Marburg-Biedenkopf steht Modell

Kommunales Open Government Marburg-Biedenkopf steht Modell

Wie kann Open Government in den Kommunen effizient und mit hoher Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger funktionieren? Das möchte der Landkreis Marburg-Biedenkopf aufzeigen, eine von neun Modellkommunen Open Government in dem gleichnamigen Pilotvorhaben, das vom Bundesinnenministerium, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag durchgeführt wird.

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Von Bäumen und Hecken gesäumter Weg.

Diese ehemalige Hecke ist fast vollständig zu einer Baumreihe angewachsen.

Foto: Landkreis Marburg-Biedenkopf

Ziel des Pilotvorhabens ist es, Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Politik und Gesellschaft wie auch innerhalb verschiedener Verwaltungseinheiten auszuprobieren. Wissenschaftlich begleitet wird das im Herbst 2017 gestartete Projekt von der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl sowie dem Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz. Nach zweijähriger Laufzeit soll das Projekt im Herbst 2019 auslaufen.

Im Rahmen des Pilotvorhabens Modellkommunen Open Government  entwickeln insgesamt neun Modellkommunen unterschiedlicher Größe jeweils mehrere Modellprojekte und setzen diese um. Auf Basis der so gewonnenen Erfahrungen soll ein praktischer Leitfaden erarbeitet werden, der kommunales Open Government in Deutschland anregt und dessen Umsetzung unterstützt.

Digitales Heckenmanagement

Ein Modellprojekt des Landkreises Marburg-Biedenkopf ist die Entwicklung eines ganzheitlichen digitalen Heckenmanagements. Der Hintergrund: In der Vergangenheit wurden die Hecken im Landkreis nicht regelmäßig zurückgeschnitten. In der Folge wuchsen sie zu Baumreihen an und schränken nun die Nutzung landwirtschaftlicher Wege ein. Insekten und Vögel, die in den einstigen Sträuchern gelebt haben, müssen sich einen neuen Lebensraum suchen. Gleichzeitig geht wertvolle Biomasse zur Erzeugung von Energie verloren: Die Heckenabfälle, die bei regelmäßiger Pflege anfallen würden, könnten - energetisch verwertet - den durchschnittlichen Wärmebedarf von acht Ortschaften decken.

Bei einer lokalen energetischen Verwertung von Biomasse werden Energieträger wie beispielsweise Holz, Stroh oder Gräser durch Verbrennung in Energie umgewandelt. Die Biomasse stammt aus der unmittelbaren Umgebung; die Bioenergieanlagen sind vor Ort. Dörfer und Gemeinden, die sich überwiegend mit Strom und Wärme aus Biomasse versorgen, werden auch Bioenergiedörfer genannt.

Besser vernetzt

Um die Heckenpflege zu verbessern und eine energetische Verwertung zu gewährleisten, hat der Landkreis einen Heckenmanager eingestellt und entwickelt nun mit allen Beteiligten ein Geoinformationssystem. Dieses soll die einzelnen Schritte der Wertschöpfungskette digital abbilden: von der Pflegeplanung über den Schnitt der Hecken bis zur Verwertung des Schnittguts in der lokalen Energiewirtschaft. Neben der Kreisverwaltung und den Kommunen sind auch lokale Schnitt- und Transportunternehmen sowie Verwerter und Energiegenossenschaften beteiligt. Auch die Zivilgesellschaft wirkt mit, beispielsweise über Naturschutzverbände.

Win-win-Situation

Die Erwartungen an das Projekt sind groß: Die Verwaltungen gehen davon aus, dass sich der organisatorische Aufwand der Heckenpflege nachhaltig reduziert. Die zuständigen Unternehmen erhoffen sich eine bessere Planbarkeit ihrer Aufträge, auch über mehrere Jahre hinweg. Für Landwirte könnte das digitale Heckenmanagement neue Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Gleichzeitig werden sie ihre Felder wieder besser erreichen können. Und schließlich können durch die lokale energetische Verwertung des Schnittguts klimaschädliche Transportwege und Heizöl gespart und die regionale Wertschöpfung gesteigert werden.

Kulturwandel in der Verwaltung

Welche Erkenntnisse konnte der Landkreis Marburg-Biedenkopf für die Praktikabilität und Effektivität von Open Government auf kommunaler Ebene bislang gewinnen? Klar ist, die Verwaltungskultur muss sich ändern: weg von einer politisch-administrativen Kultur und hin zu einer Kooperationskultur, wo Politik und Gesellschaft eng zusammenarbeiten. Für die praktische Umsetzung in den Kommunalverwaltungen bedeutet das:

  • Neue Arbeitsstrukturen neben der Linienorganisation zu finden,
  • Koordinationskompetenzen aufzubauen und
  • die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker miteinzubeziehen.

Die enge Zusammenarbeit mit der Gesellschaft bietet die Chance, die Expertise und das Wissen der Bürgerinnen und Bürger zur besseren Lösung drängender Probleme zu nutzen. Gleichzeitig kann kommunales Open Government dazu beitragen, das Interesse der Öffentlichkeit an Kommunalpolitik zu erhöhen. Damit profitieren sowohl die Bürger als auch die Kommunalverwaltung.

Hinter dem Konzept Open Government steht das Ziel, Regierungs- und Verwaltungshandeln offener, transparenter, partizipativer und kooperativer zu gestalten. Wesentliche Komponenten sind die Bereitstellung offener Daten (Open Data), die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung sowie die aktive Einbindung der Bürger. Mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sollen beispielsweise Verwaltungsmaßnahmen nachvollziehbar, die Öffentlichkeit mit relevanten Informationen versorgt und die Folgen von Beschlüssen sichtbar werden. Gleichzeitig sollen Bürgerinnen und Bürger an der Entscheidungsfindung, Umsetzung und Bewertung staatlicher Maßnahmen beteiligt werden.