"Nicht im Schlafanzug mit dem Laptop auf dem Sofa sitzen"

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Arbeitspsychologe zu Homeoffice "Nicht im Schlafanzug mit dem Laptop auf dem Sofa sitzen"

Durch die Corona-Pandemie sind viele Beschäftigte derzeit dazu angehalten, von zu Hause aus zu arbeiten. Hannes Zacher, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Leipzig, erklärt im Gespräch, wie Arbeiten von zu Hause gut funktionieren kann und welche "No-Gos" es gibt.

4 Min. Lesedauer

Eine Frau sitzt zu Hause am Laptop.

Neben einer "To-Do-Liste" mit spezifischen Zielen für den Tag sollte man auch gut planen, wann man am besten an welchen Aufgaben arbeitet.

Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Hannes Zacher (40) ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Alter, berufliche Entwicklung, Wohlbefinden und Selbstmanagement im Arbeitskontext.

Herr Zacher, raus aus dem Bett, ran an den Schreibtisch. Das ist doch extrem zeitsparend und praktisch, oder?

Prof. Hannes Zacher: Ja und nein: Das Homeoffice kann tatsächlich größere zeitliche und räumliche Flexibilität ermöglichen, und kommt damit auch den Bedürfnissen vieler Erwerbstätiger entgegen. Andererseits empfiehlt die Forschung, sich auch zu Hause gut auf die Arbeit vorzubereiten, damit die psychologische Grenze zwischen Beruf und Privatleben nicht verschwimmt.

Eine klare Grenzziehung ist wichtig für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Man sollte also nicht im Schlafanzug mit dem Laptop auf dem Sofa sitzen und arbeiten, sondern sich anziehen, frühstücken und dann geistig "zur Arbeit im Homeoffice gehen". Genauso wichtig ist es, nach der Arbeit gedanklich abzuschalten und "nach Hause zu gehen".

Was ist denn die größte Herausforderung bei der Arbeit zu Hause?

Prof. Zacher: Die Herstellung guter physischer und psychischer Arbeitsbedingungen ist sehr bedeutsam. Dazu gehört ein ruhiger und heller Arbeitsplatz mit einem ergonomisch günstigen Tisch und Stuhl sowie einem Computer mit Webcam und schneller Internetverbindung. Weiterhin sind tägliche Routinen, klare Ziele und feste Arbeitszeiten, Erholungspausen sowie regelmäßiger Kontakt zu Vorgesetzen und Kollegen wichtig. Unterbrechungen und Ablenkungen während der Arbeitszeit sollten möglichst auch im Homeoffice vermieden werden.

Ein Mann sitzt an einem Tisch vor einem Bücherrregal

Tägliche Routinen, klare Ziele und feste Arbeitszeiten und Erholungspausen sind laut Hannes Zacher wichtig bei der Arbeit zu Hause.

Foto: Universität Leipzig/Swen Reichhold

Haben Sie einen Tipp für einen guten Start in den Tag?

Prof. Zacher: Es ist wichtig, ausreichend lang und gut zu schlafen, sich ausgewogen zu ernähren und regelmäßig zu bewegen, auch wenn man den ganzen Tag in der Wohnung verbringt. Das verbessert nicht nur nachhaltig die Leistung, sondern auch das Wohlbefinden bei der Arbeit und darüber hinaus.

Wie arbeite ich am effizientesten?

Prof. Zacher: Die arbeits- und organisationspsychologische Forschung zeigt, dass konkrete und herausfordernde Ziele, die aber auch realistisch sein sollten, zu höherer Arbeitsmotivation und Leistung beitragen. Wer sich solche Ziele setzt, investiert in der Regel mehr Anstrengung, zeigt größere Ausdauer und entwickelt bessere Strategien zur Zielerreichung. Neben einer "To-Do-Liste" mit spezifischen Zielen für den Tag sollte man auch gut planen, sich also gut überlegen, wann und wie man am besten an welchen Aufgaben arbeitet.

Wie kann ich Ablenkungen vermeiden?

Prof. Zacher: Man sollte erst gar nicht die Möglichkeit zulassen, in bestimmten Phasen bei der Arbeit abgelenkt oder unterbrochen zu werden. Das bedeutet zum Beispiel, das E-Mail-Programm und das Handy für eine bestimmte Zeitdauer aus- oder stummzuschalten.

Außerdem sollte man mit Kollegen und Familienmitgliedern Regeln zum ungestörten Arbeiten vereinbaren. Ich empfehle, während des Arbeitstags zwischen Phasen zu unterscheiden, in denen man unterbrochen werden darf, zum Beispiel am Nachmittag, und Phasen in denen das nicht passieren sollte, zum Beispiel für ein paar konzentrierte Stunden am Vormittag.

"Pausen sollte man möglichst nicht vor dem Bildschirm verbringen."

Muss ich meinen vorübergehenden Arbeitsraum umräumen oder aufräumen?

Prof. Zacher: Falls der Arbeitsraum sich nicht gut zum konzentrierten Arbeiten eignet, ja. Der Raum sollte nicht zu dunkel, stickig und unordentlich sein, um Ermüdung und Ablenkungen zu vermeiden. Andererseits kann man durch persönliche Bilder und Grünpflanzen eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen, die dazu führt, dass man sich im Homeoffice wohler fühlt, kreativer ist und sich mit der Arbeit identifiziert.

Wie lege ich sinnvoll Pausen ein?

Prof. Zacher: Sinnvolle Pausen von der Arbeit sind kurz, möglichst frühzeitig, verteilt über den ganzen Arbeitstag und geplant, also vorhersehbar. In den Pausen sollte man für einige Zeit von der Arbeit abschalten und etwas zum physischen und psychischen Ausgleich tun, also zum Beispiel sich an der frischen Luft bewegen, sich mit anderen Menschen austauschen oder entspannen. Man sollte die Pausen möglichst nicht vor dem Bildschirm verbringen oder in Gedanken noch an einer Arbeitsaufgabe hängen.

Darf es bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden gemütlich sein? Ist zum Beispiel eine bequeme Hose in Ordnung und unfrisiertes Haar?

Prof. Zacher: Das kommt ganz auf die berufliche Tätigkeit und die Anforderungen des jeweiligen Tages an. Man sollte sich generell bequem, aber auch angemessen kleiden, zum Beispiel für Videokonferenzen mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Auch im Homeoffice ist es wichtig, sich geistig auf die Arbeit einzustimmen, und dazu gehört auch, dass man sich entsprechend kleidet und "zurechtmacht".

"Man sollte im Homeoffice nicht komplett abtauchen."

Wo liegen Grenzen? Was geht gar nicht?

Prof. Zacher: Bis vor einiger Zeit hätte ich noch gesagt, dass die Wissenschaft es nicht für sinnvoll hält, das Homeoffice mit Kinderbetreuung zu kombinieren. Ebenfalls wissen wir aus der Forschung, dass Erwerbstätige, die ungefähr zwei Tage im Homeoffice und den Rest der Zeit im Büro arbeiten, am zufriedensten und produktivsten sind. Sowohl ein "Vollzeit-Homeoffice" als auch die gleichzeitige Betreuung von Kindern sind in der Corona-Krise für viele Erwerbstätige leider unvermeidlich.

Deswegen empfehle ich jetzt, auch bei der Arbeit zu Hause möglichst gelassen zu bleiben, stets besonnen zu handeln und viel Verständnis für die Bedürfnisse der Familie aufzubringen. Weiterhin sollte man nicht komplett im Homeoffice "abtauchen", sondern selbst die Initiative ergreifen, um mit Vorgesetzten und Kollegen in Kontakt zu bleiben.

Was ist Ihr eigener Tipp zum Arbeiten zu Hause?

Prof. Zacher: Letztlich unterscheidet sich gesundes Arbeiten im Homeoffice nicht von gesundem Arbeiten im Büro. Ich stehe mindestens einmal pro Stunde vom Stuhl auf und bewege mich, schaue aus dem Fenster oder gehe an die frische Luft, und ich trinke viel Wasser oder Tee. Ich motiviere mich selbst, indem ich mir realistische und herausfordernde Ziele für jeden Tag setze, und gleichzeitig nicht vergesse, regelmäßig von der Arbeit abzuschalten.