Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem japanischen Ministerpräsidenten Kishida zum Abschluss der deutsch-japanischen Regierungskonsultationen

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im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem japanischen Ministerpräsidenten Kishida zum Abschluss der deutsch-japanischen Regierungskonsultationen

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

20 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Sonntag, 19. März 2023

MP Kishida: Bundeskanzler Scholz, ich freue mich über den Besuch von Ihnen, der Ministerinnen und Minister sowie der Vertreter der Wirtschaft auf deutscher Seite und begrüße Sie ganz herzlich in Japan!

Im April letzten Jahres haben Olaf und ich uns auf die Einrichtung von deutsch-japanischen Regierungskonsultationen verständigt, ein ganz neuer Rahmen, ein neues Format, das die engen Kooperationsbeziehungen zwischen unseren Ländern auf eine neue Stufe hebt. Ich freue mich sehr, dass wir heute die ersten Konsultationsgespräche führen konnten.

Angefangen bei der russischen Aggression gegen die Ukraine befindet sich die internationale Gemeinschaft derzeit genau, wie Olaf es treffend bezeichnet hat, in einer Zeitenwende. Vor diesem Hintergrund ist es für den Erhalt und die Stärkung einer auf Rechtsstaatlichkeit basierenden freien und offenen internationalen Ordnung wichtig, dass wir kooperieren und zusammenarbeiten. Diese Kooperation ist mehr denn je gefordert.

Im Bereich der Wirtschaft gilt es, Herausforderungen wie die Unterbrechung der Lieferketten, stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise und die Schwäche der Globalisierung zu bewältigen, gleichzeitig auch die Resilienz der Gesellschaft zu verbessern und gemeinsam als Industriestaaten und Wertepartner eine führende Rolle einzunehmen.

Im Rahmen unseres Gipfeltreffens haben Olaf und ich über die derzeitige sehr schwierige internationale Sicherheitslage gesprochen. Dabei habe ich die im letzten Jahr in Japan ausgearbeitete nationale Sicherheitsstrategie erläutert und habe von Olaf hinsichtlich dieser Strategie auch Verständnis und Zustimmung erhalten. Wir begrüßen die Fortschritte der Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit einschließlich der Zwei-plus-Zwei-Gespräche im letzten November und sind uns darin einig, die konkrete Zusammenarbeit für die Realisierung eines freien und offenen Indopazifiks weiter zu verstärken.

Wir haben nochmals bekräftigt, wie wichtig der Zusammenhalt gleichgesinnter Staaten und die Fortführung harter Sanktionen gegen Russland sowie eine starke Unterstützung der Ukraine sind, um die russische Aggression sobald wie möglich zu beenden. Weiter teilen wir auch die Einschätzung, dass Russlands nukleare Drohung absolut inakzeptabel ist und es keinesfalls zu einem Einsatz solcher Waffen kommen darf.

Wir haben auch offen über weitere Themen gesprochen, denen das Interesse unserer beiden Länder gilt: die regionale Lage im Indopazifik und in Europa sowie globale Herausforderungen wie die Stärkung der Vereinten Nationen einschließlich der Reform des Sicherheitsrats, atomare Abrüstung und Nichtverbreitung. Wir haben bekräftigt, dass Japan und Deutschland in diesen Bereichen zusammenarbeiten werden.

In der Regierungskonsultationen im Anschluss an das Gipfelgespräch haben wir dann mit den beteiligten Ministern und Ministerinnen schwerpunktmäßig über wirtschaftliche Sicherheit diskutiert. Dabei haben wir bekräftigt, dass Japan und Deutschland multilaterale Handelssysteme auf Grundlage eines freien und fairen Handels unterstützen und gemeinsam gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen, Initiativen zum staatlich gelenkten unrechtmäßigen Technologieerwerb unter staatlicher Federführung sowie gegen nicht marktwirtschaftliche Politiken und Praktiken angehen werden.

Ferner haben wir bestätigt, dass Japan und Deutschland für den Aufbau von sicheren, nachhaltigen und resilienten globalen Lieferketten die Kooperation in strategischen Bereichen wie Mineralressourcen, Halbleiter und Batterien verstärken und Best Practices für den Umgang mit diesen Risiken auch teilen sollten.

Wir haben uns darauf verständigt, dass Japan und Deutschland als führende Technologiestaaten die Zusammenarbeit beim Schutz der kritischen Infrastruktur, dem Umgang mit böswilligen Aktivitäten im Cyberspace und dem Schutz der Entwicklung neuer und neu entstehender Technologien verstärken sollten.

Die wirtschaftliche Sicherheit ist kein Problem, das nur einen Teil der Industrieländer betrifft, sondern eine Herausforderung, der sich die gesamte internationale Gemeinschaft einschließlich des globalen Südens annehmen muss. Wir wollen die wirtschaftliche Sicherheit dieser und aller Länder auch weiterhin unterstützen und fördern. Wir teilen die Bedenken hinsichtlich undurchsichtiger und unfairer Entwicklungsfinanzierungen und fordern, dass sich alle Beteiligten an internationale Regeln und Standards halten. Gleichzeitig haben wir nochmals bekräftigt, uns gemeinsam für die Verbesserung der internationalen Schuldenrahmen einzusetzen.

Im Anschluss an die Regierungskonsultationen haben wir uns dann mit Vertretern der Wirtschaft aus Deutschland und Japan ausgetauscht. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und japanischen Unternehmen, die in weiten Bereichen einen wesentlichen Teil der globalen Lieferkette ausmachen, spielt eine erhebliche Rolle für das Wachstum unserer Wirtschaften, aber auch für die Stabilität und das Gedeihen der Weltwirtschaft. Beim anschließenden Dinner werden wir diese Gespräche mit den Wirtschaftsvertretern dann noch weiterführen.

Es sind noch zwei Monate bis zum G7-Gipfel in Hiroshima. Mit Unterstützung von Olaf, der im letzten Jahr den Vorsitz so erfolgreich geführt hat, werden wir die heutigen Ergebnisse einfließen lassen und die Vorbereitungen weiter vorantreiben. Ich freue mich darauf, Olaf und die deutschen Ministerinnen und Minister beim G7-Gipfel beziehungsweise den jeweiligen Ministertreffen sehr bald wieder in Japan begrüßen zu dürfen!

BK Scholz: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Fumio, vielen Dank für den freundlichen Empfang. Es ist schön, wieder in Tokio zu sein!

Als Bundeskanzler besuche ich heute bereits zum zweiten Mal Tokio. Mein Antrittsbesuch liegt gerade einmal elf Monate zurück. Ich habe an die Gespräche, die wir damals geführt haben, noch gute Erinnerungen. Seither haben wir auch am Rande einer Vielzahl von internationalen Treffen miteinander gesprochen, und du warst im vergangenen Jahr mein Gast in Elmau beim G7-Gipfel unter der deutschen Präsidentschaft.

All das zeigt: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan sind eng, und sie sind freundschaftlich. Japan ist ein zentraler Wertepartner für Deutschland. Uns mögen 9000 Kilometer Entfernung trennen. Uns verbinden aber demokratische Prinzipien: der Einsatz für internationales Recht, das Interesse an freien und sicheren Handelswegen und vieles, vieles mehr.

Heute heben wir diese guten Beziehungen auf eine neue Stufe: Ministerpräsident Kishida und ich haben die ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen abgehalten. Gemeinsam mit sechs Ministerinnen und Ministern der Bundesregierung bin ich dafür hierher nach Tokio gekommen. Begleitet werde ich auch von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Das unterstreicht das Interesse der deutschen Wirtschaft an den bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen.

Im Zentrum unserer Gespräche stand das Thema der Wirtschaftssicherheit. Der russische Überfall auf die Ukraine genauso wie die Coronapandemie zuvor haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, welche Schwierigkeiten es geben kann, wenn zu starke wirtschaftliche Abhängigkeiten in kritischen Bereichen bestehen. Darauf müssen wir reagieren. Gemeinsam mit Japan und weiteren Partnern arbeiten wir daran, die richtigen Konsequenzen aus diesen Erfahrungen zu ziehen. Im Rahmen der G7-Treffen, die in diesem Jahr ja unter japanischem Vorsitz stehen, wird das ein zentrales Thema sein.

Die richtige Antwort auf diese Herausforderung lautet nicht, sich von der Welt oder von einzelnen Regionen abzuschotten, sondern es gilt, die Zusammenarbeit mit engen Partnern auszubauen, neue Partner zu gewinnen und insgesamt zu diversifizieren. Wir wollen Abhängigkeiten verringern und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften erhöhen. Das japanische Konzept wirtschaftlicher Sicherheit bietet aus meiner Sicht einige gute Lösungsansätze für diese Fragen.

Die deutsche Regierung hat sich heute mit der japanischen Regierung getroffen, um sich miteinander auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam zu handeln. Lassen Sie mich kurz drei konkrete Themen nennen: Erstens den Schutz kritischer Infrastruktur. Japan und Deutschland können voneinander lernen, wie wir sensible Bereiche besser schützen, sei es durch präventive Maßnahmen, etwa kluge Vorgaben für mehr Cybersicherheit, oder die Einrichtung eines Störungsmonitorings, mit dessen Hilfe Störfälle schneller erfasst und beseitigt werden können.

Zweitens geht es darum, Lieferketten zu sichern und Handelswege zu schützen. Unsere beiden Länder treten für eine regelbasierte Weltordnung ein. Die Welthandelsordnung und das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan sind zentrale Pfeiler unserer Zusammenarbeit. Gleiches gilt für das Seerecht und die Freiheit der Meere. Ganz konkret haben wir vereinbart, bei der Sicherung von Lieferketten noch enger zusammenzuarbeiten. Die japanische JOGMEC und unsere Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe, deren Vizepräsident Steinbach mich heute begleitet, werden künftig enger kooperieren, um insbesondere die Versorgungssicherheit, aber auch hohe sozioökonomische Standards bei der Rohstoffversorgung nachhaltig abzusichern.

Drittens ging es um die Sicherheit unserer künftigen Energieversorgung. Wasserstoff wird das Gas der Zukunft, klimaneutral, sauber und nachhaltig. Wir sind froh, mit Japan einen wichtigen Partner für den Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft zu haben. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war Deutschland gezwungen, innerhalb weniger Monate seine Energieversorgung umzustellen. Dabei ist noch einmal ganz deutlich geworden, wie wichtig es ist, den Ausbau von Windkraft auf See, Windkraft an Land und Solarenergie für eine saubere und vor allem sichere Energieversorgung voranzutreiben. Die Speicherung und der Transport von Energieressourcen sind wichtig, damit die Energiewende gelingen und das Klima geschützt werden kann.

Mehr Sicherheit soll es auch im Indopazifik geben. Wir haben vereinbart, auch in diesem Bereich unsere Zusammenarbeit zu verstärken. Die Bundeswehr wird im kommenden Jahr erneut eine Präsenzfahrt im Indopazifik vornehmen und dabei auch einen japanischen Hafen anlaufen - als Bekenntnis zur Freiheit der Meere.

Regelmäßig wollen wir Konsultationen zur Cybersicherheit abhalten, um uns über aktuelle Herausforderungen auszutauschen und uns noch besser vor Cyberangriffen zu schützen. Unser Ziel ist ein freies, offenes und sicheres Netz.

Wir waren und sind uns einig: Russland muss seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort beenden und Truppen abziehen. Ich freue mich, dass die japanische Regierung den Kurs, den die G7 unter deutscher Präsidentschaft eingeschlagen hat, so engagiert fortführt und die Ukraine weiterhin kraftvoll unterstützt. - So weit vielleicht der Überblick über unsere gemeinsamen Gespräche hier in Tokio.

Lassen Sie mich aber noch einmal festhalten: Die enge Zusammenarbeit mit Japan hat mit den heutigen ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen eine neue Stufe erreicht. Lieber Fumio, darüber freue ich mich ganz persönlich! Ich weiß, wie herausfordernd es ist, den G7-Staaten vorzusitzen. Deshalb unterstütze ich die japanische Präsidentschaft sehr gerne und freue mich schon auf meinen nächsten Besuch hier in Japan in zwei Monaten zum G7-Gipfel im Mai in Hiroshima. Arigatou!

Frage: Ich habe eine Frage an den Premierminister. Es sind die ersten Regierungskonsultationen gewesen. Das Thema war die wirtschaftliche Sicherheit. Was war der Grund, dass Sie dieses Thema gewählt haben?

Wir hatten eben auch ganz kurz China angesprochen. Die Abhängigkeit von China soll reduziert werden. Welche konkreten Punkte haben Sie da besprochen?

Im Zusammenhang mit den Energiefragen, zum Beispiel der Behandlung von Kohlekraftwerken oder auch dem Ausbau der erneuerbaren Energie, gibt es meiner Meinung nach vielleicht auch unterschiedliche Einstellungen zwischen Japan und Deutschland. Haben Sie da Übereinstimmung finden können?

Noch eine Frage an beide Staatschefs: Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Präsident Putin erlassen. Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie auch unter diesem Aspekt die Situation in der Ukraine derzeit beurteilen.

MP Kishida: Danke schön. Dann werde ich zunächst antworten. Wir haben, wie gesagt, Wirtschaftssicherheit als Thema gewählt. Sie haben gerade nach dem Grund gefragt. Die russische Aggression hat dazu geführt, dass die Lieferketten teilweise unterbrochen waren und dass auch die Energie- und Lebensmittelpreise sehr stark angestiegen sind. Das bedeutet sehr viele Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft. Es ist wichtig, dass wir hier die Resilienz der Gemeinschaft stärken, und dazu ist es wichtig, dass wir, Japan und Deutschland, als Wertepartner gemeinsam unsere Erkenntnisse im Bereich der Wirtschaft und der Sicherheit teilen und auch eine führende Rolle in der internationalen Gemeinschaft ausüben.

Ausgehend von diesem Grundverständnis haben wir heute zwischen Japan und Deutschland die Diskussion vertieft, dies, wie gesagt, im Rahmen dieser ersten Regierungskonsultationen. Ausgehend von diesem Bewusstsein haben wir uns über das Thema der Wirtschaftssicherheit ausgetauscht und uns auch darauf verständigt, die Lieferketten zu stärken, sowie darauf, dass es eben nicht gut ist, wenn man sich zu sehr in die Abhängigkeit von bestimmten Ländern begibt. Darüber haben wir auch gesprochen.

Darüber hinaus haben wir im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem Klimawandel auch darüber gesprochen, dass wir die Energiesicherheit natürlich gewährleisten müssen, aber natürlich auch Fortschritte bei der die Dekarbonisierung machen müssen, dass in den jeweiligen Ländern jedoch unterschiedliche realistische Möglichkeiten und Pfade gegangen werden sollten. Wir haben auch noch einmal bekräftigt, dass es sehr wichtig ist, dass Deutschland und Japan auch im Bereich der Energie die Kooperation weiter ausbauen.

Dann hatten Sie noch etwas zum Thema der Ukraine beziehungsweise des Internationalen Strafgerichtshofs gefragt. Was die Ukraine angeht: Die russische Aggression haben wir auf das Schärfste kritisiert, und wir wollen, dass es zu einer möglichst raschen Beendigung der russischen Aggression kommt. Natürlich ist es auch wichtig, dass sich gleichgesinnte Länder hier zusammenschließen und zum einen die harten Sanktionen gegen Russland, aber auch die Unterstützung der Ukraine fortsetzen. Wir sind uns einig, dass es keine nukleare Drohung durch Russland geben darf. Es ist sehr wichtig, dass wir hier eine klare Botschaft senden. Auch darüber haben wir uns verständigt.

Im Zusammenhang mit dem ergangenen Haftbefehl gegen Präsident Putin hat der Chefankläger geäußert, dass dies der erste konkrete Schritt war und dieser nun weitergeführt werden muss. Wir werden die weiteren Entwicklungen - wir haben auch sehr großes Interesse an dieser Frage - und den weiteren Fortgang mit großem Interesse verfolgen.

BK Scholz: Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen. Niemand steht über Recht und Gesetz. Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz des internationalen Rechts. In der Tat ist es auch so, dass alle wissen, dass der Internationale Strafgerichtshof eine wichtige Institution ist, die ihren Auftrag auch durch internationale Verträge erhalten hat.

Über die Frage der Energiekooperation haben wir beide ja schon berichtet. Es ist sehr wichtig, dass wir die technologischen Möglichkeiten erneuerbarer Energien nutzen. Auch wenn die einzelnen Energiemixe und die konkreten Pfade unterschiedlich sind, eint uns doch das Bestreben, hier große Fortschritte zu erreichen.

Frage: Ich habe eine Frage an beide. Sie haben ja schon angesprochen, dass es nicht gut ist, von großen Ländern zu abhängig zu sein. Das haben Sie jetzt gerade beide betont. Das gilt natürlich auch besonders im Bereich kritischer Mineralien, in dem Sie eine verstärkte Zusammenarbeit vereinbart haben. Welche konkreten Ideen gibt es über die Zusammenarbeit der relevanten Institute hinaus? Werden Deutschland und Japan also gemeinsam konkret in den Abbau oder die Weiterverarbeitung von kritischen Mineralien investieren? Das ist die eine Frage.

Wenn ich darf, stelle ich eine zweite in Sachen Präzision der vereinbarten Verteidigungszusammenarbeit. Wird das über gemeinsame Übungen oder das Landen von Kampfflugzeugen hinausgehen? Könnten Sie dazu etwas ausführen?

MP Kishida: Dann möchte ich darauf antworten. Zum ersten Teil der Frage, dass es eben nicht wünschenswert ist und nicht gut ist, dass man sich in die Abhängigkeit von einem Land begibt: Das gilt natürlich für verschiedene Mineralien und verschiedene andere Bereiche. Wir haben uns darüber ausgetauscht, und wir müssen auch kräftig über diese Fragen nachdenken, insbesondere in Bezug auf Mineralien und sehr wichtige kritische Technologien und auch Güter. Dabei ist ein weiterer wichtiger Aspekt, wie die Lieferketten zwischen den gleichgesinnten Ländern erhalten werden können. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang.

In dieser Beziehung kann man sagen, dass Japan und Deutschland sehr hohe Technologiestandards haben und auch Werte teilen, also sehr wichtige Wertepartner sind. Die Lieferketten zwischen Japan und Deutschland hinsichtlich kritischer Technologien oder Güter sollten erhalten bleiben und erhalten werden. Auch in dieser sehr intransparenten Situation ist dieser Punkt, den ich gerade angesprochen habe, sehr wichtig. Wir haben heute eben glücklicherweise viele Vertreter der deutschen Wirtschaft hier dabei, die sich auch in die Diskussion eingebracht haben. Sie haben alle wunderbare Technologien, herausragende Technologien. Ich glaube, in dieser Zusammenarbeit sollten wir die Lieferketten weiter ausbauen und entwickeln. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Ausgangspunkt.

Vielleicht noch ein weiterer Punkt zum Thema der Sicherheit: Sie hatten die Verteidigung angesprochen. Das wurde vorhin bereits erwähnt. Deutschland hat sehr großes Interesse an der indopazifischen Region. Japan begrüßt das große Interesse Deutschlands an dieser Region sehr. Europa und die indopazifische Region, diese beiden Regionen und die Sicherheit lassen sich nicht voneinander trennen. Das muss als ein Gesamtthema betrachtet werden. Auch dies war Teil unserer Gespräche. Es ist nicht hinzunehmen, dass mit Gewalt eine einseitige Veränderung des Status quo herbeigeführt wird.

Wir waren uns auch darin einig, dass die Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland auch im Bereich der Sicherheit fortgeführt werden soll.

Danke schön.

BK Scholz: In der Tat werden wir technologisch zusammenarbeiten. Das bietet sich auch deshalb an, weil die Unternehmen sehr weit sind. Aber Sie haben auch nach der Rohstoffsicherheit und der Zusammenarbeit der beiden Agenturen beziehungsweise Institute gefragt. Dass sie jetzt auf einem intensiven Niveau stark ausgeweitet wird, ist zunächst einmal ein Fortschritt, weil sich bei beiden sehr viel Know-how gesammelt hat. Wenn man das zusammenführen kann, führt das einfach zu einer erheblichen Steigerung der Handlungsmöglichkeiten und auch des Wissens.

Gleichzeitig entsteht darüber auch eine gemeinsame Blickrichtung bezüglich der Frage, wie Investitionen in Rohstoffexplorationen andernorts stattfinden können. Damit verbunden ist die Idee, dass die Unternehmen, die an diesem Bereich interessiert sind, selbstverständlich miteinander kooperieren und investieren. Aber das ist durchaus eine Perspektive, die wir dabei verfolgen.

Wichtig ist, dass man dabei auch fair vorgeht. Ich denke, dass wir alle das Verständnis haben, dass es gut ist, wenn bestimmte Rohstoffe dort, wo sie aus der Erde geholt werden, vielleicht auch die erste Verarbeitungsstufe erreichen. Das würde die Entwicklungsfähigkeit vieler Länder stärken. Sie würden in ihren Ländern zusätzliche Einkommen generieren können, aber gleichzeitig auch die Welt insgesamt resilienter machen. Denn viele Rohstoffe, die wir heute aus einzelnen Ländern und manchmal aus nur einem großen Land importieren, werden gar nicht dort aus der Erde geholt. Insofern würden wir die wirtschaftliche Kraft vieler Länder in Asien, Afrika und im Süden Amerikas stärken und gleichzeitig dafür sorgen, dass das dazu beiträgt, dass es eine resilientere Welt wird.

Was die Verteidigung betrifft, gibt es natürlich Zusammenarbeit, die nicht nur in Übungen besteht, sondern auch im Austausch von Informationen, Lageeinschätzungen und Kooperationen, die damit zusammenhängen, und darin, dass man dafür sorgt, dass die Systeme zueinander passen und man miteinander kooperieren kann. Gleichzeitig haben wir ja eine etablierte und auszubauende Kooperation, was die Verteidigungswirtschaft betrifft. Denn das alles ist ja etwas, das mit harten Tatsachen zu tun hat, die hergestellt werden müssen.

Frage: Ich habe eine Frage zum G7-Gipfel in Hiroshima. Sie haben nun die Gespräche mit Herrn Bundeskanzler Scholz geführt und damit seit Jahresbeginn mit allen G7-Staats- und Regierungschefs Gespräche geführt. Hat die Tatsache, dass der Gipfel am Ort, an dem die Atombombe niederging, stattfindet, angesichts der wiederholten nuklearen Drohung Russlands gegenüber der Ukraine an Bedeutung gewonnen?

Wie wollen Sie die Diskussion um eine atomwaffenfreie Welt mit den Atommächten und Ländern wie Deutschland, die unter dem nuklearen Schirm stehen, führen?

Noch eine weitere Frage an Sie, Herr Premierminister, und zwar zum Atomwaffenverbotsvertrag, an dem Deutschland als Beobachter teilnimmt: Was wollen Sie diesbezüglich tun?

Herr Bundeskanzler, wie sehen Sie Japans Haltung, trotz seiner Vergangenheit als Opfer der Atombombe dem Atomabkommen nicht beizutreten?

MP Kishida: Zunächst zur russischen Aggression: Durch sie ist die internationale Sicherheitslage noch sehr viel schwieriger geworden. Hinzu kommt die sich vertiefende Spaltung der internationalen Gemeinschaft in der Frage der nuklearen Abrüstung und der nuklearen Drohung Russlands. Dies hat den Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen noch sehr viel schwieriger gemacht. Es gilt also, die derzeitige internationale Dynamik auch zugunsten einer Welt ohne Atomwaffen zu verstärken. Dazu ist es unerlässlich, alle Atomwaffenmächte einschließlich Chinas und Russlands in die nukleare Abrüstung miteinzubeziehen. Es gilt deshalb auch gerade jetzt, die Realität einer sehr schwierigen Sicherheitslage mit dem Ideal einer Welt ohne Atomwaffen zu verknüpfen und dafür realistische und praktische Ansätze voranzutreiben.

Wir wollen deshalb beim G7-Treffen in Hiroshima aus dieser Perspektive heraus ein deutliches Zeichen setzen und mit Blick auf den Hiroshimaaktionsplan den Meinungsaustausch mit den USA, mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland und natürlich den weiteren G7-Staaten führen. Wir wollen diese Gespräche dort weiter ausführen.

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, bezog sich auf den Atomwaffenverbotsvertrag. Dies ist ein sehr wichtiger Vertrag, der als praktischer Schritt und als Brücke zu einer Welt ohne Atomwaffen bezeichnet werden kann. Um die Realität zu ändern, ist jedoch die Kooperation der Atomwaffenstaaten notwendig. Aber keine einzige Atommacht ist dem Vertrag beigetreten. Japan als einziges Land, das im Krieg Opfer von Atombomben wurde, muss - das habe ich schon öfter erwähnt - sich dafür einsetzen, Atomwaffenstaaten einzubinden. Wir werden auf unseren bisherigen Bemühungen aufbauen, um realistische und praktische Ansätze in Zukunft voranzubringen.

So weit von mir.

BK Scholz: Schönen Dank. Es ist sehr wichtig, dass wir den Einsatz von Atomwaffen verhindern. Das war auch ein Grund für meine Verständigung mit dem chinesischen Präsidenten, als ich in Peking war. Die klare Aussage, dass Atomwaffen nicht eingesetzt werden dürfen, auch nicht in dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, hat dazu beigetragen, dass wir kurz darauf eine entsprechende Verständigung auf dem G20-Gipfel erreichen konnten. Das war sehr wichtig.

Es gilt, insgesamt zu einer Situation zu kommen, in der Rüstungskontrolle, insbesondere auch, was atomare Waffen betrifft, wieder eine größere Rolle spielt. Deshalb ist es auch nicht gut, dass sich Russland Stück für Stück aus den ganzen Vertragsbeziehungen, die es bisher gegeben hat, herausbewegt hat. Insofern ist es ein großes Anliegen, dass wir wieder zu einer Welt zurückkehren, in der Rüstungskontrolle und auch die Begrenzung von Atomwaffen eine große Rolle spielen.

Japan ist dabei mit dem Engagement und der eigenen Erfahrung sehr wichtig. Ich bin sehr froh darüber, dass Fumio das zu einem Thema macht, gerade dann, wenn wir uns in Hiroshima treffen.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, ich habe zwei Fragen an Sie beide zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Meine erste Frage ist eine Nachfrage zur Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs. Sie beide haben sich dazu noch nicht so richtig positioniert. Deswegen würde ich gern nachfragen, ob Sie diese Entscheidung befürworten oder ob Sie sie nur zur Kenntnis nehmen. Welche konkreten Konsequenzen könnten sich daraus ergeben? Kann Putin aus Ihrer Sicht zum Beispiel immer noch am G20-Gipfel in Indien teilnehmen?

Meine zweite Frage betrifft die Reise des chinesischen Präsidenten nach Moskau, die Montag beginnen wird. Welche Erwartungen haben Sie an diese Reise? Verbinden Sie damit die Hoffnung, dass der chinesische Präsident Putin zum Einlenken bewegt, oder überwiegt die Befürchtung, dass er Putin den Rücken stärken könnte?

Würden Sie sich wünschen, dass Xi auch in die Ukraine reist?

MP Kishida: Danke für diese Fragen. Zunächst zur Frage in Bezug auf die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs: Darauf bin ich vorhin ja schon eingegangen. Der Haftbefehl gegen Präsident Putin wurde, wie gesagt, erlassen. Das wurde bekannt gegeben. Das ist, wie gesagt, der erste konkrete Schritt. Die Ermittlungen werden fortgesetzt werden; das ist uns bekannt. Wir als Japan werden die weiteren Ermittlungen des Strafgerichtshofs weiterhin mit großem Interesse verfolgen.

Zur zweiten Frage, ob Indien bei den G7 teilnehmen soll: Ich bin der Meinung, dass G7 und G20, dass diese beiden Gruppen auch miteinander kooperieren müssen. Ich denke, auch wir als G7-Vorsitzende und der Vorsitzende der G20, also Indien, müssen eng miteinander zusammenarbeiten. Das betone ich immer. Morgen werde ich persönlich nach Indien reisen. Natürlich werde ich mein Programm darauf anpassen, dass wir auch bei G20 vertreten sein werden.

Dann hatten Sie das geplante Treffen zwischen China und Russland angesprochen. Am 20. März wird Staatspräsident Xi nach Moskau reisen. Das ist bereits in den Medien bekannt geworden. Es gibt verschiedene Prognosen und eine Diskussion zu der Frage, wie China die Beziehungen zu Russland weiterführen wird. Aber es ist wichtig für diese Region und für den Frieden, dass diese beiden Staaten verantwortungsvoll handeln und auch eine entsprechende Haltung zeigen. Das ist unser Wunsch. Wir setzen große Hoffnungen darauf. In welche Richtung sich die Gespräche entwickeln werden, das können wir natürlich nicht absehen.

Wichtig ist, dass wir als G7 die Rechtstaatlichkeit und die internationale Ordnung weiterhin schützen und erhalten wollen. Wir werden die starken und harten Sanktionen Russland gegenüber ebenso wie die Unterstützung für die Ukraine fortführen. Wir sind uns darin einig, dass wir dies fortführen werden. Diese Haltung wollen wir auch in Zukunft weiterhin kundtun.

BK Scholz: Schönen Dank. Noch einmal sehr klar: Der Internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen. Wir haben ihn die ganzen Jahre über begleitet und auch immer dafür gesorgt, dass er seine gebührende Bedeutung haben kann. Niemand steht über Recht und Gesetz, und das ist es, was gerade deutlich wird.

Im Hinblick auf die Reise des chinesischen Präsidenten nach Moskau ist es ganz wichtig, dass klar wird, dass dieser Krieg nur beendet werden kann, indem Russland Truppen zurückzieht, und dass das ein Angriffskrieg ist. Diese Haltung haben wir überall und bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck gebracht. Wenn dort gesprochen wird, dann muss natürlich auch das ein Thema sein. Unsere Vorstellung ist schon, dass das thematisiert wird, genauso wie es richtig wäre, wenn die chinesische Regierung auch mit der ukrainischen Regierung in direktem Kontakt stünde und wenn sich der chinesische Präsident auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky unterhielte.

Zuruf: Putin bei G20?

BK Scholz: Die Frage, wer dahin geht, ergibt sich aus der Zusammensetzung des Gremiums, aus der Einladung. Deshalb ist das etwas, was die ganze Zeit über eine Rolle gespielt hat. Wir haben im vergangenen Jahr darüber diskutiert; er ist nicht erschienen, sondern hat sich durch seinen Außenminister vertreten lassen. Ob er diesmal erscheinen wird, das weiß ich nicht.