ksze-wirtschaftskonferenz in bonn - ansprache des bundeskanzlers zu beginn

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bundeskanzler dr. helmut kohl hielt anlaesslich des
beginns der ksze-konferenz ueber wirtschaftliche
zusammenarbeit in europa am 19. maerz 1990 in bonn
folgende ansprache:

herr vorsitzender,
meine verehrten damen und herren!

es ist mir eine besondere freude, sie als vertreter der
ksze-mitgliedstaaten in bonn willkommen zu heissen. ich
begruesse ebenso die repraesentanten der wirtschaft, die
erstmals an einer veranstaltung im ksze-rahmen
teilnehmen.
als ich im mai 1986 zum ersten mal die durchfuehrung einer
west-ost-wirtschaftskonferenz vorschlug, konnte niemand
vorhersehen, in wie kurzer zeit und in welchem ausmass
sich die politische landschaft in europa veraendern wuerde.
wir stehen mitten in einer geschichtlichen wende. es bildet
sich ein europa heraus, in dem alte und neu entstehende
demokratien zusammenfinden.
die voelker mittel-, ost- und suedosteuropas haben ihr
schicksal wieder in die eigene hand genommen. es waren
die menschen selbst, die allenthalben das tor zu freiheit
und demokratie aufgestossen haben.
der umbruch, den wir erleben, ist aber auch das ergebnis
langfristiger entwicklungen, die wir schon fruehzeitig mit
unserer politik angelegt haben.
nicht zuletzt hat sich die grundentscheidung von helsinki
fuer menschenrechte und selbstbestimmung als ein
revolutionaeres programm erwiesen, das entscheidend dazu
beitrug, mauern und stacheldraht in europa zu
durchbrechen.
mit der ueberwindung des ideologischen und politischen
antagonismus waechst zugleich das bewusstsein
europaeischer gemeinsamkeit. am ende dieses jahrhunderts, das
so viel schmerz und leid ueber die voelker dieses kontinents
gebracht hat, findet europa wieder zu sich selbst.
wir - die europaeer dieser generation - haben die einmalige
chance, eine neue ordnung zu bauen, die hegemoniales
denken und gewaltpolitik, aber auch engstirnigen
nationalismus ein fuer allemal hinter sich laesst.
lassen wir diese chance nicht ungenutzt verstreichenue dies
sind wir der jugend europas, dies sind wir unserer
gemeinsamen verantwortung fuer frieden und freiheit in der
welt schuldig.
meine damen und herren, nirgends sind die narben des
zweiten weltkrieges laenger sichtbar geblieben als im
geteilten deutschland.
nirgends ist aber auch die hoffnung auf ein friedlich
geeintes europa staerker als hier in deutschland.
die teilung deutschlands war stets auch die teilung
europas. jetzt gilt es, unsere ganze kraft darauf zu
verwenden, beides friedlich zu ueberwinden.
diese aufgabe - und das moechte ich an dieser stelle
nochmals unterstreichen - wollen wir im einvernehmen mit
unseren nachbarn in west und ost bewaeltigen.
das gilt vor allem auch fuer die deutsche frage. wir wollen
das vereinte deutschland mit und in europa bauen - und auf
keinen fall gegen europa.
gestern haben erstmals seit praktisch 58 jahren unsere
landsleute in der ddr in freien wahlen ueber ihre zukunft
selbst bestimmen koennen.
sie haben sich ohne jeden zweifel fuer die einheit
deutschlands entschieden. sie haben zugleich ein bekenntnis
abgelegt fuer ein freies deutschland in einem freien europa.
jetzt muessen die menschen in der ddr selbst darueber
befinden, auf welchem weg und in welcher form die
vereinigung erfolgen soll. sie wissen aber auch, dass ihre
entscheidung die interessen der menschen hier in der
bundesrepublik deutschland elementar beruehrt.
ich stelle daher noch einmal ausdruecklich fest: die
bundesregierung ist bereit, unverzueglich mit der neuen
ddrregierung ueber alles zu sprechen. das heisst: ueber die
konkreten schritte zur einheit sowie ueber saemtliche fragen,
die damit zusammenhaengen.
unser ziel ist es, entsprechend den wuenschen der
menschen in deutschland eine gemeinsame freiheitliche,
demokratische und rechtsstaatliche ordnung aufzubauen.
zugleich gilt es, das zusammenwachsen der beiden
deutschen staaten in einklang zu bringen mit den aeusseren
aspekten dieses prozesses.
das geschieht im zusammenwirken mit den vier maechten,
die besondere verantwortung fuer berlin und deutschland als
ganzes tragen, und in einer weise, die den
sicherheitsinteressen aller betroffenen rechnung traegt.
wir erzeugen keinen kuenstlichen zeitdruck, um die einigung
zu beschleunigen. vielmehr hat sich in den worten von
praesident gorbatschow "jetzt die geschichte ploetzlich mit
grosser geschwindigkeit in bewegung gesetzt".
niemand will auch die frage der einheit der nation mit der
verschiebung bestehender grenzen verbinden.
der deutsche bundestag hat vor gut einer woche eine
entschliessung verabschiedet, die den weg zur endgueltigen
regelung dieser frage ganz eindeutig aufzeigt.
darin wird vorgeschlagen, dass die beiden frei gewaehlten
deutschen parlamente und regierungen moeglichst bald
nach den wahlen in der ddr eine gleichlautende erklaerung
abgeben, die in ihrem kern folgendes beinhaltet:
"das polnische volk soll wissen, dass sein recht, in sicheren
grenzen zu leben, von uns deutschen weder jetzt noch in
zukunft durch gebietsansprueche in frage gestellt wird."
eine solche erklaerung waere ausdruck des politischen
willens der vertreter des ganzen deutschen volkes, mit
blick auf die deutsche einheit die unverletzlichkeit der
grenzen gegenueber polen als unverzichtbare grundlage des
friedlichen zusammenlebens in europa zu bekraeftigen.
wir werden die frage in diesem sinne abschliessend in
einem vertrag zwischen einer gesamtdeutschen regierung
und der polnischen regierung regeln.
meine damen und herren, genausowenig wie es auf dem weg
zur deutschen einheit rechtliche unsicherheiten geben wird,
so wenig darf es sicherheitspolitische ungewissheiten geben.
das wort konrad adenauers: "die deutsche frage kann nur
unter einem europaeischen dach geloest werden" - gilt auch
in ihrer sicherheitspolitischen dimension.
ich bekraeftige deshalb die klare absage an nationalistische
alleingaenge oder deutsche sonderwege - gerade auch auf
diesem die interessen aller unserer nachbarn beruehrenden
feld.
ein kuenftiges deutschland darf nicht buendnisfrei sein. es
kann nicht im europaeischen interesse liegen, wenn ein
vereintes deutschland sicherheitspolitisch nur auf sich gestellt
waere. dies waere kein weg zu mehr stabilitaet in europa, sondern
wuerde die gefahr neuer instabilitaet in sich bergen.
wir sind daher der auffassung, dass das kuenftige geeinte
deutschland in das westliche buendnis eingebunden bleiben
soll. dabei wuerde fuer das heutige staatsgebiet der ddr
eine militaerische uebergangsregelung auszuhandeln sein.
ausser frage steht: fuer uns deutsche, wie fuer europa
insgesamt, bleibt der transatlantische sicherheitsverbund
von existentieller bedeutung.
ein konzept deutscher neutralitaet - in welcher variante
auch immer - widerspraeche auch der logik des
gesamteuropaeischen einigungsprozesses.
unser gemeinsames ziel muss vielmehr sein, im rahmen
der ksze und des abruestungs- und ruestungskontrollprozesses
neue uebergreifende sicherheitsstrukturen zu
schaffen - sicherheitsstrukturen, die mehr stabilitaet fuer
ganz europa und mehr sicherheit fuer jeden einzelnen staat
in europa bewirken.
das bedeutet im kern: sicherheit miteinander und nicht
sicherheit des einen zu lasten des anderen. wir brauchen
daher ein instrumentarium, das es ermoeglicht, konflikte
bereits im keim zu verhindern.
ein europaeisches konfliktzentrum und ein zentrum zur
verifikation von ruestungskontrollabkommen koennten erste
schritte zum aufbau uebergreifender sicherheitsstrukturen
in europa sein.
in dieser perspektive gilt es zugleich, die politische
aufgabenstellung fuer die buendnisse deutlicher zu machen
und diese zum instrument des veraenderungsprozesses in
europa fortzuentwickeln.
ich bin sicher, dass mit diesen ueberlegungen auch den
sicherheitsinteressen aller unserer nachbarn rechnung
getragen wird.
meine damen und herren, vorrangige aufgabe bleibt
weiterhin, frieden und sicherheit in europa durch abruestung
und ruestungskontrolle zu festigen.
ueber die verminderung der konventionellen streitkraefte von
ost und west wird derzeit in wien verhandelt. ziel ist es, die
faehigkeit zu angriffsoperationen und ueberraschungsangriffen
zuverlaessig auszuschliessen. wir wollen dies im rahmen
verbindlicher verpflichtungen festlegen, deren vollzug
ueberprueft wird.
ich gehe davon aus, dass ein erstes abkommen ueber
konventionelle streitkraefte in europa im sommer fertiggestellt
und auf einem sondergipfel der ksze-staaten noch in
diesem jahr unterzeichnet werden kann.
parallel dazu wird in wien ueber vertrauens- und
sicherheitsbildende massnahmen verhandelt: auch hier erhoffen
wir uns im rahmen verbindlicher regeln einen spuerbaren
zuwachs an transparenz und vertrauensbildung.
nach unseren vorstellungen sollen den ersten abkommen
auf beiden gebieten weitere folgen. dabei wird es auch um
vereinbarungen gehen, die fuer den umfang und die
ausruestung der streitkraefte eines kuenftigen deutschlands
von massgeblicher bedeutung sind.
unser ziel ist und bleibt, was ich in meiner ersten
regierungserklaerung 1982 gefordert habe: frieden und
sicherheit schaffen mit weniger waffen.
von deutschem boden soll nie wieder krieg ausgehen.
von deutschem boden muss frieden ausgehen.
wir sind bereit, unseren beitrag dazu zu leisten, dass
von europa frieden und freiheit in eine unruhige welt
ausstrahlen.
auch ein geeintes deutschland wird daher nach unserem
festen politischen willen

- an dem von uns bereits vor 35 jahren geleisteten verzicht
auf atomare, biologische und chemische waffen ein fuer
allemal festhalten,

- es wird partei des nichtverbreitungsvertrages sein und
sich allen entsprechenden kontrollen unterwerfen,

- es wird schliesslich zu weitreichender verifikation im
ruestungskontrollbereich, einschliesslich des
informationsaustausches, bereit sein, sobald entsprechende
internationale vereinbarungen unterzeichnet sind.
meine damen und herren, das kuenftige geeinte
deutschland wird nicht zuletzt in die europaeische
gemeinschaft eingebunden bleiben.
wir haben die europaeische gemeinschaft seit bald vierzig
jahren zielbewusst mit aufgebaut. wir haben umfassenden
souveraenitaetsverzicht - insbesondere auf wirtschaftlichem
gebiet - geleistet und sind zu weiteren schritten der
integration bereit, die insbesondere auch die parlamentarische
verantwortung staerken muessen.
bereits 1957 haben wir mit unseren partnern in den
roemischen vertraegen die tuer fuer die ddr offengehalten.
wir gehen davon aus, dass das geeinte deutschland ohne
weitere aenderung dieser und der anschliessenden vertraege
der gemeinschaft angehoeren wird.
dies wird die europaeische integration nicht behindern oder
verzoegern. im gegenteil:

- unser politisches ziel bleibt, die europaeische integration
wo immer moeglich zu beschleunigen. wir wollen - ueber
den grossen binnenmarkt zum 31. dezember 1992 wie
ueber die wirtschafts- und waehrungsunion hinaus - zum
ziel der politischen union in europa vorstossen.

- das zusammenwachsen deutschlands wird ueberdies
einen wachstumsimpuls ausloesen, der auch unseren
partnern in der europaeischen gemeinschaft und darueber
hinaus zugute kommen wird.

meine damen und herren, der europaeischen gemeinschaft
wird auch bei der staerkung des ksze-prozesses und dem
aufbau einer europaeischen friedensordnung eine
besondere rolle zukommen.
in einer zeit raschen wandels, in der chancen und risiken
eng beieinanderliegen, ist die konsequente fortfuehrung des
ksze-prozesses ein entscheidender beitrag zur bildung
dauerhafter stabilitaet.
unsere historische aufgabe ist es, jetzt jene etappe des
ksze-prozesses in angriff zu nehmen, in der europa seine
einheit finden soll.
grundlegend fuer sicherheit und zusammenarbeit in einem
neuen europa bleibt die transatlantische komponente. auch
fuer die usa und kanada, deren engagement insbesondere
fuer die menschenrechte in der ksze praegend gewesen ist,
wird dieser prozess zum zentralen instrument der gestaltung
der zukunft und der eigenen unverzichtbaren rolle in
europa.

ich sehe folgende grundlegenden aufgaben vor uns:

- wir sollten jetzt darangehen, die ksze als dynamisches
instrument fuer das weitere zusammenwachsen unseres
kontinents zu verstaerken und da, wo noetig, auch
institutionell zu festigen.

- vor allem gilt es jetzt auf der grundlage einer
zunehmenden gemeinsamkeit der wertvorstellungen und
organisationsprinzipien die in mittel-, ost- und suedosteuropa
eingeleiteten reformprozesse unumkehrbar zu machen und
den schutz der menschenrechte abzusichern.

- der europaeische rechtsstaat, europa als einheitlicher
rechtsraum, sind keine utopie mehr.

in einem jahr der wahlen in europa steht die
gesamteuropaeische absicherung des rechts auf freie,
allgemeine, gleiche und geheime wahlen auf der politischen
tagesordnung.
die bundesregierung unterstuetzt daher den vom
amerikanischen praesidenten bush gemachten vorschlag, dieses
recht nunmehr foermlich im ksze-rahmen zu verankern.

- wir muessen ferner - wie schon erwaehnt - im rahmen
der ksze die uebergreifenden sicherheitsstrukturen
ausbauen.

- schliesslich und nicht zuletzt sollten wir einen grossen
schritt tun, um die rahmenbedingungen fuer einen
gesamteuropaeischen wirtschaftsraum zu schaffen.

zu den hauptmotiven dieser konferenz gehoert die einsicht,
dass europaeisches denken und europaeisches handeln an
der schwelle zum 21. jahrhundert nicht nur der
friedenssicherung dienen. sie sind zugleich ein gebot der
wirtschaftlichen und sozialen zukunftssicherung.
denn eines steht fest: nirgends ist der funktionsverlust
des klassischen nationalstaates augenfaelliger als im
oekonomischen und oekologischen bereich.
strukturwandel, technischer fortschritt und rasche
ausweitung des welthandels lassen maerkte ueber grenzen
und kontinente hinweg immer enger zusammenwachsen.
zugleich macht nichts die globale dimension und damit die
begrenztheit nationaler handlungsmoeglichkeiten deutlicher
als die herausforderung des umweltschutzes.
ich verweise nur auf die drohende veraenderung des
weltklimas - eine frage von zentraler, ja lebenswichtiger
bedeutung fuer die zukunft der menschheit. damit wird jedem
klar: zwischenstaatliche zusammenarbeit und wirksame
umweltpartnerschaft sind zwingend notwendig geworden.
ebenso steht fest: wirtschaftliche zusammenarbeit gewinnt
zunehmend auch eine politische dimension. so traegt
wirtschaftliche kooperation massgeblich zur vertrauensbildung
zwischen west und ost bei. sie staerkt zugleich die
grundlage fuer erfolgreiche abruestungsvereinbarungen.
die daraus wachsende europaeische sicherheitspartnerschaft
foerdert wiederum die wirtschaftspartnerschaft: sie
schafft die notwendigen politischen freiraeume, in denen
sich eine sichtbare und dauerhafte zusammenarbeit von
unternehmen entwickeln kann.
und ich fuege hinzu: grundlegende politische neuorientierungen
und greifbare abruestungsfortschritte muessen auch
mit einer ueberpruefung der auf beiden seiten bestehenden
exportkontrollen einhergehen. denn: der prozess der
gegenseitigen oeffnung und annaeherung darf nicht unnoetig
durch barrieren im handel erschwert werden.
die ueberwindung der teilung unseres kontinents auch auf
wirtschaftlichem gebiet bedeutet fuer die laender mittel-,
ost- und suedosteuropas eine verstaerkte einbindung in das
arbeitsteilige system der weltwirtschaft.
um so notwendiger ist es, die vorhandenen kooperations-
und integrationsansaetze weiterzuentwickeln und mit leben
auszufuellen. auch hierzu erhoffe ich mir von dieser
konferenz wichtige anstoesse.
in diesem zusammenhang verweise ich auf die
gemeinsame erklaerung von eg und rgw vom juni 1988. sie
schuf die voraussetzung fuer die aufnahme diplomatischer
beziehungen zwischen der europaeischen gemeinschaft und den
einzelnen rgw-mitgliedslaendern.
mit dem abschluss von handels- und kooperationsvertraegen
zwischen der eg und diesen laendern wird der weg frei fuer
enge beziehungen im bereich des warenaustauschs und
der unternehmerischen zusammenarbeit.
ich nenne als weiteren ansatz die von der eg koordinierte
initiative der gruppe der 24 westlichen laender zur
unterstuetzung der reformprozesse in mittel- und osteuropa.
dieser schritt geht in die richtige richtung. er reicht jedoch
nicht aus.
zu ueberlegen ist deshalb, wie die verbindungen ueber jetzt
bestehende vertragsbeziehungen hinaus noch enger
gestaltet werden koennen.
der praesident der eg-kommission, jacques delors, hat
"angepasste assoziierungsvertraege" vorgeschlagen. diese
sollen ueber den rahmen von handels- und
kooperationsabkommen deutlich hinausgehen.
dabei ist natuerlich darauf zu achten, dass unsere partner
im osten weder politisch noch wirtschaftlich ueberfordert
werden. ebensowenig darf der integrationsprozess in der
gemeinschaft darunter leiden.
zusaetzlich sehe ich weitere moeglichkeiten, um die
integration der laender mittel-, ost- und suedosteuropas in
die weltwirtschaft voranzubringen.
ein weg liegt in der annaeherung dieser staaten an
internationale institutionen, wie das gatt und den
internationalen waehrungsfonds. auch die oecd ist bereit, ihre
erfahrungen bei der gestaltung einer effizienten und zugleich
freiheitlichen wirtschaftspolitik beratend zur verfuegung zu
stellen. integration in die weltwirtschaft setzt zugleich voraus,
dass sich die laender mittel-, ost- und suedosteuropas an die
gesetze der internationalen arbeitsteilung anpassen.
dies bedeutet vor allem marktoeffnung und tiefgreifende
reformen in richtung soziale marktwirtschaft.
bei diesen anpassungs- und modernisierungsbemuehungen
sind die osteuropaeischen volkswirtschaften vor allem auf
den zufluss privaten kapitals angewiesen.
globale staatliche kapitalhilfen allein koennen hier - schon
wegen der hoehe der insgesamt notwendigen betraege - nur
wenig bewirken. am ehesten und wirksamsten lassen sich
moderne technik und unternehmerisches know-how im
wege privater investitionen mobilisieren.
damit es aber zu dem noetigen massiven kapitalzufluss
kommt, muessen die reformwilligen laender ihrerseits rasch
entsprechende bedingungen schaffen. es gilt, den
spielraum fuer eigenverantwortliches wirtschaftliches handeln
betraechtlich zu erweitern - das heisst fuer investieren,
produzieren, exportieren ebenso wie fuer das beschaeftigen
von arbeitskraeften.
solche marktwirtschaftlichen reformen koennen durch
gezielte finanzhilfen fuer sorgfaeltig ausgewaehlte projekte
und strukturmassnahmen erleichtert werden, wie sie zum
beispiel der internationale waehrungsfonds, die weltbank
oder die europaeische investitionsbank gewaehren.
wie sie wissen, wird zur zeit ueber die ausgestaltung der
europaeischen bank fuer wiederaufbau und entwicklung
beraten. hieran sollen auch die laender mittel-, ost- und
suedosteuropas als aktionaere beteiligt sein. nicht zuletzt
deshalb verspreche ich mir von dieser institution beim
uebergang von der planwirtschaft zur sozialen marktwirtschaft
wertvolle hilfe.
fuer besonders wichtig halte ich auch
unterstuetzungsmassnahmen im umweltbereich - sie dienen den
menschen unmittelbar. wir wissen: mit marktwirtschaftlichen
reformen verbinden sich neue chancen fuer eine saubere und
lebenswerte umwelt.
meine damen und herren, bei der entwicklung der
wirtschaftsbeziehungen zwischen west und ost stehen wir erst
am anfang. es eroeffnen sich enorme moeglichkeiten der
zusammenarbeit, die es im interesse der menschen in
europa und in der welt zu nutzen gilt.
dialog, erfahrungsaustausch und kommerzielle
kooperation in wirtschaft, wissenschaft und technik sowie
umweltschutz werden in anbetracht der zu loesenden aufgaben
immer dringlicher. damit tragen wir gemeinsam zur
voelkerverstaendigung bei.
dabei spielt der ksze-prozess eine wichtige rolle, auch auf
wirtschaftlichem gebiet.
es erscheint daher sinnvoll, seine stabilisierende und
flankierende wirkung nicht nur fuer die dauer der heute
beginnenden konferenz zu nutzen. ich denke hier an eine
institutionalisierung der ksze-aufgaben im bereich des
sogenannten korb ii, das heisst, der zusammenarbeit im bereich
von wirtschaft, wissenschaft und technik sowie umwelt.
denn eines ist offensichtlich: die marktwirtschaftliche
oeffnung des ostens bietet fuer alle beteiligten voellig neue
perspektiven und chancen. sie schafft die voraussetzung
fuer neue formen der zusammenarbeit. diese
wirtschaftspartnerschaft muss dauerhaft organisiert werden.
und ich fuege hinzu: eine solche institutionalisierung muesste
sich an der dynamik des ksze-prozesses orientieren. an
themen fuer diese wirtschafts-partnerschaft waere gewiss
kein mangel.

die fragen koennten reichen von

- den moeglichkeiten der hilfe bei der einfuehrung
marktwirtschaftlicher strukturen

- ueber die vereinheitlichung der geschaeftlichen
rahmenbedingungen

- bis hin zur harmonisierung der
investitionsvoraussetzungen in europa.

den vorteil einer institutionalisierung sehe ich vor allem
darin, dass zielorientiert und ohne zeitliche begrenzung
verhandelt werden koennte.
ich verweise in diesem zusammenhang auf die ergebnisse
der ksze-konferenz ueber vertrauensbildende massnahmen
im militaerischen bereich in stockholm und sowie auf die
folgeveranstaltungen zu korb-i-fragen in wien. diese
sollten uns ermutigen, eine institutionalisierung auch im
bereich wirtschaft ernsthaft anzugehen.
fuer alle diese fragen kommt dem von praesident
gorbatschow schon fuer dieses jahr vorgeschlagenen
ksze-gipfel grundlegende bedeutung zu.
dieser gipfel kann - bei sorgfaeltiger vorbereitung - den
politischen auftakt fuer die inangriffnahme dieser aufgaben
bilden.
auf allen gebieten der ksze - sicherheit, wirtschaftliche
zusammenarbeit, menschenrechte - muss die
gipfelkonferenz neue impulse geben. sie kann aus unserer sicht
eine wichtige etappe bilden auf dem weg zu einer europaeischen
friedensordnung:

- durch vereinbarung politischer konsultationen der
aussenminister mit einem klaren mandat zur vorbereitung des
naechsten gipfeltreffens 1992,

- durch das mandat zur schaffung staendiger lnstitutionen,
vor allem im bereich der sicherheit, aber auch des
umweltschutzes und der wirtschaftlichen zusammenarbeit -
wie ich dies bereits am 28. november vergangenen
jahres vor dem deutschen bundestag angeregt habe.

meine damen und herren, in den neunziger jahren dieses
jahrhunderts, das in seiner ersten haelfte unermessliches
leid ueber die voelker europas gebracht hat, haben wir die
historische chance, das gesicht europas zu veraendern.
die europaeische konfoederation, von der praesident
mitterrand gesprochen hat, die alle staaten unseres kontinents
in gemeinsamen und staendigen institutionen fuer austausch,
frieden und sicherheit zusammenfuehren wuerde, kann
wirklichkeit werden - wenn wir es wollen!
die bundesrepublik deutschland ist bereit, ihren beitrag
dazu zu leisten.