Im Wortlaut
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
27 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Montag, 9. Mai 2022
BK Scholz: Lieber Emmanuel, es ist schön, und ich freue mich ausdrücklich, dich nach der Wahl in Frankreich wieder hier in Berlin begrüßen zu können. Ich gratuliere dir noch einmal von ganzem Herzen zu deiner Wiederwahl.
Frankreich hat sich in dieser Wahl ganz klar für Europa entschieden. Das ist ein gutes Zeichen. Denn gerade in diesen schwierigen Zeiten ist ein solches Bekenntnis wichtig. Wir beide sind uns seit Langem darüber einig, dass unsere Länder die großen Herausforderungen unserer Zeit nur dann erfolgreich bewältigen können, wenn wir gemeinsam und im Rahmen eines starken und souveränen Europas vorgehen. Diesen Weg wollen wir gemeinsam weitergehen, und darauf freue ich mich ganz besonders, weil damit sehr viele wichtige Gestaltungsaufgaben, aber auch wichtige Entscheidungen für die nächste Zeit verbunden sind.
Dass dich dein erster Auslandsbesuch hierher nach Deutschland führt, freut mich natürlich besonders. Vor allem ehrt es mich und uns. Denn das ist schon etwas Besonderes. Ich glaube unverändert, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich wichtig für die Entwicklung unseres gemeinsamen Europas ist, nicht deshalb, weil es allein auf unsere beiden Länder ankäme, sondern deshalb, weil unsere Länder dafür wichtig sind, dass es miteinander insgesamt in Europa gut funktionieren kann. Deshalb ist eine gute Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern auch immer ein gutes Zeichen dafür, dass wir Fortschritte in Europa möglich machen können. Dass der Besuch heute auch noch auf den Europatag fällt, ist natürlich ein ganz besonderes Zeichen und passt zu diesem Ziel, das wir miteinander haben. Das Signal wollen wir heute Abend auch senden.
Auf Initiative der französischen Ratspräsidentschaft strahlen wir zahlreiche Bauwerke in ganz Europa in den Farben der Ukraine an, bei uns das Brandenburger Tor, in Paris den Eiffelturm. Wir stehen füreinander ein, und wir stehen an der Seite der Ukraine als eines Teils der europäischen Familie.
Am Europatag 2021 hast du in Straßburg die Konferenz zur Zukunft Europas eröffnet. Damals schien noch die Pandemie die größte Herausforderung für unser Europa zu sein. Niemand hätte sich vorstellen können, dass heute, ein Jahr später, der Frieden in Europa durch den entsetzlichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gebrochen worden ist. Dass ein europäisches Nachbarland brutal angegriffen wird, dass Millionen von Menschen auf der Flucht sind, dass unzählige Menschen in der Ukraine Tod, Leid und Zerstörung erfahren müssen, das ist etwas, was uns gemeinsam erschreckt, aber auch zusammenschweißt, weil wir zusammen handeln müssen.
Wir erleben eine Zeitenwende. Das habe ich zu Beginn des Krieges gesagt. Wir erleben auch die ungeheure, große Kraft, die aus unserem Zusammenstehen, unserer Solidarität und unserer Einheit als Demokraten, als Europäer und in der transatlantischen Gemeinschaft erwächst. In diesen Tagen wird uns wieder bewusst, welchen Wohlstand, welche Freiheit und welche Sicherheit wir in der Europäischen Union und als Nato-Mitglieder genießen. Wir sind fest entschlossen, die Grundlagen unseres Zusammenlebens gemeinsam und mit aller Kraft zu verteidigen: Frieden und Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Gerechtigkeit und Sozialstaat und einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt.
Deshalb ist die deutsch-französische Partnerschaft und, ja, die Freundschaft wichtiger denn je als Motor und Inspirationsquelle für das europäische Projekt, wie ich es schon ausgeführt habe. Ich freue mich, dich dabei als engen und verlässlichen Partner an meiner Seite zu wissen. Europa gelingt nur gemeinsam; davon sind wir beide fest überzeugt. Das gilt für die Zusammenarbeit von Staats- und Regierungschefs, und es gilt nicht weniger für die Bürgerinnen und Bürger. Eine offene Gesellschaft und lebendige Demokratien sind das, was Europa auszeichnet.
Es ist ein Signal, das von der europäischen Zukunftskonferenz in Straßburg heute am Europatag 2022 ausgegangen ist. Wir sind uns einig. Die guten Ideen der Bürgerinnen und Bürger aus dieser Konferenz wollen wir zügig aufnehmen, um die Europäische Union stärker, souveräner und effizienter zu machen. Wir werden dafür werben.
Ein wichtiges Signal wollen wir heute Abend noch an die Staaten des westlichen Balkans senden. Wir stehen zu unserem Beitrittsversprechen. Die Blockaden, die es jetzt noch gibt, müssen im Sinne europäischer Verantwortung und im Sinne geostrategischer Vernunft überwunden werden. Ich freue mich, dass du dies heute Mittag in Straßburg noch einmal überaus deutlich gemacht hast.
Wir sind uns einig. Die Ukraine gehört zur europäischen Familie. Wir arbeiten daran, ihren Weg in unser gemeinsames Europa weiter zu begleiten. Die Prozesse dafür sind jetzt festgelegt. Die Europäische Union bearbeitet die vorgeschlagenen Anträge. Die Kommission wird bald ihre Bewertung vorlegen. Es geht auch darum, dass wir in Europa, in der Europäischen Union und natürlich auch darüber hinaus, wenn es um die demokratischen Staaten des europäischen Kontinents geht, enger zusammenarbeiten. Das sind sehr interessante Vorschläge. Ich freue mich auf die Diskussion mit dir und den Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat.
Wir haben heute also viel zu besprechen. Es ist zunächst die Frage von Krieg und Frieden in Europa. Da gilt: Wir stehen eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine. Wir unterstützen sie finanziell, humanitär und auch militärisch mit unseren Waffenlieferungen, um diesen Krieg zu beenden. Das Unrecht darf nicht siegen. Grenzen in Europa dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden.
Wir werden alles unternehmen, was nötig ist, um ein Übergreifen des Krieges auf andere Länder zu verhindern und unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken. So werden wir beim kommenden Sonderrat Ende Mai beraten, wie wir in der Europäischen Union unsere Investitionen in die Verteidigung besser koordinieren und effektiver nutzen können. In dem Zusammenhang wollen wir natürlich auch die deutsch-französischen Rüstungsprojekte schneller voranbringen. Beim Nato-Gipfel in Madrid im Juli werden wir über die künftige Ausrichtung der atlantischen Allianz entscheiden und die notwendige militärische Anpassung an die neue Sicherheitslage vornehmen.
Wir wissen dabei ganz genau, dass Sicherheit nicht nur die militärische Sicherheit umfasst. Wir müssen auch viele andere Fragen bewegen. Zum Beispiel sind die Folgen des Klimawandels dramatisch. Ohne den nötigen Umbau unserer Energieversorgung weg von fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien, wird es uns nicht gelingen, das zu schaffen. Durch den Krieg wird diese Aufgabe noch dringlicher. Ich will an dieser Stelle unbedingt noch sagen, dass ich Frankreich für die sehr erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft unter diesen sehr, sehr schwierigen Bedingungen danke. Nun stehen wir alle vor der großen Aufgabe, die Energieversorgung zu sichern und gleichzeitig die Preise für die Güter des täglichen Bedarfs stabil zu halten.
Die veränderte Sicherheitslage schiebt noch ein weiteres Thema auf die Tagesordnung. Wir wollen sehr schnell zu konkreten Vereinbarungen kommen, um den Fortschritt bei der Integration unserer EU und im Hinblick auf den westlichen Balkan voranzubringen.
Alle diese Ziele wollen wir mit Frankreich vorantreiben. Deshalb haben wir verabredet, uns möglichst rasch nach den Parlamentswahlen und möglichst noch im Juli zu einem deutsch-französischen Ministerrat zu treffen. Unser Ziel: neuer Schwung für Europa. Lieber Emmanuel, ich freue mich darauf!
P Macron: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, für die Einladung nach Berlin. Ich freue mich sehr, Sie alle und dich anlässlich meiner ersten Auslandsreise nach meiner Amtseinführung für diese zweite Amtszeit vorgestern wiederzutreffen. Für mich war es ganz klar, dass diese erste Reise darauf abzielen würde, noch einmal die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft zu unterstreichen. Dieser Wunsch lag mir umso mehr am Herzen, als wir uns anlässlich dieser ersten Auslandsreise, die ich unternehme, am 9. Mai, dem Europatag, treffen, um dieses einzigartige politische Projekt in der Welt zu feiern, das Deutschland und Frankreich gemeinsam mit aufgebaut und wobei sie die Gräben überwunden haben, die sich zwischen unseren beiden Ländern durch zwei Weltkriege entwickelt hatten.
Diese Freundschaft, die unsere beiden Länder und uns verbindet, wird es hoffentlich in den kommenden Wochen und Monaten möglich machen, große Dinge aufzubauen. Gemeinsam haben wir das Ziel, eines stärkeren, souveräneren, geeinteren und demokratischeren Europas, das den Herausforderungen im Bereich der Sicherheit gewachsen ist. Wir wissen, dass große Aufgaben vor uns liegen, so zum Beispiel der ökologische und der digitale Wandel, aber auch die Veränderung unserer Gesellschaften. Auch das macht es noch einmal notwendig, dass sich unsere beiden Länder engagieren und dass sich Europa engagiert.
Wir haben also sehr viel Arbeit vor uns - du hast daran erinnert -, und zwar zunächst einmal auf bilateraler Ebene. An diese Arbeit werden wir uns machen. Wir wollen das weiterentwickeln, was wir in den vergangenen Jahren bereits gestärkt haben: unsere Wirtschaftsbeziehungen, unsere akademischen Beziehungen, unsere Forschungsbeziehungen, aber auch unsere gute Zusammenarbeit in den Bereichen der Verteidigung und der Außenpolitik.
Es gibt gemeinsame große Rüstungsprojekte. Deutschland hat gerade strukturierende Entscheidungen getroffen, die ich ausdrücklich begrüße. Ich möchte, dass wir die Abstimmung auf bilateraler Ebene noch einmal verstärken und dass in den kommenden Wochen ein deutsch-französischer Ministerrat stattfinden kann, bei dem wir noch einmal all diese Themen ansprechen und besprechen können - dieses Freundschaftsprojekt zwischen unseren beiden Ländern.
Dann natürlich ist der von Russland in der Ukraine verursachte Krieg etwas, was uns tief berührt und bewegt. Er betrifft angesichts der geopolitischen Lage von Europa auch alle unsere Landsleute. Er hat dazu geführt, dass wir ab Februar gemeinsam gehandelt haben, um zunächst einmal diesen Krieg zu stoppen und dann alles dafür zu tun, dass ein Waffenstillstand erreicht wird. Wir haben mit jedem Mittel versucht, eine Ausweitung des Konflikts zu vermeiden. Wir haben die Ukraine unterstützt und wir haben Russland sanktioniert.
Wir stehen vor einer Herausforderung für unsere Generation, für unser Europa, für unsere Länder. Der Krieg ist auf unseren Kontinent zurückgekehrt. Wir müssen nun alles tun, um die Demokratie zu schützen, um an der Seite der Ukraine zu stehen und gleichzeitig unsere Völker vor einer Ausweitung des Kriegs zu schützen.
Wir werden uns weiterhin eng bei diesen Themen abstimmen und gemeinsam agieren, wie wir das bereits zu Beginn gemacht haben, als wir die Ukraine unterstützt haben. Wir haben in den vergangenen Wochen erhebliche Entscheidungen getroffen, und wir werden auch weiterhin Sanktionen verabschieden.
Bei diesem Thema werden in den kommenden Tagen auf europäischer Ebene wichtige Entscheidungen zu treffen sein. Wir werden darüber heute Abend sprechen. Wir beide wollen, dass wir als EU eine solidarische geeinte Antwort geben, wie wir das bereits seit einigen Monaten tun. Das ist meiner Meinung nach unerlässlich.
Ebenso werden wir weiterhin an der Seite der Ukraine stehen - das haben wir in den vergangenen Wochen gezeigt -, und zwar militärisch, finanziell und humanitär. So werden wir uns weiter engagieren.
Dieser Krieg braucht natürlich auch eine eng abgestimmte Antwort im Bereich der Verteidigungspolitik. Dort müssen wir noch einmal unsere europäischen Ziele anheben. Das haben wir getan. Wir haben eine deutsch-französische Abstimmung, die sehr eng ist. Am Ende des Monats Mai werden wir einen außerordentlichen Europäischen Rat zu diesem Thema abhalten. Entsprechend des strategischen Kompasses, der während der deutschen Ratspräsidentschaft auf den Weg gebracht worden und vor einigen Wochen abgeschlossen worden ist, haben wir ein weiteres Mittel an der Hand.
Wie der Bundeskanzler uns bereits gesagt hat: Auch im Bereich der Energie, der Energieversorgung, müssen wir in Europa unsere Abhängigkeit von fossilen russischen Brennstoffen senken. Das entspricht auch unserer Strategie für den ökologischen Wandel. Wir müssen das noch schneller und noch stärker tun. Das entspricht unseren Sanktionen.
Gleichzeitig geht es darum, unsere Unternehmen und unsere Bürger vor den Auswirkungen auf die Preise zu schützen. Daher werden wir einige europäische Entscheidungen treffen müssen - damit haben wir bereits vor einigen Wochen begonnen -, um diese Agenda noch einmal zu beschleunigen, um die Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern zu senken und um die Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaften zu reduzieren. Auch das sind die Themen, die wir heute Abend besprechen werden.
Diese europäische Strategie macht es natürlich auch notwendig, dass wir die grundlegenden Prinzipien nicht vergessen. In den kommenden Wochen werden wir an unseren Klimathemen weiterarbeiten - „Fit for 55“ -, aber auch an den Investitionen, die wir tätigen müssen.
Bei der Nachbarschaftspolitik liegt ein besonderer Fokus auf dem westlichen Balkan, wie der Bundeskanzler es gerade angesprochen hat. Deswegen werden wir im Juni einen Westbalkangipfel ausrichten, der kurz vor dem Europäischen Gipfel stattfinden wird. Wir arbeiten sehr eng miteinander zusammen, um diese Situation weiter zu entwickeln, um es möglich zu machen, dass die aktuellen Streitigkeiten beigelegt werden und um auch für die Westbalkanländer die europäische Agenda festzulegen.
Ich habe heute Morgen einige Vorschläge im Namen Frankreichs gemacht. Wir werden darüber sprechen. Wir haben darüber bereits gesprochen. Ich denke, ich kann sagen, dass wir gemeinsam die Überzeugung teilen, dass es abgesehen vom Westbalkan die Notwendigkeit gibt, den europäischen politischen Raum neu zu denken. Das ist eben auch das Ziel dieser europäischen politischen Gemeinschaft, die ich heute Morgen vorgeschlagen habe, um Frieden und Stabilität aufzubauen, eine Zusammenarbeit bei geopolitisch entscheidenden Fragen für unser Europa.
Über Europa hinaus gibt es natürlich große internationale Themen. Dies ist ein wichtiger Zeitpunkt. Denn Deutschland hat den Vorsitz der G7 und Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft. Deswegen freue ich mich sehr über unsere enge Abstimmung in diesem Bereich. Natürlich stimmen wir uns mit allen Partnern und G7-Partnern angesichts des Kriegs in der Ukraine ab. Die Europäer sind engagiert, wie wir das bereits gestern gesehen haben.
Wir stimmen uns auch ab, um die richtigen Antworten in Energiefragen zu finden, und wir stimmen uns ab, um die richtige Antwort im Bereich Ernährungssicherung weltweit zu geben, was derzeit durch den von Russland ausgelösten Krieg gefährdet ist. Deswegen haben Frankreich und Deutschland Initiativen in diesem Sinne ins Leben gerufen. Wir nutzen unseren jeweiligen Vorsitz, um dies weiter auf weltweiter Ebene voranzubringen.
Ebenso setzen wir unsere Abstimmung bei den großen internationalen Themen fort, gerade auch unsere Beziehungen mit China. Wir werden die Gelegenheit haben, in den kommenden Tagen mit dem chinesischen Präsidenten zu sprechen.
Ebenso werden wir über die Situation im Sahel sprechen. Auch im Sahel sind wir beide stark engagiert.
Das war jetzt in einigen Worten das, was ich zu unseren bilateralen Beziehungen, über unsere gemeinsame Arbeit für Europa und die großen internationalen Themen sagen wollte, bei denen wir uns abstimmen.
Aber abgesehen von all dem gibt es natürlich noch eine Geschichte - eine Freundschaft. Das ist eben auch der Sinn meiner Anwesenheit heute hier in Berlin, hier im Bundeskanzleramt, an Deiner Seite, lieber Olaf. Vielen Dank also für die so große Ehre, dass ich hier an diesem 9. Mai neben Dir stehen darf.
Frage: Guten Tag. Herr Präsident, Sie haben in Straßburg die Idee einer europäischen politischen Gemeinschaft auf den Weg gebracht. Darin könnten Länder versammelt sein, die die Werte Europas teilen. Länder wie die Ukraine könnten also Teil dieser Gemeinschaft sein, vielleicht auch Großbritannien, das die EU verlassen hat. Könnten zum Beispiel auch die Balkanländer Teil dieser Gruppe sein? Können Sie das noch einmal präzisieren? Können Sie das ausführen? Ist das sozusagen ein Staatenbund, wie das vorgeschlagen worden ist? Was denken Sie, Herr Bundeskanzler, von dieser Idee? Könnte man sich zum Beispiel vorstellen, dass Sie das Ganze in einer nahen Zukunft Herrn Selensky in Kiew vorstellen?
P Macron: Ich habe es ja bereits gesagt: Die Idee ist daraus entstanden, dass wir alle feststellen, dass es eine geopolitische Realität gibt. Wir sind ein Kontinent. Das sieht man zum Beispiel auch schon auf einer Weltkarte. Um das auch wirklich zu verankern - das heißt Demokratie und Stabilität -, brauchen wir die richtige politische und geopolitische Form für Konvergenz und Stabilität. Bisher haben wir auf diese Frage immer eine Antwort durch Erweiterung gegeben. Aber die Integration, die Standards unserer Europäischen Union und die Annäherung daran führen dazu, dass es für Länder wie die Ukraine im Zeitraum von einigen Jahren nicht erreichbar scheint. Das ist eben auch die ehrliche Antwort, die den Ukrainern gegeben werden muss.
Wir können natürlich ein beschleunigtes Verfahren ins Leben rufen und durchführen, um schneller Beitrittskandidat zu werden. Das könnte dann auch für die Ukraine gelten. Aber wir wissen alle, dass diese Kriterien und Standards, damit die Ukraine der EU beitreten kann, erst in mehreren Jahren, Jahrzehnten, erreicht werden. Ist es das, was wir wollen? Wir gehen das Risiko ein, dass sie verzweifeln, dass sie aufgeben. Denn es gibt diese geografische Nähe. Sie halten an den gleichen Grundwerten fest. Das möchte ich noch einmal betonen. Denn die Ukraine kämpft heute für genau das und geht alle Risiken für genau das ein.
Das heißt, wir müssen eine neue politische Form aufbauen, und zwar nicht nur eine rechtliche Form. Es gibt bereits eine Rechtsform. Es gibt den Europarat mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Auch das wird immer wieder durch den Austritt Russlands gefährdet. Das geht also noch weiter. Aber wir brauchen ein politisches Format, damit Staaten, die diese Werte teilen, auch an Europa angenähert werden und wir gleichzeitig eine enge politische Abstimmung schaffen. Es geht sicherlich auch um Formen von Solidarität im Bereich der Sicherheit. Das ist dann nicht mehr dasselbe wie die Nato. Das sind einfach Bereiche der Zusammenarbeit, der Solidarität, die es dann zu definieren gilt. Das betrifft auch eine Zusammenarbeit im Bereich der Energie. Denn wir sehen ja, dass die Integration und die Zusammenarbeit in Energiefragen für Europa strukturierend sind.
Es geht aber auch um den Bereich Infrastruktur, Verbindungen, Konnektivität, also zum Beispiel vom Westbalkan, Balkan und Europa. Es geht aber noch weiter, es geht auch um die Reisemöglichkeiten für Menschen und die Jugend. Das bedeutet, dass Länder, die ein Interesse daran haben, nicht zwangsläufig auch bereit sind, Teil der EU zu werden. Das heißt, mir scheint, was jetzt tun müssen, ist, durch eine enge Abstimmung, Koordination und Ausarbeitung diese europäische politische Gemeinschaft aufzubauen, um dieser Frage gerecht zu werden; denn es geht dabei um unsere Sicherheit und um unsere politische Stabilität.
Abgesehen davon gibt es Staaten, die bereits einen Beitrittsprozess auf den Weg gebracht haben und die im Begriff sind beizutreten. Ich denke, dann muss man diesen Prozess auch abschließen; man sollte sie nicht davon abhalten. Diese Frage stellt sich aber für all jene, die diesen Weg noch nicht beschritten haben, wie zum Beispiel für Bosnien-Herzegowina oder auch andere Länder im Westbalkan, diese Frage stellt sich für die Ukraine, aber vielleicht auch noch für andere Länder, die eben auch diese Themen bereits seit Jahrzehnten behandeln. Ich möchte jetzt nichts Exklusives schaffen. Es geht einfach darum, dass wir diese politische Beratung beginnen, um zu sehen: Was ist das Interesse?
Sie haben es ja bereits festgehalten: Vielleicht ist das auch ein Mittel, dass wir eine Art von Stabilität wiederfinden, eine neue Art von Zusammenarbeit mit Ländern wie Großbritannien, das eben entschieden hat, die Europäische Union zu verlassen, das aber eben auch seinen Platz in dieser politischen Gemeinschaft haben kann. In diesem Zusammenhang möchte ich, dass wir uns durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzler, Herrn Scholz, abstimmen; denn das ist natürlich eines der Themen, die wir auch gemeinsam mit Präsident Selensky besprechen werden.
BK Scholz: Ich habe ja bereits in meinem Eingangsstatement darauf Bezug genommen und will ausdrücklich sagen, dass das ein sehr interessanter Vorschlag ist, mit der großen Herausforderung umzugehen, die wir haben. Wir treiben den ständigen Integrationsprozess der Europäischen Union voran. Uns beiden geht es um eine starke und souveräne Europäische Union, was auch nur dann funktioniert, wenn uns eine ganze Reihe von Kriterien miteinander verbinden - von Rechtstaatlichkeit über die Demokratie und ihre Kriterien, über wirtschaftliche Fragen hin zu vielen anderen Aspekten, die da eine Rolle spielen.
Gleichzeitig gibt es auf dem Kontinent Europa viele, die uns in ihren politischen Bestrebungen, was Freiheit und Demokratie betrifft, sehr ähnlich sind, die mit uns kooperieren wollen und die unterschiedliche Perspektiven für sich verfolgen - aber jedenfalls auf alle Fälle gerne eng angebunden sein wollen an die Europäische Union. Dafür Wege zu finden, das in der jetzt so veränderten Zeit gut voranzubringen, ist unbedingt erforderlich, und deshalb bin ich sehr froh über den Vorschlag, den wir jetzt hier gemeinsam erörtern.
Klar ist, dass uns das nicht davon abhalten darf und wird, das voranzubringen, was wir angefangen haben, nämlich die Aufnahmeprozesse zu ermöglichen, an denen wir nun schon so lange arbeiten. Das gilt insbesondere für die Westbalkanstaaten, über die wir schon gesprochen haben. Da sind sehr viele, die bereits sehr weitreichende Vorbereitungen getroffen haben und die auch mutige Entscheidungen getroffen haben. Dieser Mut muss dann irgendwann auch belohnt werden. Ich will das einfach einmal festmachen am Beispiel von Nordmazedonien. Da sind sehr mutige politische Führer gewesen, die sich etwas getraut haben, um möglich zu machen, dass jetzt der Aufnahmeprozess beginnen kann - und wir sollten einen Weg finden, wie dieser Mut nicht enttäuscht wird.
Frage: Monsieur Le Président, Herr Bundeskanzler, ich hätte eine Frage an Sie beide: Der russische Präsident hat heute bei der Militärparade in Moskau eine Rede gehalten, die mit Spannung erwartet worden war, von der viele erwartet haben, dass sie sehr viel schärfer ausfällt. Es war befürchtet worden, dass er die Generalmobilmachung ausrufen könnte oder der Ukraine formell den Krieg erklären könnte. Dazu ist es jetzt nicht gekommen. Wie bewerten Sie diese Rede? Welches Signal geht aus Ihrer Sicht von dieser Rede aus?
BK Scholz: Wir sind jetzt schon so viele Wochen im Krieg, und deshalb ist es richtig, dass wir jetzt schnell entscheidende Schritte vorankommen, den Krieg zu beenden. Unsere Forderung ist klar: Der Krieg muss beendet werden, die Waffen müssen schweigen und wir wollen auch, dass Russland seine Truppen wieder zurückzieht. Insofern ist es natürlich wichtig, dass die Eskalation jetzt nicht weiter vorangetrieben wird - jedenfalls was die Rhetorik betrifft. Was dann tatsächlich in der Ukraine geschieht, das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen dann genau sehen.
Auf alle Fälle muss doch klar sein, dass es nicht möglich ist sich vorzustellen, dass die Ukraine einen Diktatfrieden akzeptiert, also eine Situation, in der ihr Bedingungen vorgeschrieben werden, die sie im Hinblick auf die Souveränität der eigenen Nation und der Integrität der eigenen Nation nicht akzeptieren kann.
Unsere Forderung ist, dass die Verhandlungen jetzt wieder aufgenommen werden, dass die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine konkreter werden und dass dort sehr schnell Vereinbarungen getroffen werden. Es sollte nicht so sein, dass nach den vielen, vielen Tausenden Toten jetzt noch weiter Menschen sterben und dass noch mehr Zerstörung in der Ukraine angerichtet wird. Vielmehr müssen wir jetzt dazu kommen, dass Fortschritt in den Verhandlungen erreicht wird. Das ist das, was wir aufgreifen können - aber was kommen wird, liegt ja nicht allein in unserer Hand. Wir wissen, dass dieser Krieg als Angriffskrieg begonnen worden ist, und das prägt ja unverändert die Realität in der Ukraine.
P Macron: Dass es heute keine weitere Eskalation gab - keine geografische Eskalation, aber auch keine Eskalation bei der Verwendung von Waffen -, haben Sie in Ihrer Frage bereits angesprochen. Ist das ausreichend oder zufriedenstellend? Nein, denn was wir erreichen wollen, ist eine Waffenruhe, und das so schnell wie möglich. Nur diese Waffenruhe wird es möglich machen, dass man die Verhandlungen abschließt, die von den Delegationen bereits initiiert worden sind mit den Delegationen der Ukraine und Russlands, damit man zu einem Frieden und einem nachhaltigen Abzug der russischen Truppen kommt. Das ist unser Ziel.
Wie der Bundeskanzler gerade gesagt hat, bleiben wir, denke ich, sehr auf unser Ziel konzentriert. Wir tun alles, damit wir diese Waffenruhe erreichen, und wir helfen der Ukraine, um zu den Bedingungen, die die Ukraine sich selbst gibt, zu verhandeln. Denn unsere Position ist, dass wir an der Seite der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine stehen - nicht mehr und nicht weniger.
Diese Verhandlung zu einem Waffenstillstand ist das Einzige, was es möglich machen wird, den Frieden wiederherzustellen. Dabei wird Europa in zweierlei Hinsicht eine Rolle zu spielen haben: bei den Sicherheitsgarantien, über die wir danach dann sprechen müssen und wo wir - auch andere Partner - an der Seite der Ukrainer stehen werden, und dann eben auch beim Wiederaufbau der Ukraine, wo wir als Europäer bereits engagiert sind und uns auch engagieren werden.
Frage: Herr Macron, Sie haben in Straßburg die Möglichkeit einer Überarbeitung der europäischen Verträge angesprochen. Herr Scholz, sind Sie auch dafür? Wenn ja, wie werden Sie das unterstützen?
Herr Präsident, kurz nachdem diese Ankündigung gemacht worden ist, haben 13 Länder ein schlechtes Timing und eine zu frühe Debatte angesprochen. Wenn Sie im Sommer einen deutsch-französischen Ministerrat abhalten, wissen Sie dann bereits, wer der Premierminister bei diesem deutsch-französischen Ministerrat sein wird?
P Macron: Zur letzten Frage: Ja, aber das werde ich nicht hier und nicht jetzt sagen. Sie dürfen gerne weiter spekulieren, aber wir werden das alles in der richtigen Reihenfolge machen.
Ich freue mich, dass wir nach dem G7-Gipfel und dem Gipfel in Madrid Gelegenheit haben werden, einen deutsch-französischen Ministerrat in den ersten 15 Tagen des Juli auszurichten. Das wird ein wichtiger Schritt sein.
Heute Morgen habe ich dargelegt, was die Position Frankreichs ist, und daran habe ich angesichts der Konferenz zur Zukunft Europas und den dort gemachten Vorschlägen noch einmal erinnert - das ist eine Position, die ich so annehme; ich habe den Inhalt dargelegt. Dabei geht es auch darum, die Vorschläge aufzugreifen, die unsere Bürger und Parlamentarier gemacht haben. Es gibt sehr viel, was wir im Bereich der Politik tun können, und die Präsidentin der Kommission hat bereits angesprochen, dass sie mehrere Vorschläge aufgreifen wird. Es gibt mehrere Reformen, die wir auf den Weg bringen können, und das sind eben auch die Entscheidungen, die wir in den nächsten Räten treffen werden. Dabei geht es um die Themen Klima, Beschäftigung und Wachstum. Darüber haben wir mit dem Bundeskanzler gesprochen, und das werden wir auch weiterhin tun.
Darüber hinaus gibt es eben andere Themen, die einen tiefgreifenderen Wandel notwendig machen, und ich habe meine Bereitschaft signalisiert, die Initiative eines entsprechenden Konvents mit einer Vorarbeit beziehungsweise sozusagen einem Rahmen zu unterstützen. Das heißt, man muss dann ganz genau definieren, was die Ziele sind. Das ist auch das, was ich heute Morgen gesagt habe, und man muss da einige Linien festlegen. Das habe ich im Namen Frankreichs gesagt, nicht im Rahmen des Rats. Das heißt, wenn erst im Juni Arbeiten dazu stattfinden werden, dann kann man ihm sagen, wofür man ist, wogegen man ist, und sich positionieren. So wird Europa gemacht. Es ist ja ganz offensichtlich, dass wir nicht 27 sind, die zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche denken. Das ist eben immer die Verbindung von Kompromissen und ehrgeizigen Zielen. Ich habe bereits angesprochen, was die französische Position ist. Dann werden wir eben feststellen, was die jeweiligen Positionen sind, und dann werden wir einen gemeinsamen Weg finden. Das ist die Arbeit der kommenden Wochen und Monate.
BK Scholz: Ich bin sehr froh, dass diese Arbeiten stattgefunden haben und dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger dabei eingebracht haben. In der Tat ist es so, dass es sehr viele Vorschläge gibt, die sich auf konkrete Politikfelder beziehen, darauf, was zum Schutz des Klimas, für das soziale Miteinander und andere Fragestellungen zu tun ist. Die verlangen erst einmal gar keine Veränderung der Zusammenarbeitsstruktur, sondern darüber wird in den Ländern Europas, im Europäischen Parlament und natürlich auch der Kommission nachgedacht, die das ja auch schon aktiv aufgreift.
Ansonsten geht es darum, wie wir das Ziel verfolgen können, das jedenfalls Frankreich und Deutschland auf alle Fälle haben, nämlich eine stärkere und souveräne Europäische Union zu schaffen. Auch dazu gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen. Da, wo ein Konsens erzielt werden kann, sind wir gerne dabei und werden sicherlich nicht diejenigen sein, die das aufhalten. Eines ist aber klar: Größere Effizienz lässt sich in Europa auf vielen Feldern auch noch erreichen, ohne dass man gleich an Vertragsänderungen gehen muss. Zum Beispiel sind Mehrheitsentscheidungen, die ich wichtig finde, in viel mehr Politikfeldern möglich, als das heute der Fall ist, und zwar dadurch, dass sich die Länder Europas in den entsprechenden Bereichen und hinsichtlich der entsprechenden Themen einvernehmlich darauf einigen. Insofern ist Fortschritt möglich. Das, was wir jetzt hier als Grundlage haben, ist ein ganz wichtiger Motor dafür, dass er auch zustande kommt, und wir werden ihn anwerfen.
Frage: Herr Bundeskanzler, machen Sie sich Sorgen um den Ruf und die Führungsposition Deutschlands innerhalb der Europäischen Union, weil man Ihnen und Ihrer Regierung vorwirft, zu langsam gehandelt zu haben, wenn es zum Beispiel um Waffenlieferungen in die Ukraine oder Energiesanktionen geht?
Herr Präsident, ist es jetzt Zeit, die Regel der Einstimmigkeit innerhalb der Europäischen Union abzuschaffen, gerade auch hinsichtlich der Entscheidungsfindung in der Außenpolitik? Da gibt es ja derzeit einige Probleme, zum Beispiel beim Problem der Erdölsanktionen.
BK Scholz: Deutschland hat sehr weitreichende Entscheidungen getroffen. Wir haben gesagt, dass wir infolge der Zeitenwende, die Russlands Angriff auf die Ukraine darstellt, alles dafür tun werden, unser eigenes Land, aber auch Europa und die Nato militärisch zu stärken. Deutschland wird deshalb dauerhaft zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Wir haben entschieden, dass wir ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auf den Weg bringen, um diesen Prozess voranzubringen und auch eine neu strukturierte Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zustande zu bringen. Deutschland hat eine sehr große konventionelle Armee in Europa. Die ist auch wichtig für die Verteidigung gegen Angriffe, nicht nur für Deutschland, sondern für all die Bündnispartner in der Europäischen Union. Wenn wir diese entsprechende massive Stärkung unserer Bundeswehr vornehmen, dann wird das natürlich auch gute Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit ganz Europas haben.
Die Zusammenarbeit in der Nato ist dabei sehr wichtig. Deshalb ist es gut, mitbekommen zu haben, dass viele andere Länder der deutschen Entscheidung, jetzt mehr für Verteidigung auszugeben, gefolgt sind, weil das eine wichtige Weichenstellung ist.
Wir haben im Übrigen bei dieser Gelegenheit alle dafür gesorgt, dass wir unsere Präsenz an der Grenze der Nato erhöhen, im Baltikum, in der Slowakei und mit dem Air Policing in verschiedenen Ländern, was Deutschland betrifft. Frankreich hat entsprechende Entscheidungen getroffen, viele andere Länder auch. Putin hat also das Gegenteil von dem bekommen, was er wollte, nämlich gewissermaßen mehr Nato, eine bessere und einigere Nato und eine bessere und einige Europäische Union.
Das Gleiche gilt für die Entscheidung, die wir in Bezug auf Waffenlieferungen getroffen haben. Als Deutschland „Wir machen das“ gesagt hat, war das eine Veränderung einer über viele, viele Jahre und Jahrzehnte verfolgten Politik, in Krisengebiete keine Waffen zu liefern – aus gutem Grund, nämlich weil die Ukraine das Opfer eines dramatischen, brutalen Angriffs ist. Viele andere Länder Europas sind diesem Schritt gefolgt, die vorher eine ähnliche Politik gemacht hatten. Deshalb bin ich sehr sicher, dass das auch überall entsprechend wahrgenommen worden ist.
Das, was wir machen, ist sehr weitreichend. Das sind sehr umfassende Hilfen aus unseren eigenen Beständen, aus der Zusammenarbeit mit unserer Verteidigungsindustrie und aus der Zusammenarbeit mit den Ländern Osteuropas, die über das, was in der Ukraine so dringend gebraucht wird, verfügen, nämlich russische Waffen, die unmittelbar in der Auseinandersetzung eingesetzt werden können, und die wir dabei unterstützen, dass sie das, was sie abgeben, dann gewissermaßen mit Material aus westlicher und deutscher Produktion ersetzen können. Auch das hilft in dieser ganz konkreten Auseinandersetzung.
Wenn Sie sich genau umschauen, und das werden Sie ja sicherlich tun, dann werden Sie sehen, dass sich die Politiken von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und den USA nicht unterscheiden, sondern dass sie komplett identisch in der Frage sind, was wir machen und auf welche Weise wir diese Hilfe zur Verfügung stellen. Deutschland wird also weiter seinen sehr großen finanziellen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine leisten. Das haben wir in den letzten Jahren getan, und das tun wir in diesem Jahr. Wir werden weiter unseren sehr großen Beitrag zur Ausrüstung der Ukraine leisten, damit sie sich so lange Zeit verteidigen kann, wie das bisher der Fall ist, und wir werden das so wie viele andere auch fortsetzen.
Insofern fühlen wir uns mittendrin in Europa, nicht nur geographisch und was die Größe des Landes und die Bevölkerung anbetrifft, sondern auch geeint als Europäische Union. Das ist nämlich eigentlich das Ergebnis, das wir uns nicht zerreden lassen sollten: Europa und die Nato haben in einer Weise einvernehmlich und geeint gehandelt, wie Putin das niemals erwartet hatte. Das war eines der ganz großen Fehlkalküle hinter seinem Angriff auf die Ukraine. Deshalb bin ich sehr sicher, dass wir diesen Weg auch weiterhin gemeinsam beschreiten werden.
P Macron: Zur qualifizierten Mehrheit: Ich selbst bin dafür, dass wir in der öffentlichen Politik, über die wir derzeit noch mit Einstimmigkeit entscheiden, zur qualifizierten Mehrheit übergehen. Dazu gehören zum Beispiel auch die Fiskalpolitik oder die Verteidigungspolitik. Aber wir brauchen sozusagen bei den verfassungsmäßigen Zugehörigkeitsfragen nach wie vor Einstimmigkeit; das ist ganz normal. Ich denke, diese Debatte muss weiter fortschreiten, damit wir dabei ein Ergebnis für ein effizienteres Europa erreichen.
Ich denke, man sollte das nicht mit anderen aktuellen Situationen in Verbindung bringen und den Eindruck erwecken, dass sich das auf spezifische Situationen bezieht. Das ist also sozusagen etwas ganz Allgemeines, und das entspricht - das, glaube ich, kann ich auch so sagen - dem, was ein Konvergenzpunkt zwischen Deutschland und Frankreich ist.
Zur Frage der Sanktionen, über die wir aktuell debattieren: Wir werden die Gelegenheit haben, noch einmal mit unseren Kollegen, die derzeit zurückhaltend sind, darüber zu sprechen. Die Kommissionspräsidentin wird heute Abend nach Budapest reisen, um dort mit dem ungarischen Premierminister und einigen Kollegen zu sprechen. Ich denke, das, was wir aufbauen müssen, sind die notwendigen Vertrauenselemente, damit wir geeint bleiben. Die europäische Einheit, die Stärke und Effizienz unserer Antwort, ob es nun als Unterstützung für die Ukraine um Sanktionen in einigen Bereichen oder gegen einige russische Akteure geht, sind wirklich Teile unserer Glaubwürdigkeit, unserer Stärke und eines der Elemente, die es wirklich am effizientesten möglich machen, den Ukrainerinnen und Ukrainern zu helfen. Das ist eine Unterstützung für ihren Mut und für ihre Bravour, die uns heute Bewunderung abnötigen, wie der Bundeskanzler bereits gesagt hat. Wir wissen heute, wie wichtig dieser Kampf ist, wie symbolisch dieser Kampf ist, den das ukrainische Volk an diesem heutigen Europatag ausficht.