Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem irischen Premierminister Micheál Martin vor dem gemeinsamen Gespräch am 22. Februar 2022 in Berlin

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem irischen Premierminister Micheál Martin vor dem gemeinsamen Gespräch am 22. Februar 2022 in Berlin

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

14 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 22. Februar 2022

BK Scholz: Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich sehr herzlich meinen irischen Kollegen Micheál Martin begrüßen! Die Beziehungen zwischen Deutschland und Irland sind eng, vertrauensvoll und gut. Wir arbeiten eng zusammen in der Europäischen Union, und das werden wir auch so fortsetzen.

Wir werden in unserem Gespräch gleich selbstverständlich über das Verhältnis der Europäischen Union zu Großbritannien diskutieren. Für Irland und für Deutschland sind gute, belastbare Beziehungen mit unseren britischen Freunden von besonderer Bedeutung. Das Vereinigte Königreich ist für uns einer der wichtigsten Partner außerhalb der Europäischen Union, mit dem wir politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich sehr eng verbunden sind.

Mit Blick auf das Nordirlandprotokoll sind wir uns beide einig: Die britische Regierung muss ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und das Protokoll umsetzen. Es dient der Sicherung von Frieden und Stabilität auf der irischen Insel und es ermöglicht zugleich den Schutz des EU-Binnenmarktes. Es ist eine zentrale Säule der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, die wir gemeinsam mit London nach dem Brexit vereinbart haben - und Verträge werden bekanntlich eingehalten.

Gemeinsam mit anderen EU-Partnern unterstützen wir daher die Kommission in ihren Bemühungen, praktische Lösungen bei der Umsetzung des Nordirlandprotokolls zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass das auf Basis der Vorschläge, die die EU-Kommission im Oktober vorgelegt hat, möglich sein wird. Wichtig ist, dass sich jetzt auch die britische Seite auf die EU zubewegt und ihren Beitrag zu einer Lösung leistet.

Nun aber noch ein paar Sätze zu dem Thema, das uns gemeinsam gerade sehr umtreibt. Die Entscheidung des russischen Präsidenten zur Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk am Montag ist ein schwerwiegender Bruch des Völkerrechts. Präsident Putin bricht damit nicht nur das Abkommen von Minsk, das er 2014/15 selbst unterzeichnet hatte. Er bricht auch mit den Grundprinzipien, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen zum friedlichen Zusammenleben der Völker verankert sind. Dazu gehören die Wahrung der territorialen Integrität und Souveränität der Staaten, der Verzicht auf Androhung und Anwendung von Gewalt sowie die Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung.

Russland bricht auch mit allen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die es in den vergangenen fast 50 Jahren ausdrücklich eingegangen ist, insbesondere der Helsinki-Grundakte. Die Unversehrtheit und Unverrückbarkeit von Grenzen sowie die Souveränität eines jeden Landes gilt es zu achten. Das ist die Basis, auf diesem Prinzip fußen weite Teile unserer Nachkriegsordnung. Mit der Anerkennung der beiden Provinzen im Osten der Ukraine hat Russland gegen diese Grundprinzipien verstoßen. Die Lage heute ist damit eine grundlegend andere.

Nun ist es an der internationalen Gemeinschaft, auf diese einseitigen, unverständlichen und ungerechtfertigten Handlungen des russischen Präsidenten zu reagieren - eng abgestimmt, gut koordiniert und zielgerichtet -, damit wir ein klares Signal an Moskau senden, dass solche Handlungen nicht ohne Konsequenz bleiben werden. International stimmen wir uns eng ab. Im UN-Sicherheitsrat haben wir und andere Staaten gestern Nacht bereits deutlich gemacht, dass Russland keinerlei Rückhalt in der Welt für sein Vorgehen hat.

Der ukrainische Präsident Selensky verdient unseren höchsten Respekt dafür, dass sich sein Land nicht von Russland provozieren lässt; denn genau darauf wartet der russische Präsident, um einen Vorwand zu haben, möglicherweise die gesamte Ukraine zu besetzen.

Innerhalb der Europäischen Union haben wir ein erstes Set an Sanktionen miteinander besprochen und werden sie noch im Laufe des Tages gemeinsam beschließen.

Ich sprach davon: Die Lage ist heute eine grundlegend andere. Deshalb müssen wir angesichts der jüngsten Entwicklung diese Lage auch neu bewerten - übrigens auch im Hinblick auf Nord Stream 2. Ich habe das Bundeswirtschaftsministerium heute gebeten, den bestehenden Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen. Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann - und ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 ja nicht in Betrieb gehen. Die zuständige Abteilung des Bundeswirtschaftsministeriums wird eine neue Bewertung der Sicherheit unserer Versorgung unter Berücksichtigung dessen vornehmen, was sich in den vergangenen Tagen verändert hat.

In dieser Phase ist es jetzt wichtig, neben ersten Sanktionen eine weitere Eskalation und damit eine Katastrophe zu verhindern. Darauf zielen alle unsere diplomatischen Anstrengungen.

Es sind sehr schwere Tage und Stunden für Europa. Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges droht ein Krieg im Osten Europas. Es ist unsere Aufgabe, eine solche Katastrophe abzuwenden, und ich appelliere erneut an Russland, dabei zu helfen.

Vielen Dank!

PM Martin: Ich freue mich sehr, heute hier in Berlin zu sein und so herzlich von Bundeskanzler Scholz empfangen zu werden!

Wie Sie gesagt haben: Irland und Deutschland sind langjährige, enge Freunde. Unsere Beziehungen wachsen beständig. Wir freuen uns darauf, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen unserer zweier Länder weiter zu vertiefen. Wir arbeiten auch in der EU eng zusammen, wo wir gleichgesinnt sind bei so vielen großen Herausforderungen, denen wir uns aktuell gegenübersehen. Der Bundeskanzler und ich haben das gemeinsame Ziel, dass wir diese Zusammenarbeit ausbauen möchten; denn das liegt sowohl in unserem nationalen Interesse als auch in unserem gemeinsamen europäischen Interesse.

Ich freue mich darauf, die Entwicklungen bezüglich der Ukraine jetzt auch mit dem Bundeskanzler zu besprechen. Präsident Putin hat gestern angekündigt, dass Russland nun die Separatistenregionen in der Ukraine anerkennt. Das überschreitet eine Linie, das ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht und ein Bruch der Souveränität der Ukraine. Das ist auch ein Verstoß gegen die Grundprinzipien der Uno-Charta, die besagt, dass alle Mitglieder Abstand von Bedrohung oder Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines jeden Staates nehmen müssen.

Wie ich gesagt habe: Zusammen mit unseren Partnern in der EU steht Irland solidarisch an der Seite der Ukraine. Der Bundeskanzler und ich werden die Reaktion der EU besprechen, die massiv ausfallen wird. Ich rufe Russland noch einmal erneut zur Deeskalation und zum Abzug der militärischen Kräfte von der ukrainischen Grenze auf.

Der Bundeskanzler und ich werden auch die Gelegenheit haben, zahlreiche Themen auf der Agenda des EU-Rats zu besprechen, einschließlich des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Investitionen. Während wir uns langsam aus der Pandemie herausarbeiten und die grüne und digitale Transformation vorantreiben, müssen wir sicherstellen, dass wir die neuen Chancen auch nutzen, um in der gesamten EU qualitativ hochwertige Arbeitsplätze für gut ausgebildete Menschen zu schaffen.

Unsere Regierungen sind sehr ehrgeizig, was die Klimadiplomatie angeht. Wir unterstützen beide die EU-Klimaziele für 2030 und darüber hinaus.

Ich freue mich auch darauf, mit dem Bundeskanzler die EU-Beziehungen mit Großbritannien zu besprechen. Ich möchte ich ihm hier auch persönlich sehr herzlich dafür danken, dass Deutschland uns während des Brexit-Prozesses immer unterstützt und Solidarität gezeigt hat.

Ich möchte Ihnen und Ihrer Regierung auch für die Unterstützung während der COVID-19-Pandemie danken. Danke für den Transport von Passagieren aus Irland nach Deutschland und umgekehrt und für die Testkits.

Zum Brexit: Irland möchte in der Zukunft eine starke, dauerhafte Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien und dem Vereinigten Königreich aufbauen. Damit das geschehen kann, ist es notwendig, dass bestehende Vereinbarungen - auch das Protokoll - nach Treu und Glauben umgesetzt werden. Vizepräsident Ŝefčovič und die Kommission werden weiterhin meine volle Unterstützung bei der wichtigen Arbeit genießen, die sie leisten, um dieses Ziel zu erreichen. Ich hoffe, dass die britische Regierung sich konstruktiv in diese Arbeit einbringen wird, sodass es uns gelingen wird, pragmatische Lösungen für einige der Probleme innerhalb des Protokolls anzugehen.

Ich möchte dem Bundeskanzler noch kurz etwas mitteilen, was die schwierige politische Situation in Nordirland angeht. Wir möchten dort vor den Abgeordnetenhauswahlen im Mai eine ruhige Lage sicherstellen.

Das werden wir alles besprechen. Vielen Dank, Herr Bundeskanzler Scholz, für Ihre Unterstützung, für die Freundschaft und für den herzlichen Empfang heute hier.

Frage: Eine Frage zur Ukraine an Sie beide. Glauben Sie, dass die Sanktionen direkt auf dem EU-Rat beschlossen werden sollen? Glauben Sie, dass die Sanktionen umfassend ausfallen müssen oder sollte es einen abgestuften Prozess geben?

Der ukrainische Präsident hat gestern Abend gesagt, dass es sehr wichtig war, zu sehen, wer jetzt wirklich als Freund an ihrer Seite steht. Welche Sanktionen empfehlen Sie? Welches Vorgehen empfehlen Sie?

BK Scholz: Vielen Dank für die Frage. Ich will gerne darauf antworten.

Für uns ist es ganz, ganz wichtig, dass wir als Europäische Union gemeinsam handeln und auch in enger Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist das, was wir gerade vorbereitet haben und worüber jetzt die Diskussionen im Gange sind. Es geht um entschiedene Maßnahmen, die wir jetzt bezogen auf die Aktion ergreifen, die jetzt stattgefunden hat, nämlich die Anerkennung der beiden Gebietskörperschaften als eigene Republiken, was nicht hingenommen werden kann.

Selbstverständlich haben wir in der langen Zeit, in der wir diese Situation vorbereitet haben, noch weitere Sanktionen, die wir ergreifen können, falls es zu weiteren Maßnahmen kommt. Aber jetzt geht es erst einmal darum, etwas ganz Konkretes zu machen, das sich auf die Situation, die jetzt eingetreten ist, bezieht und auch ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, die zwischen den USA und der Europäischen Union abgestimmt sind. Und das wird passieren.

PM Martin: Vielen Dank. - Die Einheit ist unsere Stärke. Es ist ganz klar, dass alle EU-Mitgliedstaaten bei diesem Thema Seite an Seite stehen. Aus irischer Sicht sind für uns als kleine offene Demokratie – wir feiern jetzt das hundertjährige Jubiläum unserer Demokratie – die Handlungen von Präsident Putin gestern nicht akzeptabel, gerade wenn es um kleine Staaten geht. Sie haben ein Recht auf ihre Staatlichkeit und ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Ich denke, bei seinem Statement läuft es einem gerade als kleines Land auf dem europäischen Kontinent kalt den Rücken herunter.

Für uns sind die Grundsätze wie Selbstbestimmung und Souveränität sehr wichtig und stehen ganz oben. Deswegen glaube ich, dass es bezüglich der Ankündigung von gestern Abend eine abgestimmte Reaktion geben wird. Dann stehen wir natürlich bereit, um noch robustere Maßnahmen zu ergreifen, wenn weitere Maßnahmen ergriffen werden. Aber das wird in Abstimmung mit allen Mitgliedstaaten geschehen.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben gerade gesagt, dass das Zertifizierungsverfahren für Nord Stream 2 ausgesetzt wird. Mich würde interessieren: Unter welchen Bedingungen könnte es wieder eingesetzt werden? Welche Bedingungen müsste Russland erfüllen?

Mich würde auch interessieren, ob das Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine angesichts der neuen Situation wieder infrage gestellt wird oder ob Sie dabei bleiben.

Mich würde auch interessieren: Das Minsker Abkommen ist ja quasi mit dem heutigen Tag hinfällig. Bedeutet das, dass auch das Normandie-Format tot ist und damit auch die deutsche Vermittlerrolle oder versuchen Sie, diesbezüglich wieder Gespräche in Gang zu bekommen?

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Fragen. - Ganz konkret: Der Versorgungssicherheitsbericht ist eine ganz wichtige Voraussetzung für das Zertifizierungsverfahren, den das Wirtschaftsministerium zu erstellen hat. Natürlich - und darüber habe ich mich mit Bundesminister Habeck schon sehr lange unterhalten - ist eine Situation wie die, die jetzt eingetreten ist, eine, in der man diese Lage neu bewerten muss. Der existierende Bericht wird jetzt zurückgezogen und wird im Wirtschaftsministerium in der zuständigen Abteilung neu bearbeitet werden. Da müssen neben vielen anderen Fragen, die auch wichtig und von großer Bedeutung sind, all die Fragen, die uns gemeinsam bewegen, natürlich mit einfließen. Insofern ist das etwas, das das Verfahren jetzt neu beeinflusst. Es geht jetzt einen neuen Gang. Das ist notwendigerweise so, weil das Wirtschaftsministerium diesen Bericht in der nächsten Zeit noch einmal neu bearbeiten muss. Das wird sich sicherlich hinziehen, wenn ich das vorhersagen darf.

Die zweite Bemerkung ist in Bezug auf das Normandie-Format. Dieses ist unverändert wichtig. Wir haben es als eine Plattform. Präsident Macron und ich haben sehr sorgfältig besprochen, dass wir diese Plattform auch weiterhin nutzen wollen. Das haben wir auch mit dem ukrainischen Präsidenten abgestimmt. Wir arbeiten jetzt daran, einen Weg zu suchen, wie wir in der schwierigen Situation darauf aufbauen können, dass es das als Gesprächsformat gibt.

Aber das will ich ausdrücklich sagen: Die Lage bleibt ernst. Die Truppen sind ja immer noch da, und sie reichen aus, um eine militärische Invasion der gesamten Ukraine durchzuführen. Niemand von uns kann gegenwärtig vorhersagen, wie es weitergeht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir auf das, was jetzt passiert ist, sofort reagieren, dass das schnell geschieht und dass die Europäische Union, die USA und auch viele andere gleichgerichtet handeln. Das ist vorbereitet.

Zusatzfrage: … (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BK Scholz: Das ist eine unveränderte Situation. Das, was wir machen, ist, die ökonomische und wirtschaftliche Resilienz der Ukraine zu stärken, indem wir unverändert der größte finanzielle Stabilisator der Ukraine sind. Das werden wir auch bleiben. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass wir diesen Moment jetzt und auch weitere Entwicklungen, die noch stattfinden können, sehr eng vorbereitet haben. Deshalb werden Europa und die USA schnell handeln können. Das dauert jetzt nicht sehr lange, weil wir nicht erst anfangen, sondern in Wahrheit die letzten Wochen und Monate damit zugebracht haben, solch einen Moment vorzubereiten, genauso wie die Bundesregierung es getan hat, wie Sie sehen.

Frage: Herr Bundeskanzler, egal was Russland in der Ukraine vorhat, und Nord Stream hin oder her, ist und bleibt Deutschland dank bestehender Pipelines ein Großkunde für Erdgas aus Russland. Was tun Sie, um diese Abhängigkeit zu brechen? Haben Sie kurzfristig etwas vor, um diese Situation und diese Abhängigkeit von russischem Erdgas zu ändern?

Eine Frage an den Taoiseach: Ein SPD-Abgeordneter hat mir gesagt, dass der irische Ruf in Deutschland leiden könne, wenn Irland beim Thema des europäischen Datenschutzes nicht aktiver werde, wie er auch bezüglich der Finanzpolitik gelitten habe. Wird die Regierung, wird die Datenschutzbehörde Prozeduren in Irland entsprechend anpassen, auch bezüglich der Entwicklungen seit Juli?

BK Scholz: Es ist sehr gut, dass Sie diese Frage stellen. Wenn Sie die Energieversorgungssituation Deutschlands betrachten, dann werden Sie feststellen, dass etwa ein Viertel unserer Energieversorgung auf Gas beruht und ein Teil davon, etwa die Hälfte, aus russischen Importen stammt. Die anderen Importe stammen aus Norwegen, aus den Niederlanden und aus vielen weiteren Teilen.

Wir haben schon vor langem damit begonnen, unsere Abhängigkeit von Gas reduzieren zu wollen, indem wir entschieden haben, innerhalb von knapp 25 Jahren CO2-neutral zu wirtschaften. Deutschland wird seine Energieproduktion auf strombasiert umstellen, indem wir die Erzeugungskapazitäten für Strom aus Offshorewindkraft, aus Windkraft an Land, aus Solarenergie massiv ausweiten, von jetzt 600 Terrawattstunden auf 800 bis zum Ende dieses Jahrzehnts und dann wahrscheinlich noch mal die doppelte Menge bis 2045, damit wir Stahl, Zement, Chemie ohne den Einsatz fossiler Ressourcen produzieren können. Das, was wir dann als Gas einsetzen, wird ein anderes sein, in Anführungsstrichen gesprochen. Das wird dann Wasserstoff sein, den wir einsetzen werden. Auch den werden wir importieren müssen, aber zu einem erheblichen Teil auch selbst erzeugen können. Das ist die Aufgabe, die wir uns als großes industrielles Modernisierungsprojekt vorgenommen haben.

Ansonsten analysieren wir unsere Situation immer sehr genau und sorgen auch dafür, dass sich die Importkapazitäten und Importmöglichkeiten, die wir künftig haben werden, um Gas nach Deutschland zu bringen, weiter diversifizieren. Das ist eine Aufgabe, die wir haben wie viele andere auch. Wie Sie wissen, gibt es Länder in Europa, die einen viel höheren Anteil an Gas für ihre Energieversorgung haben und auch einen höheren Anteil, was die Versorgung aus Russland betrifft. Insofern ist das eine große gemeinsame europäische Aufgabe, die wir auch gemeinsam schultern können.

PM Martin: Die Kritik bezüglich der Datenschutzkommission kann ich so nicht ganz teilen. Ich denke, dass wir Jahr für Jahr zusätzliche Ressourcen bereitgestellt haben. Wir haben auch großes Vertrauen in den Vorsitzenden der Kommission bezüglich der Kompetenz und der Möglichkeit, die die Kommission hat. Wir entwickeln die Arbeit stetig weiter. Natürlich ist das Thema eine Herausforderung, aber innerhalb des EU-Rahmens, auf den wir uns ja verständigt haben, leistet die Kommission genau die Arbeit, die notwendig ist.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich will zur europäischen Abstimmung nachfragen. Sie beide, auch der Ministerpräsident, haben jetzt die Einigkeit der Europäer betont. Aber ist sie wirklich gegeben? Sind Sie ganz sicher, dass alle EU-Staaten dieses Sanktionspaket mittragen, oder würden die „like-minded“ notfalls auch ohne einzelne Länder Sanktionen verhängen?

Es gibt Kritik daran, dass der abgestufte Ansatz möglicherweise keine Abschreckung für Putin bedeute, weil er ein strategisches Ziel jetzt schon erreicht habe. Er hat die Ukraine mit der Anerkennung dauerhaft destabilisiert. Warum also nicht gleich ein großes Sanktionspaket?

Was ist eigentlich das Ziel? Muss Putin die Anerkennung zurücknehmen? Was genau wollen Sie erreichen?

BK Scholz: Schönen Dank. Wir werden die Anerkennung weder akzeptieren noch hinnehmen können. Deshalb ist es so wichtig, dass jetzt sofort und zügig reagiert wird. Ich will den Optimismus, den auch mein Kollege hier ausgedrückt hat, dass wir zu einer gemeinsamen Entscheidung in der EU kommen, unterstreichen. Das ist lange diskutiert und vorbereitet. Natürlich gibt es in den zuständigen Gremien dann immer noch einmal Diskussionen. Aber mein Eindruck ist, dass genau das jetzt stattfinden wird. Es ist ein sehr konzentriertes, ein sehr starkes Paket, das sich auf diese Entwicklung bezieht. Die ohnehin existierende Vorbereitung für das, was passieren kann, wenn es zu weiteren, noch schlimmeren Entwicklungen kommt, ist ja auch weit fortgeschritten.

Insofern statt vieler Worte: Ich bin eigentlich zuversichtlich, dass es gelingt, die viele Arbeit auch in einen Beschluss umzusetzen, und halte es auch für richtig, so vorzugehen: eine Maßnahme, die sich jetzt auf das hier bezieht, die robust ist, die massiv ist und die ähnlich ist zwischen der EU und den Vereinigten Staaten von Amerika, und Maßnahmen, die wir für den Fall vorbereiten, dass noch mehr passiert, was wir aber unbedingt verhindern wollen. - Denn das ist ja das Ziel der ganzen Dinge, dass es nicht dazu kommt.