Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Biden am 7. Februar 2022 in Washington

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P Biden: Guten Tag! Ich möchte mich zunächst bei Bundeskanzler Scholz bedanken, der sich heute auf den Weg nach Washington gemacht hat. Wir hatten ein sehr produktives Treffen. Ich glaube, unsere Teams haben überlegt, ob wir sie überhaupt entlassen würden. Die erste halbe Stunde haben wir zusammengesessen, auch gemeinsam mit den Teams. Das war sehr nützlich.

Eines, das mir aufgefallen ist, sind die gemeinsamen Werte, die gestalten, wie wir dieses Konzept von Leadership angehen, und auch das grundlegende Engagement, auf denen das fußt, für die Würde der Arbeiter und Respekt für alle. Ich weiß, dass wir weiterhin enger mit Ihnen, mit dir, Olaf, zusammenarbeiten werden und die wichtige Allianz sowie die weitreichende Partnerschaft zwischen unseren zwei Ländern stärken und vertiefen werden.

Natürlich haben wir heute die meiste Zeit mit der Abschreckung der russischen Bedrohungen gegenüber der Ukraine verbracht, mit der regelbasierten Weltordnung und den langjährigen Prinzipien, die wir haben. Wir gehen dies gemeinsam an, und wir arbeiten hier sehr eng zusammen. Wir glauben, dass Diplomatie die Lösung ist. Deutschland hat eine führende Rolle bei der Deeskalation der Spannungen übernommen, auch durch Unterstützung für den Dialog im Rahmen des Normandie-Formats. Aber wenn sich Deutschland anders entscheidet, dann sind wir bereit. Heute haben wir unsere enge Zusammenarbeit besprochen, auch unsere enge Zusammenarbeit, um ein starkes Sanktionspaket zu schnüren. Dies demonstriert die internationale Entschlossenheit und würde auch schnelle und harsche Konsequenzen zeitigen. Ich bedanke mich bei Deutschland für diese führende Rolle in dieser Frage, auch bei unseren Partnern innerhalb der EU und in Osteuropa.

Wir haben auch über unser gemeinsames Commitment zu Artikel 5 der Nato-Verpflichtungen sowie über die Zusicherungen gegenüber unseren Verbündeten an der Ostflanke gesprochen. Die USA entsenden bereits Truppen, um die Verbündeten zu unterstützen. Ich möchte Kanzler Scholz auch dafür danken, dass unsere Truppen in Deutschland stationiert werden können, sowie für die langjährige Unterbringung unserer Männer und Frauen in Uniform dort.

Wir haben auch über Herausforderungen in Bezug auf China und auch anderen Konkurrenten, die eine illiberale Zukunft schmieden, gesprochen. Wir stimmen überein, dass wir eng zusammenarbeiten, um zu sichern, dass die Regeln und Prinzipien der entstehenden Technologien Freiheiten und Chancen fördern, nicht Repression und auch nicht Autoritarismus.

Wir haben noch einmal unser Commitment bezüglich der Arbeit zur Integration des Westbalkans unterstrichen. Der deutsche G7-Vorsitz ist eine Möglichkeit für dieses Forum, eine robuste Tagesordnung anzusprechen, was viele internationale Herausforderungen - die Pandemie beenden, den Klimawandel bekämpfen - angeht.

Im Endeffekt sind wir also Nato-Verbündete. Wir sind Partner. Wir sind auch führende Länder der G7 und G20. Wir haben eine starke bilaterale Beziehung. Wir sind enge Freunde und zuverlässige Partner. Es gibt nichts, das wir nicht gemeinsam unternehmen können.

Vielen Dank, dass Sie diese Reise auf sich genommen haben. Ich freue mich darauf, dass dies die erste von vielen Möglichkeiten ist, Zeit miteinander verbringen und unsere Ideen austauschen zu können. – Nun zu Ihnen!

BK Scholz: Schönen Dank! Einen schönen Nachmittag auch von meiner Seite aus! Ich bin sehr dankbar, dass wir heute so ausführlich miteinander sprechen konnten und ich hier meinen Antrittsbesuch machen konnte, aber gleich auch all die Fragen besprechen konnte, die uns miteinander bewegen. Wir sind in einer sehr, sehr schwierigen Situation, und es ist gut, dass du und ich intensiv diskutieren konnten, was in dieser schwierigen Situation zu tun ist.

Klar, es gibt eine militärische Bedrohung der Ukraine. Darüber kann nicht geschwiegen werden, und das ist offensichtlich. Wir sehen, wie viele russische Truppen entlang der ukrainischen Grenze aufgestellt sind, und das ist eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit in Europa. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam handeln und zusammenstehen und auch gemeinsam das Notwendige tun. Es ist wichtig, dass alle Verbündeten - die USA und Deutschland, die transatlantische Partnerschaft zwischen den USA und Europa, die Nato - gemeinsam das Gleiche sagen und gemeinsam handeln und dass wir klargemacht haben: Wenn es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt, dann wird es harte, gemeinsam vereinbarte und weitreichende Sanktionen geben. Es wird sehr, sehr hohe Kosten für Russland haben, einen solchen Schritt zu tun. Das ist klar gesagt und von allen verstanden worden. Vor allem, glaube ich, ist die Botschaft so wiederholt abgegeben worden, dass sie auch in Russland angekommen ist.

Wichtig ist, dass wir jetzt auch intensiv daran gearbeitet haben, gemeinsame Vorbereitungen dafür zu treffen, dass Sanktionen auch festgelegt werden können. Wir wollen nicht damit anfangen, wenn der schlimme Fall einer militärischen Aggression gegen die Ukraine eintritt, sondern wir können dann sofort, schnell, gemeinsam und vereint handeln, und das werden wir dann auch.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir all unsere diplomatischen Möglichkeiten nutzen. Ich bin sehr froh über deine große Bereitschaft, das alles mit auf den Weg zu bringen, insbesondere die bilateralen Gespräche zwischen Russland und den USA sowie selbstverständlich die Vereinbarungen und Gespräche, die es im Rahmen des Nato-Russland-Formats gibt. Das ist wichtig, auch, damit Russland versteht, dass die Nato gemeinsam handelt und gemeinsam vorbereitet ist. Nachdem viele Jahre lang Gespräche nicht mehr richtig in Gang gekommen sind, ist es ein gutes Zeichen, dass sie jetzt stattfinden. Dort werden Kontroversen diskutiert, aber sie finden statt.

Das Gleiche gilt für die Frage der OSZE, wo wieder über Sicherheit in Europa diskutiert werden muss. Auch das ist ein Fortschritt. So mühselig es ist und so wenig Konkretes und Substanzielles bisher dabei herausgekommen ist, freuen wir uns darüber, dass dieses Format wieder eine Rolle spielt.

Natürlich gilt das auch für die Gespräche zwischen der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland, also das Normandie-Format. Wir haben das. Es hat jahrelang nicht mehr viel Leben ausgestrahlt. Aber jetzt ist eine Situation da, in der wir dort wieder hart miteinander diskutieren. Das ist der Ansatzpunkt dafür, dass wir auch Wege aus dieser Konfliktsituation heraus finden können.

Diese Doppelstrategie aus klaren Ankündigungen im Hinblick auf Sanktionen, die ergriffen werden, falls es zu einer militärischen Aggression kommt, und gleichzeitig allen Gesprächsformaten, die wir nutzen, ist die vielversprechendste, die man in dieser Situation überhaupt ergreifen kann. Das tun wir gemeinsam, und wir stehen da fest zusammen.

Wir haben uns auch über viele andere Fragen unterhalten, die für uns jetzt wichtig sind, insbesondere im Hinblick auf die G7-Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland, wo wir lange miteinander als wirtschaftsstarke Demokratien zusammenarbeiten und wo wir natürlich deshalb auch einen ganz besonderen Auftrag haben, etwas für ein besseres Zusammenhalten der Welt beizutragen. Dazu zählt insbesondere, dass wir unverändert alles dafür tun, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Planeten geimpft werden können; nicht nur in unseren reichen Ländern, wo wir noch den einen oder anderen überzeugen müssen, sondern auch in den Ländern, wo viele sich gerne impfen lassen würden, aber nicht an die Impfstoffe herankommen. Da sind die Initiativen, die wir beide ergriffen haben und die wir auch international voranbringen, von größter Bedeutung.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Frage der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels. Ein großes Thema, das uns alle umtreibt und wo es offensichtlich ist, dass wir nur global gemeinsam erfolgreich sein können. Denn das Klima ist nun einmal eine Sache, die sich nicht auf nationale Grenzen beschränkt.

Wir haben als Industrienationen mit unseren technologischen und ökonomischen Möglichkeiten einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir Wohlstand bei uns und in anderen Ländern der Welt haben können, ohne dass das Klima geschädigt wird. Diese große Herausforderung ist für uns von großer Bedeutung. Deshalb wollen wir auch ein solches Zusammenwirken in dieser Strategie mit voranbringen und über einen Klima-Club der Gutwilligen in dieser Frage diskutieren, der alle einlädt mitzumachen.

Das sind ein paar der Punkte, die wir besprochen haben. Noch einmal: Das Gespräch, das sehr persönlich und sehr intensiv war, bestätigt die gute Zusammenarbeit unserer Länder, die feste Verbindung, die wir in unserer transatlantischen Partnerschaft haben, dass beide Länder sich aufeinander verlassen und verlassen können.

Frage: Herr Präsident, ich will Sie schon seit Langem fragen: Sie sind gegen Nord Stream 2. Sie haben das nicht erwähnt. Haben Sie Zusicherungen von Bundeskanzler Scholz bekommen, dass Deutschland dieses Projekt stoppen wird, wenn Russland in die Ukraine eimarschiert? Haben Sie besprochen, wie Sie „Einmarsch“ definieren?

Sie haben darüber gesprochen, dass es eine strategische Ambiguität wegen der Sanktionen geben soll. Ich wollte wissen, ob das Sanktionspaket, das Sie vorhaben, das die EU vorhat und das die USA vorhat, nun schon fertig geschnürt ist oder ob das noch ausgearbeitet wird. Ist die Tatsache, dass Sie nicht genau sagen wollen, was in dem Paket enthalten ist, eine Ausrede, dass Deutschland zum Beispiel die SWIFT-Maßnahmen nicht mittragen würde?

P Biden: Ich beantworte zunächst die erste Frage. Wenn Russland zum Beispiel mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben.

Zusatzfrage: Aber wie genau machen Sie das? Das Projekt ist unter der Kontrolle Deutschlands.

P Biden: Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen.

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Frage. Ich will sehr klar sagen: Wir haben uns intensiv darauf vorbereitet, dass wir die notwendigen Sanktionen konkret ergreifen können, falls es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt. Es ist ja notwendig, dass wir das tun, damit auch vonseiten Russlands klar verstanden wird, dass es harte, weitreichende Maßnahmen geben wird. Es gehört dazu, dass wir nicht alle auf den Tisch legen, weil es notwendig ist, dass auch vonseiten Russlands verstanden wird: Da könnte noch viel mehr passieren, als sie sich vielleicht selber ausrechnen. Aber es ist gleichzeitig klar, dass wir gut vorbereitet sind. Es werden weitreichende Maßnahmen sein.

Wir werden sie gemeinsam mit unseren Alliierten ergreifen, auch gemeinsam mit den USA. Wir werden alle notwendigen Schritte ergreifen. Sie können sicher sein: Es wird auch keine Maßnahmen geben, bei denen wir unterschiedlich agieren, sondern wir werden einheitlich und zusammen auftreten.

(auf Englisch) Vielleicht ist das auch eine gute Gelegenheit, dass wir uns an unsere amerikanischen Freunde wenden. Wir stehen vereint. Wir unternehmen alle notwendigen Schritte, und alle von uns tun das gemeinsam.

Zusatzfrage: Werden Sie heute diese Verpflichtungen eingehen, Nord Stream 2 zu beenden?

BK Scholz (auf Englisch): Wie ich bereits gesagt habe: Wir stehen da zusammen. Wir sind hier absolut einer Meinung. Wir unternehmen die gleichen Schritte. Wir werden eine harte Reaktion gegenüber Russland fahren.

Frage: Herr Präsident, zuerst eine Frage an Sie: Die USA haben in den letzten Jahren immer wieder schwere Waffen in die Ukraine geliefert. Deutschland schließt das kategorisch aus und hat zuletzt nur 5000 Schutzhelme an die Ukraine geliefert. Meinen Sie nicht, dass die Nato auch in diesem Punkt geschlossen handeln sollte, sprich, dass Deutschland als stärkster europäischer Nato-Partner auch schwere Waffen in die Ukraine liefern sollte, die Waffen, die die Ukraine von Deutschland erbittet?

Zu Nord Stream 2 würde ich von Ihnen gern wissen, ob Sie angesichts der russischen Bedrohung nicht finden, dass Deutschland jetzt schon seine Position zu Nord Stream 2 überdenken sollte.

Eine dritte Frage, wenn Sie erlauben: Es hat in den vergangenen Tagen und Wochen in US-Medien und auch aus dem Kongress sehr scharfe Kritik an Deutschland geben. Die Verlässlichkeit Deutschlands als eines Bündnispartners ist infrage gestellt worden. Haben Sie Verständnis für diese Kritik? Ist Deutschland aus Ihrer Sicht noch ein verlässlicher Partner?

Herr Bundeskanzler, an Sie auch eine Nachfrage zu Nord Stream 2: Sie sagen, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Sie nennen Nord Stream 2 nicht beim Namen. Glauben Sie nicht, dass Sie, wenn Sie es beim Namen nennen würden, Vertrauen bei östlichen Bündnispartnern und auch hier in den USA zurückgewinnen könnten?

P Biden: Es gibt keinen Grund, Vertrauen zurückzugewinnen. Er hat das Vertrauen der Vereinigten Staaten. Deutschland ist einer unserer wichtigsten Alliierten und Verbündeten auf der ganzen Welt. Es gibt keine Frage der Partnerschaft Deutschlands für die Vereinigten Staaten. Es ist einer der größten Geldgeber, Unterstützer und Förderer der Ukraine seit 2014.

Sie haben so viele Fragen gestellt, dass ich nicht mehr weiß, wie sie alle waren. Aber was die US-Medien angeht und den Vorwurf, dass Deutschland kein zuverlässiger Partner mehr sei: Deutschland ist ein komplett verlässlicher Partner. Daran habe ich keine Zweifel.

BK Scholz: Wir sind eng mit den Vereinigten Staaten verbunden. Die transatlantische Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA zählt zu den ganz, ganz wichtigen Konstanten der deutschen Politik, die auch für die Zukunft von allergrößter Bedeutung ist. Sie können sich darauf verlassen, dass das auch in der Zukunft immer ganz, ganz vorn bei den Prioritäten ist.

Wir sind im Rahmen der Nato das Land, das im kontinentalen Europa den größten Aufwand für die militärische Kraft treibt, die wir in diesem Zusammenhang bereitstellen, und die Budgetmittel, die dafür mobilisiert werden. Wir sind auch das Land, das einen sehr, sehr großen Teil der finanziellen Hilfen für die Ukraine zur Verfügung stellt. Mit den USA streiten wir uns immer noch darum, wer den größten Teil leistet. Seit 2014 sind es etwa zwei Milliarden Dollar, die direkt aus dem deutschen Finanzierungsrahmen kommen. Über die Europäische Union sind es noch einmal etwa 3,8 Milliarden. Wir haben also richtig viele finanziellen Mittel zur ökonomischen Stabilisierung beigetragen, und wir sind auch weiterhin bereit, diesen Beitrag zu leisten.

Deshalb ist das die unverbrüchliche Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland, die wichtig ist und zu der auch zählt, dass wir jetzt im Hinblick auf die schwierige Situation an der Grenze der Ukraine wegen der russischen Truppen sehr klar gesagt haben: Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich agieren.

Zusatzfrage: Herr Präsident, noch einmal die Nachfrage mit Blick auf die Waffenlieferungen: Ist es aus Ihrer Sicht in Ordnung, dass Nato-Partner dabei unterschiedlich handeln?

Zu Nord Stream 2 auch noch einmal die Frage: Halten Sie die aktuelle Positionierung in der jetzigen Situation angesichts der russischen Bedrohung für in Ordnung?

P Biden: Sehen Sie, es gibt für die Vereinigten Staaten keinen Zweifel daran, dass Deutschland unglaublich zuverlässig als Partner ist und eine der größten Kräfte in der Nato.

Zur Frage, ob Nord Stream 2 bei einer Invasion seitens Russlands voranschreiten würde: Das passiert einfach nicht.

Frage: Denken Sie, nachdem Sie jetzt alles wissen, dass Präsident Putin einen Einmarsch in die Ukraine vor Ende des Winters anordnen wird, auch angesichts der 30 000 Mann starken Streitkräfte dort vor Ort?

P Biden: Ich habe mich mit den Russen unterhalten, insbesondere mit Präsident Putin. Ich weiß nicht, ob er selbst weiß, was er machen wird. Ihm muss klar sein, dass es ein kolossaler Fehler wäre, in Richtung der Ukraine einzumarschieren. Das wäre verheerend für Europa, und es würde sehr viel kosten. Ich habe sehr direkt mit ihm gesprochen, sowohl telefonisch als auch persönlich. Wir werden die schwerwiegendsten Sanktionen verhängen, und das wird ein großes Preisschild tragen, auch in der weiteren Zukunft. Es wird auch Europa verändern. Es wird dann aber auch einen Effekt auf seine Wirtschaft haben. Ich weiß, dass seine jetzige Situation ist, dass er, wenn der Boden nördlich von Kiew gefroren ist, dazu die Kapazitäten hat. Aber ich glaube, niemand außer ihm weiß, was er machen wird.

Was die 30 000 Amerikaner angeht, die sich in der Ukraine befinden - ich spreche nicht von unserem diplomatischen Korps, sondern von Amerikanern, die dort sind -, möchte ich nicht, dass sie irgendwo dazwischen geraten. Ich würde Ihnen dann raten, das Land zu verlassen.

Frage: Kanzler Scholz, können Sie uns erzählen, wie Sie die Abhängigkeit Deutschlands von Russlands Energie abbauen möchten?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, ein Thema anzusprechen, das mich sehr bewegt.

Vielleicht einmal die gute Botschaft vorweg: Deutschland hat sich im Rahmen seiner Strategie zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels entschieden, in ganz kurzer Frist, also in mittlerer Frist, in 25 Jahren, komplett aus der Nutzung von Öl, Kohle und Gas auszusteigen. Spätestens 2045 wird Deutschland CO₂-neutral wirtschaften, und zwar als eines der leistungsfähigsten Industrieländer der Welt. Wir denken ja bei all diesen Rohstoffen immer an die Heizung zuhause und das Autofahren, aber es geht hier auch um industrielle Produktion, wie man Stahl herstellt, wie Chemie gemacht wird, wie es mit der Zementherstellung funktioniert.

Das alles umzustellen, große industrielle Prozesse in dieser kurzen Zeit neu zu organisieren, das ist das, was wir uns vorgenommen haben. Deshalb werden noch in diesem Jahr weitreichende Entscheidungen getroffen, die dazu beitragen, dass wir unsere Kapazitäten bei der Nutzung von Windenergie - Offshore und Onshore - und Solarenergie ausbauen. Wir wollen auch das Netz ausbauen und eine deutschlandbezogene, aber auch weltbezogene Strategie zur Nutzung von Wasserstoff entwickeln, die zentral dafür ist, dass wir die industriellen Prozesse, die heute Öl oder Gas verwenden, anders organisieren können.

Die Industrie ist dazu gewillt. Wir machen das mit denen zusammen. Aber das wird wahrscheinlich die größte industrielle Modernisierung sein, die in Deutschland seit über 100 Jahren stattfindet. Es bestehen gute Chancen, dass wir damit auch Technologien entwickeln können, die anderswo in der Welt eingesetzt werden können. Denn letztendlich hängen wir, was den Klimawandel betrifft, ja miteinander zusammen.

Im Übrigen handelt es sich bei dem heutigen Energiemix bei einem Viertel um Gas. Davon ist nur ein Teil russisches Gas; ein großer Teil kommt aus Norwegen und aus den Niederlanden. Selbstverständlich ist es für uns ganz wichtig, dass wir gleichzeitig Infrastrukturen etablieren, die für uns die Möglichkeit schaffen, dass wir immer alle Optionen haben und zu jeder Zeit sicher agieren können. Da müssen Sie sich also keine Sorgen machen.

Sorgen machen müssen sich einige Rohstofflieferanten, die vielleicht zu sehr auf diese fossilen Ressourcen setzen. Denn wenn auch weltweit der Weg gegangen wird, den wir gehen, sich auf erneuerbare Energien zu konzentrieren, dann wird dieses Instrument ökonomisch bald gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

Frage: Herr Präsident, ich hätte Ihnen ganz gern eine Frage zum Thema LNG gestellt. Europa ist sehr viel stärker von russischem Gas abhängig als andere Regionen der Welt. Sie haben den europäischen Verbündeten versprochen, mit LNG-Gas zu helfen. LNG-Gas ist allerdings teuer. Es steht auch nicht in diesen Mengen zur Verfügung, dass es russisches Gas ersetzen könnte. Ich hätte ganz gern gewusst, wie Sie den Europäern in einem Konfliktfall mit Russland wirklich helfen können. Ist das ein leeres Versprechen, oder was können Sie tatsächlich anbieten?

Zudem kaufen die USA in Russland jedes Jahr für viele Milliarden Öl. Ich hätte ganz gern gewusst, ob diese Öleinkäufe auch Teil des Sanktionspaketes sind, das derzeit auf dem Tisch gegen Russland liegt.

Herr Bundeskanzler, an Sie auch eine Frage zum Thema Flüssiggas: Das ist ja auch Frackinggas; das ist in Deutschland sehr umstritten. Wie sehr passt der Bezug von LNG-Gas als Option und Alternative zu Ihrem Ziel, einen Klima-Club zu gründen? Ist es einfach in der Abwägung die bessere Alternative zu russischem Pipelinegas?

P Biden: Zunächst schauen wir uns Möglichkeiten an, wie man das ausgleichen kann, also das verlorene Gas aus Russland. Wir müssen sehen, wie wir das mit LNG, also mit Flüssiggas, machen können, aber auch zusammen mit Freunden rund um die Welt. Wir denken, dass wir einen Großteil davon ausgleichen können.

Aber was hier jeder vergisst, ist die Tatsache: Russland muss dieses Gas auch verkaufen können. Es verlässt sich bei einem Großteil seines Budgets auf diesen Export. Wenn sie davon abgeschnitten werden, dann wird es sie sehr empfindlich treffen. Das zieht Konsequenzen nach sich. Wir schauen jetzt also, was wir tun können, um diesen Verlust kurzfristig in Europa zu kompensieren, wenn es dazu kommen sollte. Wir arbeiten schon eine Weile daran.

BK Scholz: Ich bestätige zunächst einmal, dass wir in dieser Frage eng mit den Vereinigten Staaten von Amerika - Joe Biden und ich persönlich - in dieser Frage zusammenarbeiten, dass wir uns auf alle Situationen vorbereiten. Das gehört ja auch dazu, wenn wir sagen, wir bereiten alle möglichen Sanktionen vor. Dann müssen wir ja selber in der Lage sein, gewissermaßen jederzeit handlungsfähig zu bleiben, und das geschieht.

Bei der Nutzung von LNG ist es zunächst einmal so, dass das meiste LNG, das auf der Welt genutzt wird, aus natürlichem Gas besteht. Auch das, glaube ich, gehört zu der Debatte dazu.

Was die langfristige Perspektive betrifft, habe ich ja schon gesagt, worum es geht. Wir werden unsere Wirtschaft im Wesentlichen - dort, wo Gase genutzt werden müssen - auf Wasserstoff umstellen, und es wird ein Prozess sein, der schneller vor sich geht, als sich das manche heute vorstellen mögen, der aber eine gute Zukunft für uns alle mit sich bringen wird.

P Biden: Vielen Dank.

Das Protokoll hatte versehentlich eine Aussage des Bundeskanzlers Präsident Biden zugeordnet. Das wurde nachträglich korrigiert.