10.000 Kilometer per Faltrad durch Europa

EU vor Ort: "Iron Curtain Trail" 10.000 Kilometer per Faltrad durch Europa

Der Österreicher Mario Lang, 50, ist von Nord nach Süd durch Europa geradelt: 10.000 Kilometer, immer entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs - auf einem Radweg, der von der EU gefördert wird. Im Interview erzählt er von den berührenden Momenten der Reise, von Offenheit und Hilfsbereitschaft und von seinem Wunsch nach europäischer Gemeinschaft.

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Mario Lang hockt auf einem Felsvorsprung im Meer, vor ihm sein Faltrad.

Mario Lang am Schwarzen Meer, dem südlichsten Punkt des Fernradwegs.

Foto: Mario Lang

Der europäische Fernradweg Euro Velo 13 - Iron Curtain Trail verläuft von der norwegischen Stadt Kirkenes im Norden Europas bis zum bulgarischen Rezovo am Schwarzen Meer – immer entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. 20 verschiedene Länder - darunter 14 Mitgliedstaaten der EU -, 14 UNESCO-Stätten und drei europäische Meere umfasst die Strecke . In Deutschland verläuft der Radweg entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Der Ausbau des Radweges wird von der EU mit Fördermitteln unterstützt. 

Herr Lang, wie kamen Sie auf die Idee, den Iron Curtain Trail abzufahren?

Mario Lang: Das Thema "Grenze" hat mich immer wieder berührt. Als Wiener war man damals Anrainer vom Eisernen Vorhang - dieser lag nur 50 Kilometer entfernt, daran habe ich noch Kindheitserinnerungen. 1989 habe ich dann einen Westberliner Grenzpolizisten kennengelernt, der gerade den 9. November am Checkpoint Charlie miterlebt und mir davon erzählt hat. Daraufhin war ich öfter in Berlin und habe die Stadt nach der Maueröffnung selbst erlebt.

Hinzu kam, dass ich mich bei meinen vorherigen Radreisen in die osteuropäischen Länder und ihre Menschen verliebt habe. Einige Teilstrecken des Iron Curtain Trail bin ich schon vorher gefahren, zum Beispiel von Danzig nach Riga. In mir ist dann die Idee entstanden, die ganze Strecke kompakt abzufahren, entlang einer Grenze, die einst mitten durch Europa führte und mehr oder weniger undurchdringlich war.

Vier Etappen, jeweils von Nord nach Süd: Mario Lang ist den Iron Curtain Trail abschnittweise abgefahren. Begonnen hat er 2016, zwei Jahre später meisterte er die letzte Teilstrecke von Kirkenes nach Sankt Petersburg. Unterwegs war er mit dem Faltrad – für ihn das ideale Reiserad, weil es so flexibel ist. In seinem Blog hat Lang seine Eindrücke von der Tour, den Menschen und Landschaften festgehalten.

Was macht den Iron Curtain Trail außergewöhnlich im Vergleich zu anderen Fernradwegen?

Mario Lang: Jeder Kilometer dieser Tour ist Geschichte, hier kann man sich Geschichte so richtig erradeln. Oder anders ausgedrückt: Diese Reise war der beste Geschichtsunterricht, den ich je hatte. 

Ganz generell interessieren mich bei meinen Reisen die Sehenswürdigkeiten nicht so sehr. Das Wichtigste ist, Leute zu treffen und deren Geschichten zu hören. 

Drei Rentiere laufen über eine asphaltierte Straße. Im Hintergrund ist ein Nadelwald zu sehen.

Nicht nur Menschen ist Mario Lang begegnet – hier Rentiere in Finnland.

Foto: Mario Lang

Dabei ist das Rad das schönste Reisemittel. Man bekommt alles hautnah mit. Wenn man mit dem Auto oder dem Bus fährt, verpasst man solche Situationen. 

Woran erinnern Sie sich besonders gern?

Mario Lang: An die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Menschen. Das waren immer die schönsten Erlebnisse. Eine Panne irgendwo im Niemandsland. Und dann fuhr jemand vorbei, der mich sofort mitsamt Rad mitgenommen, mich irgendwohin gebracht hat, wo ich mein Rad reparieren konnte. Oder mir Unterkunft gegeben, mich verköstigt hat. 

Dann wird man ganz demütig, dankbar und glücklich, solche schönen Erfahrungen mit Menschen machen zu dürfen. Es gab tatsächlich kein einziges schlechtes Erlebnis mit den Menschen, denen ich begegnet bin! 

Was nehmen Sie von der Tour mit?

Mario Lang: Die Einsicht, dass, wenn Menschen offen aufeinander zugehen, es kein Problem gibt. Dann muss man keine neuen Zäune bauen und sich auch nicht abschotten. Leider ist das ja gerade eine Tendenz in Europa. Das macht mich wirklich sehr betroffen. 

Was bedeutet Europa für Sie persönlich? 

Mario Lang: Europa ist für mich Gemeinschaft. Es gibt viele Themen, die uns alle in Europa angehen. Und daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Gemeinsam geht es einfach besser. Das sollte der Sinn von einem vereinten Europa sein. Und so habe ich es auch auf meinen Reisen erleben dürfen. 

Mario Lang, 50, lebt in Wien und arbeitet als Fotograf und Redakteur für die Straßenzeitung Augustin. Immer wieder treibt es den Österreicher aufs Faltrad und hinaus in die Welt. Der Iron Curtain Trail war eine besondere Erfahrung und Auseinandersetzung mit dem Thema Grenze. Diese setzt er in seinem nächsten Reiseprojekt fort: 2019 beginnt er eine Tour vom Atlantik zum Pazifik, immer entlang der Grenze zwischen Mexiko und den USA