Im Wortlaut
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)
14 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 18. Mai 2022
MP’in Frederiksen: Es war eine große Freude für mich, heute mit einigen der engsten Verbündeten von Dänemark beim grünen Übergang, der grünen Energiewende, hier zu sein. In Europa sehen wir uns großen Herausforderungen gegenüber, zunächst einmal Putins Aggression, dem Klimawandel und den Herausforderungen, die die europäische Wirtschaft sowie die Sicherheit unserer Menschen betreffen.
Mit der Esbjerg-Erklärung gehen wir heute einen wichtigen Schritt, um diese Herausforderungen anzugehen. Die Autoren wollen die Nordsee als grünes Kraftwerk nutzen und ein starkes, integriertes grünes Energiesystem schaffen, das die grüne Energiewende beschleunigt. Dafür müssen wir aus Putins Gaslieferungen herauskommen. Wir müssen Tausende von Arbeitsplätzen schaffen, und wir möchten eine sowohl grünere als auch sicherere Zukunft für uns alle schaffen. Wir verschreiben uns gemeinsam einem großen Ausbau der Offshore-Windenergie. Wir wollen unsere gesamten Offshore-Windenergiekapazitäten bis 2030 vervierfachen und bis 2050 verzehnfachen. Das bedeutet, dass wir vier mehr als die Hälfte aller Offshore-Windkraft liefern, die notwendig ist, um die Klimaneutralität der EU bis 2050 zu erreichen.
Ich freue mich sehr, heute auch diese schöne Anlage in Esbjerg meinen Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, den schönen Hafen hier. Er war früher ein Gas- und Ölzentrum. Heute ist das ein globaler Hub für Offshore-Windenergie. Wir haben gesehen, dass die grüne Energiewende zahlreiche Arbeitsplätze schaffen kann, nicht nur in Esbjerg, sondern auch darüber hinaus, beispielsweise in umliegenden Städten. Jetzt können wir von hier aus Produkte auch an viele andere Länder liefern.
Ich möchte auch noch einmal hervorheben: Eine Vision ist nicht ausreichend. Wir müssen das Ganze umsetzen. Deswegen haben wir heute auch die Präsidentin der EU-Kommission sowie unsere Energieministerinnen und -minister hier, und deswegen haben wir auch wichtige Wirtschaftsvertreter gebeten, heute dabei zu sein, Energieproduzenten und auch Unternehmen, die grüne Energie brauchen. Warum tun wir das? Wir müssen zusammenarbeiten. Nur durch starke Partnerschaften wird es uns gelingen, eine großartige grüne Vision umzusetzen und Realität werden zu lassen.
Damit übergebe ich das Wort nun an Premierminister De Croo aus Belgien. Alexander, du hast das Wort!
PM De Croo: Vielen Dank, Mette, für die Möglichkeit, hier zu sprechen, aber vor allem für die Ausrichtung dieses Treffens! Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass du uns hier an diesem Ort zusammenbringst. Dieser Ort macht wirklich ganz greifbar, worum es hier geht. Diese Fassbarkeit, diese Erlebbarkeit, ist für mich besonders wichtig. Das sind hier nicht nur eine Vision oder ein paar leere Worte. Wir sind ganz konkret bei dem, was wir umsetzen wollen, und die Energieminister werden sich auch noch dazu äußern, wie klar wir schon einen Weg aufgezeigt haben.
Das, was wir hier machen, nennt man wahrscheinlich, die Punkte zusammenzubringen. Jedes dieser vier Länder hat großes Potenzial, und wir haben auch eine große Expertise. Das zusammenzubringen, ist für mich wirklich eine Chance dafür, das große Potenzial der Nordsee zu heben, um diese „gigafactory“ der erneuerbaren Energien weltweit aufzustellen und auch das Wissen zu exportieren, über das wir verfügen, und es in die restliche Welt weiterzutragen. Es geht auch um eine systemische Integration mit anderen Energiebereichen wie Wasserstoff, der Kohlenstoffspeicherung usw. Ich bin wirklich sehr optimistisch bezüglich dessen, was wir hier gerade machen.
Für die Öffentlichkeit bedeutet das vier Dinge. Zunächst einmal senkt das die Energiekosten. Gerade in diesen Zeiten ist es ja besonders wichtig, zu zeigen, dass es ein Potenzial für die Preisreduktion gibt. Zweitens werden die CO2-Emissionen gesenkt. Das ist ein Ziel, das wir uns als Europäische Union gesetzt haben, und das zeigt, wie wir das umsetzen. Drittens - Mette hat es schon angesprochen - werden wir weniger abhängig von Ländern, von denen wir nicht abhängig sein wollen. Viertens ist dies eine neue Förderung für die Industrie. Europa führt diese neue Technologie an und bewirkt wirklich Verbesserungen beim Klimaschutz für die ganze Welt.
Mette, vielen Dank! Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit im Nordsee-Rat!
MP Rutte: Vielen Dank, Mette! Noch einmal herzlichen Dank dafür, dass du uns heute hier an diesem beeindruckenden Ort zusammenbringst!
Ich freue mich sehr über die Einigungen, die wir hier erzielt haben, und auch den ehrgeizigen Plan, die Nordsee als grünes Kraftwerk Europas zu nutzen. In den Niederlanden haben wir Offshore-Windfarmen schon 2007 zu bauen angefangen, und seitdem haben wir Schritt für Schritt unsere Kapazitäten ausgebaut. Aber wir haben jetzt noch eine neue Ebene erreicht. 21 Gigawatt an Offshore-Windenergie bis 2030 werden erreicht werden, etwa 75 Prozent unseres heutigen Stromverbrauchs in den Niederlanden. Das ist also ein sehr ehrgeiziges Ziel.
Das brauchen wir aus zweierlei Gründen. Erstens müssen wir den Klimawandel bekämpfen. Wir arbeiten hart daran, unsere Energielieferungen nachhaltig zu gestalten. Zweitens müssen wir aus der russischen Invasion in der Ukraine etwas lernen. Wir können nicht zulassen, dass wir als Zahlungsquelle für Putins Krieg genutzt werden. Wir müssen unsere Abhängigkeit von russischer Energie reduzieren; denn das ist eine Waffe in Putins Hand. Deswegen brauchen wir diesen Übergang, diese Wende.
Zum Abschluss möchte ich noch ein wichtiges Thema nennen: Wir müssen eine Balance zwischen den verschiedenen Interessen finden, die es in der Nordsee gibt. Es gibt drei große Übergänge, nämlich bei der Energie, aber auch bei der Natur und bei der Nahrungsmittelsicherung. Was wir in den Niederlanden gemacht haben, ist, dass wir das alles zusammengebracht haben. Wir diskutieren die verschiedenen Übergänge gemeinsam und stellen sicher, dass wir uns auf einen gemeinsamen Weg verständigen. Das wird uns helfen, so schnell wie möglich voranzuschreiten.
Abschließend geht es hier nicht nur um unsere vier Länder. Es geht wirklich um ganz Europa. Deswegen freut es mich ganz besonders, liebe Ursula, dass du heute als Kommissionspräsidentin hier dabei bist; denn das wird uns helfen, das System der erneuerbaren Energien zu schaffen, das nicht nur unsere Länder verbindet, sondern auch zur Nachhaltigkeit in der ganzen Europäischen Union beiträgt, und das ist ja auch das, was unser gemeinsames Ziel ist. – Herzlichen Dank noch einmal, Mette!
BK Scholz: (auf Englisch) Vielen Dank, Mette, für die Einladung, für die Möglichkeit, für die Zukunft zusammenzuarbeiten, und dafür, dass wir heute diese Erklärung unterzeichnen, die in den letzten Wochen so detailliert diskutiert worden ist. Das ist ein hervorragender Ausgangspunkt für alles, was uns hier so wichtig ist.
(auf Deutsch) Es geht hier um einen sehr großen Aufbruch. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir es schaffen, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Das wird nur gehen, wenn wir von der Nutzung fossiler Ressourcen wegkommen und es uns gelingt, die Industrie in Zukunft so umzubauen, dass sie im Wesentlichen mit Strom und Wasserstoff funktioniert.
Das wird große Veränderungen mit sich bringen. Allein für Deutschland, das ein starkes Industrieland ist, bedeutet das, dass wir dann nicht nur den Strom, den wir heute benötigen, 600 Terrawattstunden, in kurzer Zeit mit erneuerbaren Energien produzieren werden, vor allem mit Windkraft auf hoher See, Windkraft an Land und Solarenergie, sondern es bedeutet, dass wir viel mehr davon brauchen, schon bis zum Ende dieses Jahrzehnts 800 Terrawattstunden und dann wahrscheinlich bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts die doppelte Menge. Es geht nämlich nicht nur darum, wie wir heizen und wie wir uns mit unseren Autos fortbewegen, sondern es geht um die Frage, wie wir Industrie organisieren. Industrielle Prozesse: Stahlindustrie, Chemieindustrie, Zementindustrie und viele andere werden in Zukunft im Wesentlichen auf die Nutzung von Strom und auf die Nutzung von Wasserstoff zurückgreifen.
Beides hat etwas mit dem zu tun, was uns hier zusammenführt. Denn die Nordsee ist der Ort, an dem wir mit den Offshore-Windparks in großem Umfang Strom produzieren können, in der großen Menge, die wir brauchen, und auch schon heute in einer Art und Weise, die wirtschaftlich ist. Das ist also keine Geschichte aus der Zukunft; das ist ein Bericht aus der Gegenwart. Darum muss es jetzt endlich aufbrechen, was wir uns vorgenommen haben. Wir müssen endlich loslegen und dafür Sorge tragen, dass Deutschlands Industrie und dass die europäische Industrie diese Stromversorgung bekommen, indem Milliarden in den Ausbau der Offshore-Windparks hier an der Nordsee investiert werden. Das wird mit den industriellen Kapazitäten, die wir haben, gemeinsam gelingen. Das wird gemeinsam gelingen, wenn wir diese verschiedenen Windfarmen, Windparks miteinander verknüpfen und deshalb unsere Kraft bündeln. Das wird gelingen, wenn wir sagen: Wir beenden das Zeitalter, in dem wir die einzelnen Anlagen noch Stück für Stück hergestellt haben, und gehen in das Zeitalter der Industrialisierung auch bei der Produktion von Strom auf hoher See. Das ist es, was jetzt passiert. Tempo, Geschwindigkeit und Größenordnung werden von unvorstellbarem Umfang sein. Genau das zu organisieren setzt unsere Zusammenarbeit voraus.
Vielleicht auch noch das: Wir brauchen Geschwindigkeit auch in den rechtlichen Verfahren. Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass auch die Präsidentin der Kommission hier dabei ist, die sich fest vorgenommen hat, aus ihrer rechtlichen Regelungsperspektive die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das auch tatsächlich gelingt. Deutschland hat in diesem Jahr mit weitreichenden Entscheidungen angefangen. Wir werden mit den Gesetzespaketen dieses Jahres, vom Frühjahr, vom Sommer, vom Herbst, dafür sorgen, dass alles viel schneller geht und dass der Ausbau viel größer vonstattengeht als bisher geplant. Wenn die Europäische Union dabei hilft, dass das noch schneller gehen kann, dann ist das der Fortschritt, den wir genau jetzt brauchen. Jetzt ist der Zeitpunkt für den Aufbruch. Jetzt brechen wir auf.
P’in von der Leyen: Vielen Dank, Mette, dass Sie dieses wichtige Treffen einberufen haben. Sie haben zu Anfang schon gesagt, dass wir zwei Herausforderungen vor uns sehen. Die eine ist der Klimawandel, und die andere ist die russische Invasion in der Ukraine. Beide stehen unmittelbar vor uns. Putins Krieg hebt noch einmal die Risiken hervor, die wir eingegangen sind. Wir sind zu abhängig von russischen Energielieferungen. Deswegen müssen wir - ich bin tief überzeugt, dass wir diese Herausforderungen bewältigen können - jetzt konkret handeln. Deswegen freue ich mich, heute hier zu sein und sehen zu können, was Sie als vier Länder hier mit dem Memorandum, das Sie unterschrieben haben, tun. Dass ist wirklich ein starkes politisches Bekenntnis ihrer Länder, die Nordsee zum grünen Kraftwerk Europas zu machen.
Die zweite wichtige Botschaft heute war an die Wirtschaft gerichtet. Bei unserer Paneldiskussion ging die Botschaft an die Industrie aus, dass jetzt der Moment ist, Investitionen in Offshore-Windenergie zu tätigen. Wie schaffen wir es, hier erfolgreich zu sein? Als Politiker können wir sicherlich klare Ziele definieren und einen Rahmen schaffen. Das schafft Planbarkeit für Investitionen. Wir schaffen Engpässe ab und reduzieren Risiken für private Investitionen. Bei all diesen Punkten bewegt sich die EU sehr schnell.
Die Kommission hat heute das Paket REPowerEU vorgestellt. Unser Plan ist es, unsere Abhängigkeit von russischen fossilen Energien durch beschleunigte Prozesse bei der Energiewende schnell zu reduzieren. Die Ziele haben wir sogar noch erhöht. Der Anteil der Erneuerbaren soll 2030 auf 45 Prozent statt nur 40 Prozent angehoben werden. Ihr Ziel, das Sie heute hier vorgestellt haben, die Windenergie in der Nordsee bis 2030 stark auszubauen, wird viel zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Wir verdoppeln unsere Produktionsziele für grünen Wasserstoff. Wir wollen insgesamt 20 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs bis 2030 importieren, transportieren, 10 Millionen Tonnen innerhalb der EU, 10 Millionen Tonnen werden importiert. Ich freue mich also über die ambitionierten Ziele. Das Ziel von 20 Gigawatt grünen Wasserstoffs ist ebenfalls heute hier festgeschrieben worden.
Sie alle, vor allem auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben die Schwierigkeit der Genehmigungsverfahren angesprochen. Wir haben heute einen Vorschlag für den Ausbau der erneuerbaren Energien vorgestellt. Wir wollen die Genehmigungsstrukturen vereinfachen und die Dauer auf weniger als ein Jahr reduzieren. Das wird die Ausgangslage stark verbessern. Sowohl die verbindlichen Ziele als auch die planbaren Genehmigungsprozesse werden die Sicherheit schaffen, die die Investoren brauchen, und private Investitionen anziehen.
Ich habe mich heute auch sehr gefreut, bei der Anlage von Vattenfall zu sehen, wie viel in innovative Technologien und in Forschung investiert wird. Wir schlagen also vor, dass die Mitgliedsstaaten diese neuen Technologien fördern. Sie haben heute ganz klar gezeigt, dass das auch möglich ist.
Mein dritter Punkt bezieht sich auf Investitionen. Wir kanalisieren schon viele Investitionen in Erneuerbare-Energie-Projekte aus NextGenerationEU, bislang 30 Milliarden Euro. Wir unterstützen Innovationen durch den Innovationsfonds. Aber wir brauchen noch mehr - das haben wir auch von Ihnen gehört -, mehr Investitionen in die Netze. Wir wissen, dass die Erzeugung von grünem Strom wichtig ist. Aber dafür braucht man auch ein Netz. Deswegen müssen wir auch an dieser Stelle den Ausbau voranbringen.
Wir haben in der EU zusätzlich 29 Millionen Euro für den Ausbau der Netze bereitgestellt. Mit REPowerEU mobilisieren wir bis zu 300 Milliarden Euro. Auch das wird dem Netz teilweise zugutekommen und die Investitionen erleichtern. Je unabhängiger wir in Europa werden, desto unabhängiger werden wir auch von Russland.
Frage: Eine Frage an den Herrn Bundeskanzler und an Frau von der Leyen: Sie haben gesagt, die Energiewende muss beschleunigt werden. Das haben Sie schon oft erwähnt. Auch wegen des Kriegs in der Ukraine ist das jetzt umso dringlicher. In zwei Wochen wird es ein dänisches Referendum geben, ob man der EU-Verteidigungspolitik beitreten möchte. Warum glauben Sie, dass es wichtig ist, dass wir beitreten? Welchen Unterschied würde das machen, Herr Bundeskanzler?
BK Scholz (auf Englisch): Dänemark ist ein enger Freund, ein großartiger Freund von uns allen in der Nato. Wir arbeiten eng zusammen. Wir haben auch eine bewährte Zusammenarbeit im Rahmen der Verteidigung. Meine Sorge ist - - Wir hoffen, dass es keinen Unterschied machen wird. Es ist immer gut, zusammenzuarbeiten. Ich denke, es ist wichtig, die Stärke zu bündeln, um sich einer Aggression aus dem Ausland entgegenzustellen. Wenn wir zusammenstehen, dann ist das wunderbar. Wir müssen so sehr zusammenstehen, wie wir nur können.
Zusatzfrage: Frau von der Leyen, welchen deutlichen Unterschied würde das machen? Würden Sie hoffen, dass die Dänen mit „Ja“ stimmen?
P’in von der Leyen: Als frühere Verteidigungsministerin - ich war fünf Jahre lang Verteidigungsministerin - habe ich die Erfahrung gemacht, dass die dänischen Streitkräfte hervorragend aufgestellt sind. Wir haben im Nato-Bereich viel zusammengearbeitet. Deswegen wäre es sehr schön, zu sehen, wenn diese Exzellenz der dänischen Streitkräfte in einen integrierteren Kontakt einfließen würde. Denn es gibt vieles, das die dänischen Streitkräfte beitragen können.
Noch ein zweiter Punkt, den ich als Verteidigungsministerin gelernt haben: Wir teilen die gleiche Haltung. Wir wissen, es gibt eine große nationale Verantwortung für die Streitkräfte. Es ist auch sehr wichtig, dass es auch im EU-Kontext eine nationale Sache bleibt. Es ist eine Frage von Leben oder Tod, ob man die Streitkräfte in eine Mission schickt oder nicht. Dieses Wissen, dass es eine nationale Verantwortung, eine nationale souveräne Entscheidung ist, aber dass man sich in einen breiteren Kontext bei den EU-Missionen einbettet, um die Exzellenz der Streitkräfte bestmöglich zu nutzen, wäre ein hervorragendes Ergebnis.
Frage: Eine Frage an Frau von der Leyen: Das ist ein riesiges Projekt. Jedes Mal frage ich mich: Wie werden wir das bezahlen können?
P’in von der Leyen: Nun, wenn wir jetzt über REPowerEU sprechen, also den Vorschlag, den wir heute unterbreitet haben, die 300 Milliarden Euro, die mobilisiert werden, dann sind das 225 Milliarden Euro an Krediten und 75 Milliarden Euro an Zuschüssen. Es gibt drei Elemente. Ein Teil ist die Marktstabilitätsreserve, die dazu beiträgt. Das andere ist die Flexibilisierung von europäischen Fonds, die bislang beispielsweise nicht für REPowerEU zur Verfügung standen, jetzt aber mit besseren Konditionen für Investitionen zugänglich gemacht werden. Das dritte Element sind Kredite von etwa 200 Milliarden Euro innerhalb des Programms „Next Generation EU“, die noch nicht abgerufen worden sind. Wir möchten die Mitgliedstaaten ermutigen, sie jetzt in den European Green Deal oder REPowerEU zu investieren.
Frage: Eine Frage auf Deutsch. Herr Bundeskanzler, wir haben seit Jahren in Deutschland einen extremen Flaschenhals bei den Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien. In Deutschland gibt es geradezu eine Tradition für langsame Genehmigungsverfahren. Der Fehmarnbelt-Tunnel ist ein Beispiel. Sie sprechen von Gesetzesänderungen. Wie wollen Sie eine Beschleunigung in Deutschland in dem Maße durchsetzen, wie Sie es beschrieben haben?
BK Scholz: Es ist dringend notwendig, dass wir die Planungsprozesse, die Genehmigungsprozesse in unserem Land beschleunigen. Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel in Reaktion auf die Flutkatastrophe im Ahrtal und in anderen Regionen Deutschlands. Wir haben jetzt ganz aktuell Gesetze auf den Weg gebracht, die dazu beitragen sollen, dass wir uns sehr schnell von Energieimporten aus Russland unabhängig machen können, indem wir Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten bauen und die Pipelines dazu errichten.
Wir werden mit mehreren Gesetzen aus diesem Frühjahr, dem Sommer und dem Herbst dazu beitragen, dass wir das deutsche Planungsrecht beschleunigen, damit es tatsächlich gelingt, all die ehrgeizigen Ziele, die wir jetzt notwendigerweise wegen der der Umwelt und der Energieunabhängigkeit Europas haben müssen, auch voranbringen können. Aber es ist gut und richtig, wenn heute die Europäische Kommission sagt, dass sie spezielle Genehmigungsmöglichkeiten schaffen wird, die dafür sorgen, dass man in einem Jahr den ganzen Genehmigungsprozess abwickeln kann – ob es wie hier nun um Offshore-Windparks geht, um die Frage von anderen Produktionsorten, wo erneuerbare Energien Strom herstellen, ob es darum geht, Wasserstoff zu produzieren oder ob es um das Stromnetz geht. Wir sind unbedingt dafür, dass die sehr langwierigen Prozesse für die Errichtung unseres Übertragungsnetzes noch einmal beschleunigt werden. Wir werden sehr darauf hinwirken, dass das auch Teil des Pakets ist.
Dann wird gelingen, was niemand für möglich gehalten hat, nämlich ein industrieller Aufbruch, wie er in unserem Land und in der Welt schon einmal stattgefunden hat. Ich habe mir in diesen Tagen noch einmal einen Besuch in Leuna bei einem großen Industriepark im Osten Deutschlands in Erinnerung gerufen. Als der in den 20er Jahren errichtet wurde, wurden neueste Technologien, die vorher nur im Labor ausprobiert waren, großmaßstäblich in Fabriken und Produktionseinrichtungen eingesetzt, und es entstanden zehntausend Arbeitsplätze. Und das alles in zwei Jahren. So ein Tempo brauchen wir jetzt.