„Unsere Wirtschaft ist stark und wir helfen nach Kräften“

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Kanzler Scholz im Interview mit der Magdeburger Volksstimme „Unsere Wirtschaft ist stark und wir helfen nach Kräften“

Die Lage werde schwieriger werden und „unser Weg ist der, durch zusätzliche Entlastungen die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern“, erklärt Bundeskanzler Olaf Scholz im Interview mit der Magdeburger Volksstimme. Außerdem spricht er über die Unterstützung für die Ukraine, die Sicherung der Energieversorgung und warum die westlichen Sanktionen gegen Russland ein „wichtiges Mittel“ sind.

6 Min. Lesedauer

Bundeskanzler Olaf Scholz im Interview mit Alois Kösters, Chefredakteur der Magdeburger Volksstimme.

Das Interview mit der Magdeburger Volksstimme wurde im Vorfeld des KanzlerGESPRÄCHS mit Bürgerinnen und Bürgern aus Magdeburg geführt.

Foto: Bundesregierung/Kugler

Herr Bundeskanzler, Sie bekommen in diesen Tagen viele Brandbriefe. Einige fordern, dass wir die Sanktionen gegen Russland einstellen sollen. Was würde eigentlich passieren, wenn wir das tun würden?

Bundeskanzler Olaf Scholz: Zunächst - Russland hat einen furchtbaren, brutalen, durch nichts zu rechtfertigenden Krieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen. Der russische Präsident trägt Verantwortung dafür, dass so viele Frauen, Männer und selbst Kinder getötet werden, dass es so viel Zerstörung gibt. Das war ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Und auf diesen Bruch hat die internationale Staatengemeinschaft reagiert und weitreichende Sanktionen verhängt. Zugleich stehen wir an der Seite der Ukraine und unterstützen sie dabei, ihr Land zu verteidigen.

Meine Frage geht dahin, was eigentlich passieren würde, wenn Deutschland ausscheren würde aus dem westlichen Bündnis der Ukraine-Unterstützer.

Scholz: Die westlichen Sanktionen sind wirksam und richtig. Sie sind ein wichtiges Mittel, um den Druck auf Russland zu erhöhen, diesen Krieg endlich zu beenden. Denn die Kosten für Moskau sind erheblich. Das Land ist abgehängt vom technologischen Fortschritt der Welt. Je länger das anhält, desto größer wird der Schaden für Russland sein. Ein Ausscheren Deutschlands kommt für mich nicht infrage. Die starke und einheitliche Antwort Europas auf diesen Krieg hat Putin überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.

Im Osten hatten wir den Wettbewerbsvorteil billiges Gas und direkte Ölpipelines. Die Industrieparks in Zeitz und Leuna sind auch deshalb so attraktiv. Ein Düngemittelhersteller im Land hat bereits die Produktion eingestellt. Gibt es Förderinstrumente, die das Überleben der energieintensiven Unternehmen sichern könnten?   

Scholz: Klar ist, dass die Sanktionen auch Auswirkungen auf Deutschland und die deutsche Wirtschaft haben. Für energie-intensive Unternehmen haben wir sehr früh ein Förderprogramm auf den Weg gebracht, damit sie mit der Lage umgehen können. Wir sprechen auch intensiv mit den Branchen und einzelnen Unternehmen – und schärfen unsere Programme immer wieder nach. Sehr bald wird es weitere Hilfen geben. Wie wichtig eine gute Förderung und Unterstützung der Wirtschaft ist, das haben uns die Erfahrungen der Pandemie gezeigt. Unsere Wirtschaft ist stark und wir helfen nach Kräften.

Die Panik vergrößert hat die Gasumlage. Warum können wir diese wenigen Gashändler nicht wie in der Finanzkrise gelernt aus dem Staatshaushalt stützen? Es ist ja auch psychologisch verheerend, wenn die Verbraucher neben hohen Gaspreisen auch noch die Lasten von Firmen tragen müssen, die zum Teil nicht einmal Unterstützung brauchen.

Scholz: Wenn von der Umlage auch Firmen profitieren, die sie eigentlich gar nicht nötig hätten, ist das nicht in unserem Sinne. Der Wirtschaftsminister hat angekündigt zu prüfen, ob er das bei der Ausgestaltung der Verordnung verhindern kann. Mich hat es gefreut, dass Shell und RWE gesagt haben, kein Geld aus der Umlage abzurufen. Diesem Beispiel könnten andere ruhig folgen. Was bleibt: Ohne Gasumlage wäre die Belastung für sehr viele Gaskundinnen und -kunden viel, viel höher. Weil Russland seine Lieferverpflichtungen nicht erfüllt, müssen die Versorger jetzt viel teureres Gas anderswo kaufen. All das passiert im Übrigen nur, weil Russland die drei vorhandenen Pipelines nicht ausreichend nutzt – die Jamal-Pipeline, die durch Polen und Belarus führt, hat Moskau komplett sanktioniert, die Leitung durch die Ukraine ist nicht ausgelastet und Nord Stream I ebenfalls nicht. Um die Mehrkosten abzufedern, haben wir im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent gesenkt.

Aber das nützt den Firmen nicht.

Scholz: Die Bundesregierung hat bereits zwei umfangreiche Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Die Bürgerinnen und Bürger werden damit um 30 Milliarden Euro entlastet. Und nun befinden wir uns in intensiven Gesprächen darüber, wie das dritte Paket aussehen wird, um die immens steigenden Kosten für alle abzufedern. Klar ist, dass die Lage schwieriger wird und wir uns für längere Zeit auf höhere Preise einstellen müssen.

Schwer verständlich: Einerseits werden die Firmen und Verbraucher mit der Gasumlage belastet. Andererseits durch verschiedene kleinteilige Maßnahmen wieder entlastet. 

Scholz: Die Hauptbelastung geht auf die immens gestiegenen Gaspreise zurück, wofür wiederum Russland verantwortlich ist. Unser Weg ist der, durch zusätzliche Entlastungen die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern.

Was erwartet uns im nächsten Paket?

Scholz: Ich möchte an dieser Stelle nicht zu konkret werden, denn die Gespräche darüber laufen noch. Aber es ist klar, dass wir etwas tun werden für Rentnerinnen und Rentner sowie für Beschäftigte, die wenig Geld verdienen. So sollen beispielsweise die Heizkosten, anders als bisher, bei der Berechnung des Wohngelds eine Rolle spielen.

Haben Sie darüber nachgedacht, dauerhaft ein monatliches Energiegeld zu überweisen?

Scholz: Leider verfügt der Staat noch nicht über die dafür nötigen Informationen. Deshalb bringen wir jetzt ein Gesetz auf den Weg, um dafür zu sorgen, dass künftig von jedem, der eine Steuer-ID hat, auch Anschrift und aktuelle Kontonummer vorliegen. Das wird aber noch dauern. 

Einen monatlichen Beitrag könnte man auch über den Arbeitgeber zahlen lassen.

Scholz: So haben wir es bei den 300 Euro gemacht, die jetzt im September ausgezahlt werden. Allein diese Entlastung beträgt im Übrigen netto 10 Milliarden Euro. Wir beschleunigen auch die Reform des Bürgergeldes, damit das bald kommt. Wir nehmen Rentnerinnen und Rentner in den Blick sowie Studierende. Und wir werden steuerlich für die etwas machen, die zwar ein Einkommen haben, aber jeden Tag sehr genau rechnen müssen.

Wie geht es weiter mit den Lindner-Vorschlägen zu einem Inflationsausgleich durch Steuern?

Scholz: Darüber sprechen wir im Zusammenhang mit dem Entlastungspaket. Wir werden auch was bei den Steuern machen. Denn viele Bürgerinnen und Bürger arbeiten sehr hart, aber haben trotzdem keine Ersparnisse, keine Rücklagen. Hilfreich ist, dass ab dem 1. Oktober der Mindestlohn auf zwölf Euro steigt. Mehr als sechs Millionen Beschäftigte werden davon direkt profitieren. Außerdem erarbeiten wir in der Konzertierten Aktion, gemeinsam mit Gewerkschaften und Unternehmerverbänden ein Konzept, wie wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen können in Zeiten steigender Preise.

Apropos. Der örtliche Chef der Stadtwerke hat angekündigt, dass sich die Strompreise noch in diesem Winter verdoppeln. Da müsste man doch so viel billigen Strom wie möglich auf dem Markt bringen. Über den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken ist aber noch nicht entschieden. 

Scholz: Atomstrom ist billig? Na. Aber lassen Sie mich erklären: Als ich Kanzler wurde, haben wir sofort angefangen, uns mit der Frage zu befassen, was eigentlich passiert, wenn Gaslieferungen ausbleiben. Mit dieser Frage hatte sich zuvor nie jemand befasst. So hatten wir Antworten vorliegen, als der Krieg im Februar begann und konnten zügig handeln. So bauen wir LNG-Terminals an Nord- und Ostsee, haben uns schwimmende Terminals organisiert, damit das Gas genutzt werden kann, bauen zusätzliche Pipelines und beschleunigen auch den Ausbau von Windkraft und Sonnenenergie. Und per Gesetz haben wir vorgeschrieben, dass die Gasspeicher bis zum Winter gefüllt werden müssen – das war seltsamerweise vorher nie verlangt worden.

Das führt jetzt weit weg von der Frage zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke.

Scholz: Geduld! Drittens sparen wir Gas, weil wir erlaubt haben, dass Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen und Unternehmen leichter von Gas auf andere Brennstoffe umstellen dürfen. Und wir haben einen weiteren Stresstest aufgelegt, um zu prüfen, ob die drei Atomkraftwerke etwas länger am Netz bleiben können. Auch wenn deren Beitrag eher gering ist, deshalb habe ich das so ausführlich dargelegt. Wenn die Ergebnisse des Tests vorliegen, werden wir entscheiden, ob es sinnvoll ist, sie bis nächsten Sommer weiterzubetreiben.