Flüchtlinge: Europa muss gemeinsam handeln

Merkel bei Verdi-Bundeskongress Flüchtlinge: Europa muss gemeinsam handeln

Bundeskanzlerin Merkel hat in der Flüchtlingsfrage erneut eine europäische Lösung gefordert. Deutschland könne diese Aufgabe nicht alleine schultern, sagte sie beim Verdi-Bundeskongress in Leipzig. "Wir wollen ein starkes Europa, nicht nur ein starkes Deutschland."

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Merkel bei ihrer Rede beim verdi-Bundeskongress.

Merkel: Europa muss gemeinsam Verantwortung tragen.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Deutschland sei hilfsbereit, aber der Umgang mit den Flüchtlingen sei nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische Herausforderung, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede zur Eröffnung des Verdi-Bundeskongresses.

"Wir sind eine Europäische Union, die die gleichen Werte vertritt. Die eine gemeinsame Asylpolitik hat. Die sich für offene Grenzen eingesetzt hat - offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten." Das bedeute auch, dass Europa jetzt gemeinsam handeln und gemeinsam Verantwortung tragen müsse, appellierte Merkel. Deutschland alleine könne diese Aufgabe nicht schultern.

Der Verdi-Bundeskongress ist das höchste Organ der Gewerkschaft. Der Bundeskongress tritt alle vier Jahre zusammen. In Leipzig lautet das Motto "Stärke. Vielfalt. Zukunft." Gut 1.000 Delegierte beraten und entscheiden sechs Tage lang über Ziele und Politik ihrer Organisation. Aktuell liegen 1.245 Anträge vor zu Gute Arbeit, Tarifpolitik, Mitbestimmung, TTIP, Soziales, Gesundheitspolitik, Bildung und Steuerpolitik.

Anstehende Debatten müssen erfolgreich sein

Sie hoffe, dass die Treffen der Innen- und Justizminister am Dienstag und der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch Erfolge erzielten, die den Menschen zeigten: "Europa nimmt sich dieser Verantwortung gemeinsam an." Das werde viel aussagen über die Zukunftsfähigkeit Europas. "Wir wollen alle ein starkes Europa, nicht nur ein starkes Deutschland."

Viele Dinge könnten in Europa nur gemeinsam gelöst werden, wie die Sicherung der Außengrenzen oder die Bekämpfung der Fluchtursachen. Merkel kritisierte die Kürzungen der Hilfen für das Welternährungsprogramm und das UN-Flüchtlingshilfswerk. "Wir müssen alles daran setzten - und Europa muss hier auch seinen Teil tun - damit diese Kürzungen wieder aufgehoben werden und dass Menschen überall wieder eine vernünftige Perspektive haben."

Wichtige Entscheidungen bei Bund-Länder-Treffen

Auch Bund und Länder würden in dieser Woche wichtige Entscheidungen treffen. Beim Treffen am Donnerstag gehe es um die Frage, wie der Bund die Länder besser finanziell unterstützen könne. Zudem gehe es um Gesetzesänderungen, um "flexibler und schneller" zu werden. Merkel betonte: "Wir wollen denen Schutz geben, die Schutz brauchen. Aber wir müssen auch denen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, sagen: Ihr habt bei uns keine Bleibeperspektive - damit wir denen, die wirklich Hilfe brauchen, auch wirklich Hilfe leisten können."

Die Kanzlerin forderte mehr Realitätsnähe. Deutschland werde nicht erfolgreich sein, "wenn wir so tun, als würden wir alles schaffen". Deutschland könne trotz seiner Stärke nicht alle sozialen Probleme alleine lösen. "Das wäre nicht realitätsnah, und ich finde, wir müssen auch einen Blick auf die Realität haben."

Verdi wichtiges Element der Gewerkschaftsbewegung

Zu Beginn ihrer Rede würdigte Merkel die Gewerkschaft Verdi als starke Interessenvertretung. Sie lobte vor allem das Eintreten der Gewerkschaft für den Mindestlohn: "Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Fortschritt. Das ist wichtig, dass das erreicht wurde."

Merkel ging auch auf das Freihandelsabkommen der EU mit den USA ein. Es könnte "qualitätsbildend für andere Abkommen in der Welt sein", warb sie. Es gehe dabei nicht nur um Zölle, sondern um die Harmonisierung von Standards im sozialen, im Umwelt- und im Verbraucherbereich. "Es wird kein einziger Standard der Europäischen Union oder Deutschlands abgesenkt durch dieses Handelsabkommen", sagte sie. Es spreche daher viel dafür, ein solches Abkommen anzustreben.

Große Aufgabe der Integration

Deutschland stehe vor der großen Aufgabe der Integration der Flüchtlinge. Merkel lobte, dass in den 60er und 70er die Gewerkschaften die ersten waren, die dafür gesorgt haben, sogenannte Gastarbeiter in den Betrieben zu integrieren. Jetzt seien die Gewerkschaften wieder gefordert. Ziel müsse sein, möglichst alle Flüchtlinge in Arbeit zu bringen.

Merkel ging auch auf die Zukunftsaufgaben ein. Daran mangele es nicht, betonte sie. Die Bundesregierung habe hier drei Schwerpunkte: Die Pflege, die Digitalisierung und die Energiewende.

Jung und trotzdem alt
Verdi entstand 2001 aus dem Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften der Dienstleistungsbranchen – Deutsche Postgewerkschaft, Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, IG Medien, Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie Deutsche Angestellten-Gewerkschaft. Jede dieser fünf Gewerkschaften hatte eine lange Tradition, aus der heraus sie für die Arbeitnehmerrechte, für bessere Arbeit und besseren Lohn stritten. Verdi hat über zwei Millionen Mitglieder aus rund 1.000 Berufen.