Pressekonferenz von Bundeskanzler Merz und Präsident Macron in Toulon
„Der deutsch-französische Motor ist wieder angesprungen”, sagte Bundeskanzler Merz bei der Pressekonferenz nach dem deutsch-französischen Ministerrat in Toulon. Ein starkes und einiges Europa sei die beste Antwort auf die großen Herausforderungen beider Länder.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Freitag, 29. August 2025
Im französischen Toulon hat der 25. deutsch-französische Ministerrat stattgefunden. Bundeskanzler Merz wurde von zahlreichen Mitgliedern des Bundeskabinetts begleitet.
Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler
Deutschland und Frankreich verbinde der feste Wille, innere wie äußere Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Das sagte Bundeskanzler Friedrich Merz bei der Pressekonferenz nach dem 25. deutsch-französischen Ministerrat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. „Unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unser Wohlstand müssen in einer Welt, deren Ordnung sich schnell und tiefgreifend verändert, gesichert werden”, so Kanzler Merz in Toulon.
Im Rahmen des bilateralen Kabinettstreffens fand auch eine Sitzung des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates statt. Neben Kanzler Merz und Präsident Macron nahmen daran auch die jeweiligen Außen- und Verteidigungsminister sowie der französische Chef des Generalstabes und der Generalinspekteur der Bundeswehr teil.
Sehen Sie hier Eindrücke vom deutsch-französischen Ministerrat im Video:
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Der Bundeskanzler sprach in der Pressekonferenz unter anderem über:
- Frieden in der Ukraine: Bundeskanzler Merz lobte die „exzellente Teamarbeit” der letzten Wochen. Diese diplomatische Kernarbeit sei eine wichtige Investition in ein freies, sicheres und wohlhabendes Europa. „Wir nehmen diese gemeinsame Führungsrolle in Europa gemeinsam wahr”, so Merz. Dabei nehme man neben der Ukraine und den USA alle europäischen Nachbarn mit, „die großen wie die kleinen, die westlichen wie die östlichen.“
- Europas Sicherheit und Verteidigung stärken: Dem Ziel, die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken, seien insbesondere die Beratungen im Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat im Rahmen des Kabinettstreffens gewidmet. „Das ist kein Ersatz für die NATO, aber es stärkt den europäischen Teil der NATO”, betonte Kanzler Merz.
- Deutsch-Französische Wirtschaftsagenda: Europa wieder wettbewerbsfähig zu machen, sei ein weiteres fundamentales Ziel: „Wir wollen, dass unsere Wirtschaft in diesem Europa wächst. Wir wollen starke Unternehmen, und wir wollen attraktive Arbeitsplätze“, sagte Merz. Dafür sei ein grundlegender Kurswechsel nötig. Zu diesem Zweck wurde in Toulon eine Deutsch-Französische Wirtschaftsagenda beschlossen.
Sehen Sie hier die Pressekonferenz im Video:
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Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
Präsident Emmanuel Macron:
Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, lieber Friedrich, sehr verehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister, sehr verehrte Journalistinnen und Journalisten, sehr verehrte Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude und Ehre, hier in Toulon den deutschen Bundeskanzler begrüßen zu dürfen, begleitet von so zahlreichen Mitgliedern der Bundesregierung, die intensiv mit ihren Kollegen im Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat zusammengearbeitet haben.
Wir hatten gestern in Brégançon eine Diskussion. Wir haben mit unseren Teams diskutiert und hatten anschließend auch ein sehr intensives Vier-Augen-Gespräch. Wir haben heute den 25. deutsch-französischen Ministerrat eröffnet. Anschließend, nach der Pressekonferenz, werden wir den Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat zusammen mit den Außen- und Verteidigungsministern sowie ihren jeweiligen Teams eröffnen. Diese Gespräche belegen, dass wir uns eine Neubelebung des deutsch-französischen Reflexes wünschen, und zwar beide. Das haben wir bereits bei unserem ersten Treffen am 7. Mai während des ersten offiziellen Besuchs in Paris angestoßen.
Herr Bundeskanzler, ich möchte betonen: Mit diesem Ministerrat haben wir eine ganze Reihe konkreter Entscheidungen getroffen. Das ist das Ergebnis der Zusammenarbeit unserer Teams und Minister, mit denen wir die bilaterale Agenda auf sehr pragmatische Art und Weise voranbringen, um erstens mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Produktivität auf europäischer Ebene zu erreichen, indem wir unsere Positionen einander annähern, und um zweitens die Sicherheit in Europa zu stärken. Wir werden in unserem Verteidigungsrat auch sehr konkrete Sicherheitsentscheidungen treffen. Wir haben acht gemeinsame Texte zu sehr präzisen Themen verfasst und auch 20 Leuchtturmprojekte auf unsere bilaterale Agenda gesetzt.
Diese gemeinsame Arbeit, der deutsch-französische Reflex, zeigt auch auf der internationalen Bühne Wirkung. Das haben wir im Sommer beobachten können, als wir mit mehreren Kollegen in Washington zu Besuch waren, um Präsident Selenskyj zu unterstützen und einen gerechten und nachhaltigen Frieden für die Ukraine zu erreichen. Das gehört zu den wichtigen Punkten auf unserer Agenda. Das ist natürlich auch der Wille des ukrainischen Präsidenten, insbesondere angesichts der Tatsache, dass in den letzten Tagen die russischen Angriffe umso stärker ausgeübt wurden. Die Zivilbevölkerung in der Ukraine wurde stark getroffen. Man sieht, dass es eine große Diskrepanz zwischen den offiziellen öffentlichen Stellungnahmen des russischen Präsidenten Putin und der Realität vor Ort gibt. Daran können wir erkennen, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist.
Deswegen wird es entscheidend sein, dass wir in den nächsten Tagen weiterarbeiten. Denn wir hatten uns zusammen mit den Präsidenten Trump und Selenskyj eine Frist gesetzt, um ein Treffen anzuberaumen. Wir müssen allerdings jetzt Entscheidungen treffen, und zwar in Absprache mit den Vereinigten Staaten von Amerika, um Russland dazu zu bringen, sich mit an den Verhandlungstisch zu setzen. Wir müssen aber weiterhin auch die Ukraine unterstützen.
Wir haben bereits gestern die Situation im Nahen Osten angesprochen und werden sie auch künftig weiter besprechen. Es handelt sich um eine menschliche Katastrophe. Das ist unannehmbar. Die Hungersnot, die von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde, ist eindeutig die Folge des militärischen Vorgehens. Deswegen ist es wichtig, dass die Gefechte ausgesetzt werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass die humanitäre Hilfe auch die Zivilbevölkerung erreichen kann. Man muss einen Weg in Richtung Frieden gehen, mit allen politischen Maßnahmen und Stakeholdern, die notwendig sind.
Wir brauchen einen nachhaltigen Frieden im Gazastreifen für die Palästinenser und für Israel. Es müssen Lösungen angesprochen werden, die nur auf der Grundlage der Zweistaatenlösung fußen können. Ich möchte betonen: Der Bundeskanzler hat diesbezüglich die mutige Entscheidung getroffen, die Rüstungsexporte nach Israel zu unterbinden, die möglicherweise in Gaza zum Einsatz kommen könnten. Wir machen uns dafür stark, dass sich auch weitere Verbündete diesen Positionen anschließen.
Wir haben zusammen mit unseren Außenministern und auch mit den britischen Kollegen bereits die Entscheidung angestoßen, was das Atomprogramm im Iran bzw. die Sanktionen angeht. Angesichts der fortlaufenden Pflichtverletzungen vonseiten des Iran haben wir beschlossen, den sogenannten Snapback-Mechanismus auszulösen, damit wir in den kommenden Wochen transparente Besprechungen führen können, die dann die Frist vielleicht hätten verlängern können. Das war aber nicht der Fall.
Wir werden in unserem Verteidigungs- und Sicherheitsrat unter anderem diese Themen ansprechen. Wir werden auch über die gemeinsamen Kapazitäten sprechen. Hier beziehe ich mich darauf, unsere Kapazitäten, zum Beispiel Langstreckenraketen, gemeinsam auszubauen und gemeinsame Frühwarnsysteme aufzulegen. Wir wollen aber auch unsere Ausrüstungsprojekte, die bereits bekannt sind, ob es das Flugzeug oder der Panzer der Zukunft ist, weiter voranbringen. Wir wollen unsere gemeinsamen Projekte ausführen und verstärken und auch neue Projekte auflegen. Dazu möchte ich unsere Mitarbeiter und Teams ermutigen.
Des Weiteren ist es wichtig, auf die Konvergenz in Sachen Verteidigung und Sicherheit zu blicken. Die Neubelebung des deutsch-französischen Reflexes bezieht sich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit in unseren beiden Ländern, aber auch in Europa. Denn wir haben weitgehend feststellen können, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Europa im Verhältnis zu den weltweit wichtigen Handelspartnern ins Stocken gekommen ist. Wir sehen zum Beispiel Zahlen wie die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf. Dazu haben wir auch aus dem Draghi-Bericht viele Zahlen entnehmen können. Deswegen müssen wir jetzt zur Handlung übergehen. Wir müssen aktiv werden. Wir haben festgestellt, dass in verschiedenen Dossiers durch bestimmte Regularien die Aktion behindert wurde. Das versuchen wir zu beheben.
Wir versuchen, unsere Politiken anzugleichen, gerade wenn es darum geht, die Entwicklung von Energietechnologien unter Berücksichtigung des Prinzips der Technologieneutralität und Nichtdiskriminierung voranzubringen sowie auch den CO2-Grenzausgleichsmechanismus als Hebel zu nutzen. Wir wollen die Technologieneutralität voranbringen, weil wir damit gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit, die Dekarbonisierung und die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft stärken können.
Wir wollen bis 2050 unsere Energiemärkte weiterentwickeln. Deswegen werden wir unsere Energiepolitik anzugleichen versuchen, und zwar im Interesse Europas. Denn es ist immer wichtig, dass in Deutschland und Frankreich die verschiedenen Netze aufeinander abgestimmt sind, damit auf europäischer Ebene Fortschritte erreicht werden können. Europa wurde nicht nur gebaut, um einen Energiemarkt zu bilden. Aber die Tatsache, dass wir von deutscher und französischer Seite die Konvergenz bilden, ist ausschlaggebend dafür, das zu erreichen.
Wir haben des Weiteren versucht, einen neuen Impuls zu setzen, was die Handelspolitik angeht, weil es dort große Ungleichgewichte gibt. Deswegen wollen wir die Regularien verbessern, damit die Souveränität Europas gewahrt bleibt. Das wird nicht einfach werden. Wir haben eine neue Agenda für die europäische Handelspolitik aufgelegt, um für mehr Diversifizierung in unseren Wertschöpfungsketten zu sorgen und gleichzeitig die Souveränität und Unabhängigkeit Europas zu stärken, und zwar unter fairen und loyalen Wettbewerbsbedingungen, um auch die weltweiten Ungleichgewichte insbesondere mit China auszugleichen. Im Hinblick auf die Vorbereitung des nächsten G7-Gipfels, der in Frankreich stattfinden wird, haben wir darauf hingewirkt.
Auch der Industrie möchten wir einen fairen Wettbewerb garantieren können. Wir möchten dafür sorgen, dass es eine europäische Präferenz gibt, insbesondere in den wesentlichen und kritischen Industriebereichen, einschließlich der öffentlichen Auftragsvergabe. Hier wollen wir pragmatisch vorgehen. Wir haben uns darauf geeinigt, den Vorschlag der Kommission zu unterstützen, um zum Beispiel den CO2-Grenzausgleichsmechanismus zu stärken, um zu vermeiden, dass dieser umgangen wird und zusätzliche CO2-Emissionen entstehen. Das betrifft natürlich viele Industriesektoren, unter anderem die Stahlindustrie, aber auch viele andere. Auch das ist eine unserer Prioritäten.
Des Weiteren wollen wir einen ehrgeizigen Aktionsplan der Europäischen Union unterstützen, um die Industrie zu stärken, die Stahlindustrie – ich habe sie schon genannt –, die Chemieindustrie, aber auch die Automobilindustrie. Wir werden in den kommenden Tagen eine gemeinsame Roadmap für die Automobilindustrie vor dem nächsten Gipfel am 12. September auflegen. Die Konvergenz zwischen Deutschland und Frankreich muss dazu führen, dass wir vor Ende des Jahres konkrete Ergebnisse erreichen werden. Wir werden monatlich mit unseren Ministern Zwischenbilanz ziehen, um am Ende des Jahres tatsächlich auch konkrete Ergebnisse zu haben.
Wir wollen des Weiteren die digitale Unabhängigkeit und Souveränität sowie die Wettbewerbsfähigkeit in den Spitzentechnologien stärken. Das betrifft zum einen den Weltraumsektor. Wir bekräftigen unser Engagement in Sachen Launcher im Hinblick auf die Ministerratssitzung der ESA, die in Deutschland stattfinden wird, und auch auf den Gipfel für den Weltraumsektor, der nächstes Jahr in Frankreich stattfinden wird, sowie auch im Hinblick auf den mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union.
Wir haben ebenfalls eine gemeinsame Roadmap betreffend künstliche Intelligenz, Hochleistungsrechner, Quantentechnologie, Halbleiter usw. aufgelegt. Um diese bahnbrechenden Technologien weiterhin zu unterstützen, haben wir uns an einen Rat von Wirtschaftsexperten gewendet und eine gemeinsame Mission mit der Agentur SPRIND eingerichtet. Wir werden die Zusammenarbeit zwischen SPRIND und Bpifrance ebenfalls stärken.
Frankreich und Deutschland werden am 18. November in Deutschland zusammen mit der Europäischen Kommission und anderen Mitgliedstaaten und Stakeholdern einen Gipfel zum Thema digitaler Souveränität ausrichten. Diese Agenda bezieht sich auch auf die Vereinfachung der Rechtsvorschriften. Wir haben in den letzten Monaten einen Fahrplan aufgestellt, der darauf abzielt, die Belastungen für unsere Unternehmen und unsere Verwaltung zu reduzieren. Wir werden diese Botschaft auch gegenüber der Kommission im Parlament und im Europäischen Rat weiter vertreten, um konkrete Ergebnisse zu erreichen. Wir haben zum Beispiel einen gemeinsamen Fahrplan für die Vereinfachung der Rechtsvorschriften in Europa aufgelegt.
Des Weiteren möchten wir, dass Spar- und Investitionsprodukte in Europa besser zirkulieren können. Wir zielen auf die Union der Kapitalmärkte ab. Dazu gehören zum Beispiel auch Initiativen zur Verbriefung, um ein europäisches Label einzurichten. Wir haben diesbezüglich Herrn Kukies und Herrn Noyer beauftragt, einen Rechtsrahmen auszuloten, um Start-ups und Scale-ups in Europa finanziell besser unterstützen zu können.
Wir wollen die Innovationen stärken und diese europäische Agenda untermauern. Wir haben deswegen eine Agenda der deutsch-französischen Konvergenz aufgelegt. Dazu gehört zum Beispiel auch die Synchronisierung unserer Wirtschafts- und Sozialreformen. Wir haben einige dieser Reformen noch umzusetzen. Ich erinnere an den Gipfel, der am 1. Juli in Berlin stattgefunden hat, nämlich den deutsch-französische Sozialgipfel. Ich habe des Weiteren die Sozialpartner und Experten dazu eingeladen, diesen Gipfel in Frankreich im nächsten Jahr weiterzuführen. Mit diesen Arbeiten werden wir die Agenda der Produktivität, die Beschäftigungsquoten von jungen und älteren Arbeitnehmern und die Reform der Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die Zukunft der Arbeit und die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz voranbringen.
Wir haben des Weiteren einen Rat von deutsch-französischen Wirtschaftsexperten eingerichtet. Ich möchte einen ganz besonderen Dank für die Arbeit aussprechen, die in den vergangenen Monaten geleistet wurde – nicht nur von unseren Ministerien. Denn sie haben dazu beigetragen, dass wir diesen Fahrplan wirklich bestücken konnten.
Ein weiteres Beispiel: Wir wollen unsere bilaterale Zusammenarbeit im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger stärken. Wir haben beschlossen, die deutsch-französische Plattform ARTE zu europäisieren. Wir haben ein Kooperationsprojekt zwischen France Médias Monde und der Deutschen Welle aufgelegt. Damit verfolgen wir eine gemeinsame Agenda, nämlich gemeinsame Inhalte und eine gemeinsame Kultur zu schaffen, aber auch gemeinsam gegen Desinformation vorzugehen und das europäische Zugehörigkeitsgefühl zu stärken.
Wir haben auch unsere bilaterale Zusammenarbeit in Sachen des Bevölkerungsschutzes anhand sehr konkreter Projekte verstärkt. Wir haben auch eine gemeinsame Agenda, was die Migrationsfragen angeht. Wir müssen unsere Grenzen besser schützen, und das in Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Schengen-Raum. Wir möchten den Asyl- und Migrationspakt schneller umsetzen und vor allen Dingen auch die Rückführungspolitik verbessern. Wir haben des Weiteren einen Fahrplan für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, um die Probleme unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beheben, gleich, ob es um berufliche Bildung von Jugendlichen oder die Mobilität von Grenzpendlern in den Grenzregionen geht, und das in Zusammenarbeit mit unseren Verwaltungen und Regionalvertretungen.
Ich war bereits sehr ausführlich, aber ich glaube, Sie haben verstanden, dass mein Ziel darin besteht, dass der deutsch-französische Ministerrat und der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat nur die Fortsetzung und ein Zeichen für unsere kontinuierliche Zusammenarbeit sind. Sie belegen, wie sehr wir beide davon überzeugt sind, dass unsere beiden Länder vor großen Herausforderungen stehen, aber fest entschlossen sind, diese Herausforderungen durch eine engere Zusammenarbeit und eine größere strategische Nähe zwischen unseren beiden Ländern anzugehen. Mit effizienteren Vorgehensweisen in Deutschland und in Frankreich wollen wir diese Agenda zum Beispiel auch in Sicherheitsfragen in den kommenden Monaten und Jahren ganz konkret umsetzen. Wir können bereits einige konkrete Projekte vorweisen. Wir werden sie auch weiter verfolgen und, wie gesagt, Ende des Jahres Bilanz ziehen. Nächste Woche werden wir uns in Évian wieder treffen. Am 18. November werde ich für den Gipfel zum Thema digitaler Souveränität in Berlin sein. Aber wir werden all die angesprochenen Themen natürlich kontinuierlich weiter diskutieren.
Ich danke dir, lieber Friedrich, dass du zusammen mit deinen Regierungsvertretern hierhergekommen bist.
Bundeskanzler Friedrich Merz:
(auf Französisch) Sehr verehrter Herr Präsident, lieber Emmanuel, im Namen der Bundesregierung möchte ich mich für deinen sehr warmherzigen Empfang hier an einem so wunderbaren und beeindruckenden Ort sehr herzlich bedanken. Herzlichen Dank für deine Gastfreundschaft!
(auf Deutsch) Lassen Sie mich auf Deutsch fortfahren. Lieber Emmanuel, wir beide sind bereits gestern Abend zu einem vertraulichen Abendessen zusammengekommen und haben diese Begegnung vorbereitet. Wir teilen den gleichen klaren Blick auf die inneren und die äußeren Herausforderungen, vor denen unsere beiden Länder stehen. Unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unser Wohlstand müssen in einer Welt, deren Ordnung sich schnell und tiefgreifend verändert, gesichert werden. Uns beide verbindet der feste Wille, diese Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Wir teilen die Überzeugung, dass eine starke deutsch-französische Partnerschaft und ein starkes, einiges Europa unsere beste Antwort ist. Ein klarer Blick für die Realität und der feste Wille, sie zu gestalten, ist für mich – lassen Sie mich das so sagen – der Geist von Toulon. Dieser Geist prägt unsere Freundschaft vom ersten Tag an.
Diesen Geist habe ich gespürt, als wir vor zwei Wochen gemeinsam mit Keir Starmer und anderen zusammen in Washington waren, um unsere europäischen Sicherheitsinteressen zu vertreten. Diese Woche haben wir zusammen mit Donald Tusk in Moldau vor rund 80.000 überwiegend jungen Menschen, die sich auf den Weg nach Europa begeben wollen, Flagge für Europa gezeigt. Ich habe diesen Geist gespürt, als wir im Juni im Europäischen Rat mehr Wettbewerbsfähigkeit und weniger Bürokratie durchgesetzt haben. Der deutsch-französische Motor ist also wieder angesprungen. Dafür danke ich dir persönlich sehr herzlich, lieber Emanuel. Dafür danke ich aber auch den Ministerinnen und Ministern der beiden Regierungen, die den heutigen Tag mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über viele Wochen hinweg intensiv vorbereitet haben.
Drei Themen standen im Zentrum. Erstens wollen wir Europa wieder wettbewerbsfähig machen. Wir wollen, dass unsere Wirtschaft in diesem Europa wächst. Wir wollen starke Unternehmen, und wir wollen attraktive Arbeitsplätze. Dafür ist ein ganz grundlegender Kurswechsel notwendig. Deswegen legen wir auch gemeinsam das Ruder um. Wir steuern entschlossen auf eine echte Vertiefung des europäischen Binnenmarktes zu; du hast schon einiges dazu gesagt. Dazu gehört eben auch, dass wir jetzt wirklich ernsthaft Bürokratie zurückbauen. Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. Wir machen uns dafür stark, dass Unternehmen im gesamten europäischen Binnenmarkt mit einem in vielerlei Hinsicht einheitlichen Rechtsrahmen arbeiten können. Das eröffnet ihnen den Zugang zu über 450 Millionen Verbrauchern.
Mit der heute verabschiedeten deutsch-französischen Wirtschaftsagenda haben wir eine ganze Reihe konkreter, sehr wichtiger Initiativen beschlossen. Diese Agenda, diese Initiativen haben die Kabinette gemeinsam erarbeitet. Die Ministerinnen und Minister haben sie in acht Gruppen ausgehandelt. Wir werden sie in den nächsten Monaten zusammen umsetzen. Auch dazu einige Beispiele: Wir wollen durch Technologieoffenheit mehr Wettbewerbsfähigkeit und effektiven Klimaschutz miteinander verbinden und insbesondere im Automobilbereich erreichen. Wir wollen, dass wir in Europa bei zentralen Schlüsseltechnologien unsere eigene Industrieproduktion erhöhen. Unter anderem werden wir am 18. November in Berlin einen Gipfel zur digitalen Souveränität ausrichten; du hast es bereits genannt. Das ist wichtig für die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften.
Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel. In der Raumfahrt arbeiten wir an einem gemeinsamen deutsch-französischen Fahrplan. Wir wollen gemeinsam unsere Investitionen in wettbewerbsfähige Raumfahrttechnologie erhöhen. Das eröffnet uns einen eigenen europäischen Zugang zum Weltraum.
Wir bauen die grenzüberschreitende Energieinfrastruktur aus, insbesondere im Strom- und Wasserstoffbereich. Wir begründen einen deutsch-französischen Handels- und Wirtschaftssicherheitsdialog für sichere Zugänge zu Rohstoffen und für sichere Lieferketten. Wir beschleunigen und vereinfachen gemeinsam Planungs- und Genehmigungsverfahren für mehr Investitionen und einen stärkeren europäischen Binnenmarkt.
Zweitens arbeiten wir an einem echten Frieden für die Ukraine. Das knüpft an unsere exzellente Teamarbeit der letzten Wochen an. Diese diplomatische Kernarbeit ist eine wichtige Investition in ein freies, sicheres und wohlhabendes Europa. Wir nehmen diese gemeinsame Führungsrolle in Europa gemeinsam wahr. Unsere europäischen Nachbarn nehmen wir selbstverständlich mit, die großen wie die kleinen, die westlichen wie die östlichen.
In der Sache sind wir uns mit allen einig: Kyjiw braucht starke Sicherheitsgarantien. Ich stelle mir einen breiten Ansatz vor, der auf mehreren Säulen ruht. Es ist gut, dass wir uns auch darüber einig sind, lieber Emmanuel. Die wichtigste Säule ist schon jetzt, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Bewaffnung, in der Finanzierung und in der Ausbildung dauerhaft gestärkt werden müssen. Hierfür tragen wir beide eine Verantwortung, Deutschland eine große, und das wird auch so bleiben. Frankreich bringt seine diplomatischen und militärischen Stärken ein. Lieber Emmanuel, die Arbeit, die wir im Rahmen der Coalition of the Willing gemeinsam leisten, ist dafür wirklich wegweisend.
Schließlich, drittens, arbeiten wir gemeinsam für ein sicheres Europa. Diese Arbeit wird heute die Beratungen im Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat bestimmen, der sich unmittelbar an die Begegnung mit Ihnen anschließt. Wir werden uns in gebotener Vertraulichkeit darüber austauschen, wie wir Europas Sicherheit immer besser aus eigener Kraft gewährleisten können. Zwischen Regierungszentralen, Außenministerien und Verteidigungsministerien werden unsere Teams das eingehend beraten und auch in Fragen der Abschreckung gemeinsame Wege gehen. Das ist kein Ersatz für die NATO, aber es stärkt den europäischen Teil der NATO.
Unsere enge Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie setzen wir fort, auch dort, wo sie schwierig ist. Unsere Verteidigungsminister werden in den nächsten Wochen verabreden, wie wir etwa bei den gemeinsamen Projekten FCAS und MGCS weiter vorankommen. Wir wollen dazu auch bald Entscheidungen treffen.
„Entscheidungen treffen“ gibt mir das Stichwort; du hast es auch bereits gesagt: Wir haben verabredet, dass wir noch in diesem Jahr ein Arbeitstreffen in Berlin anschließen, in dem wir sozusagen ständig im engen Zeitrahmen nachhalten wollen, was wir heute auf den Weg gebracht haben, wie es umgesetzt wird und wo es nachjustiert werden muss. Wir werden die deutsch-französische Zusammenarbeit jetzt noch weiter intensivieren, auch auf der Arbeitsebene unserer Ministerien.
Meine Damen und Herren, in einer Zeit großer weltweiter Umbrüche müssen Deutschland und Frankreich enger zusammenrücken. Das ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Europa frei, sicher und wettbewerbsfähig bleibt. Ich bin deshalb wirklich sehr froh und dankbar, dass Paris und Berlin heute wie in den vergangenen Monaten und ganz sicher auch in den nächsten Monaten und Jahren an einem Strang ziehen wie lange nicht.
Lassen Sie mich diese Bemerkung abschließend hinzufügen: Politik wird von Menschen gemacht, nicht von Institutionen; und Menschen müssen für persönliche Begegnungen Zeit haben. Wir haben uns diese Zeit in den letzten Monaten genommen. Ich bin dankbar dafür, dass du sie mir auch gegeben hast, dass wir einfach Gelegenheit hatten, uns über viele Dinge auszutauschen, uns noch besser auch persönlich kennenzulernen. Das ist die Basis für eine gute, vertrauensvolle und vertrauliche Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern. Wir beide knüpfen an eine jahrzehntealte deutsch-französische Tradition an, die nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges, eigentlich nach den Schrecken zweier Weltkriege, begründet worden ist. Aber das ist das Fundament, auf dem wir stehen. Das ist die Verantwortung, die wir gemeinsam wahrnehmen. Wir sind uns der Dimension dieser Verantwortung sehr wohl bewusst. Aber gerade deshalb sind wir gestern und heute hier. Und gerade deshalb haben unsere beiden Regierungen eine so gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit vertieft, so wie heute und so wie ganz sicher auch in den nächsten Wochen und Monaten. Herzlichen Dank.
Frage: Sie sprechen vom deutsch-französischen Reflex, aber das Thema der Kernkraft löst gegenläufige Reflexe in beiden Ländern aus. Ist nach den Gesprächen heute ein deutscher Bundeskanzler d’accord damit, wenn französische Kernkraftwerke zu Forschungszwecken auch mit EU-Geldern bezahlt werden?
Monsieur le Président, die Grundsatzfrage, die sich viele hier stellen, ist, was all diese Gespräche und Dokumente angesichts der Instabilität Ihrer Regierung wert sein können. (auf Englisch, ohne Dolmetschung) …
Bundeskanzler Merz: In der Energiepolitik gibt es unterschiedliche grundsätzliche Entscheidungen in Frankreich und in Deutschland. Das beeinträchtigt unsere Zusammenarbeit überhaupt nicht. Wir haben auch vereinbart, dass wir in der Energiepolitik noch enger zusammenarbeiten. Katherina Reiche und ihr Pendant in der französischen Regierung haben das heute ausführlich vorgetragen.
Wir werden auch in den Energienetzen ganz eng zusammenarbeiten. In der Frage, ob die Kernenergie in der weiteren Erforschung durch europäische Mittel gestützt wird oder nicht, werden wir in der Koalition eine abschließende Meinung herbeiführen und sie dann in Brüssel so vertreten. Meine Meinung dürften Sie dazu richtig vermuten, aber das ist eine Frage, die wir in der Koalition in Berlin zu klären haben. Dann gehen wir auch diesen Weg gemeinsam. Aber noch einmal: Wenn es unterschiedliche historische Erfahrungen in verschiedenen Politikbereichen gibt, ist das kein Grund, die Zusammenarbeit mit Frankreich nicht heute und morgen zu vertiefen.
Präsident Macron: Der Herr Bundeskanzler hat es gerade noch einmal verdeutlicht. Alle Energien, die CO2-arm sind, ob in Deutschland oder in Frankreich, sind wichtig, um genau die Ziele zu erreichen, die wir uns in Europa gesetzt haben: Wettbewerbsfähigkeit, Klimaziele usw. Das, was wir entschieden haben und was wir hier verfolgen, ist eigentlich kein Hindernis dafür, die künftigen Fristen einzuhalten. Ich weiß, es gibt parlamentarische Fristen in jedem Land. Es werden Abstimmungen durchgeführt, auch in wenigen Tagen. Ich möchte dem Ergebnis dieser Abstimmung der Parlamentarier nicht vorgreifen, aber ich denke, es gibt eine Gleichung, die sowohl vonseiten Deutschlands als auch vonseiten Frankreichs durchaus nachvollziehbar ist.
Wir sind in den vergangenen Jahren in Deutschland und in Frankreich unterschiedliche politische Wege gegangen. Aber das war nie ein Hindernis für die deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit. Wir vonseiten Frankreichs und Deutschlands haben auch auf Ministerebene unser Engagement über die nächsten Monate und Jahre bekräftigt, auch zugunsten der Europäischen Union in Sachen Verteidigung. Derzeit gibt es lebhafte Debatten in der französischen Politik. Ich bin aber davon überzeugt, dass Frankreich derzeit vor allen Dingen Entschlossenheit und Verlässlichkeit braucht.
Die Unterstützung für die Ukraine vor dem gegebenen Hintergrund hat unterschiedliche Formen. Es ist zum einen die politische Unterstützung. Denn es dürfen keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine geführt werden. Wir müssen das in der richtigen Reihenfolge angehen. Wir brauchen zuerst die Sicherheitsgarantien, und anschließend können wir über die Territorien diskutieren. Zum anderen ist es eine ganz konkrete Unterstützung in militärischer Form, indem wir zum Beispiel Ausbildung durchführen und indem wir Kapazitäten überführen. Dies werden wir auch in Kürze weiterverfolgen.
Gleichzeitig wollen wir aber auch einen langfristigen und nachhaltigen Frieden aufbauen. Genau das ist der Daseinszweck der Koalition der Willigen. Wir haben seit der Sitzung in Washington bereits viele Arbeiten durchgeführt, die sehr konkrete Ergebnisse hervorgebracht haben. Mittlerweile sind wir 30 Mitgliedstaaten in der Koalition der Willigen. Dadurch können wir die konkrete Unterstützung wirklich umsetzen. Wir brauchen eine Ukraine mit einer sehr robusten Armee. Man stellt sich also die Frage: Wie kann die ukrainische Armee gestützt, finanziert und ausgerüstet werden? Was sind wir für Heer, Luft- und Seeverteidigung zu schicken bereit? Wir sind dabei, genau das auszuarbeiten. In den kommenden Tagen werden wir zusammen mit Bundeskanzler Friedrich Merz und unserem Freund Keir Starmer sowie mit Präsidenten Selenskyj eine weitere Gesprächsrunde abhalten, um zu klären, welche Position wir zusammen mit der Koalition der Willigen durchführen und umsetzen können.
Frage: Herr Bundeskanzler, Monsieur le Président, die Aussicht auf einen Gipfel unter Teilnahme von Präsident Selenskyj und Putin ist außer Reichweite geraten. Was werden Sie unternehmen, um Trump zurück ins Boot zu holen? Gehen Sie davon aus, dass die Diplomatie noch Chancen hat, oder ist der diplomatische Weg definitiv versperrt? Werden Sie zum Beispiel die Waffenlieferungen, wie Sie es in dem Dokument angesagt haben, sofort ausweiten?
Moskau macht derzeit sehr vulgäre Vorwürfe. Wie antworten Sie darauf?
Präsident Macron: Ich bin weder vulgär noch grob in der Rhetorik, aber wenn das Bild, das da aufgegriffen wurde, vorangestellt wird, dann entspricht das, denke ich, doch dem, was viele Ukrainer, Georgier und andere Europäer selbst empfinden. Das ist nämlich eine Verwerfung in Richtung von Autokratie und Missachtung des Völkerrechts.
Wir haben mit dem Herrn Bundeskanzler lange über das Thema Ihrer ersten Frage diskutiert. Wir wollen eine bilaterale Sitzung, die Präsident Putin Präsident Trump zugesagt hat. Das war seine Position. Nach der langen Sitzung, die wir vor einer Woche in Washington hatten, gab es sieben Vorschläge, die Präsident Putin Präsident Trump geschickt und wobei er gesagt hat, er werde mit Präsident Selenskyj sprechen. Das ist heute nicht mehr wahr. Da hat man doch den Eindruck, dass sich Präsident Putin über Präsident Trump hinweggesetzt hat. Das kann nicht ohne Antwort bleiben; darauf muss man reagieren. Dementsprechend werden wir während des Wochenendes mit Präsident Trump darüber diskutieren.
Ich hoffe, dass diese Sitzung zustande kommen wird. Ich hoffe, dass auch eine trilaterale Sitzung zustande kommen wird. Wenn wir in der nächsten Woche aber feststellen müssen, dass das nach monatelanger Versprechungen nicht stattfindet, dann müssen wir sowohl primäre als auch sekundäre Folgen auf diese Nichtachtung der Versprechen folgen lassen.
Bundeskanzler Merz: Wir haben mit unserem Besuch in der vergangen Woche in Washington die Hoffnung verbunden, dass die in Aussicht gestellte Zusammenkunft zwischen Präsident Putin und Präsident Selenskyj innerhalb der besprochenen zwei Wochen tatsächlich zustande kommt. Ich habe schon in dieser Woche feststellen müssen, dass es offensichtlich keine Bereitschaft von Präsident Putin gibt, sich mit Präsident Selenskyj zu treffen. Er stellt Vorbedingungen, die geradezu unannehmbar sind. Das klang noch in dem Telefonat, das er mit Präsident Trump in der vergangenen Woche geführt hat, ganz anders. Mich überrascht das, offen gestanden, nicht; denn es gehört zur Strategie dieses russischen Präsidenten genau so vorzugehen.
Insofern werden wir in der nächsten Woche erneut darüber beraten, wie es weitergeht. Ich plädiere sehr dafür, dass wir gemeinsam, die Europäer zusammen mit der amerikanischen Regierung, die nächsten Schritte sorgfältig besprechen. Es muss einen Anlass geben, sodass Putin bereit ist, sich mit Selenskyj und gegebenenfalls mit weiteren Gesprächsteilnehmern zu treffen. Es muss eine Bereitschaft der russischen Seite geben, zu einem solchen Treffen einen Waffenstillstand einzuleiten.
Ich mache mir allerdings keine Illusionen. Möglicherweise wird dieser Krieg noch viele Monate dauern. Darauf sollten wir jedenfalls vorbereitet sein. Wir sind darauf vorbereitet, in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern, mit den Amerikanern und auch mit der Koalition der Willigen. EmmanuelMacron hat darauf hingewiesen, dass es 30 Staaten auf der Welt sind, die in großer Übereinstimmung bereit sind, der Ukraine zu helfen, und dies auch sehr praktisch tun. Diese Koalition der Willigen zusammenzuhalten, ist eine unserer vordringlichen Aufgaben. Ich will es noch einmal sagen: Das, was uns in den vergangenen Wochen gelungen ist, nämlich eine vollkommen geschlossene europäische Haltung zu haben, sie mit dem amerikanischen Präsidenten abzustimmen und daraus eine gemeinsame europäisch-amerikanische Haltung zu entwickeln, ist ein großer Fortschritt gewesen. In Amerika wird im Augenblick intensiv über weitere Zölle diskutiert. Ich würde es sehr befürworten, wenn sich die amerikanische Regierung dazu durchringen könnte, das auch gegenüber anderen Ländern in Kraft zu setzen, deren Gas- und Ölabnahmen einen großen Teil der russischen Kriegswirtschaft finanzieren.
Sie ersehen aus der Länge meiner Antwort, dass wir in einem langen Prozess sind. Dieser Prozess erfordert viel Geduld, aber eben auch sehr viel Klarheit. Die Klarheit ist ganz einfach die: Wir lassen die Ukraine nicht im Stich. Die Ukraine kämpft nicht für sich allein, sondern sie kämpft für die gesamte politische Ordnung, für die gesamte politische Freiheit unseres Kontinents. Dabei werden wir an ihrer Seite stehen, weil es in unserem eigenen Interesse liegt.
Frage: Ich habe eine Frage sowohl an den Präsidenten als auch den Bundeskanzler. Sie haben viel über digitale Souveränität gesprochen, die Europa behalten solle. Gleichzeitig gibt es aber die Warnung von US-Präsident Donald Trump, jene Länder mit zusätzlichen Strafzöllen zu überziehen, die gegen US-Tech-Konzerne entweder Regulierungen oder Steuern beschlossen haben. Frankreich hat sogar schon eine Digitalsteuer. Deswegen die Frage: Wie groß ist Ihre Sorge, dass aus den USA neue Zölle kommen? Was wollen Sie dagegen tun? Bleibt es beim Digital Services Act der EU? Wollen Sie dabei hart bleiben?
Herr Bundeskanzler, eine Frage zur Innenpolitik: Heute wurden zum ersten Mal seit 2015 drei Millionen Arbeitslose in Deutschland gemeldet. Können Sie uns sagen, was das für die Politik dieser Bundesregierung bedeutet?
Bundeskanzler Merz: Ich will mit der zweiten Frage beginnen. Ich habe heute in meiner Eröffnung des deutsch-französischen Ministerrates angesprochen, dass wir diese Zahl heute Morgen auf dem Weg hierher gehört haben. Sie ist ein Beweis genau dafür, dass wir dringend Reformen des Arbeitsmarktes, Reformen der Wirtschaftspolitik, Reformen bei den Genehmigungsverfahren und vielem anderen in Deutschland brauchen.
Wir sehen eine große Bereitschaft, in Deutschland zu investieren. Sie haben das Treffen mit über 60 Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft in Erinnerung, die mir zugesagt haben, in den nächsten drei Jahren über 600 Milliarden Euro in die deutschen Standorte zu investieren und neue Standorte zu eröffnen. Aber das hängt natürlich sehr stark davon ab, auf welche Bedingungen diese Investitionen stoßen. Im Augenblick ist Deutschland nicht attraktiv genug für solche Investitionen. Wir werden die Bedingungen deutlich verbessern müssen. Wir haben ein Problem mangelnder preislicher Wettbewerbsfähigkeit, und daran müssen wir arbeiten. Daran werden wir arbeiten, und darüber gibt es auch die ersten Verabredungen in der Koalition.
Was die digitale Souveränität betrifft, so haben wir nicht mit Freude, aber aus Einsicht in die Notwendigkeit akzeptiert, dass wir eine asymmetrische Handelspolitik mit den Vereinigten Staaten von Amerika im Hinblick auf die Zölle vereinbart haben. Ich habe es schon dem amerikanischen Präsidenten gesagt und will es hier gern wiederholen: Die Frage, wie die Europäische Union den gesamten digitalen Markt reguliert und wie sie auch die Unternehmen besteuert, ist Ausdruck der alleinigen Souveränität der Europäischen Union. Wir werden es nicht hinnehmen, dass von wem auch immer mit entsprechenden Repressalien gegen Europa gearbeitet wird. Wir wissen selbst, dass wir in der Regulierung noch manches besser machen können, aber wir machen das in unserem Interesse und ausschließlich aus unserem Interesse heraus und werden uns dabei ganz sicher nicht von Wortmeldungen leiten lassen, die vielleicht im eigenen Markt eine ganz andere, vielleicht sogar gar keine Regulierung für notwendig und für wichtig halten. Wir können immer gern in der Sache diskutieren, aber die gesetzgeberische Souveränität in Europa und in den Mitgliedstaaten lassen wir von niemandem in Frage stellen.
Präsident Macron: Zum letzten Punkt, zur digitalen Souveränität: Da kann ich nur zustimmen. Wir haben bereits darüber diskutiert. Ich stimme also dem, was der Herr Bundeskanzler gerade gesagt hat, zu. Die steuerlichen Fragen und die Fragen des Rechtsrahmens können nur von unseren Parlamenten und vom Europäischen Parlament geregelt werden. Wir werden nicht zulassen, dass irgendjemand anderer für uns entscheidet. Wenn solche Entscheidungen getroffen würden, dann müssten wir von europäischer Seite darauf antworten, und das würden wir auch tun.
Das betrifft zum einen die Regulierung der Digitalmärkte, und das werden wir beibehalten. Wir haben gerade zu diesem Thema eine sehr große deutsch-französische Konvergenz. Wir werden weiterhin die souveränen Entscheidungen treffen. Genau daraus besteht die Souveränität, dass wir nämlich die industriellen Entscheidungen und Maßnahmen einleiten werden, damit wir auf solche Bedrohungen reagieren können.
Wir werden das zusammen mit der Kommission tun. Das bedeutet auch, dass wir europäische Lösungen und europäische Akteure finden müssen. Ob es die Quantenrechner betrifft oder andere Technologiefragen wie zum Beispiel die Cloud, da zielen wir auf Souveränität ab. Denn wir wollen nicht in eine neue Abhängigkeit geraten. Die Souveränität ist nach unseren Regeln geordnet und nicht nach den Regeln von irgendjemand anderem. Wir werden uns auch nicht auf Zwangsmaßnahmen von außen einlassen, sondern wir werden ganz konkret an den Maßnahmen arbeiten, die unsere Industrie unabhängiger machen.
Frage: Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, sehr verehrter Herr Präsident, Sie haben bereits von der Bedeutung der Stabilität gesprochen, vor allen Dingen in Frankreich in Bezug auf die Europäische Union. Wie sehen Sie die Frage des Vertrauensvotums in Frankreich? Ist Ihrer Meinung nach eine Auflösung der Nationalversammlung unausweichlich? Wie würden Sie vorgehen?
Präsident Macron: Ich habe lange mit dem Premierminister diskutiert, und ich denke, er hat recht daran getan, die Parlamentarier mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren, indem er die Lage des Landes deutlich gemacht hat, und zwar schon seit Juli. Das ist eine sehr kohärente Methode. Der Haushalt wurde vorgestellt. Jetzt geht es darum, das auszugestalten und die konkreten Fragen zu diskutieren. Er stellt nicht nur die Frage: Sind Sie einverstanden oder nicht einverstanden? ‑ Es muss ausgestaltet werden. Ich denke, das ist die richtige Reihenfolge in der Vorgehensweise. Sind Sie einverstanden mit diesen Haushaltsvorschlägen oder nicht? Dann diskutieren wir über die Ausgestaltung. Anschließend müssen alle ihren Beitrag dazu leisten.
Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist nicht unüberwindbar. Es verlangt mehr Strenge in unserem Umgang mit unseren Ausgaben und mit unserer Sicherheit. Aber wenn wir in den Bereichen von Gesundheit, Bildung usw. weiterarbeiten, werden wir unsere Ziele erreichen. Sie haben gesehen, dass wir unsere Haushaltsdefizite seit der Coronakrise reduzieren konnten. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Premierminister in den kommenden Tagen dafür einsetzen wird. Selbst wenn es Diskrepanzen über die technischen Umsetzungsmöglichkeiten geben wird, sollte doch Einigkeit über den Grundsatz der Entscheidung bestehen.
Wir sehen, dass in Deutschland eine sozialistische und eine konservative Partei zusammenarbeiten. Es ist also nicht völlig abwegig, was unser Premierminister vorschlägt. Das gibt es, das gibt es sogar in unserem Nachbarland, und das funktioniert dort. Deswegen würde ich das nicht als unerreichbar bezeichnen.
Ich persönlich glaube an die Demokratie. Die Demokratie besteht schließlich darin, dass man der Regierung ein Mandat gibt. Die Wählerinnen und Wähler in Frankreich haben mir ein Mandat erteilt, das ich bis zum Schluss ausführen werde, gleich ob es dem einen oder anderen gefällt oder nicht gefällt.