zum Haushaltsgesetz 2024 vor dem Deutschen Bundestag am 31. Januar 2024 in Berlin:
- Bulletin 10-6
- 31. Januar 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist schon gesagt worden: Es ist so weit! Vor zehn Jahren wurde zugesagt, den Rückgang der Verteidigungsausgaben endlich anzuhalten und zu versuchen, uns innerhalb eines Jahrzehnts zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzunähern. Mit dem Haushalt 2024 werden wir eine Nato-Quote von 2,1 Prozent erreichen, und das erstmals seit Jahrzehnten.
Für das Jahr 2024 stehen nach jetziger Planung allein aus dem Einzelplan 14 und dem „Sondervermögen Bundeswehr“ rund 72 Milliarden Euro für unsere Streitkräfte zur Verfügung. Das ist der höchste Wert seit Bestehen der Bundeswehr und ein deutliches Zeichen, dass wir unsere Sicherheit und Verteidigung ernst nehmen. Hierfür möchte ich Ihnen vor allen Dingen im Namen unserer Soldatinnen und Soldaten ausdrücklich danken. Das geht in die richtige Richtung. Es ist das richtige Ergebnis, und es ist dem Ernst der Lage angemessen.
Der menschenverachtende russische Angriffskrieg auf die Ukraine jährt sich in wenigen Wochen zum zweiten Mal. Und ich bin überzeugt: Der imperialistische Anspruch Putins ist noch lange nicht zu Ende. Putin wird auch weiterhin mit allen Mitteln der Gewalt versuchen, den russischen Einfluss zu vergrößern, Grenzen zu verschieben. Wir müssen daher unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde weiter unterstützen.
Ich sage es sehr deutlich: Ich bin die öffentliche Debatte bei dem Thema „Was leistet Deutschland? Was leistet die Bundeswehr?“ manchmal leid. Wir haben es gehört: Wir sind seit geraumer Zeit der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. Wir als Deutschland geben in diesem Jahr schon mehr als die Hälfte hinein, mehr als alle anderen europäischen Nationen zusammen.
Wir leisten Gewaltiges zur Unterstützung der Ukraine. Und was höre ich in Deutschland? Ausschließlich nur noch die Debatte über ein Waffensystem! Als wenn es darauf ankäme, ob wir alles liefern, was geht, oder ob wir uns auch selber noch ein Stück Freiheit und Verantwortung dafür nehmen, diese Entscheidung zu treffen. So oder so: Wir bleiben der stärkste, der zuverlässigste Unterstützer der Ukraine. Und dabei bleibt es.
Gleichzeitig – das ist ein Spagat; das ist eine Herausforderung – müssen wir die Bundeswehr wieder zur zeitgemäßen Landes- und Bündnisverteidigung befähigen, was eben 30 Jahre lang nicht nötig war. Das ist wieder ihr Kernauftrag. Wir brauchen eine Bundeswehr, die stark ist, ja, und die auch abschreckt. Nur so können wir verhindern, dass es zum Äußersten kommt. Krieg verhindern kann nur, wer sich darauf vorbereitet.
Aber das allein reicht nicht. Wir sehen uns derzeit weltweit mit einer Vielzahl von sicherheitspolitischen Umbrüchen und Konflikten konfrontiert, ob in Israel, im Jemen, in Syrien, auf dem Balkan, im Kaukasus oder im Indopazifik. Wir müssen daher auch an anderen Orten dieser Welt Stellung beziehen können mit unseren bewährten Maßnahmen, bestehend aus Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit, aber, wenn nötig, eben auch militärisch.
Ich will nichts beschönigen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Finanzbedarfe der Bundeswehr dauerhaft steigen. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif – heute nicht und erst recht nicht in ein paar Jahren. Eine verlässliche Verteidigung braucht einen verlässlichen, nachhaltigen und, ja, einen steigenden Haushalt. Das Sondervermögen leistet hierfür einen wichtigen ersten Schritt. Wir müssen uns aber schon heute Gedanken darüber machen, wie wir die Bundeswehr auch nach Verausgabung des Sondervermögens auskömmlich ausstatten wollen.
Lieber Herr Gädechens, Sie haben so schön gesagt, ich müsse mal auf den Tisch hauen. Ich erinnere mich gerade an das Auf-den-Tisch-Hauen von Herrn Jung, Herrn von und zu Guttenberg, Herrn de Maizière, Frau von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer. Es hat wahnsinnig viel gebracht. Ich frage die mal, wie sie das gemacht haben! Aber im Zweifel mache ich das lieber mit stetiger, beharrlicher Arbeit, als auf den Tisch zu hauen.
Klar ist auch: Wir brauchen natürlich einen verlässlichen, planbaren Finanzierungsrahmen. Nur ein planbar aufsteigender Verteidigungshaushalt macht den Kraftakt des Sondervermögens wirklich zukunftsfest. Wir brauchen dauerhaft mindestens zwei Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes, um die Bundeswehr auf die Anforderungen der Zeitenwende auszurichten und die Fähigkeitsziele der Nato zu erfüllen.
Das war wohl eher eine Leistung des Bundesfinanzministers, Herr Brandl, und der Einsicht des Partners in der Großen Koalition geschuldet. Im Übrigen wissen wir ja, dass diese Beträge bei Weitem nicht ausgereicht haben. Das wissen Sie besser als wir.
Es braucht diese Ausgaben, um auch in Zukunft wieder „Deterrence and Defense“ glaubhaft gewährleisten zu können. Hierfür möchte ich Sie um Unterstützung bitten, mit Blick auf den vorliegenden Entwurf des Haushalts 2024, aber auch schon mit Blick auf die Eckdaten des Haushaltes 2025 und des Finanzplans bis 2028.
Mir ist aber auch bewusst: Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung dürfen keine Einbahnstraße sein. Wenn Sie uns die Mittel zur Verfügung stellen, dann müssen wir auch liefern; und das tun wir.
Wir haben viel geschafft im vergangenen Jahr. Wir haben dem Haushaltsausschuss 55 25-Millionen-Euro-Vorlagen zugeleitet, so viel wie noch nie in einem Jahr. Ein großer Anteil – über 60 Prozent des Sondervermögens – ist bereits vertraglich gebunden. 2024 beabsichtigen wir, allein aus dem Sondervermögen knapp 20 Milliarden Euro zur Finanzierung wichtiger Beschaffungsvorhaben auszugeben.
Zudem haben wir in dieser Legislaturperiode große Rüstungsvorhaben wie die F-35, die Überschneefahrzeuge der neuen Generation, die Führungsmittelausstattung für Zugsysteme „Infanterist der Zukunft“, weitere Schützenpanzer Puma, schwere Transporthubschrauber des Typs CH-47 und weitere Seefernaufklärer unter Vertrag genommen – alles in kürzester Zeit. Auch das Projekt „Eurofighter für den elektronischer Kampf“ haben wir gestartet und mit Israel einen Regierungskaufvertrag über die Beschaffung des Flugabwehrsystems Arrow nebst Lenkflugkörpern abgeschlossen.
Wir können daher mit Fug und Recht behaupten: Wir setzen die Zeitenwende um. Wir gehen neue Wege. Wir werden schneller. Und wir ändern das, was geändert werden muss. Auch in diesem Jahr werden wir die Zeitenwende mit Leben erfüllen. Ich will auf einige Punkte exemplarisch eingehen:
Personal – wir haben es gehört – ist ein ganz entscheidender Faktor, um unsere Einsatzbereitschaft und damit die Sicherheit der Bundesrepublik und ihrer Partner sicherzustellen. Dazu gehört die Überprüfung unserer Personalbedarfe und natürlich auch die Frage, ob eine allgemeine Dienstpflicht oder eine Wehrpflicht sinnvoll ist oder nicht. Gesellschaftlich müssen wir uns nämlich die Frage stellen, wer dieses Land verteidigen soll, wenn es ernst wird. Das heißt: Wen gewinnen wir für die Bundeswehr, und wie gewährleisten wir die bessere Repräsentanz von Frauen? Klar ist – und das habe ich bereits an anderer Stelle gesagt –: Jedes Modell braucht politische Mehrheiten und eine Gesellschaft, die es trägt. Aber an der Debatte kommen wir nicht vorbei.
Ein weiterer Punkt, den wir uns genau anschauen, sind unsere Strukturen. Wir befinden uns – deswegen geht die Kritik aus der Union vollkommen ins Leere – längst in der Umstrukturierung und sind im Ministerium auf der Zielgeraden. Ab morgen setzen wir die neuen Strukturen mit dem Ziel um, besser und schneller entscheiden zu können. Das sind all die Fragen, die niemand in den letzten 25 Jahren angegangen ist; das will ich noch einmal sehr deutlich sagen.
Jetzt folgen die Strukturen der Streitkräfte und der zivilen Bereiche. Ich will noch einmal betonen – damit alle wissen, worum es geht –: Klarer Maßstab ist die zukunftsfeste Ausrichtung der Bundeswehr auf ihre Aufgaben, und das heißt vor allem wieder: Landes- und Bündnisverteidigung.
Ausreichend Personal und gute Strukturen reichen aber nicht aus. Die Soldatinnen und Soldaten haben einen Anspruch auf moderne Ausrüstung und voll ausgestattete Verbände. Wir arbeiten also weiter daran, die Beschaffung intern wie extern zu optimieren und zu beschleunigen. Wichtig ist dabei, dass alle Elemente der Beschaffungskette zusammenwirken: von der Truppe bis zur Industrie.
Klar ist auch: Unsere Sicherheits- und Verteidigungsindustrie muss ihre Produktionskapazitäten hochfahren. Dazu braucht sie aber Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Wir müssen daher gemeinsam mit der Industrie Rahmenbedingungen schaffen, die eine schnelle Erhöhung der Kapazitäten ermöglichen, etwa mit langfristigen, verbindlichen Mindestabnahmemengen, international gebündelten Beschaffungen mit unseren Partnern und einer nachhaltigen Finanzierung.
Eines ist gewiss: Die Zeitenwende wird uns noch lange begleiten. Und wir können diesen Weg nur gemeinsam gehen: politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Dieser Haushaltsentwurf ist ein klares Zeichen dafür, dass wir die Gestaltung der Zeitenwende sehr, sehr ernst nehmen.
Wir zeigen: Wir übernehmen Verantwortung für unsere Sicherheit, und wir nehmen unsere Rolle als großer Nato-Partner wahr. Ich bitte Sie daher: Unterstützen Sie diesen Haushaltsentwurf! Es geht um die Zukunft unserer Wehrhaftigkeit und unserer Verteidigungsfähigkeit. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit nach innen wie nach außen.
Vielen Dank.