So lassen sich Videos nachhaltig streamen

Umweltpolitische Digitalagenda So lassen sich Videos nachhaltig streamen

Streamingdienste sollen engergieeffizienter werden, Smartphones länger halten, Retouren reduziert werden. Das will Bundesumweltministerin Schulze unter anderem mit der umweltpolitischen Digitalagenda erreichen. Wie Angebote durch Digitalisierung nachhaltiger genutzt werden können - wichtige Fragen und Antworten.

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Ein Mann sitzt mit einem Smartphone in der Hand vor einem Fernseher.

Ein großer Teil des digitalen Datenverkehrs entsteht beim Streamen von Videos in immer höherer Qualität. Streaming-Dienstleister sollen sich verpflichten, dem entgegenzusteuern.

Foto: picture alliance / dpa

Warum kann die Digitalisierung zum Klimaproblem werden?

Durch digitale Geschäftsmodelle, Produktion, Betrieb und Entsorgung von Endgeräten einerseits sowie durch Rechenzentren, Kommunikationsnetze und den rasant wachsenden Datenverkehr andererseits werden zunehmend Energie- und Ressourcen verbraucht. Bis 2022 wird der weltweite digitale Datenverkehr voraussichtlich auf rund 400 Milliarden Gigabyte pro Monat steigen - dreimal mehr als im Jahr 2017. Ungesteuert würde die Digitalbranche mehr CO2 verursachen als der Pkw-Verkehr und könnte zu einem Brandbeschleuniger für den Klimawandel werden.

Was ist das Ziel der umweltpolitischen Digitalagenda?

Die umweltpolitische Digitalagenda soll die Digitalisierung in umweltgerechte Bahnen lenken. Mehr als 70 konkrete Maßnahmen beinhaltet diese Agenda. Mit den richtigen Leitplanken kann sie zu einem Werkzeugkasten für eine nachhaltige Zukunft werden und dabei helfen, den Klimawandel einzudämmen. Dazu gehören beispielsweise Algorithmen, die Verbraucherinnen und Verbraucher beim nachhaltigen Konsum unterstützen. Rechenzentren sollen Daten energieeffizient arbeiten.

Welche Rolle spielen Rechenzentren beim Energieverbrauch?

Das Internet ist keine virtuelle "Wolke". Hinter der Cloud stehen Rechenzentren und Server von Unternehmen und Behörden, die die "Denkarbeit" leisten. Für Rechenzentren existieren bisher keine gesetzlichen Anforderungen an eine Mindestenergieeffizienz. Es gibt nur wenige Anreize zum sparsamen Umgang mit Energie und Rohstoffen. Das hat zur Folge, dass die Leistungskapazitäten von Rechenzentren nur unzureichend genutzt werden.

Das Umweltbundesamt soll daher bis 2021 zunächst den Energie- und Ressourcenverbrauch der großen Rechenzentren in Deutschland in einem Register erfassen. Mit dem Umweltzeichen Blauer Engel können Unternehmen und Behörden zeigen, wie sie die Energie- und Ressourceneffizienz ihrer Rechenzentren erhöhen. Streamingdienste könnten beispielsweise Rechenzentren zu 100 Prozent mit Ökostrom zu betreiben und die Abwärme nutzen.

Wo liegt beim Streaming das Problem für die Umwelt?

Ein großer Teil des digitalen Datenverkehrs entsteht beim Streamen von Videos in immer höherer Qualität. Streaming-Dienstleister sollen sich verpflichten, beispielsweise Standardeinstellungen für eine hohe Bildschirmauflösung, zum Autoplay oder zur Einblendung von Werbevideos zu deaktivieren. Dies würde unnötig hohe Datenraten vermeiden, ohne die Nutzung zu beeinträchtigen. Das Bundesumweltministerium will während der EU-Ratspräsidentschaft mit großen Anbietern über eine entsprechende Selbstverpflichtung sprechen.

Wie werden Smartphones und Tablets umweltfreundlicher?

Smartphones und Tablets werden oft schon nach einem oder zwei Jahren Nutzung ausgetauscht, obwohl sie noch voll funktionstüchtig sind. Nur 1,7 Prozent werden in Deutschland als Secondhand-Geräte gekauft. Für die Herstellung benötigte Rohstoffe wie Gold, Kobalt und andere seltene Erden werden unter hohem Energieaufwand und gefährlichen Bedingungen abgebaut. Schwermetalle belasten Luft, Wasser, Böden und schaden Menschen, Tieren und Pflanzen.

Deshalb sollen Smartphones, Tablets und andere digitale Endgeräte ein längeres Leben bekommen. Alle Hersteller sollen verpflichtet werden, austauschbare Bauteile wie Akku oder Display sowie Ersatzteile und Updates für eine Mindestdauer vorzuhalten. Außerdem sollen sie eine Garantieaussage treffen, damit Kunden wissen, wie nachhaltig ein Produkt hergestellt wurde.  

Smartphones, Tablets und Laptops sollen ein Energieeffizienz-Label bekommen wie andere Elektrogeräte auch. Das Bundesumweltministerium will die deutsche EU-Präsidentschaft in diesem Jahr nutzen, um eine entsprechende Erweiterung der EU-Ökodesign-Richtlinie voranzutreiben.

Wie kann Online-Einkaufen nachhaltiger werden?

Verbraucherinnen und Verbraucher finden nachhaltige Produkte auf vielen Online-Plattformen nur mit viel Mühe. Online-Händler sollen künftig Umweltschutzkriterien in ihre Such-Algorithmen einbauen oder Produkte mit dem Blauen Engel gesondert anzeigen.

Zusammen mit dem Online-Handel erforscht das Bundesumweltministerium entsprechende Konzepte. Dazu zählen etwa digitale Konsumassistenten, die Kundinnen und Kunden nachhaltige Produktalternativen aktiv anbieten. Gefördert wird auch die Entwicklung eines Avatars zur digitalen Anprobe von Kleidung, um zu viele umweltschädliche Retouren zu vermeiden.

Die Bundesregierung hat zudem im Februar einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, um die Vernichtung zurückgesandter neuwertiger, funktionstüchtiger Waren zu verbieten.

Was unternimmt der Bund für eine umweltfreundliche digitale Infrastruktur?

Die Bundesregierung geht in Sachen Green-IT voran: Mit dem Energiesparprogramm Green-IT sank der Energieverbrauch der Bundes-IT seit 2009 trotz Leistungssteigerung um fast 60 Prozent. Bis 2024 soll der Energieverbrauch pro Jahr um weitere zwei Prozent reduziert werden. Künftig müssen die im Aufbau befindlichen Rechenzentren des Bundes und die Dienstleistungen der Rechenzentren für den Bund die Kriterien des Blauen Engels einhalten. Das ist Teil des Klimaschutzprogramms und des Klimaschutzgesetzes 2030.

Was ist ein digitaler Produktpass?

Der digitale Produktpass (Datensatz) soll auflisten, aus welchen Materialien und wie umweltfreundlich ein Produkt hergestellt wurde, wo es Ersatzteile gibt und wie man es reparieren kann. Dazu gehören außerdem Informationen zur richtigen Entsorgung und zum Recycling. Auf diese Weise können etwa Konsumentscheidungen nachhaltiger werden.

Digitale Technologien wie Blockchain können entsprechende Daten verlässlich und fälschungssicher dokumentieren. Wenn umweltrelevante Daten in einem standardisierten, vergleichbaren Format abgelegt werden, können alle Akteure über die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette gemeinsam auf eine Kreislaufwirtschaft hinarbeiten.

Die Einführung eines standardisierten digitalen Produktpasses ist die zentrale Maßnahme der umweltpolitischen Digitalagenda. Die EU-Kommission regt diesen ebenfalls mit ihrem European Green Deal an.

Unter Blockchain versteht man eine verschlüsselte Datenbank von in Blöcken zusammengefassten Informationen, die auf allen Rechnern eines Blockchain-Netzwerkes gleichzeitig gespeichert wird. Ein Verschlüsselungsverfahren sorgt dafür, dass ihr Inhalt leicht ablesbar, aber zugleich schwer manipulierbar ist.