zum Europäischen Rat am 21./22. März 2024 vor dem Deutschen Bundestag am 20. März 2024 in Berlin:
- Bulletin 25-1
- 20. März 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Kollegen!
Wir kommen zusammen zum Europäischen Rat, und das natürlich in einer ganz besonderen Situation, einer Situation, die sich aber verändert hat gegenüber den Erfahrungen, die wir noch vor einigen Jahren gemacht haben.
Wir erinnern uns noch, da war der Brexit. Wir erinnern uns an die großen Schwierigkeiten, die am Anfang der Coronapandemie herrschten. Viele hatten zu der Zeit nichts darauf gegeben, dass die Europäische Union sich stärken, weiterentwickeln würde, dass sie auch wachsen würde. Aber genau das ist jetzt passiert.
Wir haben vor vielen Herausforderungen gestanden. Wir haben gehandelt, als es darum ging, den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu organisieren nach der Coronapandemie. Wir haben gehandelt, als es darum ging, geschlossen zu stehen, bei der Unterstützung der Ukraine. Aber wir haben auch gehandelt im Hinblick auf die Erweiterungsperspektiven, die für unser Europa so wichtig sind.
Deshalb finde ich es gut, was uns in letzter Zeit gelungen ist: dass wir die Erweiterungsperspektive geöffnet haben für Moldau, für die Ukraine, auch für Georgien, dass wir Entscheidungen getroffen haben, die den so lange andauernden Prozess des Beitritts der Westbalkanstaaten vorangebracht haben. Ihnen ist vor 20 Jahren in Thessaloniki zugesagt worden, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden können. Das ist nicht richtig vorangekommen in den letzten Jahren. Jetzt haben wir neues Tempo entwickelt.
Wenn jetzt die Kommission vorschlägt, dass wir diesen Prozess auch öffnen für Bosnien-Herzegowina, dann ist das ein klares Zeichen: Europa positioniert sich neu. Das europäische Friedensprojekt wird stark sein in einer Welt, die sich ändert.
Das gilt natürlich ganz besonders, wenn wir die große Bedrohung betrachten, die jetzt auf Europa zugekommen ist, auf die ganze Welt: der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.
Ich habe das ganz bewusst eine „Zeitenwende“ genannt, eine Zeitenwende, weil hinter diesem Angriff eine Aufkündigung dessen steht, was für Frieden und Sicherheit in Europa über Jahrzehnte zentral war, nämlich dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen, nämlich die Verständigung, dass man sich vor seinem mächtigen Nachbarn nicht fürchten muss, dass Recht stärker ist als Gewalt. Das will Putin ändern, und wir werden ihn damit nicht durchkommen lassen.
Deshalb sind die Entscheidungen, die wir in letzter Zeit getroffen haben, auch so wichtig, zum Beispiel, dass es in Europa gelungen ist, die finanzielle Unterstützung der Ukraine in den nächsten Jahren zu gewährleisten mit direkten Zuschüssen und mit Krediten, die wir gewährleisten: alles zusammen 50 Milliarden Euro bis 2027, jedes Jahr etwa zwölf Milliarden Euro – ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Er war nicht einfach zu erreichen, aber er ist gelungen, und das ist ein gutes Zeichen.
Das gilt natürlich auch für das, was wir unterdessen an Verständigung erreicht haben, um die Ukraine auch aus Europa heraus unterstützen zu können. Zunächst mal ist dabei wichtig, dass wir gesagt haben: Wir wollen eine Entscheidung treffen, die so lange schon nötig war, nämlich dass wir bei der Unterstützung und bei dem Aufkauf von Waffen und wenn es um europäische Mittel geht, uns nicht darauf konzentrieren, nur solche zu beschaffen, die es auch in Europa gibt. Das haben wir in Deutschland nie so gemacht; wir haben auch außerhalb geguckt. Aber für die europäischen Mittel war das eine echte Begrenzung. Es ist eine der Konsequenzen der Verständigung, die wir in Paris gefunden haben, dass diese Begrenzungen jetzt aufgehoben sind. Mit der tschechischen Initiative ist auch gesagt worden: Wir wollen uns nicht nur in Europa, sondern auch außerhalb Europas umschauen und dort beschaffen.
Und jetzt ganz konkret und neu ist gesagt worden: Wir werden bei der European Peace Facility, auf die wir uns neu verständigt haben mit fünf Milliarden Euro, ebenfalls diese Barriere aufheben. Es wird möglich sein, dass das auch außerhalb Europas geht. Das ist ein wichtiges Zeichen. Es geht um Solidarität und nicht um Wirtschaftspolitik in dieser Frage.
Ich will das für mich auch ergänzen: Das sollte auch gelten für die Mittel, die wir aus den Windfall Profits der Frozen Assets beziehen können. Da geht es auch um ein paar Milliarden – vielleicht bis zu fünf in diesem Jahr, vielleicht etwas weniger –, die verfügbar sind, und das gilt für die nächsten Jahre auch. Ich finde richtig, dass wir die Windfall Profits nutzen – das muss einmal zuerst gesagt werden –; denn die Frozen Assets liegen nicht nur da, sondern sie erwirtschaften Erträge, was nicht vorgesehen war, und die nutzen wir jetzt für den Verteidigungskampf der Ukraine.
Aber für mich ist wichtig, dass es sich jetzt konkret um das dreht, was jetzt wichtig ist, nämlich zum Beispiel Munitions- und Waffenlieferungen und nicht alle allgemeinen Dinge, die man auch noch wollen kann. Und ich setze mich deshalb in Europa dafür ein, dass die Mittel auch konzentriert werden auf das Dringendste, was die Ukraine jetzt braucht, nämlich die Unterstützung bei der Verteidigung des Landes.
Über alle diese Dinge habe ich auch sehr intensiv mit meinem Freund Emmanuel Macron hier in Berlin gesprochen. Wir haben uns im Weimarer Dreieck zusammen mit dem polnischen Ministerpräsidenten getroffen. Das war ein gutes Zeichen mit sehr guten, klaren, gemeinsamen Vorstellungen. Und dabei gibt es auch ein paar Prinzipien, auf die wir uns alle miteinander verpflichtet haben – und schon lange verpflichtet haben: Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das nötig ist. Wir werden gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die Nato in diesem Konflikt keine Kriegspartei wird. Und: Wir werden keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine akzeptieren. – Das sind die gemeinsamen drei Punkte, die wir festgehalten haben.
Jetzt und genau in dieser Situation geht es – das merkt man schon an dem, was ich gesagt habe – in der Tat auch um mehr Waffen für die Ukraine. Sie sind jetzt und in dieser Situation notwendig. Das gilt, wie schon gesagt, für Munition und für entsprechende Produktionskapazitäten. Und darum bin ich froh, dass wir hier in Deutschland jetzt die Produktion ausgeweitet haben. Ich bin aber auch froh, dass wir uns darauf verständigt haben, dass wir in enger Kooperation mit der Ukraine auch vor Ort Produktionskapazitäten etablieren wollen. Es muss jetzt insgesamt darum gehen, dass wir das, was an Nachschub geliefert werden kann, auch herstellen können. Und dazu sind alle Anstrengungen notwendig. Dass sich Europa jetzt dazu verpflichtet, ist ein guter, notwendiger Fortschritt, und ich glaube, wir sollten hart daran arbeiten, das fortzusetzen.
Die enge Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern – und das gilt ganz besonders natürlich für die zwischen Deutschland und Frankreich – ist wichtig. Sie ist wichtig, weil wir in vielen politischen Feldern was zu diskutieren haben. Denn es geht nicht darum, sich irgendwie pressewirksam auf die Schulter zu klopfen, sondern es geht darum, dass wir tatsächlich Dinge bewegen, dass wir Verständigungen erzielen, die dann nicht nur für uns, sondern für unser gemeinsames europäisches Projekt von größter Bedeutung sind.
Deshalb will ich hier auch sagen: Wir stehen zusammen: Deutschland und Frankreich, das Weimarer Dreieck, die gesamte Europäische Union. Und das ist auch die Botschaft, die wir mit all diesen Entscheidungen nach Russland aussenden: Wenn der russische Präsident glaubt, dass er diesen Krieg nur aussitzen muss und wir in unserer Unterstützung schwächeln werden, dann hat er sich verrechnet. Russland ist nicht stark. Es kann nicht darauf spekulieren, dass wir nachlassen mit unserer Unterstützung. Wir werden sie so lange fortsetzen, wie erforderlich.
Russland ist nicht so stark, wie man jetzt denkt. Militärisch ist die Operation brutal, und es wird immer wieder Nachschub organisiert. Aber was wir jetzt gesehen haben, sind eben auch gefälschte Wahlen. Das ist die Verfolgung der Opposition, der Ausschluss von Präsidentschaftskandidaten, die keine große Aussicht haben, aber doch vielleicht zu viele Stimmen kriegen bei der Teilnahme an den Wahlen. All das ist kein Zeichen von Stärke. Aber ich will, weil wir uns ja keine Illusionen über das Ausmaß an politischer Unterdrückung machen, das in Russland herrscht, auch sagen: Wir bewundern die mutigen Frauen und Männer, wie Nawalny, den das russische Regime getötet hat, und das was seine Anhängerinnen und Anhänger jeden Tag leisten. Es ist wirklich schwer, in einem solchen Land auf Freiheit zu bestehen. Sie tun das und sie haben unsere Solidarität und unsere Herzen. Im Übrigen stehen sie natürlich auch für das, was wir hoffen dürfen: dass es auch mal ein freieres, ein friedliches Russland gibt. Und dass diese Frauen und Männer die Hoffnung nicht aufgeben, sollte auch uns ein Hinweis sein. Wir sollten sie auch nicht aufgeben.
Leider ist dieser große Konflikt, der Frieden und Sicherheit in Europa bedroht – dieser russische Angriffskrieg auf die Ukraine –, nicht das Einzige, was uns Sorgen machen muss und wo ein starkes, geeintes, miteinander zusammenstehendes Europa erforderlich ist. Das gilt auch, wenn wir die Situation im Nahen Osten betrachten. Ich will deshalb an dieser Stelle und auch in Erinnerung an den nicht vergessbaren, furchtbaren Angriff der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger am 7. Oktober sagen: Israel hat jedes Recht, sich selbst zu verteidigen. Es kann sich darauf verlassen, dass Deutschland an der Seite dieses Landes steht.
Und Deutschland ist wie vielleicht sonst nur die USA klar ein Freund Israels. Das wissen auch alle in Israel, und das habe ich auch gespürt. Ich habe es gespürt beim Gespräch mit den Angehörigen derjenigen Entführten, die dort in der Haft der Hamas sind oder vielleicht schon tot; das wissen die Angehörigen oft nicht. Es ist übrigens sehr bewegend, sich mit ihnen zu unterhalten, wenn man weiß, was für Leid und Schmerz mit dieser Sache verbunden ist, weil man sich fragt: Wie geht es dem eigenen Vater, dem eigenen Bruder, dem eigenen Kind, den eigenen Großeltern? Leben die überhaupt noch? In welchem gesundheitlichen Zustand sind sie? Werden sie jemals freikommen? Das ist ja die reale Situation. Aber es ist gleichzeitig richtig – weil wir die Freunde sind, auf die man sich immer verlassen kann –, dass wir auch all die Dinge sagen, die in dieser Situation zu sagen sind.
Was jetzt möglichst schnell gelingen muss, ist ein zeitlich etwas länger währender Waffenstillstand, in dem die Geiseln freikommen und die Gestorbenen herausgegeben werden, damit eine würdige Trauer für die Angehörigen möglich ist. Es muss gelingen, dass in dieser Zeit mehr humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt. Und all das ist das, was jetzt im Gespräch mit den Staaten, den arabischen Staaten drumherum erreicht werden muss. Und es muss erreicht werden im Gespräch mit den Ländern, die Druck machen können auf die Hamas, dass das jetzt passiert. Ich will hier an dieser Stelle keine falsche Hoffnung wecken; aber ein bisschen habe ich den Eindruck, es ist im Augenblick realistischer, als es schon lange war – womit es noch lange nicht gelungen ist. Aber es wäre gut, wenn das jetzt und in dieser Situation passiert. Ich habe jedenfalls alle ermuntert, ihren Beitrag zu leisten, schnell eine Verständigung zu erreichen.
Aber unser Herz gilt auch denjenigen, die ihr Leben in Gaza verloren haben, die an den Zerstörungen von Häusern und Infrastruktur leiden, die auch Schmerz haben, weil ihre Großeltern, ihre Kinder, ihre Enkel, ihre Verwandten gestorben sind. Und viele leiden Hunger und sind in größten Schwierigkeiten. Deshalb ist es für uns zentral, dass alles unternommen wird, um ausreichend humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen zu lassen.
Wir leisten einen Beitrag mit Versorgung aus der Luft. Aber wir wissen: Das kann die Situation nicht dramatisch ändern. Das wird nicht umfassend helfen können. Wir unterstützen, wenn jetzt geguckt wird, ob über den Seeweg Hilfe nach Gaza gelangen kann. Aber wir wissen auch: Es müssen auch mehr Grenzübergänge geöffnet werden, damit mehr Lastwagen nach Gaza gelangen können. Unser Ziel sind nicht nur mehr als 200, sondern mehr als 500 Lastwagen jeden Tag. Nur so kann Versorgungssicherheit für die Menschen in Gaza gewährleistet werden. Das war auch ein großes Thema, über das ich gesprochen habe. Und ich habe viele in Israel gefunden, die das unterstützen.
Wir müssen aber natürlich auch über das sprechen, was für die Zukunft wichtig ist. Und das will ich hier sagen: Wenn wir unser Ziel verfolgen, von dem ich weiß, dass es ein ziemlich einhelliges Ziel hier im Deutschen Bundestag ist, dass es das Ziel der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten und vieler anderer ist – dass es die Perspektive einer Zweistaatenlösung gibt –, dann muss diese auch jetzt sichtbar werden – eine verhandelte; klar. Und klar: Es geht um einen Staat ohne eigenes Militär. Aber eine Selbstverwaltung, eine Selbstorganisation muss für die palästinensische Bevölkerung, für ein friedliches Miteinander möglich sein. Deshalb habe ich mich, genauso wie der amerikanische Präsident, ganz stark für diese Zielsetzung gemacht. Es muss jetzt erkennbar werden, wie es eine Zukunft für ein friedliches Nebeneinander von Israel und einem palästinensischen Staat geben kann.
Unverzichtbar ist dafür aber natürlich auch eine Reform der Palästinensischen Selbstverwaltung, der PA. Das kann nicht so bleiben, wie es heute ist. Da hat es seit 17 Jahren keine Wahlen gegeben, und von einer Legitimation derjenigen, die dort die Führungsaufgaben haben, kann man nicht wirklich umfassend sprechen, wenn das so lange nicht mehr neu bestätigt worden ist. Deshalb geht es jetzt dort um Reformen.
Über alle diese Fragen, wie Sicherheit vor Ort gewährleistet werden kann, wie es eine gemeinsame Sicherheit im Nahen Osten geben kann, habe ich auch mit dem jordanischen König gesprochen, übrigens wiederholt, wie auch mit vielen anderen, die Verantwortung in der Region haben. Ich glaube, wir haben hier einen Beitrag zu leisten, und das werden wir – als Deutsche und als Europäische Union. Und ich setze mich dafür ein, dass es möglichst gemeinsam gelingt.
Im Rat werden wir darüber diskutieren. Und darüber muss man gar nicht schweigen: Es gibt da sehr unterschiedliche Auffassungen. Und die Auffassung, wie ich sie hier vertreten habe, mit dieser Klarheit, auch was das Recht Israels, sich zu verteidigen, betrifft und auch, dass wir nicht zustimmen werden, wenn jetzt jemand sagt, die PA solle sofort anerkannt werden – mit dieser Klarheit sehen das nicht alle. Das ist jetzt öffentlich bekannt und soll hier aber, damit es nicht unausgesprochen bleibt, auch gesagt werden.
Aber gerade deshalb ist eine Diskussion wichtig. Und ich hoffe, dass es gelingt, einen gemeinsamen Text zustande zu bringen, der diese Geschlossenheit auch zum Ausdruck bringt. Ich werde mich aber entlang der Prinzipien bewegen, die ich hier geschildert habe und die die Prinzipien der Bundesregierung sind.
Das ist der letzte Gipfel vor der Europawahl – vermutlich; man weiß ja nie. Aber auf alle Fälle ist es so, dass wir hier über die Frage sprechen, wie es weitergehen soll. Ich habe versucht, meine Prinzipien und Sichten dazu in einer Rede in Prag niederzulegen, und will gerne sagen: An diesen Positionen, die ich dort erläutert habe, soll es aus meiner Perspektive entlanggehen. Sie müssen eine Rolle spielen für das, was wir miteinander erreichen wollen. Ein paar der Punkte will ich hier einmal kurz aufgreifen.
Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungswirtschaft, eine Kooperation unserer Länder bei der Rüstung. Das ist wichtig. Und wir haben große Fortschritte erreicht: zum Beispiel mit der European Sky Shield Initiative, die wir auf den Weg gebracht haben, an der sich jetzt schon so viele Länder beteiligen und die demnächst umgesetzt werden wird; zum Beispiel mit vielen Projekten, die wir und auch andere auf den Weg gebracht haben, indem wir dazu eingeladen haben, gemeinsam zu beschaffen; zum Beispiel mit den wichtigen Projekten, die wir gemeinsam mit Frankreich haben, etwa wenn es um ein gemeinsames Kampfflugzeug geht.
Aber wir brauchen auch mehr Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Deshalb ist es gut, dass die Kommission genau jetzt zu der Frage Vorschläge gemacht hat, wie das gelingen kann, ohne dass da eine neue Kompetenz der EU entsteht. Es muss aber doch vieles von dem bürokratischen Gegeneinander – man kann es nicht anders sagen – abgeschafft werden, das eine wirkliche Zusammenarbeit verhindert. Denn es muss größere Scales geben, es muss mehr gemeinsam beschafft werden, damit es auch billiger wird und damit wir uns für unsere Sicherheit auf die Verteidigungswirtschaft für unsere Sicherheit verlassen können.
Denn für Deutschland wie für Europa gilt: Wir dürfen die Verteidigungswirtschaft nicht aus dem Blick verlieren. Dass in früheren Jahren fast keine Kontakte existiert haben zwischen den politisch Verantwortlichen und der Verteidigungsindustrie, war ein Fehler. Dass wir das jetzt geändert haben, ist ein richtiger Schritt. Aber wir müssen ausdrücklich sagen: Es muss gewährleistet sein, dass wir bei den wichtigen Waffensystemen in Deutschland und Europa eine ständige und eine skalierbare Produktion haben, auf die wir uns für unsere eigene Verteidigungsfähigkeit verlassen können. Und das wollen wir in Europa jetzt gemeinsam voranbringen. Gut so!
Ich habe auch vorgeschlagen, dass wir vorankommen sollen bei Fragestellungen, wie sie zum Beispiel mit der irregulären Migration verbunden sind. Einen besseren Grenzschutz brauchen wir und mehr Solidarität unter den europäischen Staaten. Deshalb ist es gut, dass es nun schon fast endgültig gelungen ist, die GEAS-Reform Gesetz werden zu lassen.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) ist unverzichtbar. Viele, viele Jahre ist dort kein Fortschritt erzielt worden. Ich bin der Innenministerin und der ganzen Bundesregierung für die Zusammenarbeit sehr dankbar, dass wir es geschafft haben, Stück für Stück zu helfen, dass jetzt hier eine Verständigung gelungen ist unter den Ländern und mit dem Parlament. Das ist genau der Fortschritt, den wir schon lange gebraucht haben.
Übrigens haben wir das auch in Deutschland dramatisch vorangebracht. Ja, wir wissen: Wir brauchen Offenheit für unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft, damit wir den großen Herausforderungen der Zukunft begegnen können. Und mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht genauso wie mit der Arbeitskräfteeinwanderung, die wir haben Gesetz werden lassen, haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen.
Aber gleichzeitig geht es darum, das Management der irregulären Migration besser in den Griff zu kriegen. Es ist deshalb ein wichtiger Schritt, dass die Zahl der illegalen Einreisen gesunken ist. Es ist ein wichtiger Schritt, dass wir vorankommen mit neuen Migrationsabkommen. Es ist ein wichtiger Schritt, dass wir die Asylverfahren gemeinsam mit unseren Ländern beschleunigen werden.
Der Wunsch ist, dass alle so schnell sind wie Rheinland-Pfalz: zum Beispiel für das erstinstanzliche Asylverfahren 3,5 Monate und nicht 20 wie in manchen Bundesländern oder 40 in einigen anderen. Das ist etwas, wo ich manchmal hoffe, dass manche sich mehr auf diese Aufgabe konzentrieren als darauf, noch mal neue Vorschläge zu machen.
Aber wir haben auch die notwendigen Gesetze gemacht, damit die Rückführungen gesteigert werden können. Alles das ist passiert: Nicht nur sind die illegalen Einreisen gesunken, sondern auch die Rückführungen haben zugenommen. Gleichzeitig haben wir dazu beigetragen, dass von denjenigen, die hier sind, ob nun als ukrainische Flüchtlinge oder als Flüchtlinge aus anderen Ländern, mehr in Arbeit kommen. Der Jobturbo hat angefangen, und wir werden dafür sorgen, dass das ein großer Erfolg in unserem Land wird.
Was wir natürlich auch brauchen, ist mehr Wettbewerbsfähigkeit für unser Europa; auch darüber ist zu sprechen. Vieles ist vorangekommen, was ich in Prag vorschlagen konnte, auch manche europäischen Regelungen, die dazu passen, wie der Critical Raw Materials Act, aber auch Aufgaben, die etwas zu tun haben mit Bürokratieabbau. Die EU hat sich vorgenommen, da 25 Prozent Reduzierung zu schaffen. Mein Satz ist: Da ist noch Luft nach oben; das kann noch mehr werden. Und wir werden gemeinsam mit Frankreich versuchen, das voranzutreiben.
Aber es gibt auch Folgen von dem, was wir hier auf den Weg gebracht haben, zum Beispiel den Chips Act, der es ermöglicht, dass Gemeinschaftsprojekte in Europa vorangebracht werden. Ich finde es jedenfalls gut, wenn als Ausdruck dieser Dinge nun überall in Deutschland Fabriken für die Halbleiter- und Batterieproduktion entstehen. Es ist ein großes Zeichen für die europäische Einheit, aber auch ein großes Zeichen für die Modernisierung des deutschen Wirtschaftsstandortes.
Was wir natürlich auch brauchen – angesichts der Krise, die mit dem russischen Angriffskrieg verbunden war, ist das allen deutlich geworden –, ist, dass wir uns sicherer machen müssen. Wir haben es in Deutschland in kürzester Zeit geschafft, unabhängig zu werden von russischen Gas-, Kohle- und Öllieferungen. Das ist eine große Leistung, die wir gemeinsam zustande gebracht haben. Ich sage das auch mit Blick auf den Wirtschaftsminister.
Wir erleben jetzt auch die Konsequenzen: Die Strompreise, die Einkaufspreise für Gas, sie sind gesunken, auf den Weltmärkten und auch bei uns, und das wird auch so weitergehen, wenn wir den Futures trauen dürfen. Also: Da hat sich gemeinsame Anstrengung gelohnt.
Diese Anstrengung müssen wir fortsetzen, indem wir die Voraussetzungen für ein gutes Strom- und Energieversorgungssystem in Deutschland jetzt schaffen. Das haben wir mit der Beschleunigung bei erneuerbaren Energien gemacht. Einige, ziemlich viele Gesetze sind schon beschlossen, und sie haben zu dieser Beschleunigung beigetragen; weitere werden noch kommen, wenn es um Solarenergie geht oder um verschiedene andere Möglichkeiten, die wir haben, damit es schneller geht.
Wir realisieren, was wir für die Zukunft unserer Wirtschaft brauchen und allen versprochen haben: erneuerbarer Strom 2030 schon zu 80 Prozent und irgendwann zu 100 Prozent, ob Windkraft, Offshore, Onshore, Solarenergie, Biomasse; ein leistungsfähiges Stromnetz, das wir jetzt schon so planen, wie es 2045 sein muss – mit einer riesigen Beschleunigung des so langsam vorangehenden Ausbaus der Netze aus den letzten Legislaturperioden, mit der Grundlegung für ein deutschlandweites, privatwirtschaftlich finanziertes Wasserstoffnetz, das für die Wirtschaftsproduktion der Zukunft wichtig ist, und mit einer Kraftwerkstrategie, die dafür sorgt, dass es nicht nur bei Wind erneuerbaren Strom gibt, und mit der Garantie: Es gibt ihn 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Er steht für das große Industrieland Deutschland immer zur Verfügung. Das haben wir auch mithilfe europäischer Regelungen vorangebracht; und wir werden da weitermachen.
Ich will noch ansprechen, dass es natürlich darum geht, dass wir Forschung und Entwicklung vorantreiben. Da ist Deutschland unverändert Spitze in Europa, was die Summen betrifft, aber auch, was den Vergleich mit anderen großen Ländern in der Europäischen Union betrifft. Dass wir über drei Prozent der Wirtschaftsleistung dafür ausgeben, ist übrigens eine der Ursachen für die Exportstärke Deutschlands, weil wir Produkte herstellen, die es vor 10, 20, 30 Jahren nicht gegeben hat, aber mit denen wir weltweit erfolgreich sein können. Wäre das in ganz Europa so, läge die Europäische Union vielleicht auf Platz eins in der Welt bei Forschung und Entwicklung. Leider ist sie das nicht, sondern weit hinten. Deutschland und Japan sind auf Platz drei und vier. Ich finde aber, es ist ein Ansporn, es in Europa zu schaffen, und ein Ansporn, in Deutschland nicht nachzulassen. Deshalb hoffe ich, dass die entsprechenden Entscheidungen getroffen werden, damit die mit dem Wachstumschancengesetz verbundenen Möglichkeiten auch genutzt werden können: bessere Abschreibungsbedingungen für Investitionen, bessere Abschreibungsbedingungen für Wohnungsbau und selbstverständlich eine massive Ausweitung der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Das wäre ein großer Durchbruch, für den ich mich in anderer Funktion schon in der letzten Legislaturperiode eingesetzt habe, nämlich dass wir nach Jahrzehnten die Bestimmungen ändern und wie in anderen Ländern Forschung und Entwicklung auch bei uns für die Firmen steuerlich absetzbar machen. Wir weiten diese Möglichkeiten jetzt aus, wenn das Gesetz am Freitag im Bundesrat beschlossen wird. Ein großer Impuls für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und für wirtschaftliches Wachstum!
Ich will auch noch sagen, dass es natürlich in Zeiten, die unsicher sind und in denen große Herausforderungen vor uns liegen – der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist die größte –, gleichzeitig immer richtig ist, dass man sich für Sicherheit einsetzt, Sicherheit auch für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Darum will ich gerne sagen, dass es ein gutes Zeichen ist, dass wir gerade jetzt und in dieser Situation ein Zeichen der Stabilität aussenden.
Die Bundesregierung hat gemeinsam ein Gesetz auf den Weg gebracht, das denjenigen, die über viele Jahrzehnte ihre Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet haben, Stabilität garantiert. Dies soll ermöglichen, dass es ein stabiles Rentenniveau gibt. Ich weiß, dass in mancher Debatte der Eindruck entsteht, das sei falsch. Aber ich sage: Es ist richtig. Ein Land, das von einer 17-Jährigen beziehungsweise einem 17-Jährigen erwartet, dass sie fünf Jahrzehnte lang berufstätig sind, muss ihnen jetzt sagen, worauf sie sich verlassen können. Deshalb sage ich: Das Ziel, ein stabiles Rentenniveau in Deutschland zu erreichen und dies mit einem Generationenkapital zusätzlich abzusichern, ist ein Ziel, für das sich diese Bundesregierung einsetzt und das die Bürgerinnen und Bürger dieses Land unterstützen. Den Leuten, die daran Zweifel haben, empfehle ich nur mal einen Blick in die Schweiz. Dort besteht die Möglichkeit, über solche Fragen in Volksabstimmungen zu entscheiden, und dort wurde gerade entschieden, die Zahlung einer 13. Monatsrente zu ermöglichen – gegen die Meinung aller führenden Wissenschaftler, Thinktanks und whatever.
Ich sage Ihnen – das sollte sich auch jeder hier hinter die Ohren schreiben –: Gäbe es in Deutschland eine Volksabstimmung über die Frage, ob wir ein stabiles Rentenniveau garantieren wollen oder nicht, gäbe es dafür eine 80- bis 90-prozentige Mehrheit. Und das gilt auch für die Frage: Was ist mit denen, die 45 Jahre gearbeitet haben? Dass wir ihnen einen etwas früheren Renteneintritt ohne Abschläge möglich machen, entspricht den Gerechtigkeitsvorstellungen von weit über 80 Prozent aller Deutschen. Wir dürfen uns darüber nicht hinwegsetzen.
Zum Schluss: Wir brauchen ein handlungsfähiges Europa, ein Europa, das in einer Welt mit bald zehn Milliarden Menschen – um 2050 – handlungsfähig und stärker ist. Deshalb brauchen wir bessere Entscheidungsmechanismen, mehr Entscheidungen mit Mehrheit; auch darüber wird zu diskutieren sein. Deshalb brauchen wir technologischen Fortschritt, den wir gemeinsam voranbringen. Deshalb brauchen wir die Zusammenarbeit bei der Verteidigungswirtschaft und eine bessere Kooperation, um Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten.
Ein handlungsfähiges Europa ist im Übrigen die beste Antwort auf alle Populisten, die mit nationalistischen Beschränkungen in die Vergangenheit gehen und nicht verstehen, dass nur Europa uns in der künftigen Welt die Stärke, die Kraft geben wird, die wir brauchen, um Wohlstand und Demokratie zu verteidigen.
Schönen Dank.