Kanzler Scholz zum Abschluss des G20-Gipfels
G20 in Brasilien hat gezeigt, dass es gelingen kann, Hunger und Armut zu verringern und Klimaschutz voranzutreiben. „Gleichzeitig ist es leider zu wenig, wenn die G20 keine klaren Worte zur Verantwortung Russlands für den Krieg gegen die Ukraine finden“, so der Kanzler.
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- Mitschrift Pressekonferenz
- Dienstag, 19. November 2024
Nach zwei Tagen ging das G20-Gipfeltreffen in Brasilien zu Ende. Für den Kanzler ist das Forum für den Austausch zwischen den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern von großer Bedeutung. So einigten sich die Mitgliedsstaaten beispielsweise auf die vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva ins Leben gerufene globale Allianz gegen Hunger und Armut.
Das Wichtigste in Kürze:
- Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern: Der G20-Gipfel in Brasilien ist für Bundeskanzler Olaf Scholz ein Zeichen dafür, dass es gelingen kann, „auf Augenhöhe miteinander zusammenzukommen und über die Herausforderungen zu sprechen, vor denen wir stehen“. Es ist gelungen, eine weltweite Allianz gegen Hunger und Armut auf den Weg zu bringen.
- Lage im Nahen Osten: Die G20 spricht sich für einen Waffenstillstand im Libanon und Gaza aus. Der Bundeskanzler begrüßte, dass es dabei um die Umsetzung des Biden-Plans und die Freilassung der Geiseln geht. Dennoch positioniert sich Deutschland auch für das Selbstverteidigungsrecht Israels und betont die Verantwortung der Hamas für den Angriff auf Israel. Der Bundeskanzler bedauerte, dass die G20 dazu keine klaren Worte gefunden hat.
- Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine: Seit über 1.000 Tagen führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Krieg wurde auch auf dem G20-Gipfel thematisiert. Jedoch gab es keine Einigung darüber, Russland klar als Verantwortlichen für diesen Krieg zu benennen. Der Bundeskanzler kritisierte dies. Die geopolitischen Spannungen haben Auswirkungen auf die G20. „Der Wind, der in den internationalen Beziehungen weht, wird rauer“, so der Bundeskanzler.
- Klimaschutz: Eine zentrale Aufgabe der G20-Staaten und der ganzen Welt ist der Klimaschutz. Auf dem G20-Gipfel haben sich die Länder über Klimaschutz-Ziele ausgetauscht. Der Bundeskanzler betonte das Tempo, welches Deutschland beim Ausbau von Windkraft und Sonnenenergie vorlegt. Dennoch müsse Deutschland weiter vorangehen und werde sich auch in Zukunft nicht der Verantwortung entziehen.
Der nächste G20-Gipfel wird in Südafrika stattfinden. Damit übernimmt zum vierten Mal ein Schwellenland die Präsidentschaft der G20. Deutschland wird als enger Partner Südafrikas die Präsidentschaft unterstützen.
Lesen Sie hier die Mitschrift des Statements:
Bundeskanzler Olaf Scholz: Einen schönen guten Tag! Wir haben jetzt den G20-Gipfel in Rio beendet. Das war ein sehr wichtiges Forum zum Austausch zwischen den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern. Dass das hier in Brasilien stattgefunden hat, war auch ein Zeichen dafür, dass es gelingen kann und muss, auf Augenhöhe miteinander zusammenzukommen und über die Herausforderungen zu sprechen, vor denen wir stehen.
Ein Thema, eine der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, hat heute eine ausführliche Rolle gespielt, nämlich die Frage des Klimaschutzes und die Frage, wie wir eine globale Energiewende hinbekommen. Das bleibt unverändert ein ganz zentraler Aufgabenpfad für die G20, aber auch für die Welt insgesamt. Deshalb müssen und wollen wir an dieser Stelle zusammenarbeiten. Es ist gelungen, darüber miteinander zu sprechen, die Ziele miteinander auszutauschen und einander dazu zu bewegen, dass wir dranbleiben und nicht aufgeben, diese große Menschheitsherausforderung zu bewältigen.
Deutschland hat dabei in der Vergangenheit einen großen Beitrag geleistet. Wir sind ein Land, in dem der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv vorangekommen ist, in dem die wirtschaftliche Modernisierung mit Blick auf den Klimawandel einen großen Stellenwert hat und in dem auch viele praktische Erfolge zu verzeichnen sind. Das Tempo des Ausbaus von Windkraft und Sonnenenergie in Deutschland ist bemerkenswert. Wir werden und dürfen dabei nicht nachlassen. Gerade dann, wenn man mit vielen Ländern diskutiert, die unter den Folgen des Klimawandels leiden, obwohl sie von den Möglichkeiten und Wohlstandsgewinnen der Globalisierung nicht profitiert haben, ist es ganz wichtig, dass wir uns nicht verdrücken.
Gleichzeitig haben wir über Hunger und Armut diskutiert, ein Thema, das uns insbesondere gestern bewegt hat. Ich bin Präsident Lula sehr dankbar für seinen Aufschlag. Wir haben eine weltweite Allianz auf den Weg gebracht, die sich in dieser Frage unterhaken will, um Fortschritte für die Menschheit zu erreichen.
Klar ist: In all diesen Fragestellungen gibt es keine einfachen Lösungen, nichts, was schnell von einem Tag auf den anderen gelingen kann. Aber umso wichtiger ist es, dass es möglich ist, Dinge voranzubringen.
Gleichzeitig sollten wir aber nicht übersehen, dass es hier auch Fragen gegeben hat, in denen wir keine gemeinsamen Positionen erarbeiten konnten, die dem Thema jeweils vollständig gerecht würden.
Das gilt zum Beispiel für die Frage des Konflikts im Nahen Osten. Es ist gut, dass sich die G20 für einen Waffenstillstand im Libanon und in Gaza ausspricht. Es ist gut, dass es dabei auch um die Umsetzung des Biden-Planes geht und dass die Freilassung der Geiseln, die immer noch nicht gelungen ist, ein zentrales Thema bleibt, bei dem alle gesagt haben: Das muss jetzt passieren. ‑ Ich will aber nicht verhehlen, dass ich mir gewünscht hätte, dass wir an dieser Stelle noch ein paar weitere Worte gefunden hätten, zum Beispiel zum Selbstverteidigungsrecht Israels und ganz besonders dazu, dass natürlich die Hamas mit ihrem furchtbaren, menschenverachtenden und barbarischen Angriff auf israelische Bürgerinnen und Bürger die aktuelle Eskalation zu verantworten hat.
Das Gleiche kann man im Hinblick auf den Krieg sagen, den Russland gegen die Ukraine führt. Wir haben darüber gesprochen. Aber nun ist der tausendste Tag dieses furchtbaren Krieges. Tausend Tage, in denen der russische Präsident, in denen Putin die Ukraine gnadenlos bombardieren lässt, tausend Tage, in denen Frauen, Kinder und Männer in der Ukraine sterben, und tausend Tage, in denen Menschen für den blinden Größenwahn, für die Absicht, sein Land einfach mit Gewalt zu vergrößern, leiden müssen. Es ist zu wenig, wenn die G20 dann keine deutlichen Worte zur Verantwortung Russlands in dieser Frage findet. Das hätte ich mir anders gewünscht. Aber gleichzeitig zeigt sich, welche Auswirkungen die geopolitischen Spannungen natürlich auch auf die G20 haben. Der Wind, der in den internationalen Beziehungen weht, wird rauer. Dann ist es auch nicht verwunderlich, dass darüber dann auch gestritten wird und gestritten werden muss.
Trotzdem und gerade deswegen waren die Tage hier in Rio sehr wichtig. Deshalb gilt mein Dank Präsident Lula für die Ausrichtung des Gipfels, für die ganze Arbeit, die dabei geleistet wurde.
Der Staffelstab ist jetzt an den Präsidenten Südafrikas, Ramaphosa, übergeben worden. Das ist ein ganz bemerkenswertes Zeichen. Denn es wird das vierte Mal sein, dass eines der Schwellenländer die Präsidentschaft der G20 innehat. Nach Indonesien, Indien und Brasilien wird es dann Südafrika sein. Das zeigt ein wenig, wie sich die Gewichte in der Welt verschieben und dass es umso wichtiger ist, dass wir hier miteinander zusammenarbeiten, dass wir dieses Gesprächsformat haben und dass es uns gelingt, gemeinsam die Perspektiven für die Zukunft der Welt zu beschreiben. Wir werden Südafrikas Präsidentschaft unterstützen und sind enge Partner nicht zuletzt bei der G20-Initiative Compact with Africa, die von Südafrika und uns in den letzten Jahren immer wieder vorangetrieben wurde.
Die Staats- und Regierungschefs der G20 haben sich in Rio de Janeiro auf die G20 Rio de Janeiro Leaders’ Declaration PDF, 686 KB, nicht barrierefrei verständigt.