Das tut die Bundesregierung gegen Rechtsextremismus

Fragen und Antworten Das tut die Bundesregierung gegen Rechtsextremismus

Die Taten von Hanau, vermehrte Attacken auf Polizisten, Sanitäter oder Politiker, Einschüchterungen von engagierten Demokratinnen und Demokraten sowie Hetze in den sozialen Medien: all das schockiert und gefährdet zunehmend das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft. Die Bundesregierung verurteilt dies klar und deutlich. Und sie setzt gesetzliche Maßnahmen und verstärkte Prävention dagegen.

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Pfeile markieren Einschusslöcher in der Fensterscheibe eines Wahlkampfbüros.

Das Bundeskabinett hat bereits Ende Oktober 2019 ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität beschlossen.

Foto: imago images/Steffen Schellhorn

Warum ist der Einsatz für Demokratie für die Bundesregierung so wichtig?

Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Das zeigen die Geschehnisse der letzten Wochen und Monate. Die Bundesregierung verurteilt klar und deutlich jegliche Form von Drohungen und Gewalt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in einem Statement nach der Tat in Hanau: "Rassismus ist ein Gift. Der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen. Von den Untaten des NSU, über den Mord von Walter Lübcke bis zu den Morden von Halle. Die Bundesregierung und alle staatlichen Institutionen stehen für die Rechte und Würde eines jeden Menschen in unserem Land. Wir unterscheiden Bürger nicht nach Herkunft oder Religion. Wir stellen uns denen, die versuchen in Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegen."

Umso mehr ist das Engagement derjenigen zu schätzen, die sich tagtäglich für ein gutes Miteinander einsetzen – auch auf politischer Ebene. Insbesondere alle, die sich ehrenamtlich für ein gutes und rücksichtvolles Zusammenleben in unserem Land einsetzen, bilden das Rückgrat unserer Demokratie. Dieses Engagement kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Wie bekämpft die Bundesregierung Rechtsextremismus und Hasskriminalität?

Am 03. April 2021 ist das auf Initiative der Bundesregierung eingeführte Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität in Kraft getreten, dessen Ziel es ist, Rechtsextremismus und Hasskriminalität künftig noch intensiver und effektiver zu bekämpfen. Das Gesetz dient dazu, ein Maßnahmenpaket umzusetzen, das die Bundesregierung bereits am 30. Oktober 2019 als Reaktion auf die furchtbaren Ereignisse in Halle, aber auch auf die besorgniserregende Entwicklung der Hasskriminalität im Allgemeinen beschlossen hatte. Das Gesetz sieht hierzu eine Reihe von Maßnahmen vor:

  • Morddrohungen, volksverhetzende Äußerungen und andere strafbare Inhalte werden häufig über Soziale Netzwerke veröffentlicht. Die Anbieter großer Netzwerke werden verpflichtet, solche Inhalte zu melden. Dafür wird beim Bundeskriminalamt eine neue Zentralstelle eingerichtet. Bislang waren die Anbieter nur dazu verpflichtet, diese Inhalte zu löschen oder zu sperren.
  • Richtet der Anbieter ein unzureichendes Meldesystem ein, kann dies mit einem Bußgeld sanktioniert werden.
  • Um Tatverdächtige identifizieren und Beweise sichern zu können, werden klare Rechtsgrundlagen zur Auskunftserteilung von Anbietern gegenüber Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden geschaffen.
  • Hetze, Drohungen und Beleidigungen im Netz werden wegen der besonders hohen Reichweite härter und besser verfolgt. 
  • Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker werden künftig schärfer bestraft. Mit ihrem Engagement sind sie eine Stütze der Gesellschaft und verdienen besonderen Schutz.
  • Personen, die im ärztlichen Notdienst oder in einer Notaufnahme Hilfe leisten, erhalten einen besseren Schutz vor Drohungen und Gewalthandlungen. Für sie gelten künftig besondere Regeln, wie sie jetzt schon für Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste gelten. 
  • Antisemitische Motive wirken künftig grundsätzlich strafschärfend. Der Katalog der Strafzumessungsgründe wird ausdrücklich um antisemitische Beweggründe ergänzt.
  • Personen, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt sind, werden besser geschützt. Im Melderecht werden dafür entsprechende Auskunftssperren im Melderegister eingerichtet.

Wie engagiert sich die Bundesregierung bei der Extremismusprävention?

In Deutschland gibt es zahlreiche Projekte und Initiativen, die sich für ein gutes und friedliches Miteinander einsetzen. Das ist von herausragender Bedeutung, denn unsere Demokratie lebt vom Mitmachen und aktivem Mitgestalten. Die Bundesregierung unterstützt dieses zivile Engagement bereits seit Jahren. Das mit Abstand größte Bundesprogramm zur Demokratieförderung heißt "Demokratie leben".

Das Bundesfamilienministerium unterstützt damit das zivile Engagement von Organisationen, Initiativen, Vereinen sowie Bürgerinnen und Bürgern, die sich für Demokratie und gegen jegliche Form der Menschenfeindlichkeit einsetzen. Das Programm "Demokratie leben" ist Anfang 2020 erfolgreich in die zweite Förderperiode gestartet. Bis 2024 werden mehr als 500 Projekte und Maßnahmen mit kommunalen, regionalen und überregionalen Schwerpunkten unterstützt. Dafür stehen allein 2021 etwa 150,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler der Prävention ist das Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe" des Bundesinnenministeriums. Hierfür stehen jährlich insgesamt etwa zwölf Millionen Euro bereit. Die Anfang 2020 begonnene neue Förderphase hat eine Laufzeit bis Ende 2024. Durchgeführt wird das Programm von der Bundeszentrale für politische Bildung. Ihre Arbeit wird deutlich gestärkt: Zum einen durch einen deutlichen Personalzuwachs von 20 Prozent. Darüber hinaus durch zusätzliche Haushaltsmittel für Maßnahmen der politischen Bildung gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sowie neue Ansätze in ländlichen Räumen und im Netz.       

Was sind die Schwerpunkte des Bundesprogramms "Demokratie leben"?

In dieser Förderperiode setzt das Programm als Schwerpunkt den verstärkten Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Erstmals wird es auf Bundesebene zwei eigene Kompetenznetzwerke mit erfahrenen Trägern geben, um die Arbeit gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu bündeln und weiter zu verbessern. Darüber hinaus wurden zwölf Kompetenznetzwerke zu anderen Themen eingerichtet.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Zivilgesellschaft vor Ort. In 300 lokalen "Partnerschaften für Demokratie" setzen sich viele ehrenamtlich engagierte Menschen insbesondere gegen Rechtsextremismus ein. Diese Partnerschaften in den Kommunen werden verstärkt unterstützt. Besonders in den Blick nimmt das Programm darüber hinaus die "Landes-Demokratiezentren". Hier werden auf Ebene der Länder Projekte finanziert und die Ausstiegs-, Opfer- und mobile Beratung im Bereich Rechtsextremismus koordiniert.                

"Demokratie leben" setzt sich auch für eine bessere Medienkompetenz ein, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Damit sollen sie verstärkt in die Lage versetzt werden, rechtzeitig Hassbotschaften zu erkennen und mit diesen angemessen umgehen zu können.

Worauf konzentriert sich das Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe"?

Das Bundesprogramm unterstützt gezielt Vereine und Initiativen, die regional verankert sind. Dadurch werden insbesondere ländliche oder strukturschwache Gebiete erreicht. Gerade in diesen Regionen geht die Initiative zur Stärkung demokratischer Praxis von örtlichen Vereinen und Verbänden aus. Dementsprechend unterstützt das Programm bei Fragen und Problemen rund um das Thema demokratische Teilhabe.

Seit 2016 werden zudem Modellprojekte zum Thema interkulturelles Lernen gefördert. Hierbei werden maßgeschneiderte Konzepte für Vereine oder Verbände zu diesem entwickelt und erprobt. Ziel ist die Qualifizierung haupt- und ehrenamtlicher Engagierter – sowie die Öffnung der Vereine und Verbände für Menschen mit Migrationshintergrund. Ab der laufenden Förderphase 2020 werden unter anderem Modellprojekte mit dem Schwerpunkt Digitalisierung gefördert.

Wird sich die Bundesregierung auch künftig gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität einsetzen? 

Die Bundesregierung betrachtet die Bekämpfung von Extremismus als eine der grundlegendsten Aufgaben von Staat und Gesellschaft. Das belegt das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzespaket. Auch in Zukunft wird sie sich mit großem Nachdruck der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität widmen. Das gilt auch für die Präventionsarbeit. Mitte Januar 2020 haben Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey beschlossen, die beiden Bundesprogramme "Zusammenhalt durch Teilhabe" und "Demokratie leben" auszubauen und zu verstetigen.

Darüber hinaus haben sie einen Dialog mit Fachleuten gestartet, der aktuelle und künftige Herausforderungen in den Blick nimmt. Zudem wird das Bundesinnenministerium einen Bund-Länder-Austausch organisieren. Ziel ist, die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern der Prävention im gemeinsamen Einsatz gegen Rechtsextremismus auszubauen.

Welche weiteren Maßnahmen gibt es nach dem Anschlag in Hanau?

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat einen Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit ins Leben gerufen, der nach dem Vorbild der Gremien in den Bereichen Antisemitismus und Antiziganismus arbeiten soll. "Hassprävention und Förderung der Demokratie werden jetzt im Bundesinnenministerium weiter gestärkt. Wir werden den gesellschaftlichen Dialog intensivieren und die Einbindung von Stimmen der Migrantenorganisationen verbessern", betonte der Bundesinnenminister in diesem Zusammenhang. Die Mitglieder des Unabhängigen Expertenkreises sind zu einem ersten Treffen im Bundesinnenministerium zusammengekommen.

Der Expertenkreis wird in seiner Arbeit auf mehrere Jahre angelegt sein. Er soll aktuelle und sich wandelnde Erscheinungsformen von Muslim- und Islamfeindlichkeit eingehend analysieren und auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen sowie anderen Formen gruppenbezogener Vorurteile und Ausgrenzungen hin untersuchen. Dies soll in einem Bericht münden, der Empfehlungen für den Kampf gegen antimuslimischen Hass und islamfeindliche Ausgrenzung auf allen Feldern und Ebenen gibt.

Welche Aufgaben hat der eingerichtete Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus?

Das Bundeskabinett hat am 18. März 2020 entschieden, den Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus einzurichten. Er soll die Umsetzung des am 30. Oktober 2019 im Bundeskabinett beschlossenen Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität begleiten und weitere, auch präventive, Maßnahmen zur effektiven Bekämpfung insbesondere von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, und weiteren Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland vorbereiten. 

Der Ausschuss kam am 25. November 2020 zu seiner dritten Sitzung zusammen und legte einen Katalog von knapp 90 konkreten Maßnahmen im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vor, den das Bundeskabinett am 02. Dezember 2020 beschlossen hat. Mit den Mitteln sollen unter anderem Forschung und Prävention intensiviert werden. Zudem soll die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden, Justiz, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Trägern gestärkt werden. Für die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und allen weiteren Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit will die Bundesregierung ein Finanzvolumen von rund einer Milliarde Euro in den Jahren 2021 bis 2024 und Verstärkungsmittel in Höhe von 150 Mio. Euro im Bundeshaushalt 2021 bereitstellen. Das empfiehlt der Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.

Der Abschlussbericht des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus wurde am 12. Mai 2021 von der Bundesregierung beschlossen. Dieser wird dem Deutschen Bundestag und Bundesrat zur weiteren Behandlung und Beratung übermittelt. Der Abschlussbericht des Kabinettausschusses enthält neben einer Beschreibung der rund 14-monatigen Ausschussarbeit weitergehende Ausführungen zur konkreten Umsetzung der 89 Einzelmaßnahmen dieses Maßnahmenkatalogs und zieht eine positive Bilanz der Ausschussarbeit. Mit der Arbeit des Kabinettausschusses hat die Bundesregierung zusätzlich zu ihren bisherigen Maßnahmen deutlich gemacht, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus, von Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und allen weiteren Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oberste politische Priorität hat, dies gerade auch in einer Zeit von pandemiebedingt großen Herausforderungen für Staat und Gesellschaft. 

Darüber hinaus haben das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Eckpunkte für ein Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie erarbeitet. Die Eckpunkte enthalten Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz der Demokratie sowie zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Sie sind dem Abschlussbericht beigefügt und wurden ebenfalls am 12. Mai 2021 vom Bundeskabinett beschlossen.