Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände verbessern Restitutionspraxis in Deutschland und stärken die Einbindung der Opfer und ihrer Nachfahren

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Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände verbessern Restitutionspraxis in Deutschland und stärken die Einbindung der Opfer und ihrer Nachfahren

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  • Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA)

Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die Kulturministerinnen und -minister sowie Kultursenatoren der Länder und die Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben sich heute beim 21. Kulturpolitischen Spitzengespräch in Berlin auf die Grundlagen zur Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut verständigt.


Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Mit dem heutigen Beschluss verbessern wir die Umsetzung der Washingtoner Prinzipien in Deutschland und ziehen wichtige Schlüsse aus den im März 2024 veröffentlichten ‚best practices‘. Vor allem stärken wir die Einbindung der Opfer und ihrer Nachfahren von NS-Raubgut in das Entscheidungsgremium und ermöglichen nun eine einseitige Anrufbarkeit. Damit wird die Rückgabe von NS-Raubgut verbessert, vereinfacht und beschleunigt.

Mit dem heutigen Beschluss betreten wir Neuland. Ich danke an dieser Stelle ganz besonders den Ländern und dem Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz der Länder, Timon Gremmels, den kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretern der Jewish Claims Conference und des Zentralrates der Juden in Deutschland, Herrn Rüdiger Mahlo und Herrn Daniel Botmann für die intensive Zusammenarbeit und das gewährte Vertrauen. Mein besonderer Dank gilt auch der Beratenden Kommission und ihrem Vorsitzenden, Hans-Jürgen Papier, für ihre verdienstvolle Tätigkeit in der Beratenden Kommission und ihre Beiträge zu deren Weiterentwicklung."


Vorsitzender der Kulturministerkonferenz sowie Hessischer Staatsminister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels: „Die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Für ein demokratisches Deutschland ist sie auch ein unabdingbarer Schritt zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Jüdische Organisationen, Bundesregierung, Kommunen und nicht zuletzt die deutschen Länder bekräftigen mit der Einrichtung des Schiedsgerichts NS-Raubgut ihr Engagement für die Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachkommen. Gemeinsam haben wir es geschafft, ein Verfahren zu finden, das rechtsverbindliche und verpflichtende Entscheidungen hervorbringt, die allen Seiten Sicherheit bringen. Damit geht das neue Schiedsverfahren deutlich über das bestehende Mediationsverfahren der Beratenden Kommission hinaus. Zur Akzeptanz des beschlossenen Verfahrens gehört, dass wir es spätestens nach drei Jahren unabhängig evaluieren, nun aber auch rasch die Arbeit aufnehmen, um den zahlreichen Opfern und folgenden Generationen ein Stück Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Kein öffentliches Haus soll sich künftig noch mit NS-Raubgut schmücken.“


Beschluss

21. Kulturpolitische Spitzengespräch am 09. Oktober 2024

Grundlagen für das neue Schiedsgericht NS-Raubgut

Die BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände sind sich der historischen Verantwortung Deutschlands für den Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut bewusst. Eingedenk der Schrecken des NS-Unrechtsregimes und der Nachwirkung größten, unermesslichen Unrechts bekennt sich Deutschland dazu, den Opfern und folgenden Generationen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aus diesem Geist verpflichtete sich Deutschland mit der „Gemeinsamen Erklärung“ zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung und deren Best Practices, die den Kunstraub des nationalsozialistischen Regimes benennt und dazu aufruft, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu identifizieren und gerechten und fairen Lösungen zuzuführen.

Auf Basis der Erfahrungen und in Anerkennung des bisher Geleisteten soll die Restitutionspraxis in Deutschland verbessert und die Einbindung der Opfer und ihrer Nachfahren gestärkt werden. Eine Schiedsgerichtsbarkeit soll die Arbeit der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ ersetzen. Damit wollen wir im Einklang mit unseren Beschlüssen von Oktober 2023 und März 2024 den Zielen der Washingtoner Prinzipien noch besser gerecht werden. Das neue „Schiedsgericht NS-Raubgut“ soll gemeinsam von Bund, Ländern, Kommunalen Spitzenverbänden, JCC und Zentralrat benannt werden und in den Fällen, in denen Rückgaben nach einem Vorverfahren strittig bleiben, abschließend entscheiden. Dieses Schiedsgericht soll auf Basis eines verbindlichen Bewertungsrahmens arbeiten und wird künftig auch einseitig, auf Basis von stehenden Angeboten der Träger von öffentlichen, Kulturgut bewahrenden Einrichtungen, angerufen werden können, wenn ein bilaterales Vorverfahren zwischen der öffentlichen Kultureinrichtung und den Antragsberechtigten erfolglos blieb. Es steht auch für Ansprüche gegen Private offen, sofern diese dem Schiedsverfahren beitreten.

Dazu wurde beschlossen:

1. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände stimmen dem Verwaltungsabkommen, und der Schiedsordnung einschließlich ihrer Anlagen und dem verbindlichen Bewertungsrahmen als Grundlagen des neuen Schiedsgerichts NS-Raubgut zu.

2. Sie danken dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Jewish Claims Conference für die intensive Zusammenarbeit und das auf Basis gegenseitigen Vertrauens beschlossene Verfahren.

3. Die Schiedsgerichtsbarkeit soll im Laufe des Jahres 2025 die Arbeit aufnehmen. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände streben an, die Zeichnung des Verwaltungsabkommens so schnell wie möglich umzusetzen und die notwendigen Beschlüsse, u.a. der jeweiligen (Landes- und Bundes-) Regierungen, dazu einzuholen.

4. BKM, Länder, Kommunale Spitzenverbände sowie der Zentralrat der Juden und die Jewish Claims Conference werden zeitnah Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter für das gemeinsame Verzeichnis einvernehmlich benennen.

5. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände stimmen überein, dass die dem Schiedsgericht NS-Raubgut dienende Schiedsstelle beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eingerichtet wird. Sitz der Schiedsgerichte und Arbeitsort der Schiedsstelle werden noch festgelegt.

6. Für Antragstellende und Kulturgutbewahrende Einrichtungen ist das Verfahren vor dem Schiedsgericht kostenfrei, ausgenommen sind eigene Kosten zum Beispiel für Anwälte. Die Kosten des Schiedsgerichts NS-Raubgut und dessen Schiedsstelle teilen sich BKM und Länder paritätisch ab 2026.

7. BKM und Länder werden mit der Zeichnung des Verwaltungsabkommens für ihre eigenen Einrichtungen ein sogenanntes stehendes Angebot abgeben, das die Grundlage für die einseitige Anrufbarkeit ist. Sie werden Einrichtungen, an denen sie beteiligt sind, dazu auffordern, ebenfalls stehende Angebote abzugeben. Länder und Kommunale Spitzenverbände werden auf die Kommunen zugehen, und diese auffordern, für deren Einrichtungen solche stehenden Angebote abzugeben.

8. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände danken der Beratenden Kommission und jedem ihrer Mitglieder und ganz besonders Herrn Professor Papier  für ihre Verdienste in den vergangenen über 20 Jahren um eine Umsetzung der Washingtoner Prinzipien in Deutschland und für ihre wichtigen Impulse zur jetzt vorgelegten Weiterentwicklung. Wir danken der Beratenden Kommission für ihre Bereitschaft zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit bis das Schiedsgericht arbeitsfähig ist und werden uns hierzu eng mit der Beratenden Kommission abstimmen.

9. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände wollen das Schiedsgericht NS-Raubgut nach den ersten 10 Schiedssprüchen, spätestens jedoch nach drei Jahren evaluieren. Sie streben an, das Verwaltungsabkommen sodann durch einen Staatsvertrag zu ersetzen.

10. BKM, Länder und Kommunale Spitzenverbände unterstreichen die Absicht, die Provenienzforschung, zu stärken. Sie wollen darüber beim nächsten Kulturpolitischen Spitzengespräch nach Vorlage eines Konzepts beraten.



Hintergrund:

Am 13. März 2024 verständigten sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände auf eine Reform der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz. Dabei wird angestrebt, an die Stelle der bisherigen Beratenden Kommission eine Schiedsgerichtsbarkeit zu setzen. Erarbeitet wurden die Normen des Schiedsgerichts durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden, die durch externe Expertise und die Einbindung der Opferseite durch die beiden großen jüdischen Verbände in Deutschland – dem Zentralrat der Juden und der Jewish Claims Conference – erweitert wurde. Mit der Reform der Beratenden Kommission wird ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung umgesetzt.