Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Wüst und dem Regierenden Bürgermeister Müller nach der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 9. Dezember 2021 in Berlin

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Wüst und dem Regierenden Bürgermeister Müller nach der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 9. Dezember 2021 in Berlin

in Berlin

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  • Donnerstag, 9. Dezember 2021

BK Scholz: Einen schönen guten Abend von meiner Seite aus! Wir haben heute eine sehr intensive Ministerpräsidentenkonferenz gehabt, die zugleich die erste Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit der neuen Regierung und dem neuen Bundeskanzler war. Es war eine sehr konstruktive Beratung und damit aus meiner Sicht auch ein sehr guter Auftakt für die Zusammenarbeit der nächsten Jahre. Eine ganze Reihe von Themen, die normales Tagesgeschäft und nicht alle von dramatischer Bedeutung sind, haben eine Rolle gespielt.

Im Mittelpunkt unserer Beratungen stand aber natürlich die Frage, wie wir mit den Herausforderungen, die die Coronapandemie uns stellt, weiter umgehen. Klar ist, dass wir gerade jetzt dabei sind, die Beschlüsse der vorangegangenen Ministerpräsidentenkonferenz umzusetzen, in der wir uns darauf festgelegt haben, eine ganze Reihe von gesetzlichen Änderungen auf den Weg zu bringen, die dazu beitragen sollen, dass die Länder ein ausreichend gutes und starkes Handlungsinstrumentarium zur Verfügung haben. Die Gesetzgebung findet diese Woche statt. Auch das war ein Ergebnis der letzten Beratung. Es hat eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages gegeben. Wir haben gerade heute intensive Beratungen im Bundestag gehabt. Morgen soll abschließend entschieden werden und auch der Bundesrat seinen eigenen Beitrag leisten, sodass wir in unglaublich kurzer Zeit den gesetzlichen Rahmen geschaffen haben, den wir brauchen.

Das ist vielleicht auch eine Grundlage für das, was an Zusammenarbeit wir uns für die nächste Zeit vornehmen. Wir wollen schnell und entschlossen handeln, wenn es notwendig ist, und das gelingt in enger Kooperation zwischen Bund und Ländern, wenn alle das wollen und sich das alle miteinander vornehmen.

Unsere größte Herausforderung ist und bleibt, wie wir es hinbekommen, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger jetzt impfen lassen und eine Auffrischungsimpfung holen. Aus allem was wir wissen, auch von den Veränderungen im Virusgeschehen, kann man den Schluss ziehen, dass es umso dringender ist, dass jetzt möglichst viele eine Auffrischungsimpfung bekommen. Deshalb ist es gut, dass wir auch miteinander noch einmal alle Anstrengungen unternehmen, um dafür zu sorgen, dass neben den Impfangeboten der Hausärztinnen und Hausärzten und vieler anderer gleichzeitig auch neue Impfangebote in Impfzentren und von mobilen Impfteams gemacht werden, damit wir das ehrgeizige Ziel erreichen, beginnend von dem Zeitpunkt an, zu dem die Impfung aller Erwachsenen möglich gewesen ist, tatsächlich auch 30 Millionen Impfungen zu erreichen, Erstimpfungen und Auffrischungsimpfungen zusammen. Das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Punkt, den wir hier noch einmal sehr sorgfältig besprochen haben.

Gleichzeitig ist festgelegt worden, dass wir all das, was wir vorhaben, in der nächsten Woche aktivieren. Der Krisenstab mit General Breuer, der in Abstimmung mit allen, die Verantwortung haben, intensive Arbeit leistet, ist schon aktiv. Eine Sitzung des Krisenstabes mit den Verantwortlichen zum Beispiel in den Ländern soll in der kommenden Woche stattfinden. Dort wird dann relevant festgelegt, was alles zu tun ist, um die Impfkampagne weiter zu unterstützen. Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die enge Kooperation mit dem Bundesgesundheitsministerium und die gemeinsame Anstrengung, dafür Sorge zu tragen, dass wir die Impflogistik genau verstehen und wissen, wie viel Impfstoff wir wann und zu welcher Zeit zur Verfügung haben, und wie wir sicherstellen können, dass das auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden kann.

Gleichzeitig wollen wir die Lage immer aktuell beobachten und dann notfalls auch ganz schnell Entscheidungen treffen. Deshalb wird auch der Expertenrat jetzt zusammentreten. Das ist in dieser Woche bereits vor der Wahl des neuen Kanzlers vorbereitet worden, sodass das zügig gleich nächste Woche geschehen kann. Davon erwarten wir uns miteinander besprochene Ratschläge für unsere eigene Arbeit. Wenn aus all den Erkenntnissen, die wir da erzielen, jeweils ein dringender Handlungsbedarf entsteht, der auch eine neue Zusammenkunft zum Beispiel der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung erfordert, dann werden wir das auch tun. Auch das haben wir hier verabredet. Wir werden also nicht warten, sondern schnell zusammenkommen, sobald etwas zu entscheiden ist.

Vielleicht noch ein Hinweis auf ein Thema, das uns auch bewegt hat, nämlich die Frage, wie wir noch stärker gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen können; da ist ja eine ganze Reihe von Verrohungen zu beobachten: Es gibt jetzt schon eine sehr entschiedene Gesetzgebung. Aber es besteht der Wunsch, noch einmal gemeinsam zu schauen, wie man ganz gezielt sicherstellen kann, dass auch kein Netzwerk unbetrachtet bleibt. Das wurde von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten noch einmal als Wunsch an die Regierung herangetragen. Der Justizminister hat gesagt, es bestehe großes Interesse daran, das jetzt schnell zu machen. Denn tatsächlich ist das auch auf Basis der Verständigung der künftigen Regierung ohnehin eine Aufgabe.

Also: gute Beratungen zur Coronalage, der gemeinsame Wille, schnell entschlossen zu handeln, ein gemeinsamer Pfad, wie wir uns das notwendige Wissen über all das, worüber wir entscheiden müssen, jeweils erarbeiten, um das dann zügig tun zu können, und ein guter Ausgangspunkt für all die großen Anstrengungen, die wir jetzt noch vor uns haben.

MP Wüst: Auch an dieser Stelle möchte ich Ihnen noch einmal ganz herzlich zur gestrigen Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gratulieren. Ich habe das gestern persönlich getan und tue es heute auch noch einmal im Namen der Länder. Ihr Amtsantritt fällt in eine überaus herausfordernde Zeit. Es geht um den Zusammenhang der Gesellschaft, das Thema des Klimawandels, das Versöhnen mit dem Industriestandort, und natürlich den fordernden Kampf gegen die Coronapandemie. Wir alle wünschen Ihnen ganz viel Erfolg dafür.

Der Bundespräsident hat gestern gesagt, die Menschen hofften darauf, dass sie Führung zeigen und gemeinsam mit den Ländern die notwendigen Maßnahmen treffen. Dem stimme ich ausdrücklich zu. Genau darauf kommt es an, jetzt vertrauensvoll und sachorientiert gemeinsam Politik zu machen, Klarheit, konsistentes Handeln und Verlässlichkeit. Wir sind immer dann stark in Krisen, wenn alle staatlichen Ebenen gemeinsam agieren. Deshalb bieten die Länder dem Bundeskanzler insbesondere in dieser Zeit eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen in unserem Land an. Es ist ein gutes Signal in diesem Sinne, dass einen Tag, nachdem die neue Bundesregierung ins Amt gekommen ist, die ganze Bundesregierung, so sie im Lande war, teilgenommen hat und sehr ausgiebig Zeit hatte und im Stoff war, um über die entscheidenden Punkte heute zu diskutieren. Nach den ganzen Sondersitzungen der Ministerpräsidentenkonferenz war es heute ja eine Regelkonferenz. Insofern gab es eben auch eine Vielzahl anderer Themen.

Natürlich war das wichtigste Thema trotzdem die Infektionslage in Deutschland. Sie ist ernst, und sie ist in einigen Teilen des Landes dramatisch. In der Anhörung des Hauptausschusses im Bundestag am gestrigen Tage wurden von Experten auch noch einmal Zweifel daran geäußert, dass die bestehenden Maßnahmen ausreichen, wenn sich die Omikronvariante weiterverbreitet. Es ist gut, dass die die Regierung tragenden Fraktionen ihre Bereitschaft erklärt haben, das Infektionsschutzgesetz nachzubessern und den Ländern mehr Möglichkeiten zu geben, die Menschen zu schützen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, den ich anerkennen möchte. Aber es gibt eben die Zweifel daran, dass diese Nachbesserungen ausreichen. Wir müssen die Dynamik des Infektionsgeschehens weiter im Blick haben. Vorsicht, Wachsamkeit, Voraussicht bleiben das Gebot der Stunde. Wir müssen das Fernlicht nutzen und nicht nur auf Sicht fahren.

Wichtig ist den Ländern auch, dass die verabredete einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Schutz besonders schutzbedürftiger Gruppen insbesondere in Pflegeheimen schnell umgesetzt wird. Wir brauchen diese Wirkung zum Schutz dieser Menschen so früh wie möglich. Auch der Zeitplan für Beratung und Einführung einer allgemeinen Impfpflicht darf sich nicht verzögern. Gerade wegen der vierten Welle brauchen wir Tempo, um vor allem ältere Menschen zu schützen. Das Impfen ist und bleibt die stärkste Waffe im Kampf gegen das Virus. Deshalb ist es gut, und ich bin dankbar dafür, dass der neue Gesundheitsminister heute festgestellt hat, dass für das Ziel von 30 Millionen Impfdosen bis Jahresende genug Impfstoff zur Verfügung steht. Wir sehen es überall in den Ländern: Die Impflogistik ist deutlich hochgefahren worden. - Ja, es hat an der einen oder anderen Stelle geruckelt. Aber ich kann sagen: In Nordrhein-Westfalen haben wir in der letzten Woche 1,4 Millionen Impfungen geschafft. Das ist so viel wie nie zuvor. Zur Hochzeit der Impfkampagne im Sommer mit den großen zentralen Impfzentren haben wir 1,1 Millionen geschafft. Der Ausbau der Infrastruktur ist auch noch nicht abgeschlossen.

Die Länder werden im Bund-Länder-Krisenstab ihre Fähigkeiten gemeinsam einbringen und für die Umsetzung - das ist ja kein politisches Entscheidungsgremium - zum Thema der Impflogistik, des Monitorings und zu ähnlichen Fragen zur Verfügung stehen. Daran wirken die Länder gern mit.

Ein Punkt, der mir am Herzen liegt, ist eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Medikamentenstrategie. Das kann eine zweite Säule neben dem Impfen sein, um besonders schwere Krankheitsverläufe und schlimmes Leid, aber natürlich auch die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern. Dazu können Medikamente einen guten Beitrag leisten. Das hat auch Herr Minister Lauterbach heute bestätigt. Immer mehr Medikamente kommen in die Zulassung und auch auf den Markt, jetzt schon und auch in nächster Zukunft. Entscheidend ist dabei immer, dass eine Behandlung früh erfolgt und nicht erst dann, wenn die Menschen mit Atemnot zum Arzt gehen. Deswegen müssen wir ein Stück Aufklärungsarbeit leisten. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie der Beschaffung, sodass ganz schnell, direkt nach einem positiven Test, die Medikamente am Patienten sind, natürlich Tempo bei der Zulassung und, wo nötig, auch noch gezielte Förderung der Arzneimittelforschung, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen machen.

Ein Punkt, der allen wichtig war, ist die Entlastung des Pflegepersonals. Wir haben bei der Sonder-MPK am 18. November den Wunsch nach einem Pflegebonus zum Ausdruck gebracht. Der Bundeskanzler hat heute zugesagt, dass er schnell kommen soll. Das ist eine wichtige Anerkennung für die Menschen, die in dieser schwierigen Zeit Großartiges für uns alle leisten.

Ein weiteres Thema ist konsentiert, nämlich die Entlastung für die Krankenhäuser, da auch dort eine Regelung gefunden wird, die über den 31. Dezember hinaus bis zum März verlängert wird. Dazu hat sich die Bundesregierung heute committet. Dafür sind wir dankbar.

Wir haben einen Beschluss zum Thema „Kinder und junge Leute“ gefasst. Kinder und junge Leute haben in der Pandemie sehr gelitten. Manches, das da versäumt worden ist, ist nicht wieder aufzuholen, und es ist eine wichtige Aufgabe, diese Personengruppe der Kinder und junge Leute in besonderer Weise in den Blick zu nehmen. Bund und Länder haben gemeinsam schon viel Geld in die Hand genommen, und es wird wichtig sein, das zielgerichtet umzusetzen, damit Kinder und junge Leute nicht noch mehr unter dieser Pandemie leiden. Wir begrüßen unisono die heutige Aussage der Ständigen Impfkommission zu Impfungen für Kinder mit Vorerkrankungen im Alter zwischen fünf und elf Jahren. Die zuständigen Kinderärzte in den Ländern werden das Impfangebot dafür sicherstellen; darauf können sich die Menschen verlassen.

Ich will den Beschluss zu Hass und Hetze in den Kommunikationsdiensten ausdrücklich unterstreichen. Wir sehen, dass diese Pandemie den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft herausfordert. Deshalb sind wir einig. Wir sind bestürzt. Wir sind auch ein Stück entsetzt über das Ausmaß von Hass und Hetze in den vergangenen Monaten, der beziehungsweise die nicht weniger, sondern mehr wird. Wir erklären unsere Solidarität und uneingeschränkte Unterstützung mit den von Drohungen, von Fackelumzügen und all diesen Dingen Betroffenen. Es ist indiskutabel, was da passiert. Dieser Hass trifft insbesondere diejenigen, die vor Ort Repräsentanten unserer Demokratie sind, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bis hin zu Amtsleitern, die vor Ort nicht mehr unbescholten leben können. Wir sehen mit großer Sorge, was da über ganz bestimmte Kommunikationsplattformen an Verschwörungstheorien, an Lügen, an Hetze und an Fehlinformationen verbreitet wird und auch ein großes Publikum erreicht.

Unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft basiert darauf, dass wir uns frei austauschen können, aber Rechtsverstöße müssen auch konsequent geahndet werden, eben auch im digitalen Bereich. Die Länder sind sich deshalb einig, dass Kommunikationsplattformen mit öffentlichen Gruppen einer angemessenen Regulierung im Netzwerkdurchsetzungsgesetz bedürfen. Ich bin auch für die diesbezügliche Zusage dankbar. Gemeinsam mit unseren Innenministern haben wir die Bitte geäußert, dahingehende Unklarheiten zu beseitigen und zu prüfen, wie Straftaten im Bereich von Hass und Hetze vor Ort konsequent geahndet werden können. Unsere Demokratie muss wehrhaft bleiben, auch im Digitalen. Polarisierung, Hass und Spaltung dürfen keine Chance haben.

Bund und Länder leisten für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ihren Beitrag, indem sie bei der Pandemiebekämpfung entschlossen an einem Strang ziehen. Wir tun das, auch über den Regierungswechsel hinaus. Deshalb noch einmal ganz herzlichen Dank für die guten heutigen Beratungen an Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre gesamte Regierung.

BGM Müller: Auch ich möchte betonen, dass es heute sehr gute und konstruktive Beratungen waren, auch einmal mit einem größeren Themenkatalog. Ich will das auch einmal beispielhaft benennen: der Einsatz der europäischen Mittel nach der Brexit-Entscheidung, der heute auch eine Rolle gespielt hat - es ist natürlich auch bei uns in den Ländern sehr wichtig, wie es dabei weitergeht -, die Frage, wie wir die Ausgaben für Forschung und Entwicklung verstetigen oder auch ausbauen können - unser 3-Prozent-Ziel ist dabei ja unser Maßstab; das ist im internationalen Wettbewerb mit dem Forschungs-, Entwicklungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland eben auch wichtig -, oder auch die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ und damit eine Weiterentwicklung des Tags der Deutschen Einheit; auch das hat heute eine Rolle gespielt. Sehr einvernehmlich haben wir dazu auch entsprechende Beschlussentwürfe und Texte verabredet. Es war also heute ein größerer Themenrahmen.

Dennoch hat Corona natürlich eine große Rolle gespielt. Ich glaube, es war sehr gut, zu erleben, wie sich die neue Bundesregierung eben sofort auch mit diesem so wichtigen und sensiblen Thema auseinandergesetzt hat, ressortübergreifend, und wir heute auch schon wieder die nächsten Schritte verabreden konnten. Vor allen Dingen möchte ich hervorheben, dass es wirklich sofort zu spüren war, wie der neue Bundesgesundheitsminister mit einer tiefen fachlichen Kenntnis der Materie und mit großem Sachverstand uns auf detaillierte Fragen Antwort geben konnte. Das ist wichtig für uns. Das ist wichtig für die Länder, gerade auch im Hinblick auf die nächsten Wochen. Wir wissen, was wir zu tun haben.

Ein wichtiges Ziel hat der Bundeskanzler vorgegeben: die Boosterimpfungen hochzufahren. Dafür muss die Infrastruktur hochgefahren werden, und die entsprechenden Angebote müssen ausgebaut werden. Wir tun das alles, um Menschen zu schützen. Ich sage es immer wieder. Es geht schlichtweg darum, Menschenleben zu retten. Deswegen tun wir das. Wir müssen jetzt vorbereitet sein, auch auf das, was möglicherweise durch Omikron noch auf uns zukommen kann. Deswegen war es eben gut, dass der Bundesgesundheitsminister wieder sofort mit anderen Experten aus der Wissenschaft Kontakt aufgenommen hat und uns auch eine Perspektive dafür nennen konnte, wann wir mit entsprechenden Ergebnissen und möglicherweise auch mit neuen Erkenntnissen rechnen können. Ein wichtiger Themenkomplex konnte insofern sachlich und fachlich sehr gut und tiefgehend beraten werden.

Ich möchte auch noch einmal auf das Thema der STIKO eingehen. Eine große Erleichterung für viele, glaube ich, kann man sagen, war, dass sich die STIKO jetzt auch dazu verhalten hat, dass die Kinder mit Vorerkrankungen natürlich auch geimpft werden können, auch die Kinder, die mit Personen in einem Haushalt leben, die durch eine Infektion sehr gefährdet sein können, die die Kinder, die ja möglicherweise – hoffentlich - nicht selbst schwer erkranken, in den Haushalt mitbringen. In so einer Situation sollten eben auch die Kinder geimpft werden. Ich will es nicht unterschlagen: Es gibt da eben auch die Formulierung, dass auch die Impfung für Kinder bei einem individuellen Wunsch möglich sein soll. Das heißt: Bitte Beratung annehmen, sich informieren, Rücksprache mit den Kinderärzten halten, wenn wir jetzt die Möglichkeit haben, die Kinder in den Familien dort, wo es möglich ist, auch zu impfen! Das ist ein guter gemeinsamer Weg, den man verabredet hat. Ich hoffe sehr, dass sehr viele dieses Angebot auch in Anspruch nehmen werden. Dass sich die STIKO dazu jetzt verhalten hat - ich will es noch einmal sagen -, war für viele eine Erleichterung, und wir hoffen sehr, dass wir in einem so guten Austausch mit der STIKO bleiben werden; denn das ist nun einmal auch für uns eine wichtige Richtschnur. Wir haben mitunter länger auf Empfehlungen gewartet. Die heutige war sehr wichtig.

Abschließend auch von mir auch noch einmal etwas zum Thema „Hass und Hetze im Netz“: Das, was sich dort abspielt, ist, um es klar zu sagen, unerträglich, und es kann dafür auch keine Entschuldigung geben. Es kann schon gar keine Entschuldigung für Fackelaufmärsche vor Privathäusern geben. Das sind Bilder, die wir aus den Zeiten der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte kennen, in denen es solche Fackelaufmärsche gegeben hat, und die hat es gegeben, um einzuschüchtern. Das ist offensichtlich wieder das Ziel. Insofern ist das inakzeptabel und nicht hinzunehmen. Das ist auch nicht einfach nur irgendeine Solidaritätsadresse, die wir heute miteinander für Herrn Kretschmer, für Frau Köpping oder für andere formuliert haben, sondern es ist uns sehr ernst damit, dass hier gegebenenfalls eben auch gesetzgeberisch mit Verordnungen eingegriffen werden muss, weil es nicht so geht, dass Informationsplattformen für den individuellen Austausch für Massenkommunikation und für Netzwerke genutzt werden, die genau dieses eine Ziel haben, das ich gerade beschrieben habe, nämlich Fake News zu verbreiten, bewusst Falschmeldungen zu verbreiten, bewusst Angst zu schüren. Das ist gerade in dieser Situation nicht akzeptabel. Das ist nicht ein offener Meinungsaustausch. Das ist nicht ein Streit um die bessere Idee oder den besseren Weg dafür, wie wir Corona und diese Pandemie bekämpfen, sondern das ist ein Weg, der dort beschritten wird, um ganz andere politische Ziele zu verfolgen.

Insofern war ich auch sehr froh, dass wir uns darüber heute parteiübergreifend sehr einig waren, nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch mit der Bundesregierung und allen Vertretern und Vertreterinnen der Bundesregierung, dass wir hier zusammenstehen und eben mit den Initiativen, die wir formuliert haben, gerade auch die in ihrem politischen Engagement schützen wollen, die nicht so privilegiert sind wie wir, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten oder Minister und andere Regierungsmitglieder, sondern die Ehrenamtliche vor Ort sind. Das sind die, die in der ersten Reihe stehen und viel aushalten müssen, und die brauchen unsere Unterstützung. Es ist heute ganz deutlich geworden, dass wir die auch formulieren wollen. Vielen Dank!

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben ja heute auch über die Impfpflicht gesprochen. Nun ist es ja so, dass im Infektionsschutzgesetz, das morgen im Bundestag verabschiedet werden soll, der 15. März als Termin für das Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht festgelegt wird. Ich würde gerne wissen, wie das mit Ihren Plänen für die allgemeine Impfpflicht zusammenpasst, für die Sie ja ein Inkrafttreten für Anfang Februar oder Anfang März ins Auge gefasst haben. Ist das noch zu halten - das sind ja eigentlich frühere Termine -, oder muss der Zeitplan gegebenenfalls noch angepasst werden?

An Sie, Herr Wüst und auch Herr Müller, die Frage: Halten Sie Anfang Februar oder Anfang März für die allgemeine Impfpflicht für realistisch?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage. - Vielleicht ein Hinweis: Das Gesetz wird ziemlich schnell in Kraft treten, auch diese Regelung. Wenn das nämlich diese Woche von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden ist, der Bundespräsident es unterzeichnet hat und es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist, dann gilt es. Die Frage, die dort geregelt ist, ist: Ab wann muss jemand den Nachweis endgültig führen? - Dabei hat der Bundestag für seine Beratungen auch die Erwägung zugrunde gelegt, dass jemand, der jetzt zum Beispiel neu eingestellt wird und diese Impfplicht erfüllen muss, wenn sie eintritt, sich ab jetzt bis dahin noch impfen lassen können muss, und zwar mit den ganzen Zeitabschnitten, die wir für die erste und die zweite Impfung gegenwärtig vorschreiben. Daraus ist dann in den Beratungen der 15. März geworden.

Das gibt auch einen Hinweis auf die Frage nach der allgemeinen Impfpflicht. Die ist ja nicht etwas, das dringend später kommen muss. Dabei wird sich diese Frage vielmehr auch stellen: Wie kann jemand, der sich an die Pflicht halten will und sich deswegen impfen lässt, die noch erfüllen? – Das wird man dann berechnen müssen. Die Beratungen werden sicherlich sehr schnell losgehen. Ich weiß, dass darüber unter den Abgeordneten schon diskutiert wird. Der Bundesjustizminister hat heute noch einmal sehr ausdrücklich geschildert, dass er mit seinem Ministerium für diese Gesetzgebung auch alle notwendigen Hilfen bereitstellen wird, weil es ja Anträge von Abgeordneten geben wird, über die dann abgestimmt wird, aber die natürlich von einem Ministerium mit einer Formulierungshilfe vorbereitet werden müssen. Das wird er machen.

BGM Müller: Ich will für mich sagen, dass ich es nicht für entscheidend halte, welcher Tag es dann genau ist - der Tag der Beschlussfassung oder der erste Tag der Umsetzung. Das Wichtige ist für mich vielmehr, dass es jetzt seit Wochen diese öffentliche Debatte und Kommunikation zur Impfpflicht gibt und dass unzweifelhaft beschlossen und festgelegt ist: Sie wird kommen. Insofern hat jetzt natürlich jeder die Chance, die Zeit zu nutzen und sich noch einmal auch inhaltlich damit auseinanderzusetzen: Warum führen wir diese Debatte, welche Impfquote brauchen wir, um andere zu schützen, was kann ich selbst dafür tun und wann kann ich selbst welche Impfung auch noch in Anspruch nehmen - heute Abend, morgen, übermorgen, an den Weihnachtsfeiertagen?

Das ist das Entscheidende, glaube ich. Insofern müsste jedem klar sein, dass es uns sehr wichtig ist, den Infektionsschutz, den Gesundheitsschutz wirklich auf allen Ebenen so gut wie möglich umzusetzen - und dazu gehört die Impfpflicht, die kommen wird.

MP Wüst: Die Frage ging ja auch an mich. - Wenn ein Impfschema berücksichtigt wird, dann ist das, glaube ich, klug. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, und es gibt auch ein schnelleres Impfschema. Deswegen waren wir etwas überrascht und hatten dazu Fragen; denn ich bin schon der Überzeugung, dass „Mitte März“ etwas anderes ist als „im Februar“. Insofern muss man sich jetzt ganz genau anschauen, ob das jetzt wirklich die schnellstmögliche Variante ist. Wir haben aber ein gemeinsames Interesse, die Menschen zu schützen, und ich hoffe, dass wir da an Zeit nichts liegen lassen.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich hätte ganz gerne noch einmal nach dem Expertengremium gefragt, das Sie erwähnt haben, das nächste Woche zum ersten Mal tagen soll. Nun gibt es diese Gremien ja auch auf Länderebene. Ist Ihre Erwartung, dass die Bundesländer ihre Gremien dann auflösen, also dass dieses Gremium das autoritativere ist, weil es auf Bundesebene ist?

Herr Wüst, da Sie in NRW auch so ein Gremium haben: Sehen Sie dieses Bundesgremium, das geschaffen wird, dann eigentlich als wegweisender an, wenn man entscheiden muss, ob man weitere Maßnahmen verhängt?

BK Scholz: Ich kann Ihre Frage kurz und knapp beantworten: Nein, das bedeutet nicht, dass die Gremien in den Ländern - oder wo auch sonst Expertinnen und Experten zusammenkommen - sich nicht mehr beraten sollen und nicht mehr Vorschläge machen sollen. Es geht einfach darum, dass wir für die deutsche Politik eine Beratung haben, und der Unterschied soll eben sein, dass wir nicht nur eine Diskussion unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verfolgen können, sondern dass dort auch ein möglicher Konsens formuliert wird, der uns dann bei den Entscheidungen bewegt, die ja die demokratisch dazu Legitimierten treffen müssen. Das bleiben für die Bundesebene der Bundestag und die Bundesregierung und das sind in den Ländern die Landtage und die Landesregierungen, und das wird sich auch nicht ändern. Es wird dadurch jetzt aber gewissermaßen eine Beratung zustande gebracht, die uns zum Beispiel auch hilft, mit den neuen Entwicklungen durch die Virusmutationen umzugehen, sie Stück für Stück zu bewerten und den Moment nicht zu verpassen, in dem wir konsequent sofort etwas machen müssen, weil wir neue Einsichten haben.

MP Wüst: Die Menschen so gut wie möglich zu schützen, erfordert in dieser dynamischen Lage, dass man eigene Erkenntnisse auch ständig auf den neuesten Stand bringt. Insofern wäre es, glaube ich, nicht klug, wenn die Landesregierungen auf die Gewinnung eigener Erkenntnisse durch Beratung verzichten würden.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben heute das erste Mal Regie geführt und die Verantwortung getragen bei einer Ministerpräsidentenkonferenz. Hat sich das für Sie anders angefühlt?

Noch eine Nachfrage: Ihr Gesundheitsminister hat ja eine Art Impfstoffinventur angekündigt. Bedeutet das, dass nicht genug Impfstoff da ist oder dass man nicht genau weiß, wo er ist?

BK Scholz: Ich bin ja in dieser Konferenz mit verschiedenen Aufgaben beauftragt schon lange dabei: zweimal als Bundesminister, ganz lange als Regierungschef eines der Länder und jetzt eben als Bundeskanzler. Ich glaube, das hilft mir, die Perspektiven zu verstehen, aber so ganz anders ist es nicht. Ich habe mich aber gefreut, dass es nun ausgerechnet zum Auftakt so konstruktive, freundliche Beratungen waren - die mich im Übrigen unabhängig von mir und dem ersten Mal auch so gefreut haben, weil das ja jetzt genau das ist, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, nämlich dass wir uns unterhaken und dass wir gemeinsam vorgehen. Das, bin ich sicher, wird uns jetzt gelingen, was auch eine gute Botschaft ist.

Das Zweite ist: Wir haben den Krisenstab eingerichtet - der Gesundheitsminister ist da dran -, um zu identifizieren, ob wir genug Impfstoff haben und wo der Impfstoff sich im Einzelnen befindet. Wir wollen das nicht nur auf dieses Jahr beziehen, wo wir uns sehr konkret damit beschäftigen, sondern wollen natürlich auch die weiteren Perspektiven betrachten. Das ist ja die Grundlage für alles, was wir jetzt machen. Es ist harte Arbeit, das konkret hinzubekommen, und das ist auch nicht zu Ende; es wird also auch weitergehen. Trotzdem kann man sagen: Wenn sich das, was sich bisher abzeichnet, auch bei jeder noch so tiefen Betrachtung wieder bestätigt, dann werden wir das ehrgeizige Ziel, das wir für dieses Jahr haben, auch mit genügend Impfstoff erreichen können. Das ist ja eine gute Botschaft. Es lohnt sich nämlich, weiterzumachen mit der Öffnung von neuen Impfzentren in den Kommunen und in den Kreisen von Deutschland, überall, mit mobilen Impfteams, mit den verstärkten Impfangeboten, die die Ärztinnen und Ärzte machen, und natürlich auch den künftigen weiteren Impfberechtigten, die durch das jetzt in Beratung befindliche Gesetz geschaffen werden, also zum Beispiel Apothekerinnen und Apotheker. Das, finde ich, ist eine ganz, ganz gute Entwicklung, die man dann auch mit sich nehmen kann.

Wir werden aber dranbleiben und das wird eine dauerhafte Aufgabe sein. Denn auch das Folgende kann man jetzt schon als Schlussfolgerung aus dem, was wir heute wissen, mitnehmen:

Erstens. Wir werden wohl noch länger impfen müssen, und deshalb macht es Sinn, dass die Impfstrukturen, die wir jetzt neu etablieren, nicht so schnell wieder heruntergefahren werden, sondern dass wir das mit einer längeren Perspektive versehen. Vielleicht ist es jetzt tatsächlich so, dass wir uns darauf einrichten müssen, uns immer mal wieder einen Piks beschaffen zu müssen, damit wir gut genug geschützt sind. Auch das spricht dafür, jetzt weiterzumachen und ganz engagiert daran zu arbeiten.

Zweitens. Wir müssen gucken, dass wir genug bestellen und bestellt haben für die nächste Zeit im nächsten Jahr. Das ist die Arbeit, die der Minister und der Krisenstab mit General Breuer jetzt in engem Einvernehmen gut organisieren.

Frage: Herr Bundeskanzler, wir haben in zwei Wochen Weihnachten, und das ist ja Reisezeit, Familienzeit. Haben Sie heute auch darüber gesprochen, welches Risiko das für die Ausbreitung von Omikron im Anschluss bedeutet?

Eine kurze Frage noch zu morgen: Sie sind morgen ja in Paris. Heute hat Frau Baerbock, die neue Außenministerin, sich klar positioniert und hat die französischen Pläne abgelehnt, Atomkraft als Grüne Energie anzusehen. Werden Sie das morgen mit gleicher Härte vertreten?

BK Scholz: Was das Letzte betrifft: Wir treffen uns, um eine gemeinsame Strategie mit Frankreich zu entwickeln. Das ist der Geist, aus dem heraus Kooperation entsteht, und daran arbeiten wir ganz hart. Das wird nicht nur morgen so sein, sondern auch noch ganz, ganz lange Zeit, immer wieder, bei allen Themen, die anstehen, und auch bei diesem. Die Positionen, die entwickelt worden sind, um die Herausforderungen des Klimawandels in den Ländern zu bewältigen, sind überall in der Welt unterschiedlich, und es geht ja darum, daraus eine Kraft zu schaffen, die es möglich macht, jeweils unterschiedlich auf das gleiche Ziel zuzumarschieren, aber gleichzeitig auch etwas zu schaffen, auf das man sich miteinander verständigen kann. Das, glaube ich, ist möglich, wenn es auch nicht leicht ist. Aber wir wollen ja die gute Kooperation. - Mal sehen.

Zu Ihrer ersten Frage: Das ist in der Tat ein großes Thema. Wir haben jetzt sehr weitreichende Einschränkungen beschlossen, was Kontakte von Ungeimpften betrifft. Das wird gerade überall umgesetzt und wirkt sogar - und wird auch weiter wirken müssen. Das gilt dann ja auch über die Weihnachtstage und für das neue Jahr. Wir haben schon jetzt beschlossen, dass wir, um die durch die vielen COVID-Patienten auf den Intensivstationen schon herausgeforderten Krankenhäuser nicht zu überlasten, an Silvester und Neujahr nicht das übliche Böllerspektakel haben werden. Das ist schwer für die Industrie; deshalb werden wir auch Sorge dafür tragen, dass die das wirtschaftlich überstehen können. Es ist aber eine Entscheidung wegen der Krankenhäuser, und das zeigt ja, dass die Lage ernst ist und deshalb auch diese Maßnahmen, die wir ergriffen haben, richtig sind.

Wir haben Kontaktbeschränkungen für öffentliche Veranstaltungen mit 2G und 2G plus und mit der Begrenzung der Teilnehmerzahl. Wir haben auch Kontaktbeschränkungen miteinander besprochen, was das Treffen von sehr wohl Geimpften im privaten Bereich betrifft. Die sind großzügiger als bei den Ungeimpften, und das werden sie auch bleiben. Da gucken wir natürlich, ob die uns auch durch diese Zeit weiterhelfen. Das ist aber etwas, was wir erst dann genau beurteilen können, wenn wir mehr wissen, als wir heute wissen. Deshalb gibt es die Verabredung, alles genau zu erforschen und schnell und zügig zu entscheiden.

Frage: Da noch einmal nachgehakt, auch bei den Ministerpräsidenten: Stephan Weil hatte ja eine Weihnachtsruhe vorgeschlagen. Teilen Sie diese Einschätzung, dass man da noch einmal stärkere Kontaktbeschränkungen vornehmen muss?

Herr Scholz, an Sie eine Frage, was das Vorgehen gegen Hass und Hetze angeht: Jetzt sind Sie als Bundeskanzler ja auch einer, der alle Deutschen miteinander verbinden soll und will. Droht da eine Spaltung der Gesellschaft?

Wie kann man diejenigen mit einbinden, die jetzt nicht bei Fackelmärschen mitlaufen, die sich aber dennoch in gewisser Weise in der Coronapandemie entfremdet haben?

BK Scholz: Ich glaube, die erste Frage war an die Ministerpräsidenten gerichtet.

MP Wüst: Ich kann das gerne beantworten. Wir haben uns verabredet, zu agieren und wieder zusammenzukommen, wenn der Rat der Experten in der nächsten Woche insbesondere zu einer vertieften Einschätzung in Sachen Omikron kommt. Dies erfordert aber auch der Krisenstab, der unter Umständen von uns verlangt, Dinge gemeinsam zu machen. Das war sozusagen die Entsprechung auf die Idee, über Weihnachten noch etwas zu machen. Nächste Woche also Erkenntnisgewinn und dann, wenn nötig, agieren.

BGM Müller: Dort, wo es nötig ist, kann man in den Ländern ja auch handeln. Und es wird auch gehandelt. Einschränkungen gibt es ja schon. Wir sehen auch in unserem Nachbarbundesland Brandenburg, dass dort natürlich sofort reagiert wird.

Ich will aber auch noch einmal sagen, dass es nicht nötig ist, sich zu Weihnachten einzugraben. Man kann die Familie und Freunde treffen. Es kommt darauf an wie. Wir haben alle seit Monaten darauf aufmerksam gemacht, dass es eben nicht klug ist, mit 20 oder mehr Menschen zusammenzukommen und zu feiern, ohne auf den entsprechenden Schutz zu achten, ohne darauf zu achten, mit wem man feiert und wer wie geschützt ist. Deswegen gab es ja auch schon die Verabredung zu dem Thema der Ungeimpften.

Ich will immer wieder vermitteln: Wenn wir besonnen sind, wenn wir uns und andere schützen, sind Dinge auch möglich, sicher möglich, auch über die Weihnachtsfeiertage. Insofern hat eine allgemeine Kontaktbeschränkung, wie Sie sie vielleicht meinen, heute keine Rolle gespielt. Herr Wüst hat völlig zu recht darauf hingewiesen, dass wir natürlich immer sofort reagieren und auch zusammenkommen können, wenn es erforderlich wird und wenn es neue Erkenntnisse gibt. Das haben wir heute auch miteinander so festgehalten.

BK Scholz: Deutschland ist nicht gespalten. Es gefällt mir nicht, dass eine solche Diskussion in diesem Land stattfindet. Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger - sehr, sehr viele - hat sich impfen lassen. Das, was uns jetzt umtreibt, ist, dass es sehr, sehr viele sind, aber nicht genug, um zu verhindern, dass von den Ungeimpften das Infektionsgeschehen nicht wieder neu so stark ausgeht, dass die Intensivstationen unserer Krankenhäuser mit sehr vielen Patienten sehr herausgefordert sind, die sie unterstützen müssen, damit sie ihr Leben verteidigen können. Das ist ja der Grund, warum wir all diese Maßnahmen ergreifen, warum wir auch darüber diskutieren, dass es einrichtungsbezogen eine Impfpflicht gibt und warum wir uns darüber verständigt haben, einen politischen Prozess auf den Weg zu bringen, bei dem es um eine allgemeine Impfpflicht geht.

Ich fühle mich aber auch als Regierungschef, als Kanzler derjenigen, die skeptisch sind oder bisher nicht dazu gekommen sind oder noch nicht überzeugt waren, sich impfen zu lassen und versuche natürlich, indem ich eine klare Haltung einnehme, zu sagen: Bitte lasst euch impfen. Das ist gut für eure Gesundheit, für die eurer Liebsten, für alle, die ihr kennt, und auch für uns alle. Denn wir sind einander ja auch Solidarität schuldig, damit wir eine gute Zukunft haben.

Das ist eine Diskussion, die man führen kann und muss und die man auch streitig führen kann. Das gehört zur Demokratie dazu. Demokratie heißt ja nicht, dass alle einer Meinung sein müssen. Aber sie bedeutet in diesem Fall, wo das jeden berührt, dass wir nicht weglaufen. Denn es geht hier ja um eine Virusinfektion, die uns global bedroht - auch in Europa und in Deutschland -, und um die Gesundheit von uns allen. Es geht umgekehrt darum, dass wir natürlich auch wissen, dass, wenn wir uns impfen lassen, das natürlich ein Vorgang ist, der uns selbst, der den Körper jedes Einzelnen von uns berührt. Dass man da entschiedene Meinungen haben kann, ist jetzt erst einmal nicht weiter verwunderlich und darf auch niemanden aufregen. Das ist normal.

Was nicht geht, ist, wenn in dieser Diskussion einige sehr, sehr wenige mit Fackelaufmärschen vor privaten Häusern und Wohnungen nötigend und drohend werden. Das kann nicht, das darf nicht und das wird nicht akzeptiert werden. Da sind wir uns als Demokratinnen und Demokraten alle einig. Aber da muss man auch diejenigen, die skeptisch sind, was das Impfen betrifft, in Schutz nehmen. Nur weil sich einige von diesen so verhalten, gilt das ja für die anderen nicht. Die möchte ich dann doch noch überzeugen.

Frage: Herr Bundeskanzler, was die allgemeine Impfpflicht angeht, so müsste die ja auf der Information basieren, wer eigentlich geimpft ist und wer nicht. In diesem Kontext hat der Deutsche Städtetag heute ein Impfregister ins Gespräch gebracht. Wollen Sie so etwas? Ist das möglich, auch kurzfristig? Oder denken Sie an andere Lösungen?

Noch eine zweite Frage: Soweit wir wissen, haben Sie auch heute über das Thema Flüchtlingspolitik gesprochen. Das war aber bisher in der Pressekonferenz kein Thema. Haben Sie darüber nicht gesprochen, oder können Sie dazu noch etwas sagen?

BK Scholz: Zunächst einmal geht es darum, dass wir den politischen Entscheidungsprozess voranbringen, an dessen Ende eine allgemeine Impfpflicht steht. Das geschieht jetzt. Natürlich wird in dem Zusammenhang darüber diskutiert werden, wie man das am besten bewältigen kann. Ob man dazu ein Impfregister braucht, weiß ich nicht. Ich bin da sehr skeptisch. Es gibt auch andere Wege. Die Pflicht gilt ja erst einmal als gesetzliche Regel, und dann haben wir alle Möglichkeiten, wie das bei allem anderen, wozu wir verpflichtet sind und wozu die Gesetze uns anhalten, zu kontrollieren und nachzuhalten ist. Ich bin also nicht so sicher, ob das jetzt der richtige Weg ist. Ich will der Diskussion im Parlament nicht vorgreifen, aber schon meine vorsichtige Skepsis formulieren.

Was die Frage der Situation der Fluchtmigration betrifft – in diesem Fall ist insbesondere die gemeint, die über Belarus stattfindet -, haben wir darüber gesprochen, was ja auch angesichts der gegenwärtigen Lage richtig ist, und haben uns einfach noch einmal die Lage angeschaut, wie sie jetzt ist. Es ist ganz klar: Der Diktator in Belarus - anders kann man den ja nicht nennen; er hat ja keine Legitimation vonseiten seiner Bevölkerung - hat mit Hilfe von Flüchtlingen versucht, Druck auszuüben und viele, viele eingeladen, zu kommen. Das ist mittlerweile weitgehend unterbunden, weil die Europäische Union und auch Deutschland sehr viel Druck gemacht haben und klare Hinweise im Hinblick auf Fluggesellschaften und auf Flughäfen gegeben haben. Wir haben auch mit vielen Ländern, aus denen die Abreisen nach Belarus stattgefunden haben, gesprochen. Man sieht richtig, dass das zurückgegangen ist. Gleichzeitig sehen wir, was ja auch gut ist, dass es eine Rückbewegung gibt, also viele derjenigen, die nach Belarus gekommen sind, wieder ausreisen.

Drittens wissen wir, dass insbesondere internationale Flüchtlingshilfsorganisationen Hilfe anbieten, insbesondere jenseits der Grenze. Das ist etwas, was wir natürlich unterstützen, denn es geht ja auch um die unmittelbare Not. Wenn man irgendwo in einem kalten Wald ist, muss Unterstützung geleistet werden. Das ist die Lage.

Frage: Herr Scholz, Sie sagten, dass Weihnachten ein großes Thema ist. Wurde denn auch schon diskutiert, eventuell wieder die Regelungen des vergangenen Jahres einzuführen, was Weihnachten angeht, also ähnliche Kontaktbeschränkungen? Wie war dazu das Meinungsbild?

Zum Thema Impfstoff: In der Vergangenheit war schon Thema, dass man Sputnik letztendlich auf nationaler Ebene zulässt. Ist das auch besprochen worden?

BK Scholz: Was das letzte Thema betrifft, ist das ja eine Sache des Unternehmens, das diesen Impfstoff produziert, das sich um eine europäisches Zulassungsverfahren bemühen muss - was es tut - und das auch vorantreiben muss, indem die notwendigen Daten geliefert werden. Der Prozess der Datenablieferung ist noch nicht abgeschlossen. Das ist die Lage, die jeder kennt. Da kann man ja nicht zwischengehen und sagen: Wir gucken uns keine Daten mehr an. Wir lassen einfach so zu. - Das ist ja nicht richtig.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum es nicht die notwendigen Informationen gibt. Aber am Ende ist das ein Verfahren, in dem das alles bewertet werden muss. Aber es gibt keine Vorbehalte. Wir sind auch sehr offen und freuen uns, wenn es eine Zulassung von der dafür zuständigen Behörde gibt.

Was die Frage betrifft, wie es über Weihnachten weitergeht, haben Herr Wüst und Herr Müller schon etwas gesagt und noch einmal unterstrichen, was ich auch ausgeführt habe: Wir gucken uns jetzt genau die Daten an. Wir versuchen, alle wissenschaftliche Expertise im Hinblick auf das zu holen, was an Veränderungen möglicherweise durch Mutationen stattfindet und was das für Konsequenzen für uns hat. Dazu holen wir auch den notwendigen Rat, sehen uns die Entwicklung der Infektionszahlen an, sehen uns an, wie die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, wirken, ob sie so wirken und ob sie ausreichend wirken. Dann werden notfalls kurzfristig neue, weitere Diskussionen und Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen.

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