120.000 demonstrieren in Leipzig

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16. Oktober 1989 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit 120.000 demonstrieren in Leipzig

16. Oktober 1989: Seit Beginn der Montagsdemonstrationen fordern immer mehr Frauen und Männer: "Die Mauer muss weg". Reisefreiheit und Pressefreiheit sind das große Ziel, grundlegende Veränderungen hin zu einer wirklichen Demokratie die große Hoffnung.

2 Min. Lesedauer

Rund 120000 DDR-Bürger demonstrieren am 16.10.1989 in Leipzig für mehr Demokratie, Bürgerrechte und Reformen. Der Untergang des SED-Regimes vollzieht sich kurz darauf in einem rasanten Tempo.

120.000 demonstrieren in Leipzig

Foto: picture-alliance/dpa

"Keine Gewalt"

In Leipzig haben sich 120.000 Menschen aufgemacht, um gegen das SED-Regime zu demonstrieren. Die Stimmung auf dem Karl-Marx-Platz, der heute wieder Augustusplatz heißt, ist aufgeladen. Fast doppelt so viele Menschen sind an diesem Montagabend auf den Beinen wie eine Woche zuvor. Nach Friedensgebeten in fünf zentralen Kirchen umrundet die Menschenmenge den Stadtring. In Dresden gehen zur gleichen Zeit 10.000 auf die Straße, ebenso viele haben sich in Magdeburg rund um den Dom versammelt. Am Vorabend haben in Halle 20.000 demonstriert.

Die Menschen haben Transparente dabei. Stasi-Mitarbeiter haben sich unter die Menge gemischt, aber sie können nicht mehr die Sprechchöre verhindern: "Jetzt oder nie: Demokratie!", oder "Gorbi, Gorbi!". "Keine Gewalt!" – mit diesem Ruf meistern die Demonstranten die Lage. Und besänftigen teils auch die eigene Wut.

Staatsmacht muss wieder kapitulieren

Wie in der Vorwoche ist die Staatsführung auf eine gewaltsame Beendigung der Demonstrationen eingestellt. 66 Hundertschaften bewaffneter Kräfte sind es allein in Ostberlin und in Leipzig. "Pistole am Mann" hat die Staatssicherheit befohlen. Krankenhäuser, so heißt es, haben sich mit Extra-Betten und Blutkonserven vorbereitet.

Beklemmung liegt in der Luft: Das Massaker auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens liegt nur wenige Monate zurück und ist den Menschen noch in guter Erinnerung. Viele befürchten eine "chinesische Lösung" auch für die Demonstrationen in der DDR.

Chinesische Lösung
Im Frühsommer 1989 forderten Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking Reformen und Freiheit. Doch die chinesische Staatsführung setzte in der Nacht zum 4. Juni Soldaten gegen friedliche Demonstranten ein, Schüsse fielen, Panzer überrollten die Menschen. Dieses Verbrechen ging als die "chinesische Lösung" in die Geschichte ein.

Doch auch am 16. Oktober bleibt es friedlich . Erneut muss die Staatsmacht vor der Menschenmenge kapitulieren.

Erstmals berichten DDR-Medien

Erstmals seit Beginn der Montagsdemonstrationen berichtet die DDR-Nachrichtenagentur ADN über die ungenehmigten Demonstrationen. Darin wird den Sicherheitskräften – nicht den Demonstranten – für ihre Besonnenheit gedankt. Auch in einem Beitrag der DDR-Nachrichtensendung "Aktuellen Kamera" heißt es: "Der Zurückhaltung der Sicherheitskräfte und der eingesetzten Ordnungskräfte ist es zu danken, dass es zu keinen Ausschreitungen kam."

Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" berichtet am nächsten Morgen: "Überall im Lande ist die Diskussion im Gange... Der Inhalt sind Probleme der weiteren Entwicklung des Sozialismus in der DDR, die wir selber – ohne unerbetene Ratschläge aus dem Westen – lösen wollen und lösen werden."

Zwischen den Zeilen deutet sich der Zerfall des Regimes an. Bereits am nächsten Tag beschließt das SED-Zentralkomitee einstimmig, Staats- und Parteichef Honecker abzusetzen.