Im Wortlaut
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)
9 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Freitag, 17. Mai 2024
BK Scholz: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Maia Sandu, ganz herzlich willkommen einmal wieder hier in Deutschland! Ich freue mich, dass wir die Gelegenheit haben, wieder miteinander zu sprechen.
Deutschland und die Republik Moldau haben enge und vertrauensvolle Beziehungen. Es ist mir ganz wichtig, das heute auch hier noch einmal ganz deutlich zu sagen. Es freut mich, wie gut sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern auch in den letzten Jahren entwickelt haben. Das zeigen die vielen bilateralen Besuche und die international zahlreichen neuen Kooperationsvereinbarungen, die unlängst geschlossen worden sind, etwa im Rahmen der agrarapolitischen Gespräche oder für einen verstärkten wirtschaftlichen Austausch. Ich finde, auch für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Moldau besteht unverändert großes Potenzial.
Die Republik Moldau leidet massiv unter dem russischen Überfall auf die Ukraine und dessen Folgen. Das ist uns nur allzu gut bewusst und hat natürlich ökonomische, aber auch viele sicherheitsbezogene Konsequenzen. Wir wissen auch um die Versuche Russlands, über prorussische Akteure in Ihrem Land eine Destabilisierung Moldaus zu erreichen. Frau Präsidentin, Moldau hat aber immer wieder auf bewundernswerte Art und Weise seine Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt. Lassen Sie mich klar sagen: Deutschland steht weiterhin eng an Ihrer Seite. Wir werden die Republik Moldau nach Kräften unterstützen.
Liebe Maia Sandu, seit Beginn Ihrer Amtszeit vor vier Jahren haben Sie Enormes geleistet. Mit Mut, mit Geschick und mit Herz haben Sie die Republik Moldau sicher durch diese schwierige Zeit gesteuert. Ihr Land hat seine Türen für ukrainische Kriegsflüchtlinge weit geöffnet und vielen Schutz geboten. Sie haben einen Antrag auf Aufnahme in die Europäische Union gestellt und sind intensiv dabei, die Beitrittsverhandlungen voranzutreiben. Mit einem, wie ich sagen will, sehr ambitionierten Reformprogramm modernisieren Sie Ihr Land und stellen es so auf die Herausforderungen der Zukunft ein. Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, in einem so schwierigen Umfeld einen besonderen Reformwillen auf dem Weg zur Europäischen Union zu zeigen. Für all das gebührt Ihnen großer Respekt und Dank. Was die Republik Moldau und ihre Bürgerinnen und Bürger dabei leisten, ist wirklich beeindruckend. Liebe Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen versichern: Die EU-Erweiterung liegt im strategischen Interesse der ganzen Union, von Deutschland und von Moldau. Wir unterstützen Sie gerne auf diesem Weg.
Natürlich freue ich mich auch auf die weitere Zusammenarbeit und insbesondere darauf, diesen Sommer abermals Ihre Hauptstadt Chișinău zu besuchen.
Schönen Dank!
P’in Sandu: Herr Bundeskanzler, herzlichen Dank für das herzliche Willkommen, das Sie mir hier in Berlin gewähren! Es ist eine Ehre, Seite an Seite mit Deutschland zu stehen, einem Schlüsselpartner auf Moldaus Weg zu Stabilität, Demokratie und Wohlstand.
Ich möchte zunächst einmal Ihnen, Herr Bundeskanzler, und dem deutschen Volk sehr herzlich danken für Ihre breite und starke Unterstützung für unseren Nachbarn, die Ukraine. Russland hat in der Region Charkiw letzte Woche eine neue Front eröffnet. Das erinnert uns noch einmal an die schwerwiegenden Bedrohungen, denen sich Europa gegenübersieht ein Europa, das sich dem Frieden und demokratischen Werten verschrieben hat. Die Unterstützung der Ukraine bedeutet nicht nur, Solidarität zu zeigen, sondern sie bedeutet auch die Verteidigung unserer Prinzipien der gemeinsamen Sicherheit und gemeinsamen Freiheit. Indem Sie die Ukraine unterstützen, unterstützen sie auch Moldau. Mein Land wäre heute nicht sicher, wenn sich die Ukraine nicht so widersetzen würde.
Gleichzeitig stärkt die Unterstützung Moldaus auch die Ukraine. Ein demokratisches, stabiles Moldau agiert als starker Nachbar für die Ukraine, mit der wir eine 1200 Kilometer lange Grenze teilen, und auch als wachsender Sicherheitspartner an der Ostgrenze der EU. Ich bin sehr dankbar für die andauernde deutsche Unterstützung gerade in diesen schwierigen Zeiten.
Die Moldova Support Plattform, die Unterstützungsplattform für Moldau, ist ein hervorragendes Beispiel für diese Zusammenarbeit. Initiiert von Deutschland zusammen mit Rumänien und Frankreich im März 2022 nach dem breit angelegten russischen Einmarsch in der Ukraine, hat diese Initiative uns geholfen, die Stabilität zu wahren, ukrainische Geflüchtete zu unterstützen, uns der Energieerpressung Russlands zu entziehen und wichtige wirtschaftliche und soziale Reformen auf den Weg zu bringen. Mit der Zeit entwickelt sich diese Plattform zu einer Partnerschaftsplattform, bei der es um längerfristige Zusammenarbeit und Entwicklung geht und mit der wir unsere gemeinsamen Ziele stärken wollen.
Unsere Zusammenarbeit erstreckt sich auch über Sicherheitsthemen hinaus. Mit Ihrer Unterstützung stärken wir die Resilienz Moldaus gegen Bedrohungen unserer Souveränität auf unserem europäischen Weg.
Deutschland ist auch ein wichtiger Wirtschaftspartner. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind in Moldau aktiv, indem sie entweder direkt vor Ort operieren oder Lieferungen von Herstellern aus Moldau beziehen. Diese Zusammenarbeit schafft zusammen mit Ihrer Unterstützung für unsere kleinen und mittleren Unternehmen Arbeitsplätze und stärkt unsere Wirtschaft. Wir laden gern zu mehr deutschen Investitionen im produzierenden Gewerbe, im Agrarbereich, in der IT und auf dem Sektor der grünen Energien ein, wo deutsche Unternehmen viel Expertise beitragen können.
Während wir uns auf den zukünftigen Wiederaufbau der Ukraine vorbereiten, steht Moldau als strategischer Hub für diese Bemühungen bereit. Wir bauen unsere Infrastruktur aus, wir bauen Brücken, Straßen und Schienen, um den Transit ukrainischer Güter zu erleichtern und unsere eigenen Verbindungen mit der EU zu stärken, indem wir Moldau noch weiter in die Europäische Gemeinschaft integrieren. Unser Bekenntnis zur europäischen Integration ist zentral für unsere nationale Agenda. Moldau unterliegt einem bedeutenden Wandel. Wir bauen unsere Energieunabhängigkeit aus, gleichen uns europäischen Standards an, bekämpfen die Korruption und Reformieren unsere Justiz.
Deutschlands Unterstützung ermutigt uns. Deutschland hat auch geholfen, grünes Licht für EU-Beitrittsverhandlungen für Moldau zu erreichen. Wir freuen uns auf den offiziellen Beginn dieser Verhandlungen in der nächsten Zukunft. Wir setzen unsere Reformen um, bereiten uns auf den EU-Beitritt vor und sind dankbar für die deutsche Unterstützung für eine mögliche zukünftige Mitgliedschaft von Moldau. Wir verlassen uns weiterhin auf Sie, um die Vorbereitungen der EU zu fördern, neue Mitglieder aufzunehmen.
Ich würde mich sehr freuen, Herr Bundeskanzler, Sie in Chișinău sobald wie möglich begrüßen zu dürfen, damit Sie selbst sehen können, welche Schritte hin zu einem modernen, wohlhabenden Moldau wir unternehmen. Herzlichen Dank Ihnen und allen unseren Freunden in Deutschland für Ihre Solidarität. Gemeinsam bekennen wir uns dazu, ein friedliches, demokratisches Europa aufzubauen.
Vielen Dank.
Frage: Frau Präsidentin, ich habe eine Frage zum europäischen Kurs Ihres Landes. Wie gedenken Sie mit dem Problem von Transnistrien umzugehen? Ist das eine schwierige Sache auf dem Weg in die EU?
Herr Bundeskanzler, sehen Sie die Möglichkeit der zukünftigen Aufnahme von Moldau in die EU ohne einen Teil des Landes, ohne Transnistrien?
P’in Sandu: Vielen Dank. Zunächst einmal würde ich sagen, dass es uns gelungen ist, Stabilität in Transnistrien zu wahren. Vor allem seit Beginn des Krieges ist uns das gelungen. Wir haben einige Schritte unternommen, um das Land wirtschaftlich ganzheitlich zu integrieren. Wir werden weitere Schritte gehen.
Vielleicht noch eine Zahl: Heute gehen 80 Prozent der Exporte aus der transnistrischen Region in die EU. Das ist ein recht großer Wandel im Vergleich zu dem, wie die Exporte vor zehn Jahren ausgesehen haben. Moldau einschließlich der transnistrischen Region integriert sich wirtschaftlich also immer mehr in den EU-Markt. Wir wollen, dass alle Menschen rechts und links des Nistru von der EU-Integration profitieren. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die dafür notwendigen Maßnahmen dafür ergriffen werden.
Wir hoffen natürlich, dass es die geopolitische Möglichkeit gibt, den Transnistrienkonflikt zu lösen. Wir stehen bereit, um das auch ausschließlich friedlich zu tun, durch diplomatische Maßnahmen. Aber solange die russischen Truppen noch vor Ort sind, ist das natürlich ein Hindernis. Wir werden daran weiterhin arbeiten. Wir glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Transnistrien und dem Rest des Landes von einer EU-Integration profitieren würden, und würden diese Integration auch unterstützen.
BK Scholz: Ich habe nicht viel hinzuzufügen. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen, die hier auf den Weg gebracht worden sind, unverändert. Ziel ist die Lösung des Konflikts auf der Basis der territorialen Integrität und Souveränität von Moldova. Wir haben es eben schon wieder gehört: Die Regierung strebt einen sehr friedlichen Weg an, allein mit diplomatischen Möglichkeiten. Auch darum ist es so, dass wir ausdrücklich die Bemühungen hinsichtlich direkter Gespräche sowohl der Regierung als auch der OSZE unterstützen.
Frage: Frau Präsidentin, es hat vor wenigen Tage Berichte gegeben, dass Moldau in Gesprächen mit der Europäischen Union über ein Sicherheitsabkommen sei und dass dieses Abkommen möglicherweise sogar schon in der nächsten Woche abgeschlossen werden könnte. Sind diese Berichte korrekt? Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte in einem solchen Abkommen?
Herr Bundeskanzler, Frankreich hat ja im März schon ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit Moldau abgeschlossen, das auch militärische Komponenten enthält. Können Sie sich ein solches bilaterales Sicherheitsabkommen auch zwischen Deutschland und Moldau vorstellen? Wäre Deutschland bereit, in irgendeiner Weise Moldau militärisch mit Rüstungslieferungen, Ausbildung oder Ähnlichem zu helfen?
Wenn Sie erlauben, stelle ich noch eine innenpolitische Frage. Es gibt ja seit gestern eine neue Steuerschätzung, die nicht so erfreulich ausgefallen ist, um es vorsichtig zu sagen. Was bedeutet diese Steuerschätzung jetzt für die weitere Haushaltsdebatte? Setzen Sie darauf, dass die Sparbereitschaft Ihrer Kabinettskolleginnen und -kollegen dadurch vielleicht erhöht wird, oder wird jetzt alles nur noch schwieriger? Gerät vielleicht sogar der Verabschiedungstermin 3. Juli in Gefahr?
P’in Sandu: Vielen Dank! - Ja, Moldau arbeitet schon lange mit der EU in Bezug auf Sicherheitsfragen sowie Verteidigung und Sicherheit ganz allgemein zusammen. Sie wissen, dass Moldau von der Friedensfazilität der EU schon profitiert hat. Es gibt eine Mission in Moldau, die von einigen EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird. Es gibt weitere Maßnahmen, beispielsweise zur Cybersicherheit. Dieses Sicherheitsabkommen wird eine Art Schirm sein - für die Aktivitäten, die es in diesem Bereich bereits gibt, und hoffentlich auch für einige neue Aktivitäten.
Das Gleiche gilt für das Abkommen, das wir in Paris unterzeichnet haben. Das ist eine Art Update des Abkommens mit Frankreich, das wir 1998 unterschrieben haben. Dabei geht es um Verteidigungszusammenarbeit, friedenserhaltende Missionen und Zusammenarbeit im Bereich der Cybersicherheit. Das ist also eine Art Schirmabkommen, im Rahmen dessen beide Parteien eben für Sicherheit und Verteidigung zusammenarbeiten möchten.
BK Scholz: Wie Sie vielleicht wissen, gibt es ja bereits eine enge Zusammenarbeit zwischen Moldau und der Bundesrepublik Deutschland, auch in Sicherheitsfragen und auch, was Ausrüstung betrifft. Das ist in der letzten Zeit sogar noch weiter intensiviert worden, und das werden wir auch fortsetzen.
Was die Frage der Haushaltsberatungen in Deutschland betrifft, sind wir im Plan. Es war nicht so überraschend, dass die Steuerschätzung nicht ganz so günstig ausfällt. Insofern ist niemand in seinen Erwägungen überrascht worden. Das war weitgehend antizipiert worden, würde ich jetzt einmal vermuten. Ich kann das jedenfalls für mich oder auch andere, die damit zu tun haben, sagen. Wir haben eine sehr und ganz konkrete Agenda, wie wir es mit vielen intensiven Gesprächen hinbekommen, dass wir als Regierung Anfang Juli einen Haushaltsbeschluss fassen, den wir dem Deutschen Bundestag zuleiten, zusammen mit Entscheidungen zur Dynamisierung unserer Wirtschaft. Das ist der Stand, und, wenn ich das für die vielen künftigen Pressekonferenzen vorwegsagen darf, ungefähr so wird meine Antwort dann in den nächsten Wochen ausfallen.