Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, DGB-Vorsitzende Fahimi, BDEW-Präsidentin Wolff, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Prof. Niebert zur Allianz für Transformation am 18. Oktober 2022

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, DGB-Vorsitzende Fahimi, BDEW-Präsidentin Wolff, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Prof. Niebert zur Allianz für Transformation am 18. Oktober 2022

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 18. Oktober 2022

BK Scholz: Meine Damen und Herren, gerade in unsicheren Zeiten müssen wir über einen gemeinsamen Weg in die Zukunft sprechen. Genau darum geht es bei der Allianz für Transformation. Im Augenblick arbeiten wir unter Hochdruck daran, unsere Energieversorgung zu sichern und die Preise herunterzubekommen, zwei sehr, sehr wichtige Aufgaben. Wir beschleunigen deshalb auf der einen Seite den Ausbau von Strukturen, die uns in die Lage versetzen, unsere Energieversorgung jetzt zu sichern, wie LNG-Terminals. Wir haben viele Kohlekraftwerke wieder zum Laufen gebracht, die jetzt das Netz begleiten und uns ersparen, mit Gas Strom produzieren zu müssen. Wie Sie wissen, werden wir auch die drei Atomkraftwerke, die gegenwärtig in Betrieb sind, bis zum April des nächsten Jahres weiterlaufen lassen, genau bis zum 15. April.


Gleichzeitig wollen wir, und das ist heute das wichtige Thema gewesen, alles dafür tun, dass uns die Transformation gelingt, nämlich dass wir die erneuerbaren Energien ausbauen, dass wir die industriellen Strukturen etablieren, die notwendig sind, damit das tatsächlich geht, sowie die handwerklichen Strukturen, damit das in Deutschland alles gebaut und verbaut werden kann und damit wir es hinbekommen, dass da, wo es heute noch kleine Produktionskapazitäten gibt, in kurzer Zeit große Produktionskapazitäten entstehen.

Mit der Allianz für Transformation richten wir deshalb den Blick in die Zukunft. Nicht das akute Krisenmanagement steht im Mittelpunkt , sondern das langfristige Gestalten. Wir richten unser Augenmerk auf all das, was bis zum Jahr 2030 geschehen muss. Die nächsten acht Jahre sind sehr entscheidend für Deutschland. In dieser Zeit müssen wir die Voraussetzungen schaffen, damit die Transformation, über die wir reden, auch tatsächlich Realität wird. Der Umbau unserer Wirtschaft zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft ist die große Aufgabe, vor der wir stehen.

Im Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wollen wir in der Allianz nachhaltigen Wohlstand für die Zukunft sichern. Dabei spielen der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und das Mitwirken aller Bürgerinnen und Bürger eine zentrale Rolle. Klar ist: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zentral für verlässliche, nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung, und er ist auch geopolitisch geboten, wie uns durch den russischen Überfall auf die Ukraine nur allzu schmerzlich klar geworden ist. Wir müssen uns unabhängiger machen von Energieimporten. Beide Themen führen zum gleichen Ergebnis: Wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen.

Bei der zweiten Sitzung der Allianz haben wir heute über zwei zentrale Aspekte gesprochen, die ganz wichtig sind, damit die nötige Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren wirklich gelingt, zum einen den Faktor der Materialproduktion. Wir brauchen sichere Lieferketten und verlässliche Produktionskapazitäten, um beim Ausbau voranzukommen. Wir müssen neue Technologien fördern und die strategische Souveränität in den Blick nehmen.

Zum Zweiten geht es um den Faktor Mensch. Wir brauchen mehr Fachkräfte in den Berufen, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien so wichtig sind: Ingenieurinnen, Maschinenbauer usw. Die Runde ist sich einig, erstens, dass die Beschleunigung von Planung und Genehmigung höchste Priorität hat - hier ist die Politik gefragt, einen verlässlichen Rahmen zu setzen -, zweitens, dass wir in Deutschland und in der EU mehr Produktionskapazitäten für Wind- und Solarenergie und auch für den Wärmebereich brauchen - Energy made in Europe ist nötig -, drittens, dass unser Land beste Voraussetzungen hat, Vorreiter und Innovationstreiber für wesentliche Zukunftstechnologien der Energiewende zu werden, viertens, dass wir mehr junge Menschen für Berufe begeistern müssen, die bei uns die Energiewende unterstützen, und zwar gerade auch handwerkliche. Dafür müssen wir alle Instrumente der Qualifizierung und Weiterbildung nutzen, um ausreichend über Fachkräfte zu verfügen.

Wir haben deshalb ein paar Dinge miteinander geklärt. Wir werden eine Kampagne entwickeln. Sie hat zum Ziel, die Attraktivität der Zukunftsberufe in der Energiewende zu steigern. Dafür werden wir alle, die hier in der Allianz zusammenwirken, mit ihren Kompetenzen bündeln.              Eine Taskforce haben wir etabliert. Sie wird konkrete Ideen erarbeiten, wie wir mehr Produktion, Arbeitsplätze und Forschung in den Technologiebereichen in Deutschland schaffen, die für das Gelingen der Energiewende entscheidend sind.           Eine Taskforce wird überlegen, wie wir mehr Fachkräfte für die Transformation gewinnen, sodass also beide Themen adressiert sind, über die wir heute sehr ausführlich und sehr sorgfältig und intensiv diskutiert haben. Dabei geht es nicht darum, dass man miteinander redet, wie auch heute schon nicht, sondern es sollen sehr konkrete Lösungsvorschläge entwickelt werden, die wir dann auch umsetzen wollen und in der nächsten Sitzung der Allianz im Februar miteinander diskutieren werden.

Meine Damen und Herren, die nächsten Monate werden sicherlich für niemanden ganz einfach werden. Deshalb ist es gut, dass wir unsere Kräfte bündeln, unser Know-how zusammenwerfen und gute Lösungen für unser Land entwickeln.

Fahimi: Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Krise, in der wir uns befinden, erhöht natürlich den Transformationsdruck, den wir als eine Gesellschaft, die sich dafür entschieden hat, dass wir ein soziales Wohlstandsmodell für nachhaltiges Wachstum aufbauen wollen, ohnehin haben. Das heißt, dass wir jetzt beschleunigte Entscheidungen brauchen. Wir brauchen aber dennoch mehr als nur Krisenmanagement; wir brauchen Grundsatzentscheidungen dafür, wie uns ein gerechter Wandel tatsächlich gelingen kann.

Das sind nicht nur allein technische Fragen. Es geht zum Beispiel auch um die Frage der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Aber - das will ich besonders herausstellen - es geht auch um die Rolle der Beschäftigten in den Betrieben und in den Regionen und darum, diese einzubinden. Sie müssen eingebunden werden, wenn es darum geht, im Betrieb, in den Standorten, die wir bereits haben, den Umbau sicherzustellen, die Transformation voranzutreiben, aber eben auch einen Anspruch auf Qualifizierung und Weiterbildung zu entwickeln. Das gelingt nur und definitiv besser durch Mitbestimmung.

Es geht auch um faire Arbeitsbedingungen und attraktive Arbeitsplätze für die Zukunft. Wir wissen: Das geht nur durch Tarifbindung. - Neben allen Imagefragen, die das Handwerk und andere Ausbildungsberufe haben, muss es also unbedingt auch um eine Qualitätsoffensive für gute Arbeit und faire Entlohnung gehen. Deswegen erwarten wir, dass es als Gelingensbedingung für die Transformation einen nationalen Aktionsplan für Tarifbindung und Mitbestimmung in diesem Land gibt.

Wir sehen natürlich auch die Notwendigkeit, Beschleunigung in die Transformation zu bringen. Die Stichworte, etwa Genehmigungsverfahren, sind ja schon zahlreich gefallen. Ich will an der Stelle aber auch deutlich machen, dass wir Unterstützerinnen sind, wenn es um das Ziel geht, zu entbürokratisieren, aber eben ohne zu deregulieren. Das ist kein Widerspruch. Das ist möglich. Dafür gibt es gute Beispiele wie eben im Bau, einem ganz wichtigen Sektor auch für die Erreichung der Klimaziele. Da gibt es die Beispiel der sogenannten Präqualifizierung, womit sichergestellt wird, dass die Beschäftigten nicht nur nach Tarif entlohnt werden, sondern dass auch fachliche Eignung und Kapazität so vorgehalten wird, dass Bauherren auf eine Positivliste zurückgreifen können, um nicht nur gut, sondern auch schnell in die Umsetzung ihrer Bauvorhaben und in die Sanierung zu kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind auch der Überzeugung, dass Köpfe allein nicht reichen. Ja, wir haben an allen Stellen einen eklatanten Fachkräftemangel. Aber bei der Erreichung der Transformationsziele geht es eben auch um Qualität. Nur durch Qualität können wir nachhaltige Wirtschaftsstrukturen und einen dauerhaften Wohlstand in unserem Land sicherstellen. Deswegen sagen wir ganz klar - wir sind dankbar dafür, dass wir diese Diskussion heute führen könnten -, dass das Berufsbildungssystem in Deutschland nach wie vor einer der absolut wichtigen Standortvorteilsfaktoren ist, die es zu erhalten gilt, und dass es bei aller Notwendigkeit für Kurzqualifizierungen und Anpassungsqualifizierungen für Klimaberufe eben einen individuellen Anspruch auf eine voll qualifizierende Ausbildung geben muss, damit wir keinen Schaden an unserem so hervorragenden Berufsbildungssystem davontragen.

Nicht zuletzt geht es auch um die regionale Strukturentwicklung, die für eine erfolgreiche Transformationsstrategie ausfinanziert werden und neben den Beschäftigten die Potenziale von Stadt und Kommune mit aufgreifen und mit nutzen muss.

Wir haben der Bundesregierung heute auch vorgeschlagen, dass es bei aller richtigen Initiative für eine Nationale Weiterbildungsstrategie notwendig ist, in der Taskforce, die gerade vorgestellt wurde, auch darüber zu reden, dass wir wirklich kritische Mangelberufe identifizieren, die eine besondere Förderung in den drei Säulen der Weiterbildung erfahren sollten, ob betrieblich, über Arbeitsmarktinstrumente oder eben auch über einen individuellen Anspruch auf Weiterbildung.

Ich freue mich daher auf den weiteren Austausch und eine hoffentlich erfolgreiche, gemeinsame Strategie.

Wolff: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der Bundesregierung dafür danken, dass Sie die Initiative ergriffen haben und diese Allianz für Transformation gegründet haben. Sie ist jetzt notwendiger denn je, denn unsere Gesellschaft erlebt derzeit große Umbrüche und Krisen - die brauche ich gar nicht alle aufzählen, die kennen Sie alle.

Zentral betroffen ist dabei auch die Energieversorgung, und darum ging es in der heutigen Sitzung. Sie hat länger gedauert; wir haben lange und konkret diskutiert und uns nicht nur ausgetauscht, sondern auch konkrete Entschlüsse gefasst.

Art und Ausmaß des globalisierten wirtschaftlichen Handelns der Energieunternehmen stehen plötzlich in einem ganz anderen Lichte da. Zentral ist die Frage: Von wem darf und will ich mich noch abhängig machen? Eine souveräne und bezahlbare Energieversorgung, das ist das Ziel für unser Land, und daran arbeiten wir jetzt ganz konkret.

Wir haben bei unseren heutigen Treffen der Allianz über ganz wesentliche Herausforderungen des weiteren Umbaus unserer Energieversorgung gesprochen. Die Ziele sind ja klar: Wir wollen Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral machen - daran hat sich nichts geändert. Dies geht nur mit massiven Investitionen, vor allem in erneuerbare Energieanlagen. Parallel sind jedoch hochmoderne Kraftwerke für Engpasssituationen aufzubauen - auch an diesem Ziel hat sich nichts geändert - und diese Kraftwerke müssen sehr rasch auf Wasserstoff umrüstbar sein. Dieser Weg war ja bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs beschlossen. Wir müssen ihn jetzt mit deutlich höherem Tempo angehen.

Im Bereich der Rohstoffe und Vorprodukte - über den wir heute auch zentral gesprochen haben -, die wir für die Energiewende benötigen, ist es an der Zeit, unabhängiger zu werden, dabei aber auch die weltwirtschaftlichen Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Weltweit sind unter den ersten zehn Unternehmen der Solarwirtschaft acht chinesische Unternehmen und kein deutsches. Die Liste der weltweit führenden Windenergieanlagenbauer wird vom dänischen Unternehmen Vestas angeführt, aber immerhin sind drei deutsche Namen unter den ersten zehn: Siemens Gamesa, Nordex und Enercon. Diese Unternehmen haben in den vergangenen Jahren schwere Zeiten erlebt. Wir sollten sie hegen und pflegen, und das heißt, sie jetzt stabil und rasch mit Aufträgen zu bestücken.

Diese Realitäten sind zur Kenntnis zu nehmen; sie sollten uns jedoch keinesfalls entmutigen. Gerade im PV-Bereich besteht jetzt die Chance, deutsche und europäische Standorte wieder auf- und auszubauen, vor allem vor dem Hintergrund einer zügigen Energiewende mit einem massiven Solaraufbau.

Eine wesentliche Vorbedingung - auch hierüber haben wir heute gesprochen -: In den nächsten zehn Jahren benötigen wir in Deutschland deutlich mehr gutes technisches Fachpersonal, und zwar sowohl bei den Anlagenbauern als auch in den Unternehmen der Energiewirtschaft selbst. In der Branche der Energiewirtschaft, für die ich hier spreche, verlieren wir bis 2030 70 000 Beschäftigte durch Renteneintritt, 60 Prozent davon im technischen Bereich, und von diesen 60 Prozent mehr als 40 Prozent in der Netztechnik. Es entscheiden sich heute viel zu wenige junge Menschen für einen technischen Bildungsweg. Hier müssen wir neue Anreize schaffen, die Technikstimmung unter den jungen Menschen verändern, sie dafür begeistern, zu uns zu kommen. Ich kann dazu nur sagen, dass die Einregulierung einer Wärmepumpe ein hochanspruchsvoller Job ist, der durchaus vergleichbar ist mit einem Studienabschluss.

Die Gewinnung von Fachkräften für Technik muss in den Grundschulen beginnen. Als Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft habe ich mich sehr gefreut, dass die Taskforce Ausbildungsoffensive heute von Minister Heil angekündigt wurde und auch schon tatkräftig darüber gesprochen wurde. Es ist wichtig, dass diese Offensive jetzt Fahrt aufnimmt. Wir müssen mit der Technikbegeisterung bereits in den Grundschulen beginnen.

Vielen Dank!

Niebert: Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung, Herr Bundeskanzler, auch zur heutigen Sitzung der Allianz für Transformation.

Die jungen Menschen da draußen haben recht - sie haben recht, wenn sie von uns allen mehr Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Energiewende einfordern. In der Allianz für Transformation haben wir deswegen heute auch sehr intensiv beraten - nicht gestritten, sondern tatsächlich beraten -, wie wir den „Wumms“ auch in die Energiewende hineinbekommen. Die Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien sind nach wie vor, ich möchte fast sagen, auf Vorkriegsniveau. Das muss sich ändern. Nach der heutigen Debatte bin ich sicher, dass zumindest bei allen Beteiligten, die im Raum waren – es waren von Ministerien über Behörden bis hin zu den Produzentinnen und Produzenten tatsächlich alle mit an Bord -, der Wille vorhanden ist.

Mit dem gestern vom Bundeskanzler verkündeten eingeforderten Energieeffizienzgesetz eröffnet sich nun die große Chance, riesige, brach liegende Potenziale zu heben, um das Land sektorübergreifend zu modernisieren. Was wir jetzt brauchen, ist eine Zeitenwende beim Ausbau der Erneuerbaren und auch bei der Energieeffizienz. Mit dem Sommerpaket, das die Bundesregierung beschlossen hat, kurz nachdem die Allianz für Transformation im Sommer das erste Mal zusammenkam, haben wir darüber diskutiert, wie genügend Flächen für die Erneuerbaren zur Verfügung stehen. Heute haben wir darüber diskutiert, wie wir die Geschwindigkeit beim Ausbau der Erneuerbaren noch einmal deutlich anheben können. Das werden wir nur erreichen können, wenn wir drei Dinge eingelöst bekommen.

Erstens: Wir brauchen eine Investitionsoffensive für Erneuerbare und Effizienz. Da müssen wir europäisch denken. Wir haben diskutiert, wie eine europäische Zuwanderungsstrategie aussehen kann. Wir haben auch diskutiert, wie wir in Europa Lieferketten für den Ausbau Erneuerbarer sichern können.

Zweitens: Gerade, was die Beschleunigung angeht – wir haben hier eben schon die Fragen von Genehmigungsprozessen angesprochen -, müssen wir die Menschen vor Ort mitnehmen. Das werden wir dann erreichen, wenn sie spürbar eine Verbesserung der Lebensqualität durch die neuen Infrastrukturen – egal, ob es nun der Radweg oder das Windrad ist – wahrnehmen. Das kann passieren, indem zum Beispiel mehr Vergütung für die erneuerbaren Energien vor Ort bleibt. Das kann auch passieren, indem wir ein Verbesserungsversprechen abgeben, wenn wir also aus dem bisherigen Verschlechterungsverbot, das beim Ausbau von Infrastruktur vorliegt - wenn Sie zum Beispiel irgendwo ein Windrad bauen, müssen Sie den Schaden woanders wieder ausgleichen -, das Versprechen geben: Am Ende wird es besser sein.

Drittens - und das ist besonders wichtig und in allen Debatten deutlich geworden -: Wir brauchen eine andere Mentalität, ein anderes Mindset nicht nur im Bereich Naturschutz, sondern auch in Behörden und Unternehmen. Wir brauchen ein „Yes-we-can“-Mindset, wo wir bereit sind, Risiken einzugehen - egal, wenn es darum geht, Investitionen zu planen; egal, wenn es darum geht, tatsächlich auch die Maßnahmen in den Behörden zu genehmigen. Es kann nicht sein, dass eine Sachbearbeiterin Angst davor haben muss, dass ihr Abteilungsleiter die Genehmigung für das Windrad wieder zurücknimmt und dadurch die entsprechenden Verzögerungen auftreten. Wir haben fünf vorgestellt bekommen. 18 Monate könnte ein Anlagenbauer brauchen, um von der Planung bis zum stehenden Windrad ein Projekt realisiert zu haben. Das ist die Geschwindigkeit, zu der wir hin müssen, wenn wir unsere Ziele für 2030 erreichen und bis dahin 80 Prozent erneuerbare Energien auf dem Land stehen haben wollen.

Wir haben ein überragendes öffentliches Interesse in Bezug auf den Ausbau der Erneuerbaren schon im Sommer festgehalten. Jetzt geht es darum, daraus Wirklichkeit werden zu lassen. Ich glaube, ich kann ohne zu übertreiben sagen: Die Allianz für Transformation hat heute den „Wumms“ in der Energiewende bestellt. Liefern müssen wir nun alle.

Herzlichen Dank.

Frage: Gestatten Sie mir eine Frage zu gestern und zu Ihrer Richtlinienkompetenz, von der Sie Gebrauch gemacht haben.

Zum einen: Sie haben einen Brief geschrieben. Können Sie uns erklären, warum es ein Brief sein musste? Hätten Sie das den Ministern nicht einfach sagen können? Waren Sie nicht mal der Kanzler, der sagte „Ich schreibe solche Briefe nicht“?

Zum anderen: Welche Hintertüren gibt es denn noch bei diesem Brief, den Sie jetzt den Ministern zugestellt haben? Jetzt wird schon wieder diskutiert, ob es jetzt ein Streckbetrieb, ein Reservebetrieb oder ein Leistungsbetrieb ist. - Vielen Dank.

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre Frage. - Ich habe gestern eine Entscheidung getroffen. Ich glaube, dass das auch dazu beitragen wird, dass die Bundesregierung jetzt mit großer Geschwindigkeit die entsprechenden Gesetzesvorschläge vorlegt.

Der Plan ist auch, dass das so schnell geschieht, dass wir alles rechtzeitig in diesem Jahr fertig bekommen, damit dann diese drei Atomkraftwerke, die wir heute im Betrieb haben, tatsächlich bis zum 15. April nächsten Jahres weiterlaufen können, soweit das die jeweiligen Kapazitäten überhaupt hergeben. Das wird ja dann im Einzelnen zu beurteilen sein.

Damit ist aber mehreres gleichzeitig klar: Es wird jetzt nicht mehr geprüft, ob das wohl noch notwendig ist, sondern es wird dann tatsächlich entschieden: Es wird jetzt produziert - das ist die Antwort auf Ihre Frage -, und zwar nicht „irgendwie vielleicht“, sondern ganz bestimmt, sodass sich die Unternehmen auch darauf einstellen können. Wir schicken also nicht irgendwelche Kraftwerke in eine Reserve, um dann im Dezember, nachdem das Gesetz im November beschlossen ist, zu sagen: Ja, sie sollen schon laufen. - Das machen wir gleich, direkt und ohne Umwege. Damit sparen wir uns auch viel Zeit, übrigens auch viel gesetzgeberischen Aufwand, weil es dann ganz einfach ist.

Damit sind aber auch weitere Sachen klar, zum Beispiel, dass es tatsächlich bei dem bleibt, was wir beschlossen haben: nämlich dem Atomausstieg. Am 15. April ist mit den Atomkraftwerken in Deutschland Schluss. Deshalb wird es auch keine neuen Brennelemente mehr geben, die irgendwie für deutsche Kraftwerke hergestellt werden.

Frage: Herr Bundeskanzler, gestatten Sie dazu noch eine Nachfrage. Sie hatten gerade eine kleine Einschränkung gemacht und gesagt „soweit das die Kapazitäten hergeben“. Heißt das, dass es noch nicht ganz klar ist, wie es zum 01.01. mit den drei Atomkraftwerken ausschaut?

BK Scholz: Sie werden alle im Januar, Februar, März und April produzieren können. Vielleicht ist der eine schon am 20. März zu Ende, und der andere schafft es bis zum 15. April. Das hängt davon ab, was noch in den Brennstäben drin ist - sonst nichts.

Frage: Noch einmal zum 15.04. als Stichtag: Ist denn tatsächlich in Stein gemeißelt - egal, was da passieren möge -, dass dann alle Atomkraftwerke wirklich vom Netz gehen?

Herr Linder spricht davon: Wir wollen in der Koalition dann schon tragfähige Lösungen für den übernächsten Winter erarbeiten. - Das klingt so ein bisschen, als ob die FDP eine Hintertür offen ließe. Können Sie jetzt sagen: Nein, mit der Nutzung der Atomkraft für die Stromproduktion ist im Frühjahr definitiv Schluss?

BK Scholz: Am 15. April ist mit der Atomkraft als Energieerzeugungsquelle in Deutschland Schluss. Das ist ja die Gesetzeslage, die zum 31.12. dieses Jahres existiert und die dann eben erst am 15. April zum Vollzug kommt. Sonst verändert sich ja nicht viel.

Damit schaffen wir uns die Möglichkeit, dass wir sicher durch diesen Winter kommen, was wir mit vielen anderen Entscheidungen, die wir getroffen haben, ja auch vorbereitet haben.

Ich will das jetzt nicht alles wiederholen. Aber es sind eben doch sehr viele, sehr rechtzeitig getroffene Entscheidungen. Dazu gehört, dass wir unsere Speicher voll machen - jetzt sind wir bei über 95 Prozent -, dass wir dafür Sorge tragen, dass wir Gas über die westeuropäischen Häfen importieren können - das erste Mal kommt auch Gas aus Frankreich -, dass wir versuchen, alles, was an Gas aus Norwegen kommen kann, auch tatsächlich zu bekommen. Da helfen die Norweger ja freundlicherweise mit, dass wir neue Terminals an den norddeutschen Küsten bauen und auch Pipelines für Flüssiggas, die dazu notwendig sind, in Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und Lubmin.

Wir haben dafür gesorgt, dass die Kohlekraftwerke wieder laufen, die wir für die Stromproduktion einsetzen können beziehungsweise die nicht außer Betrieb gehen, und dass die Unternehmen zu Tausenden - das geschieht gerade überall in Deutschland - Entscheidungen über den „fuel switch“ treffen können, also weg vom Gas hin zu Öl oder Kohle oder welche Möglichkeiten sie haben. Dann haben wir gesagt: Jetzt, in diesem Winter, nutzen wir die Atomkraft. Aber dann ist Schluss.

Wir werden dann ja auch ein völlig verändertes Szenario vorfinden. Denn die auf den Weg gebrachten Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten gehen zum Teil ja schon zum Jahreswechsel in Betrieb. Im Laufe des nächsten Jahres werden es immer mehr sein, sodass wir praktisch mit jedem eröffneten Terminal unsere Unabhängigkeit steigern. Gleichzeitig sind ja längst viele Unternehmen, die sich geschäftlich für die Importe von Gas nach Deutschland verantwortlich fühlen, dabei, überall - auch begleitet von uns - Lieferverträge abzuschließen, die sicherstellen, dass da nicht nur das Terminal ist, sondern auch Gas zur Verfügung steht, das da durchkommt. Wir verändern also mit jedem Schritt, den wir machen, unsere Situation und verbessern sie dramatisch.

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