Kanzler eröffnet Global Disability Summit
4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, rund 100 Nationen und ein Ziel: Die Situation von Menschen mit Behinderung weltweit zu verbessern. Darum geht es beim Global Disability Summit, den Kanzler Scholz und der jordanische König Abdullah II. eröffnet haben.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Berlin den dritten Weltgipfel für Menschen mit Behinderung eröffnet. In seiner Rede betonte er, dass Inklusion ein Menschenrecht sei.
Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler
Barrieren niederzureißen, die für Menschen mit Behinderung weltweit bestehen – dazu hat Bundeskanzler Olaf Scholz zum Auftakt des dritten Weltgipfels für Menschen mit Behinderung („Global Disabiliy Summit“) in Berlin aufgerufen. 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, viele von ihnen mit Behinderung, kommen zwei Tage lang zusammen, um Barrierefreiheit und Inklusion voranzubringen.
Der Kanzler eröffnete den Global Disability Summit gemeinsam mit dem jordanischen König Abdullah II. Jordanien ist nicht nur Co-Gastgeber, sondern auch ein Pionier für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Nahen Osten. Beide Länder arbeiten eng zusammen – zum Beispiel wollen sie mehreren tausend Kindern mit Behinderung in Jordanien ermöglichen, in einer inklusiven Umgebung zu lernen.
Teilhabe ist eine demokratische Pflicht
15 Prozent der weltweiten Bevölkerung leben mit einer Form von Behinderung. Sie an Entscheidungsprozessen, dem sozialen Leben, Bildung und dem Arbeitsmarkt teilhaben zu lassen, sei nicht nur ein Akt der Menschlichkeit, so Kanzler Scholz. Es sei von ökonomischem Interesse, eine demokratische Pflicht und politisch notwendig. Das sage er ausdrücklich in einer Zeit, in der Diversität, Partizipation und Inklusion in zahlreichen Ländern unter Druck stehen.
In Deutschland legt das Grundgesetz seit mehr als 30 Jahren in Artikel 3 fest: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Entwicklungspolitik fördert die Inklusion
Der Kanzler machte zudem auf die Botschaft „15 Prozent für die 15 Prozent“ der Amman-Berlin-Erklärung aufmerksam, die am Donnerstag verabschiedet werden soll. Damit wollen sich die Staaten und Organisationen dazu verpflichten, dass mindestens 15 Prozent ihrer entwicklungspolitischen Projekte die Inklusion von Menschen mit Behinderungen fördern sollen.
Deutschland ist gemeinsam mit dem Königreich Jordanien und der International Disability Alliance (IDA) Gastgeber des zweitägigen Gipfels für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Berlin. Ziel ist es, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention entwicklungspolitisch voranzubringen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen weltweit zu stärken. Denn von den insgesamt 1,3 Milliarden Menschen, die mit Behinderung leben, sind viele täglich mit Barrieren und Nachteilen konfrontiert.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
(aus dem Englischen übersetzt)
Bundeskanzler Olaf Scholz:
Majestät,
sehr geehrter Herr Dr. Kabbara,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Diese Vorgabe gilt hier in Deutschland als Teil unseres Grundgesetzes seit mittlerweile 30 Jahren.
Und seit 2009, dem Jahr, in dem Deutschland das Übereinkommen der UN über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert hat, arbeiten wir daran zu gewährleisten, dass auch die internationale Zusammenarbeit Menschen mit Behinderungen einschließt und ihnen zugänglich ist.
In unserem Grundgesetz ebenso wie in dem UN-Übereinkommen wird etwas betont, das eigentlich für jeden Menschen offensichtlich sein sollte:
Inklusion ist ein grundlegendes Menschenrecht. Es leitet sich unmittelbar von der Würde ab, die jeder Personen aufgrund ihres Menschseins innewohnt. So offensichtlich dies jedoch auch sein mag – Gleichstellung bleibt eine globale Herausforderung.
Menschen mit Behinderungen sind trotz der Fortschritte der letzten Jahre nach wie vor mit systemischen Hürden konfrontiert.
Sei es Bildung oder Beschäftigung, Gesundheitsversorgung oder politische Teilhabe, Zugang zu Technologien oder soziale Integration – die Herausforderungen sind riesig und hängen häufig miteinander zusammen.
Gemeinsames Handeln ist jetzt so wichtig wie eh und je.
Vor diesem Hintergrund ist es mir eine Ehre, heute den dritten Global Disability Summit hier in Berlin eröffnen zu dürfen – gemeinsam mit unseren Mitveranstaltern, dem Haschemitischen Königreich Jordanien und der International Disability Alliance.
Majestät, ich möchte Ihnen danken, dass Sie zur Eröffnung des Gipfeltreffens nach Berlin gereist sind. Ihre Anwesenheit ist Zeichen der tiefgreifenden und vertrauensvollen Partnerschaft zwischen unseren beiden Nationen.
Jordanien hat in der Region eine echte Vorreiterrolle inne, wenn es um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen geht.
Ein Teilaspekt unserer engen Partnerschaft mit Jordanien besteht in unserer Zusammenarbeit, um einige der sehr konkreten Verpflichtungen umzusetzen, die wir auf dem Global Disability Summit 2025 präsentieren.
Unter anderem möchten wir beispielsweise inklusive Bildung gewährleisten – ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt.
Wir werden zusammenarbeiten, um zu ermöglichen, dass Tausende Kinder mit Behinderung in Jordanien – ebenso wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die nicht mit einer Behinderung leben – von einem inklusiven Lernumfeld profitieren.
Ich möchte außerdem die International Disability Alliance sowie alle Organisationen, die sie vertritt, herzlich begrüßen.
Sehr geehrter Herr Dr. Kabbara, vielen Dank, dass Sie dieses Gipfeltreffen gemeinsam mit uns ausrichten, und vielen Dank für Ihre herausragende Arbeit.
Der einzigartige Wert unseres Treffens besteht darin, dass hier Regierungen, Zivilgesellschaft, Privatsektor und internationale Organisationen mit denjenigen zusammenkommen, die im Kontext unserer gemeinsamen Sache am wichtigsten sind: Menschen mit Behinderung.
Ihre Stimme, Ihre Erfahrungen und Ihre Wünsche müssen Richtschnur sein für unsere Verhandlungen und Entscheidungen hier in Berlin – getreu dem Grundsatz, der auch dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorsteht: „Nichts über uns ohne uns“.
Meine Damen und Herren,
Weltweit lebt über eine Milliarde Menschen, mehr als 15 Prozent der Weltbevölkerung, in irgendeiner Form mit einer Behinderung.
Diese große Gruppe von Menschen in Entscheidungsprozesse, soziale Dienstleistungen, Bildung und den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist nicht nur ein Akt der Menschlichkeit.
Es liegt auch in unserem wirtschaftlichen Interesse.
Es ist unsere demokratische Pflicht.
Und es ist politisch sinnvoll.
Ich sage das in einer Zeit, in der Diversität, Teilhabe und Inklusion zunehmend infrage gestellt und in manchen Ländern sogar angegriffen werden.
Wir sind hier, um ganz klar zu sagen, dass wir das nicht hinnehmen werden.
Als Zeichen unserer Entschlossenheit werden wir – erstmalig – ein konkretes Förderziel vereinbaren:
„15 Prozent für die 15 Prozent“ lautet die Botschaft der Erklärung von Amman und Berlin über die weltweite Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Akteure, die sich dieser Erklärung anschließen, verpflichten sich, ihre internationalen Entwicklungsprogramme inklusiv zu gestalten und sie Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen.
Und sie werden darauf hinwirken, dass mindestens 15 Prozent der internationalen Entwicklungsprogramme, die auf einzelstaatlicher Ebene umgesetzt werden, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ebenfalls als klares Ziel formulieren.
Ich möchte mich bei allen Delegationen bedanken, die diese Erklärung bereits unterzeichnet haben, und alle anderen ermutigen, sich uns anzuschließen.
Meine Damen und Herren,
Durch das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde unser Blick dafür geschärft, was es bedeutet, mit einer Behinderung zu leben.
Es geht nicht vorrangig um individuelle Aspekte wie körperliche Beeinträchtigungen, sondern vielmehr um den Umgang mit Hürden – seien sie gesellschaftlicher oder physischer Art.
In Deutschland haben wir kürzlich eine Regierungsinitiative zur Förderung der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen in allen Politikbereichen gestartet.
Wir arbeiten an einem verbesserten Zugang für Menschen mit Behinderung zu unserem Arbeitsmarkt, indem wir unabhängige Beratung anbieten und die Lohnkosten bezuschussen.
Doch die Förderung unteilbarer Menschenrechte ist immer eine globale Aufgabe, die wir nur gemeinsam meistern können.
Deshalb sind wir alle heute hier in Berlin.
Machen wir dieses Gipfeltreffen zu einer Plattform für Dialog, für Zusammenarbeit und vor allem für konkretes Handeln.
Lassen wir die abstrakten Debatten hinter uns und konzentrieren wir uns auf das, worum es im Kern geht: die Hürden abzubauen, mit denen Menschen mit Behinderung konfrontiert sind.
Und ich möchte hinzufügen: in jedem unserer Länder und überall auf der Welt.
Vielen Dank.