Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Johanna Wanka,

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Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Kürzlich hat der Guardian Deutschland gelobt. Er hat geschrieben, dass wir toll sind, dass wir bewundert werden – ja, der Guardian hat das geschrieben –, und er hat dazu aufgefordert, dass man Deutschland nicht nur bewundern, sondern dass man sich von Deutschland inspirieren lassen und lernen sollte.

Deutschland steht im Moment als Forschungsstandort und Innovationsstandort in den Rankings ganz oben. Ganz entscheidend dafür, dass das erreicht wurde, ist die Tatsache, dass seit 2005 Jahr für Jahr die Ausgaben für Bildung und Forschung im Bund gestiegen sind. Seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, hat es jedes Jahr ohne Ausnahme einen höheren BMBF-Haushalt gegeben. Den gibt es auch 2015. Wenn wir die Jahre 2014 und 2015 vergleichen, dann sind es 1,2 Milliarden Euro mehr.

Jetzt muss ich, weil ich schon den Zwischenruf erwarte, sagen: Das sind 1,2 Milliarden Euro Cash mehr. Hier ist die globale Minderausgabe schon abgerechnet. Es gibt also wirklich echt 1,2 Milliarden Euro mehr, 8,6 Prozent. Die globale Minderausgabe – klar, es ist besser, wenn sie noch niedriger wäre – macht drei Prozent des Gesamthaushaltes aus. Das muss man sich vor Augen führen. Seit 2005 hatten wir, wie gesagt, jedes Jahr eine Steigerung des BMBF-Haushaltes. In dieser Legislaturperiode gibt es von 2014 bis 2017 nochmals eine Steigerung um 25 Prozent.

In den Jahren 2014 und 2015 ist die Steigerung schwächer, danach sehr steil. Bei 25 Prozent mehr Geld sind das dann 17 Milliarden Euro für diesen Haushalt; gestartet sind wir 2005 bei sieben Milliarden Euro.

Da sagte doch an dieser Stelle gestern Herr Gysi in diesem Haus: Die Investitionen in Bildung fallen aus. – Also, hier gibt es nur zwei Varianten: Entweder weiß er es nicht besser, oder er weiß es, und es passt nicht in seinen Plan.

Wir denken nach vorne. Trotz Haushaltskonsolidierung gibt es in dieser Legislaturperiode wiederum den Schwerpunkt Forschung und Bildung. Es ist eindeutig so, dass wir das, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich „Deutschlands Zukunft gestalten“, mit diesem Haushalt können und auch machen. Das ist angesichts der Bildungsexpansion gerade in den Schwellenländern der einzig richtige Weg. Wir müssen ihn unbedingt weitergehen und entscheiden: Was ist der Platz Deutschlands in der Welt von morgen? Es geht nicht nur um das Bruttosozialprodukt oder anderes, sondern auch ganz entscheidend um individuelle Lebenschancen für den Einzelnen.

Wir haben gerade vor zwei Tagen den OECD-Bericht vorgestellt. Frau Bulmahn, Sie erinnern sich, wie wir beide das gemacht haben – Sie als Bundesministerin, ich als Vertreterin der KMK – und an vielen Stellen Schelte bekommen haben; Jahr für Jahr mussten wir zum Teil wirklich berechtigte Kritik einstecken. Der jetzt vorgestellte OECD-Bericht ist, was die Indikatoren anbelangt, das allerbeste Zeugnis, das wir je bekommen haben.

Ich will nur wenige Dinge herausgreifen. Zum Beispiel ist Deutschland das Land, in dem 96 Prozent der Vierjährigen in eine Kindereinrichtung gehen – und das freiwillig, ohne Pflicht. Wir wissen alle, was der Bund nicht nur in materieller, sondern auch in ideeller Hinsicht dafür getan hat. Unser Haus macht etwas für diese Einrichtungen, kümmert sich um naturwissenschaftlich-technische Bildung im Rahmen der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. In dieser Legislaturperiode gehen wir weiter, bis in die vierte Klasse, und beziehen die Eltern mit ein. Das ist ein ganz wichtiges Thema.

Der Anteil derer, die ohne Abschluss die Schule verlassen, liegt bei uns jetzt unter sechs Prozent; es waren einmal zwölf Prozent. Hier unter sechs Prozent zu liegen, ist längst nicht ausreichend. Es muss – das ist ganz klar – besser werden, es muss weitergehen, und die zentralen Personen in der Schule sind die Lehrer. Sie haben einen ganz großen Anteil daran, ob Bildung gelingt oder nicht. Natürlich liegt die Kompetenz für die Lehrerbildung originär bei den Ländern; aber mit unserem Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ermöglichen wir es, dass im Rahmen der Lehrerbildung zusätzliche Angebote im Bereich der Inklusion, der Diversität und der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung entwickelt werden, dass Neues erprobt und umgesetzt wird. Das kostet uns 500 Millionen Euro. Im nächsten Jahr geht es los – ausgeschrieben ist es –, und zwar mit Mitteln in Höhe von 45 Millionen Euro.

Ein Thema, das uns alle – nicht nur uns hier im Saal, sondern auch die Länder und Verbände – schon seit Jahren beschäftigt, ist die Frage: Wie kann man Frauen für naturwissenschaftliche und technische Berufe gewinnen, für Berufe also, in denen man auch richtig gut verdienen kann? 2000 war es so, dass 32 Prozent der Absolventen naturwissenschaftlicher Studiengänge Frauen waren; der OECD-Durchschnitt lag bei 40 Prozent. In den darauffolgenden zwölf Jahren ist der Anteil bei uns von 32 Prozent auf 44 Prozent angestiegen, und im selben Zeitraum ist der Anteil im OECD-Durchschnitt um nur einen Prozentpunkt gewachsen. Es gibt also Dynamik, und alle aus der ehemaligen DDR wissen, dass es hieß: Überholen, ohne einzuholen.

Herr Schulz, DDR-Leute brauchen nicht darüber nachzudenken. Das war jahrelang der Slogan; alle kennen ihn. Sie sollten nicht darüber nachdenken, denn er ist nicht zu verstehen; aber es war so. – Geht das jetzt alles von meiner Redezeit ab?

Wir machen weiterhin mehr für Chancengerechtigkeit. Zum Beispiel ist ein weiteres Professorinnenprogramm schon gestartet, und es gibt vieles andere mehr.

Die Tatsache, dass wir als Bund das BAföG ab 2015 allein zahlen, führt dazu, dass den Ländern jährlich 1,2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen. Das Neue, das Besondere, das Exzellente ist: Es gibt dauerhaft Geld für Dauerstellen. Das gab es vorher überhaupt nicht. Wir haben über den Hochschulpakt und Ähnliches Milliardenbeträge ins System gegeben, aber Stellen wurden nicht dauerhaft finanziert. Das heißt, es gibt auch noch 2025 oder 2030 Geld für diese Stellen. Da geht es gar nicht nur um die sechs Milliarden Euro, die wir in dieser Legislatur bereitstellen; allein in der nächsten Legislatur sind es schon wieder 4,8 Milliarden Euro. Mit den frei werdenden Mitteln kann man in den Ländern, wenn man es will, unbefristete Nachwuchswissenschaftlerstellen schaffen; man kann auch Schulsozialarbeiterstellen und Stellen in den Ganztagsschulen schaffen. Das ist machbar. Weil wir ein föderaler Staat sind, kann in den einzelnen Ländern entschieden werden, wofür man die Mittel einsetzen will. Ich glaube, das ist richtig. Es wird die Attraktivität des deutschen Hochschulsystems weiter stärken.

Das deutsche Hochschulsystem ist attraktiv. Sie müssen sich einmal vor Augen führen: Wir sind das drittbeliebteste Einwanderungsland für Studenten – sie kommen zu uns, um zu studieren –, nach den USA und Großbritannien, die englischsprachig sind. Ich weiß nicht, wie nachher die Reden der Opposition sein werden. Aber ich kann mir vorstellen, dass man sich, wenn man hört, was Sie über unsere Hochschulen sagen, fragt, warum sie alle kommen und nicht auf dem Absatz kehrtmachen.

Wir haben die Zahl der Studierenden gesteigert. Über 50 Prozent eines Jahrgangs sind Studienanfänger. Das war nur möglich, weil der Bund – ich sage das noch einmal –, ohne originär zuständig zu sein, über den Hochschulpakt Milliarden in das System gegeben hat. Das ist eine große solidarische Leistung – auch im Hinblick auf die neuen Bundesländer –, und es ist die beste Möglichkeit, mit der demografischen Chance umzugehen; das sollte man nicht vergessen.

Wir haben in diesem Haushalt – er sieht alleine sechs Milliarden Euro für den laufenden Hochschulpakt bis 2017 vor – Vorsorge für den Fall getroffen, dass es noch mehr Studenten gibt. Wir haben das Geld für die nächste Phase des Hochschulpakts, ab 2016, gesichert. 2023 wird die Zahl der Studienanfänger sinken.

Im Moment haben wir, worüber wir uns freuen, sehr viele Studierende, aber – und das ist das Problem – im Bereich der dualen Ausbildung fehlen uns die jungen Leute. Dazu können wir alle Beispiele anführen. Das will ich gar nicht. Das ist klar; davon kann jeder erzählen. Wichtig ist: Was macht man dagegen? Das kriegt man nicht hin mit bunten Plakaten und Werbekampagnen, wobei die zum Teil auch sehr wichtig sind; die der Handwerkskammern zum Beispiel finde ich klasse. Vielmehr muss überlegt werden: Was kann man wirklich tun, um junge Leute zu einer dualen Ausbildung zu motivieren? Wir haben ein großes Paket geschnürt – „Chance Beruf“ –, in das wir alles, was uns eingefallen ist, hineingepackt haben. Das machen wir jetzt.

Thema Durchlässigkeit: Das Programm „Offene Hochschulen“, das exzellent ist, wird weiter fortgesetzt.

Oder denken wir an diejenigen, die die Hochschule verlassen, um eine duale Ausbildung zu beginnen. Dazu haben wir in dieser Legislaturperiode, im Mai dieses Jahres, im „JOBSTARTERplus“-Programm Projekte initiiert und mit bis zu acht Millionen Euro ausgestattet. Das sind gute Projekte, um bundesweit etwas zu erreichen.

Im „JOBSTARTERplus“-Programm haben wir ebenfalls im Mai dieses Jahres Maßnahmen angestoßen, bei denen es um Unternehmer mit Migrationshintergrund geht, die junge Menschen mit Migrationshintergrund vielleicht anders ansprechen können, um bei ihnen für die duale Ausbildung, die in der Türkei oder woanders vielleicht nicht typisch ist, zu werben. Auch dafür geben wir Geld.

Ein anderes Beispiel. Gestern sagte Herr Oppermann, dass man denen, die es nicht schaffen, eine zweite oder vielleicht auch eine dritte Chance geben muss. Das muss man, und das wird auch gemacht. Das kostet richtig viel Geld. Aber ich finde, es ist wichtig, erst einmal zu versuchen, präventiv zu wirken, zum Beispiel in der siebten oder achten Klasse, damit die jungen Menschen gar keine zweite oder dritte Chance brauchen. Deswegen brauchen wir Bildungsketten.

Wenn Sie in den Haushalt schauen, um zu erfahren, wie viel Geld dafür eingestellt wurde, dann müssen Sie berücksichtigen, dass die Bundesregierung aus vielen Ressorts besteht, die auch miteinander arbeiten: Im Haushaltsplan des Bildungsministeriums sind Mittel dafür eingestellt; dazu kommen beträchtliche Mittel aus dem ESF, die wir auf diesen Bereich konzentrieren, Mittel aus der BA und aus dem Arbeitsministerium, um Bildungsketten und präventive Maßnahmen in einem möglichst großen Maßstab fördern zu können. Ich habe alle Länder angeschrieben und betont, dass wir unser Geld einsetzen. Die Länder müssen mitfinanzieren, damit wir das flächendeckend hinbekommen. Diese Stärkung der dualen Ausbildung trägt auch zur Bildungsgerechtigkeit bei.

Beim Thema Bildungsgerechtigkeit haben alle sofort das BAföG im Kopf. Sie wissen, dass ich, als ich im letzten Jahr dieses Amt übernommen habe, obwohl ich die Entwicklung und die Gespräche mit den Ländern in den letzten Jahren kannte, von Anfang an gesagt habe: Das BAföG muss novelliert werden; das ist eine zentrale Aufgabe. Nachdem das nicht im Koalitionsvertrag stand, habe ich weiterhin gesagt: Die Novellierung des BAföG muss kommen. Ich habe mich dafür engagiert, und wir haben die BAföG-Novelle im Kabinett beschlossen. Und sie ist nicht ohne. Es geht nicht nur darum, dass diejenigen, die BAföG bekommen, mehr Geld erhalten für die Lebenshaltung, für Kinder, wenn sie welche haben, für Wohnen und für andere Dinge. Ich habe immer wieder erlebt, dass es Studierende gibt, die knapp oberhalb der Einkommensgrenze sind, also kein BAföG bekommen, weil die Eltern ein bisschen zu viel verdienen. Diese Studierenden sind in besonderem Maße benachteiligt. Deswegen war es mir gerade mit Blick auf die Kinder von Eltern mit einem mittleren Verdienst wichtig, die Freibetragsgrenze anzuheben. Das ist mit dieser Novelle gelungen.

Diese Novelle kostet übrigens über 800 Millionen Euro. Hinzu kommen die schon erwähnten 1,2 Milliarden Euro durch die Übernahme der BAföG-Kosten. Das heißt, ab 2016 gibt es in jedem Jahr zwei Milliarden Euro vom Bund mehr für die junge Generation. Das ist eine Investition in die Zukunft. Das ist ganz entscheidend.

Vorhin habe ich gesagt, dass wir uns fragen müssen, wo unser Platz in der Welt von morgen sein soll. Derzeit haben wir einen exzellenten Platz: starke Wirtschaftsnation, starke Exportnation. Ich will eine Zahl nennen, die nicht so bekannt ist: Wie groß ist der Anteil aller Hightech-Güter an der Handelsbilanz? Über neun Prozent. Wissen Sie, wie groß der Anteil der Hightech-Güter an der Handelsbilanz im OECD-Durchschnitt ist? 1,3 Prozent. In diesem Vergleich sind eine Menge Länder enthalten, die sehr viel mehr Akademiker haben als wir.

Das heißt, wichtig ist, wie man zu Innovationen kommt. Deshalb ist die Weiterentwicklung der Hightech-Strategie, eine neue Hightech-Strategie wichtig; das beinhaltet neue Formate, neue Felder und eine Verbreiterung der Innovationsbasis. Ich schaue auf die Uhr; ich mache es kürzer. – Dabei geht es aber nicht nur um neue Themen, also nicht nur um individualisierte Medizin, nachhaltige Stadtentwicklung, erneuerbare Energien und vieles andere, sondern um technologische Innovation und soziale Innovation. Diese Stränge hatten wir schon immer. Wichtig ist, wie diese zusammengeführt werden.

Wir haben am Montag im Zusammenhang mit der Hightech-Strategie ein erstes großes Programm vorgestellt, das mit einem riesigen finanziellen Aufwand in den nächsten Jahren laufen wird. Herr Bsirske und Herr Grillo waren anwesend. Beide haben betont, dass dieses Programm ein völlig neuer Ansatz ist.

Ich finde, wir können nur erfolgreich sein und den Wohlstand sichern, wenn die Innovationsstrategie auch in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Hierbei geht es nicht nur um die Arbeitsbedingungen bei der Industrie 4.0 und darum, welche Chancen sie bietet – nicht, dass man nur die Risiken sieht –, sondern wichtig ist auch Akzeptanz, und zwar Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft. Umfragen zeigen, dass die Menschen beteiligt werden wollen. 30 Prozent möchten gerne mitmachen, mitreden und mit einbezogen werden. Das sind nicht nur die Lobbyisten und nicht nur die NGOs, sondern normale Menschen. Deswegen ist das eine ganz zentrale Aufgabe, die uns gelingen muss, damit die Hightech-Strategie wirklich die gewünschten Effekte bringt.

Letzter Satz. Ich glaube, dass der Haushalt des BMBF Ausdruck einer modernen und ganzheitlichen Bildungs- und Innovationspolitik ist. Damit haben wir wirklich die Chance, Zukunft zu gewinnen.