Fragen und Antworten
Vor 15 Jahren hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft gesetzt. Sie ist der erste internationale Vertrag, der die allgemeinen Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen betrachtet.
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- Warum braucht es überhaupt ein solches Übereinkommen?
- Welche Schritte führten zum Inkrafttreten der Konvention 2009 in Deutschland?
- Was beinhaltet die UN-Behindertenrechtskonvention?
- Wie setzt Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention konkret um?
- Wie wird die Umsetzung der Konvention in den UN-Vertragsstaaten kontrolliert?
- Wie erfolgreich setzt Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention um?
Vor 15 Jahren trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Worum geht es genau? Und wie gut setzt Deutschland das internationale Übereinkommen um? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum braucht es überhaupt ein solches Übereinkommen?
Weltweit leben geschätzt mehr als eine Milliarde Menschen mit einer Behinderung, 80 Prozent davon in Entwicklungsländern. Häufig werden diese Menschen diskriminiert und ausgegrenzt. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass nur etwa 40 Staaten, zumeist Industrienationen, eine nationale behindertenpolitische Gesetzgebung haben.
Aus diesem Grund hat die UN-Generalversammlung 2001 beschlossen, Vorschläge für ein umfassendes internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. So entstand das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ – die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde ein Paradigmenwechsel eingeläutet. Das Übereinkommen reduziert Menschen mit Behinderungen nicht auf ihre medizinischen Bedürfnisse, sondern formuliert eine „soziale“ Definition von Behinderung. Demnach zeichnet sich Behinderung weniger durch individuelle Eigenschaften wie zum Beispiel körperliche Beeinträchtigungen aus, sondern vielmehr durch Barrieren in der Umwelt und durch negative Einstellungen der Mitmenschen.
Die Konvention bekräftigt, dass Menschen mit Behinderungen Trägerinnen und Träger von Menschenrechten sind und der Staat verpflichtet ist, diese zu achten, zu gewährleisten und zu schützen. Die Konvention ist inzwischen für 186 UN-Staaten rechtsgültig (Stand 1. Juni 2023).
Welche Schritte führten zum Inkrafttreten der Konvention 2009 in Deutschland?
Nach vierjährigen Beratungen nahm die UN-Generalversammlung am 13. Dezember 2006 das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ an. Deutschland unterzeichnete es am 30. März 2007. Das Ratifikationsgesetz wurde im Dezember 2008 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Am 1. Januar 2009 trat es in Kraft. Am 24. Februar 2009 wurde die Ratifikationsurkunde bei den Vereinten Nationen in New York hinterlegt. Seit 26. März 2009 ist das Übereinkommen für Deutschland verbindlich.
Was beinhaltet die UN-Behindertenrechtskonvention?
Die UN-Behindertenrechtskonvention schafft keine Sonderrechte, sondern sie benennt konkret die universellen Menschenrechte aus der Perspektive der Menschen mit Behinderungen. Dazu greift sie auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und auf die wichtigsten Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen zurück. Die Konvention erfasst Lebensbereiche wie Barrierefreiheit, Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung. Grundlegend dabei ist der Gedanke der Inklusion: Menschen mit Behinderung gehören von Anfang an mitten in die Gesellschaft.
Wie setzt Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention konkret um?
Um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, hat die Bundesregierung 2011 einen Nationalen Aktionsplan ins Leben gerufen. Dieser fasst die Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung in einer Gesamtstrategie zusammen.
Der Aktionsplan wird fortlaufend weiterentwickelt. Der Leitgedanke des Maßnahmenpakets ist die Inklusion: Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt und gleichberechtigt in der Mitte der Gesellschaft leben können – ohne jegliche Diskriminierung etwa im Arbeitsalltag oder in der Schule.
Ziel des Nationalen Aktionsplans ist es, die bestehenden Lücken zwischen der Gesetzeslage und der gelebten Praxis zu schließen. Die mehr als 200 Vorhaben, Projekte und Aktionen zeigen, dass Inklusion ein Prozess ist, der alle Lebensbereiche umfasst. Deshalb befassen sich auch alle Bundesministerien damit. In der Verantwortung stehen aber auch die Länder, Kommunen, Verbände, Gewerkschaften und Arbeitgeber.
Weitere Informationen zum Nationalen Aktionsplan finden Sie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Wie wird die Umsetzung der Konvention in den UN-Vertragsstaaten kontrolliert?
Um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu überwachen, wurde bei den Vereinten Nationen ein Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen mit Sitz in Genf gebildet. Er setzt sich aus Expertinnen und Experten der einzelnen Vertragsstaaten zusammen. Die Vertragsstaaten legen dem Ausschuss regelmäßig sogenannte Staatenberichte über den Stand der Umsetzung des Übereinkommens vor. Der Ausschuss prüft die Berichte und nimmt dazu Stellung.
Wie erfolgreich setzt Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention um?
Wie gut Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt, prüfte der UN-Fachausschuss erstmals 2015. Die zweite Staatenprüfung fand 2023 statt.
In der Anhörung zur zweiten Staatenprüfung im August 2023 ist deutlich geworden, dass Deutschland seit der letzten Staatenprüfung 2015 viel auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft erreicht hat. Zudem wurde mehrfach die Vorreiterrolle Deutschlands unter den Vertragsstaaten angesprochen, insbesondere bei Menschenrechten und Diversität.
Die kritischen Rückfragen konzentrierten sich unter anderem auf die Themenbereiche Bewusstseinsbildung, Barrierefreiheit im privaten Sektor, rechtliche Betreuung, Gewaltschutz, den Umgang mit geflüchteten Menschen mit Behinderungen, inklusive Bildung und die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben.
Mehr Informationen zur zweiten Staatenprüfung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.