„Europa steht zusammen“

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Regierungserklärung im Bundestag „Europa steht zusammen“

„Die Bewährungsproben unserer Zeit erfordern neues Denken und mutiges Handeln von jedem von uns“, so Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung. Angesichts des imperialistischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine seien bereits zukunftsweisende Entscheidungen getroffen worden. In seiner Rede steckte der Kanzler in fünf Feldern den Kurs ab, wie Deutschland und die EU die Bewährungsproben bestehen.

6 Min. Lesedauer

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht im Bundestag.

„Niemand, keine Familie, keine Rentnerin, kein Student und auch kein Unternehmen soll Angst haben, von den Preisen für Strom, Gas oder Fernwärme überfordert zu werden“, so Kanzler Scholz. 

Foto: Bundesregierung/Kugler

Erste Bewährungsprobe: Der Krieg in der Ukraine

Der Kanzler machte deutlich: „Putin wird seine Kriegsziele nicht erreichen“. Die Partner der Ukraine, darunter auch Deutschland, unterstützen das Land politisch, finanziell, humanitär – und mit Waffen – „so lange das erforderlich ist!“.

Deutschland liefere, was die Ukraine besonders dringend braucht: Artillerie und Luftabwehr. Als eines der ersten Länder habe Deutschland der Ukraine Anfang Juni moderne Luftverteidigungssysteme zugesagt. Ein erstes davon sei gerade geliefert worden. Drei weitere würden folgen. Zudem habe Deutschland Fliegerabwehrraketen und Gepard-Panzer geliefert. 

Die EU habe mit einem weiteren Sanktionspaket den Druck auf die russische Regierung noch einmal erhöht: „Bei diesem Kurs bleibt es, solange Russland seinen brutalen Angriffskrieg fortsetzt“, stellte Scholz klar. 

Wiederaufbaukonferenz und internationale Koordinierung

Bei dem in Brüssel beginnenden Europäischen Rat werden die EU-Spitzen auch darüber beraten, wie sie die Ukraine beim Wiederaufbau unterstützen können. Bei der internationalen Expertenkonferenz am 25. Oktober werden „kluge Köpfe aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“ Vorschläge für einen Wiederaufbau der Ukraine zusammenführen – „und so Input liefern für einen internationalen Marshall-Plan für die Ukraine“, kündigte Scholz an.

Auch eine engere europäische und internationale Koordinierung bei der militärischen Unterstützung der Ukraine komme voran. Die EU-Außenministerinnen und -minister haben sich auf eine neue Ausbildungsmission für circa 15.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten geeinigt. Eines der beiden Hauptquartiere werde sich in Deutschland befinden. Bis zum Frühjahr werde eine vollständige Brigade mit bis zu 5.000 Soldaten ausgebildet. 

Europäische Kooperation bei der Luftverteidigung

Auch Deutschland stellt sich sicherheitspolitisch neu auf. Dafür steht das Sondervermögen für die Bundeswehr, die Re-Fokussierung der Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung und die Übernahme größerer Verantwortung an der östlichen Flanke der NATO. Dafür stehe auch seine Idee einer engeren europäischen Kooperation bei der Luftverteidigung, die bereits von 14 europäischen Ländern aufgegriffen wurde. „Das ist genau die Art von Synergie, die Art von kluger Arbeitsteilung, wie wir sie für die Sicherheit Europas jetzt brauchen“, so Scholz.

Zweite Bewährungsprobe: Hunger als Waffe

Russlands Krieg habe nicht nur Folgen für Europa, sondern führe auch zu Engpässen bei Nahrungsmitteln und Düngern weltweit. „Putin nimmt das nicht nur in Kauf. Er nutzt Hunger als Waffe“, machte Scholz deutlich. Um zu erreichen, dass Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik auch künftig das Völkerrecht gegen Aggressionen verteidigen, müsse man deren Sorgen ernst nehmen. 

Daher habe die EU früh damit begonnen, alternative Exportwege für ukrainisches Getreide aufzubauen. Es sei auch gelungen, ein Bündnis für globale Ernährungssicherheit zu gründen mit Zusagen der G7 in Höhe von 14 Milliarden Dollar. Damit „haben wir zumindest eine Chance, eine globale Hungerkatastrophe abzuwenden“, sagte der Kanzler. 

Dritte Bewährungsprobe: Energie als Waffe

Putin setze auch Energie als Waffe ein. Putin habe gehofft, Europa mit dem Abdrehen des Gashahns erpressen zu können, sagte der Bundeskanzler. „Doch auch da hat er sich verrechnet. Denn wir in Europa stehen zusammen.“ 

In Deutschland und Europa seien große Anstrengungen unternommen worden, um die Energiesicherheit zu stärken. Beispielsweise seien von Deutschland neue Lieferverträge geschlossen und alternative Importstrukturen aufgebaut worden, wie die Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel. Darüber hinaus seien Notfallmaßnahmen getroffen worden, wie die Nutzung von drei Atomkraftwerken über den gesamten Winter. Hinzu kämen die Sparanstrengungen in der Bevölkerung und von Unternehmen. „Ich bin dafür außerordentlich dankbar! Gemeinsam wollen wir unseren Gasverbrauch um 20 Prozent senken.“

Zudem begrüßte der Bundeskanzler das EU-weite Einsparziel von 15 Prozent beim Gasverbrauch. Dies sei „ein starkes Signal europäischer Solidarität“ – gerade gegenüber Deutschland, das bislang ganz besonders von russischem Gas abhängig gewesen sei. 

Aufgrund all dieser Maßnahmen ist Scholz zuversichtlich: „Gemeinsam kommen wir wohl durch diesen Winter.“ 

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Video „Deutschland und Europa gehen durch Bewährungsproben“

Vierte Bewährungsprobe: Preisentwicklung

„Keine Frage, die Preise für Strom und Wärme, für Gas, Öl und Kohle müssen runter“, so Bundeskanzler Olaf Scholz. Dies sei auch Thema beim Europäischen Rat. Bereits bei der Strompreisbremse habe die EU Handlungsfähigkeit bewiesen. Hierdurch sei man einen gemeinsamen Weg gegangen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. 

Bei den Preisen für Wärme und Gas sei das Ganze etwas komplizierter. Der Kanzler begrüßte insbesondere die Vorschläge der Europäischen Kommission, die Gasbeschaffung enger zu koordinieren. So könnten Einkaufsgemeinschaften europäischer Unternehmen gebildet oder europäische Gasspeicher gemeinsam befüllt werden. Ein politisch gesetzter Preisdeckel für Gas berge jedoch die Gefahr, dass „wir Europäer am Ende nicht mehr Gas bekommen, sondern weniger.“

Wirtschaftlicher Abwehrschirm

Zudem verwies Scholz auf die nationalen Bemühungen in Form eines Abwehrschirms in Höhe von 200 Milliarden Euro, der unter anderem eine Gaspreisbremse enthalte. Die Bundesregierung setze nunmehr die Vorschläge einer Expertenkommission um: Spätestens im März erhalten alle Bürgerinnen und Bürger mit Gas oder Fernwärme ein vergünstigtes Basiskontingent. 

Aufgrund der getroffenen Maßnahmen betonte der Bundeskanzler: „Niemand, keine Familie, keine Rentnerin, kein Student und auch kein Unternehmen soll Angst haben, von den Preisen für Strom, Gas oder Fernwärme überfordert zu sein.“ 

Der Kanzler verwies darauf, dass der wirtschaftliche Abwehrschirm Deutschlands auf zweieinhalb Jahre angelegt sei, um auch für den nächsten Winter gewappnet zu sein. Das entspreche etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit liege er in der Größenordnung der Pakete, die auch anderswo in Europa geschnürt worden seien.

Zudem verfüge die EU über weitreichende finanzielle Mittel, um sich der Krise entgegenzustellen. So stünden noch über 600 Milliarden Euro aus der Aufbau- und Resilienz-Fazilität zur Verfügung. Diese können zum Ausbau der Erneuerbaren Energien genutzt werden. 

Fünfte Bewährungsprobe: Transformation der Zeitenwende

Es bleibe weiterhin Ziel der Bundesregierung, aus den fossilen Energien auszusteigen. Erneuerbare Energien sowie mehr Energieeffizienz seien die beste Strategie für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, sagt der Kanzler. „Jedes Windrad an Land oder auf See, jede Photovoltaikanlage macht uns ein Stück unabhängiger von teurem Öl und Gas!“ Und er versprach: „Alle Regeln, alle wichtigen Gesetze, die es braucht, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, die stehen bis zum Jahresende.“ Und auf EU-Ebene wolle man in den kommenden Monaten eine endgültige Einigung auf das Fit-for-55 Paket herbeiführen.

Die Kraft der Demokratie

Am Ende seiner Rede hob der Kanzler noch einmal hervor, warum Putins Krieg gegen die freie Welt scheitern werde. Denn in Autarkien wie Russland sei das Ziel größtmögliche Uniformität. Widerspruch werde bestraft, Oppositionelle verschwinden. 
In Demokratien gibt es Debatten, wird um den besten Weg gerungen, liefern freie Medien und öffentliche Kritik immer wieder Anstöße für Veränderung und Fortschritt. „Darin liegt die Stärke offener Gesellschaften! Darin liegt die Kraft der Demokratie! Diese Kraft, diese Stärke, meine Damen und Herren, unterschätzen Putin und seine Gefolgsleute auf dramatische Weise.“

Als besonderer Gast war Roman Schwarzmann im Deutschen Bundestag anwesend. Er ist ukrainischer Holocaustüberlebender aus der Stadt Odessa, der 1941 mit seiner Familie ins Ghetto deportiert wurde. Seit 30 Jahren engagiert er sich für jüdische Überlebende in der Ukraine. Kanzler Scholz bedankte sich für seinen Besuch und rief in Erinnerung, dass selbst diejenigen, die den Terror und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt haben, erneut um ihr Leben fürchten müssten.