Einladung in die Welt jüdischen Lebens

Fünf Fragen zu „Jewish Places“ Einladung in die Welt jüdischen Lebens

Wo befindet sich die nächstgelegene Synagoge? Gibt es in meiner Nähe einen koscheren Supermarkt? Und wo fand in meiner Region früher einmal jüdisches Leben statt? Antworten darauf gibt die partizipative Webseite „Jewish Places“. Sie lädt nicht nur zu einer Entdeckungstour, sondern auch zum Mitmachen ein. Fünf Fragen an Barbara Thiele, die das Projekt im Jüdischen Museum Berlin (JMB) leitet.

4 Min. Lesedauer

Smartphone mit Webseite "Jewish Places"

Auf Entdeckungstour mit der Webseite „Jewish Places“

Foto: Jüdisches Museum Berlin

Was ist „Jewish Places“ – und wie funktioniert die Plattform?

Barbara ThieleJewish Places ist eine Webseite, die auf einer interaktiven Deutschlandkarte das Wissen zu jüdischen Orten in ganz Deutschland bündelt. Dabei kann es sich um historische Orte handeln, die leider zunehmend in Vergessenheit geraten, aber auch um zeitgenössische Orte. So wird die Vielfalt jüdischen Lebens in unserer Geschichte und Gegenwart auf der interaktiven Karte sichtbar – und als integraler Teil der eigenen Umwelt erfahrbar. 

Wie die Webseite funktioniert? Ganz einfach: Man kann entweder über die Suchmaske Orte, Einrichtungen, Personen oder Straßen eingeben oder sich frei über die Karte bewegen. Das Besondere: Jeder Besucher hat die Möglichkeit, selbst eigene Einträge zu jüdischen Orten anzulegen oder bereits vorhandene Einträge um das eigene Wissen – Texte, Fotos oder Videos – zu ergänzen. 

Zusätzlich finden sich auf der Plattform zahlreiche von Expertinnen und Experten erarbeitete Biografien und Stadtspaziergänge. Bei Fragen und Problemen unterstützt die Jewish Places-Redaktion jederzeit gerne.

Was macht einen Ort zu einem jüdischen Ort, einem „Jewish Place“? 

Barbara Thiele: Ein „Jewish Place“ ist ein physischer Ort, an dem Jüdinnen und Juden selbstbestimmt leben und wirken bzw. selbstbestimmt gelebt und gewirkt haben. Es ist auch ein Ort, der sich schwerpunktmäßig mit jüdischem Leben und jüdischer Kultur befasst. So finden Gemeindeeinrichtungen (beispielsweise Synagogen, Bethäuser, Friedhöfe oder Mikwaot), aber auch säkulare Einrichtungen, wie Sportvereine, jüdische Salons oder Cafés, Eingang in die Karte. 

Das heißt im Umkehrschluss, dass Gedenkstätten und Orte, die von Nationalsozialisten und anderen unterdrückenden Gruppen der jüdischen Bevölkerung aufgezwungen wurden, keine jüdischen Orte sind. Auch Ereignisse zu jüdischem Leben, die keinen fest verankerten Ort besitzen, wie Konzerte oder Ausstellungen, fallen nicht darunter.

Wie kam es zu der Idee, die Webseite zu entwickeln?

Barbara Thiele: Es gibt schon lange eine Menge sehr gut recherchierter Webseiten zu jüdischer Regionalgeschichte. Viele davon sind das Werk einzelner Expertinnen und Experten, andere sind an renommierten Institutionen entstanden. Unser Anliegen war es, diese Webangebote zu bündeln und zu vernetzen. 

Dabei ging es uns darum, eine nachhaltige Online-Plattform zu entwickeln, die sich von vielen unterschiedlichen Menschen leicht nutzen lässt, und die gleichzeitig erweiterbar bleibt (Open Source). 

Das Innovative an Jewish Places ist die Öffnung nach außen. Wir vertrauen mit viel Erfolg auf das wertvolle Wissen unserer stetig wachsenden Community, die Einträge auch erweitern und korrigieren und im Zweifelsfall Inhalte jederzeit an uns melden kann. 

Im Jahr 2021 leben Jüdinnen und Juden nachweislich seit 1.700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Unter dem Namen #2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland werden deshalb in diesem Jahr bundesweit vielfältige Veranstaltungen ausgerichtet. Die Bundesregierung fördert dieses Festjahr, das am 21. Februar in Köln eröffnet wurde.

Wie kann man selbst aktiv werden und Wissen in die Karte einspeisen?

Barbara Thiele: Wer sein Wissen rund um jüdische Orte in seiner Region teilen möchte, kann sich einfach bei uns registrieren. Dazu sind lediglich ein Nutzername und eine E-Mail-Adresse erforderlich. Durch ein paar Klicks gelangt man auf das Eingabe-Formular, dem man nur Schritt für Schritt folgen muss, um eine Einrichtung anzulegen. 

Besonders ist, dass die eingegebenen Daten sofort auf der Webseite erscheinen und dort von anderen ergänzt und korrigiert werden können. Viele Nutzerinnen und Nutzer abonnieren einzelne Beiträge, um bei Änderungen oder Ergänzungen im jeweiligen Beitrag per E-Mail benachrichtigt zu werden. Eine detaillierte Anleitung inklusive Video-Tutorial findet man in unseren FAQs .

Gerade wurden Sie von Bund und Ländern mit dem KULTURLICHTER-Preis ausgezeichnet. Wissen Sie schon, was Sie mit dem Preisgeld machen werden?

Barbara Thiele: Mit dem Preisgeld wollen wir die Webseite um eine Lernplattform ergänzen, die es Lehrkräften und Pädagogen möglich macht, selbstständig Workshops mit ihren Schülerinnen und Schülern durchzuführen. 

Wir werden Konzepte, Workshop-Mustervorlagen und Materialien zum freien Download anbieten, die sie für ihre Unterrichtseinheiten nutzen können. Die Materialien können flexibel an die jeweiligen Unterrichtssituationen und die Gegebenheiten vor Ort – auch die digitalen Ressourcen der Schulen – angepasst und weiterentwickelt werden.
Über eine Chat-Funktion können die Lehrkräfte mit dem Jewish-Places-Team in Austausch treten, das die Projekte bei Bedarf gerne unterstützt. 

Auf diese Weise sollen Schulen selbstständig jüdische Orte in der eigenen Umgebung erkunden – und damit mehr über die jüdische Geschichte und Gegenwart erfahren können. 

Die interaktive Online-Plattform www.jewish-places.de wurde 2018 vom Jüdischen Museum Berlin gestartet. Sie umfasst derzeit knapp 9.000 Einträge zu Orten jüdischen Lebens in ganz Deutschland und es kommen täglich weitere Orte hinzu. Bei der Verleihung des ersten KULTURLICHTER-Preises im März 2021 erhielt das Projekt den mit 20.000 Euro dotierten Preis des Bundes.