die eine oder andere Richtung umzustellen, erschien uns einfach nicht klug.

MP Söder: Ich kann das nur ergänzen. Es gibt unterschiedliche Strukturen. Wir in Bayern haben fast 100 Impfzentren, also 99. Andere Länder haben weniger Impfzentren und machen das zentraler. Bei uns wird das über die Kommunen organisiert. Wir stehen auch mit dem, was gerade verimpft wird, sehr gut da. Da wird es auch so gemacht. Da werden auch Briefe herausgeschickt. Aber die kommunale Struktur, die föderale Struktur, hilft da eher, weil es ja für den Einzelnen wichtig ist, was er vor Ort erfährt, und nicht, was jetzt ein rein bundesweites Verfahren ist. Das, glaube ich, läuft jetzt ganz gut.

Das Problem beim Impfen ist meiner Meinung nach nicht die Frage, wie die Infrastruktur ist, sondern eben einfach die Frage, wann der nächste Impfstoff kommt. Das haben wir heute ja besprochen. Dann kann das auch verimpft werden.

Was mir ehrlich gesagt noch ein bisschen Gedanken macht, ist dieses Thema der Impfbereitschaft. Wir sind ja jetzt dabei, auch in den Pflegeheimen zu impfen, und es ist nicht so, dass die Impfquote dort extrem hoch ist. Die Rückmeldung, die ich bei uns in Bayern erhalten habe, ist, dass es sehr differenzierte Ergebnisse gibt, sowohl hinsichtlich der Bewohner, die dort sind, als auch hinsichtlich der Pflegekräfte. Insofern werden wir auch noch einmal nicht nur für mehr Impfstoff trommeln müssen, sondern auch für die Bereitschaft, diesen Impfstoff dann auch abzunehmen. Das wird auch noch spannende Debatten geben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, im Beschluss steht ja jetzt wieder ein Appell an die Arbeitgeber, auf mobiles Arbeiten zu setzen. Was macht es denn so schwer, sich in der Runde darauf zu einigen, dass Menschen, die mobil arbeiten können, es dann auch grundsätzlich tun und vielleicht begründen müssen, warum sie es nicht tun?

BK’in Merkel: Na ja, wir wollen für diese beschränkte Zeit jetzt nicht einen riesigen neuen Verfahrensweg einführen, sondern wir setzen hier wirklich auf die Bereitschaft vieler - die gibt es ja auch -, Homeoffice zu ermöglichen, wo immer es möglich ist. Zu der Umkehrung haben wir uns noch nicht entschieden, weil wir auch viele gute Beispiele dafür sehen, dass Unternehmen, Betriebe und Behörden - ich weiß das ja von uns selbst - Homeoffice breitflächig anbieten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, eben wurde gewarnt, dass keine falschen Erwartungen oder Hoffnungen geweckt werden dürften. Wie ist es mit der Produktion, was die Impfkapazitäten angeht? In dem Beschluss steht jetzt, dass sich der Bund noch einmal mit den Herstellern zusammensetzen wird. Wie will er denn erreichen, dass die Produktion wirklich ausgebaut wird? Wird das auch mithilfe von staatlichen Mitteln passieren, wie es ja bei der Maskenproduktion oder anderen Dingen der Fall war?

Herr Söder, erlauben Sie eine kurze Nachfrage zu dem, was Sie vorhin zu der Mutation gesagt haben? – Heißt das nicht auch, dass man in den Grenzgebieten ganz anders vorgehen muss, weil wir ja in der zweiten Welle gesehen haben, dass die Grenzgebiete vor allem Sachsen und Bayern stark betroffen waren, in denen die Infektionszahlen stiegen und sich Infektionen dann weiter ausgebreitet haben?

BK’in Merkel: Zu den Erwartungen, was das Impfen angeht, will ich noch einmal Folgendes sagen: Es ist ja wirklich eine sehr, sehr gute Nachricht, dass wir weniger als ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie bei uns bereits einen Impfstoff zugelassen haben - das hat es in dieser Geschwindigkeit überhaupt noch nicht gegeben - und dass zwei Tage nach der Zulassung oder, besser gesagt, vier Tage nach der Zulassung - dazwischen lagen noch zwei Weihnachtsfeiertage - bereits die ersten Impfungen stattfinden konnten. Das heißt, dass schon produziertes Material da war. Das alles ist nur mit einem völlig neuen Ablauf von Genehmigungsverfahren und Ähnlichem gegangen.

Vielleicht ist dadurch manchmal die Erwartung geweckt worden, es sei schon so viel Impfstoff da, wie wir jetzt brauchen, und es sei nur noch die Frage offen, wie viel davon wir verimpfen können. Das ist im Augenblick und im ersten Quartal noch nicht so. Das wird sich im zweiten Quartal ändern, wenn die Genehmigungen auch so erteilt werden, wie wir das jetzt voraussehen. Wir stecken nicht in den Herstellern; das ist ja klar. Wir wissen zum Beispiel nicht, wann AstraZeneca die Genehmigung der europäischen Behörde bekommen wird, wann CureVac so weit sein wird und wann Johnson & Johnson so weit sein wird. Man kann nur sehen, dass die Studien schon relativ weit fortgeschritten sind und dass es Aussichten darauf gibt, dass wir dann im zweiten Quartal auch sehr viel mehr Impfstoff als im ersten Quartal zur Verfügung haben werden.

Zu der Frage, wie wir das unterstützen können, haben die Hersteller und insbesondere auch Herr Şahin ja immer wieder darauf hingewiesen, dass das keine einfache Produktion ist. Dazu braucht man Reinräume. Dazu braucht man Anlagen, die sozusagen schon auf bestimmte Impfstoffe geeicht sind. Die müssen umgebaut werden. Da ist es ein glücklicher Zufall, dass wir so eine Anlage in Marburg haben, wo die Genehmigungen auch weit fortgeschritten sind und wo es eine berechtigte Hoffnung gibt, dass die Produktion dann auch bereits Ende Februar oder im März starten kann. Das würde die Möglichkeiten für BioNTech/Pfizer, zu produzieren, noch einmal sehr stark erhöhen. Wir wollen seitens der Bundesregierung mit den Herstellern besprechen, ob sie noch andere Orte sehen, an denen dies auch möglich sein würde, was wir natürlich von Länderseite und von Bundesseite mit aller Kraft unterstützen würden.

Ich glaube, die Frage der Finanzen ist für die, die jetzt einen Impfstoff haben, im Augenblick nicht die Kernfrage, weil man damit ja sozusagen davon ausgehen kann, dass ein Geschäftsmodell erfolgreich ist. Sollten aber Darlehen oder Überbrückungsfinanzierungen notwendig sein - wir haben BioNTech geholfen, wir haben CureVac geholfen, und die EU hat geholfen -, wird das nicht das Thema sein. Daran soll und wird das also nicht scheitern. Das ist trotzdem eine andere Ausgangslage als bei der Maskenproduktion, bei der wir ja sozusagen lernen müssen, etwas herzustellen. Hier haben Menschen und Unternehmen durch jahre- und jahrzehntelange Forschung glücklicherweise schon die Vorarbeiten geleistet. Insofern werden wir die Lage beobachten. Es soll jedenfalls an keinerlei staatlicher Aktivität scheitern, dass schnell weiterer Impfstoff produziert werden kann.

MP Söder: Zwei Bemerkungen, die eine nur eine Ergänzung, weil ich habe gesagt habe, es gibt einen vollen Ausgleich: Es geht um das Kinderkrankengeld, das verlängert wird. Das sind die Maßnahmen des Bundes. Deswegen wollte ich darauf noch einmal hinweisen - das sind dann, glaube ich, 70 Prozent -, damit das dann klar ist und es da keinen falschen Zungenschlag gibt.

Das Zweite: Die Grenze macht uns große Sorgen. Wir haben von bayerischer Seite aus wie einige andere Grenzländer eigentlich seit längerer Zeit auf das Problem hingewiesen. Es steht jetzt hierzu im Beschluss, dass eine Testpflicht kommen soll. Das ist gut und hilft auch. Aber theoretisch hätte man das schon eher machen können, weil gerade im Moment bereits sehr viele auf der Rückreise sind. Wir haben das in Bayern gemacht. Es gibt eine doppelte Testpflicht, nämlich bei der Einreise und dann unmittelbar danach, weil das natürlich ein großes Risiko ist. Wir haben viele großartige Menschen, die bei uns leben und arbeiten, Familienheimkehrer, die jetzt zurückkommen, und zwar aus Ländern, in denen man, sagen wir einmal, nicht so strenge Coronaregeln hat und lebt wie bei uns. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir möglicherweise noch eine Herausforderung bekommen werden, relativ hoch. Das hat es übrigens auch schon nach dem Sommer gegeben. Das war genau die gleiche Herausforderung. Deswegen ist es gut, dass das jetzt auf Bundesebene vereinbart wurde.

Wir haben das in Bayern schon vorher gemacht. Wir haben in den letzten Tagen über das bayerische Innenministerium, die bayerische Grenzpolizei und übrigens mit großartiger Unterstützung der Bundespolizei allein 1300 Fälle entdeckt, in denen es dann eine Überweisung an die Gesundheitsbehörden gab und es eine Nachverfolgung geben muss. Das heißt, das Thema ist hoch virulent. Insofern ist es gut, dass wir jetzt gemeinschaftlich entsprechende Maßnahmen treffen. Wie gesagt: Das hätte man vielleicht auch ein paar Tage eher machen können. Aber es ist gut, dass wir das jetzt beschlossen haben.

BK’in Merkel: Die Bundespolizei - das schreiben wir auch in dem Beschluss noch einmal ausdrücklich - wird auch verstärkt auf den Routen kontrollieren, auf denen das notwendig ist.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, es gab in den letzten Tagen Berichte, wonach Sie Ihren Gesundheitsminister gedrängt haben sollen, die Verantwortung für die Impfstoffbeschaffung an die EU-Kommission zu übertragen. Das hatten Sie auch eben noch einmal betont. Als Beleg wurde heute ein entsprechender Brief in diesem Medium abgedruckt. Genießt Herr Spahn noch Ihr volles Vertrauen als Minister, oder ist die Tatsache, dass Sie die Impfstoffbeschaffung zur Chefsache machen wollen, ein Beweis Ihres Misstrauens?

BK’in Merkel: Nein. Es ist so gewesen, dass wir in einem ständigen und sehr intensiven Austausch standen. Ich habe sehr begrüßt, dass Jens Spahn mit Blick auf die deutsche Ratspräsidentschaft dann auch mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden dafür gesorgt hat, dass sich vier europäische Länder, die auch selber Hersteller oder produzierende Werke haben, zusammengeschlossen und gesagt haben: Es hat keinen Sinn, wenn wir alle einzeln mit den Herstellern verhandeln, sondern wir wollen das gemeinsam tun. – Das ist dann im Gesundheitsministerrat diskutiert worden, und es hat sich gezeigt, dass alle Mitgliedstaaten daran Interesse hatten. Da lag es nahe, das dann in die Verantwortung der Kommission zu legen, zumal die auch eine ganze Reihe von finanziellen Mitteln zur Verfügung hatte, um diese APAs, also diese Advance Purchase Agreements, mit den Herstellern zu verhandeln.

Das ist ein Prozess gewesen, den ich positiv begleitet habe. Ich habe den Bundesgesundheitsminister hierbei in jeder Phase unterstützt und finde das Vorgehen sehr richtig. Ohne die Hilfe auch aus den Nationalstaaten hätte vielleicht die Kommission nicht so gut verhandeln können, und ohne die Kommission hätten die Nationalstaaten alleine nicht so gut verhandeln können. Ich glaube, das ist ein Prozess gewesen, der unter dem Strich richtig war.

Natürlich kann die Kommission in diesem Zusammenhang auch immer nur das verhandeln, was von den Mitgliedstaaten gewünscht wird. Die Kommission hat sich darauf ausgerichtet, wie dies auch die deutsche Position war, mit allen voraussichtlichen Herstellern Gespräche zu führen und auch entsprechende Abkommen abzuschließen. Dann gab es aber auch durchaus unterschiedliche Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten, wenn es darum ging, wie man Impfstoffe bestellen wollte und welchen man den Vorrang gegeben hat. Sie werden sich erinnern, dass es einmal eine Zeit gab, in der es so aussah, als ob der Impfstoff von AstraZeneca derjenige ist, der die erste Zulassung erhalten wird. Das hat sich dann nicht bewahrheitet. Deutschland beziehungsweise die Bundesregierung haben dann immer die Position eingenommen, und auch das habe ich beim Bundesgesundheitsminister sehr unterstützt: Wenn nicht alle Länder ihren Anteil einer bestimmten Summe haben wollten, der ihnen per Bevölkerung zusteht, dann übernehmen wir für Deutschland den Rest. - Es hat sich dann gerade hinsichtlich des Herstellers BioNTech/Pfizer, der in der Europäischen Union zuerst gar nicht so umworben war, herausgestellt, dass in dem Moment, als die Daten so sehr gut waren, natürlich mehr Mitgliedstaaten gesagt haben: Okay, dann beteiligen wir uns auch. - Das hat dann dazu geführt, dass wir etwas weniger Dosen bekommen haben, nämlich nur das, was uns zusteht.

Das ist, glaube ich, ein Vorgang gewesen, der absolut richtig war und der ohne Jens Spahn so gar nicht stattgefunden hätte. Aber auch die Kommission hat sich hierbei sehr ins Zeug gelegt. Insofern stellt sich schon die Frage überhaupt gar nicht, sondern Jens Spahn hat in den gesamten Tagen einen prima Job gemacht, und dies sozusagen auf verschiedensten Gebieten. Es geht ja hierbei um das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz, um Gespräche mit den Herstellerfirmen und um viele rechtliche Fragen. Es gibt heute die Frage von fünf oder sechs Dosen und die Frage, wie es mit dem BioNTech-Impfstoff ist, und ich kann nur froh sein, dass der Gesundheitsminister so aktiv ist.

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