zum Nato-Gipfel am 24. und 25. Juni in Den Haag und zum Europäischen Rat am 26. und 27. Juni 2025 in Brüssel vor dem Deutschen Bundestag am 24. Juni 2025 in Berlin:
- Bulletin 50-1
- 24. Juni 2025
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Man gewöhnt sich nie an Gräuel“, so hat es vor einigen Jahren die französische Kriegsfotografin Christine Spengler formuliert. Wir können, ja wir müssen diesen Satz als Auftrag verstehen: Wir dürfen uns nie an Kriegsgräuel gewöhnen.
Dieser Auftrag ist mit der Gründung der Europäischen Union für uns Europäer weitgehend Wirklichkeit geworden. Wie aus einer anderen Zeit erscheinen uns daher der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der barbarische Angriff der Hamas auf Israel und nicht zuletzt das iranische Terrorregime und sein vor allem gegen Israel gerichtetes Nuklearwaffenprogramm.
Doch diese Ereignisse sind nun die neue Wirklichkeit in der Welt, in der wir leben. Wir müssen hinschauen. Wir müssen aus diesen Verbrechen und Herausforderungen lernen. Wir müssen uns ihnen stellen. Wir müssen aus dieser neuen Wirklichkeit die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Denn nur so können wir Freiheit und Frieden wenigstens in Deutschland und in Europa bewahren.
Denn die geopolitischen Erschütterungen der Gegenwart betreffen uns in Deutschland nicht nur indirekt. Wir haben es mit einer neuen Realität zu tun, die unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand direkt berührt und infrage stellt. Und wir stehen als Bundesrepublik Deutschland vor der Aufgabe, unsere Interessen in dieser neuen Realität aktiv und unmittelbar zu vertreten und die geopolitische Umgebung, in der wir leben, nach Kräften selbst mitzugestalten.
Wir haben dazu alle Möglichkeiten, weil wir in den vergangenen Jahrzehnten Bündnisse eingegangen sind und sie gepflegt haben, weil wir Formate der europäischen und der internationalen Zusammenarbeit gestärkt haben. Deutschland steht nicht allein da. Wir sind Teil und Akteur in einem dichten Netz von Partnerschaften und Allianzen.
Ich spreche in diesem Zusammenhang zuerst und vor allem von der Europäischen Union, aber auch von der Nato und den G7. Dass wir in allen drei Formaten innerhalb von nur zwei Wochen zu außergewöhnlich wichtigen Treffen zusammengekommen sind, das ist Ausdruck der großen globalen Herausforderungen und zugleich Ausdruck der Chancen für Deutschland und für Europa, gemeinsam mit unseren Partnern die neue Realität zum Besseren zu verändern.
Aus diesen Bündnissen heraus können wir als Bundesrepublik Deutschland mitgestalten, wie sich die Welt in den nächsten Jahren entwickelt. Es gibt dafür aber eine doppelte Voraussetzung. Wir brauchen zugleich Stärke und Verlässlichkeit – nach innen und nach außen.
Stärke und Verlässlichkeit, das sind genau die Zielvorgaben, mit denen wir uns als neue deutsche Bundesregierung in den vergangenen Wochen an die Arbeit gemacht haben. Wir haben seitdem gezeigt: Wir sind gestaltungsfähig im Inneren. Wir haben ein Investitionspaket für Verteidigung und Infrastruktur auf den Weg gebracht. Wir haben in Rekordzeit ein Sofortprogramm für die deutsche Wirtschaft aufgesetzt. Wir haben die Migrationswende eingeleitet. Und wir haben unseren internationalen Partnern gezeigt: Sie können sich auf uns verlassen. Deutschland ist wieder zurück auf der europäischen und der internationalen Bühne. Diese neue Entschlossenheit wird in der Welt registriert und von unseren Partnern und Freunden sehr begrüßt.
Der G7-Gipfel war eine erste willkommene Gelegenheit zum Austausch über die großen Fragen: über die Lage der Weltwirtschaft, über Rohstoffpartnerschaften, über die Kriege im Nahen Osten und in Osteuropa, über Migration und schließlich über die Resilienz unserer Demokratien. Das Zusammentreffen hat verdeutlicht: Wir stehen als sieben große Industrienationen der Welt weiterhin zusammen. In allen wesentlichen Fragen bestand in diesem Kreis Konsens.
Das Gipfeltreffen der G7 stand in diesem Jahr ganz besonders im Zeichen der aktuellen Eskalation des Konfliktes zwischen Israel und dem Iran. Die Position der Bundesregierung dazu ist klar: Israel hat ein Recht darauf, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen. Teil der Staatsräson des Mullah-Regimes ist seit Jahren die Auslöschung des Staates Israel. Unsere Staatsräson ist die Verteidigung des Staates Israel in seiner Existenz. Das ist der Unterschied. Und diesen Unterschied werde ich auch in Zukunft klar und eindeutig beim Wort benennen. Am ersten Tag des G7-Gipfels haben wir uns auf eine genau dahin gehende gemeinsame Erklärung verständigt. Das war und das ist ein außerordentlich ermutigendes Zeichen und Signal dieses Gipfels.
Ohne den Iran wäre der 7. Oktober 2023 in Israel nicht möglich gewesen. Hamas, Hisbollah und Huthi-Rebellen sind die Terrororganisationen, die vom Iran finanziert und ausgestattet werden. Die iranische Staatsführung destabilisiert den gesamten Nahen und Mittleren Osten seit Jahrzehnten.
Auf die Gefährlichkeit des Nuklearprogramms hat die unabhängige Internationale Atomenergie-Organisation in einem alarmierenden Bericht gerade erst vor wenigen Tagen erneut hingewiesen. Für Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft dieser Organisationen bleibt daher handlungsleitend: Iran darf keine Nuklearwaffen besitzen.
Dagegen hat die iranische Staatsführung erst in den letzten Tagen erneut selbst angekündigt, die Urananreicherung auch über 60 Prozent hinaus fortzusetzen. Diese Ankündigung, die tiefe Verbunkerung der Zentrifugen, die Beschränkung von Zugängen für die Beauftragten der Internationalen Atomenergie-Agentur und die beständige Täuschung der Öffentlichkeit zeigen, wie ernst es dem Iran mit dem Atomwaffenprogramm tatsächlich war und offensichtlich ist.
Deswegen will ich es auch von dieser Stelle aus noch einmal sagen: Wir hoffen heute, dass das Vorgehen Israels und der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Tagen den Iran dauerhaft davon abbringt, seinem zerstörerischen Ziel noch näher zu kommen.
Nicht nur Israel, auch Europa und die Welt insgesamt sind von diesem iranischen Nuklearprogramm bedroht. Gleichzeitig gilt aber auch: Der Konflikt mit dem Iran darf nicht die gesamte Region in einen Krieg stürzen. Deshalb unternehmen wir als Bundesregierung mit unseren Möglichkeiten auch alle diplomatischen Anstrengungen, um genau dies zu verhindern.
Den Aufruf des amerikanischen Präsidenten zu einem Waffenstillstand begrüßen wir daher. Gelingt dieser Waffenstillstand nach den entscheidenden Militärschlägen der USA und der israelischen Armee gegen die iranischen Nuklearanlagen in Fordo, Natans und Isfahan, dann ist eine sehr gute Entwicklung, die den Nahen Osten und die Welt sicherer machen kann, möglich.
Wir rufen nun sowohl Iran als auch Israel dazu auf, diesem Aufruf des amerikanischen Präsidenten zu folgen. Katar und anderen Staaten der Region danken wir für ihre Besonnenheit in den dramatischen letzten Tagen und Stunden. Mit den amerikanischen und europäischen Partnern werden wir am Rand des heutigen Nato-Gipfels in Den Haag beraten, wie die Lage nun weiter stabilisiert werden kann.
Über die Zuspitzung um das iranische Nuklearprogramm verlieren wir nicht das größere Bild aus dem Blick. Wir erlauben uns, kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will, und wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an, vor allem mit den Frauen, den Kindern und den Älteren. Jetzt, gerade heute und in diesen Tagen, ist auch der Moment gekommen, einen Waffenstillstand für Gaza abzuschließen.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang dem Bundesaußenminister ein besonders herzliches Wort des Dankes zu sagen für seine intensiven diplomatischen Bemühungen in den letzten Tagen und Wochen, zusammen vor allem und immer wieder mit den Außenministern Frankreichs und des Vereinigten Königreichs. Hier hat Europa in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika Geschlossenheit und diplomatische Fähigkeit gezeigt. Ich möchte unserem Außenminister auch danken für seine klare Haltung in Sachen Assoziierungsabkommen mit Israel. Ein Außer-Kraft-Setzen oder gar eine Kündigung dieses Abkommens kommt mit der Bundesregierung nicht infrage.
Die gewaltsame Annexion der Krim im Jahr 2014 war der Grund dafür, dass Russland aus dem Format der G7 ausgeschlossen worden ist. Putin zeigt bis heute täglich mit seinen Kriegsverbrechen in der Ukraine, dass ihm gemeinsame Regeln gleichgültig sind – auch dadurch, dass er im Windschatten der Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten und trotz aller diplomatischen Anstrengungen in den vergangenen Tagen die Luftangriffe auf ukrainische Städte noch einmal verschärft hat.
Es gibt im Kreis der G7 den Konsens, dass dieser Krieg schnellstmöglich enden muss. Die Ukraine hat sich zu einem sofortigen Waffenstillstand ohne jede Vorbedingung bereit erklärt. Russland hat sich dem verweigert, obwohl wir mit unseren internationalen Partnern in den vergangenen Wochen alles versucht haben, um Russland an den Verhandlungstisch zu bewegen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal sagen – gerichtet auch an alle, die immer wieder behaupten, die diplomatischen Mittel würden in dieser Sache nicht ausgeschöpft –: Ein echter, ein dauerhafter Frieden setzt Friedensbereitschaft von allen Seiten voraus.
Russland hat dagegen mit seiner neuen Welle der Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung auf barbarische Weise zu verstehen gegeben, dass es diese Friedensbereitschaft derzeit nicht hat. Im Gegenteil: Der russische Präsident hat vor einigen Tagen in einer Rede auf dem jährlichen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg noch einmal erklärt, Russen und Ukrainer seien ein Volk und – wörtlich –: „Die gesamte Ukraine gehört uns.“
In dieser Situation ist es nicht die friedensschaffende Lösung, der Aggression nachzugeben und das eigene Land aufzugeben. Das ist nicht der Frieden, den wir wollen. Und das ist nicht der Frieden, den die Ukraine will.
Echte Friedensarbeit bedeutet, jetzt die mühsame Arbeit an den Bedingungen für einen echten Frieden fortzusetzen. Und genau das tun wir in der Europäischen Union im Schulterschluss mit der Ukraine. Putin versteht nur die Sprache der Stärke; und darum heißt Friedensarbeit, jetzt auch in dieser Sprache zu sprechen. In diesem Zeichen steht das 18. Sanktionspaket gegen Russland, das wir beim anstehenden Europäischen Rat in Brüssel auf den Weg bringen wollen. Es wird insbesondere die Schattenflotte treffen, mit der Putin seine Kriegsmaschinerie im Augenblick finanziert und die in der Ostsee immer aggressiver ihr Unwesen treibt.
Ich habe beim G7-Gipfel und bei meinem vorangegangenen Besuch in Washington ausdrücklich dafür geworben, dass auch die USA ihre Sanktionen gegen Russland noch einmal verstärken. Das würde das von US-Präsident Donald Trump geforderte Ende des Tötens befördern, das wir alle anstreben. Ich bleibe zuversichtlich, dass die amerikanische Regierung diesen Weg auch mitgeht.
Den Frieden in Europa für die kommenden Jahrzehnte und für kommende Generationen zu sichern: Darum geht es, wenn wir heute Abend und morgen in Den Haag zum Nato-Gipfel zusammenkommen. Man darf diesen Gipfel ohne Übertreibung historisch nennen. Wir werden beschließen, künftig deutlich mehr in unsere Sicherheit zu investieren. Wir tun das nicht, wie vereinzelt behauptet wird, um den USA und ihrem Präsidenten einen Gefallen zu tun. Wir tun das aus eigener Anschauung und Überzeugung, weil vor allem Russland die Sicherheit und die Freiheit des gesamten euroatlantischen Raums aktiv und aggressiv bedroht, weil wir befürchten müssen, dass Russland den Krieg über die Ukraine hinaus fortsetzen wird. Deshalb tun wir das. Wir tun das in der geteilten Überzeugung: Wir müssen gemeinsam so stark sein, dass es niemand wagen kann, uns anzugreifen. Deshalb ist es eine historische Situation, in der wir uns befinden.
In dieser Situation muss auch Deutschland Verantwortung übernehmen, und das tun wir. Wir werden einen gerechten Anteil der Bündnisarbeit leisten und übernehmen. Das heißt, wir erfüllen die Fähigkeitsziele, auf die wir uns mit unseren Bündnispartnern verständigen. Auch deshalb haben wir vor wenigen Monaten hier im Haus unser Grundgesetz geändert. Wir werden die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen, wie es unsere Partner von uns zu Recht erwarten angesichts unserer Größe, unserer Leistungskraft, unserer geografischen Lage.
Wir werden an der Ostflanke der Nato unsere Verbündeten unmittelbar unterstützen. In diesem Sinne haben der Bundesverteidigungsminister und ich Anfang April die ersten Teile der neuen Brigade 45 in Litauen in den Dienst gestellt. Ich habe bei dem Aufstellungsappell in Vilnius gesagt, und ich sage es von dieser Stelle aus heute noch einmal: Viel zu lange haben wir in Deutschland die Warnungen unserer baltischen Nachbarn vor Russlands imperialistischer Politik nicht hören wollen. Wir haben diesen Irrtum erkannt. Hinter diese Erkenntnis gibt es keinen Weg zurück. Deshalb wiederhole ich hier noch einmal: Die Sicherheit von Litauen ist auch die Sicherheit von Deutschland.
Ich werde am Mittwoch vom Nato-Gipfel zum Europäischen Rat in Brüssel weiterreisen. Wir werden dort mit unseren europäischen Partnern zum einen darüber sprechen, wie wir die neuen Mittel für Verteidigung schnellstmöglich, bestmöglich und effizient gemeinsam einsetzen. Die europäische Stärke und Gestaltungskraft hängen aber auch an unserer Wirtschaftskraft. Das ist die eigentlich gute Nachricht für uns; denn wir haben mit dem europäischen Binnenmarkt einen Wachstumsmarkt von weiterem großen Potenzial. Dieser europäische Binnenmarkt ist unsere globale Versicherung gegen Schocks und gegen externe Unsicherheit.
Eine zentrale Aufgabe für uns in Europa in den nächsten Jahren wird es darum sein, diesen Binnenmarkt weiter zu vertiefen und gleichzeitig eine ambitionierte gemeinsame europäische Handelspolitik voranzutreiben. Das wird – neben dem gemeinsamen Ziel einer gesamteuropäischen Migrationswende – das dritte zentrale Thema sein, zu dem wir im Europäischen Rat diskutieren: Wie stellen wir die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft sicher? Lassen Sie mich gleich ganz grundsätzlich dazu sagen: Mit dieser Bundesregierung wird Deutschland in Brüssel zu einer Stimme für eine zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Wirtschaft.
Für uns ist klar: Wir brauchen in Europa Fortschritte bei der sogenannten Spar- und Investitionsunion; wir brauchen eine stärker integrierte Energieinfrastruktur. Wir brauchen aber auch einen umfassenden Bürokratierückbau, um die Wirtschaft und um Innovationen von staatlichen Fesseln zu befreien. Ich will es noch deutlicher sagen: Wir brauchen in Europa deutlich weniger Regulierung.
Die Europäische Kommission hat mit der Vorlage ihrer sogenannten Omnibuspakete nun einen Schritt in Richtung Vereinfachung und Beschleunigung von bestehenden Regelungen und Verfahren geleistet. Das ist ein erster Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen. Dafür werde ich mich beim Europäischen Rat einsetzen. Vor allem aber werde ich darauf drängen, dass die Gesetzgebung der Zukunft schon im Zeichen dieses Mentalitätswechsels steht. Wir brauchen eine neue Kultur der Zurückhaltung bei europäischer Regulierung.
Das ist übrigens auch eine Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam eine erfolgreiche Handelspolitik bestreiten können. Denn wir können nicht erwarten, dass sich die ganze Welt nach unseren komplexen und europäischen Standards und Regeln ausrichtet. Es ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, dass wir uns noch breiter aufstellen im Hinblick auf unsere Handelspartnerschaften; es ist aber auch eine Schlüsselfrage strategischer Resilienz. Es wird zukunftsentscheidend sein, dass wir sie gut und dass wir sie zeitnah beantworten. Das heißt im Klartext, so viele neue Handelsabkommen wie möglich abzuschließen – und zwar möglichst als reine Handelsverträge, die nur der Zustimmung der europäischen Institutionen bedürfen, nicht mehr der jahrelangen zermürbenden Prozesse – wie leider auch in Deutschland immer wieder geschehen – in den nationalen Parlamenten.
Vor diesem Hintergrund: Sie wissen, dass die EU-Kommission im Augenblick mit der amerikanischen Regierung über eine Lösung des Zollkonflikts verhandelt. Die Bundesregierung ist mit allen europäischen Partnern darin sehr einig: Zölle nutzen niemandem, sie schaden allen. Es liegt daher in unser aller Interesse, dass der Handelskonflikt mit den USA nicht weiter eskaliert. Ich weiß, dass die Europäische Kommission in diesem Sinne mit großer Umsicht verhandelt, und sie hat dabei unsere volle Unterstützung. Ich persönlich hoffe, dass wir bis Anfang Juli mit den USA zu einer Lösung kommen. Sollte das allerdings nicht möglich sein, sind wir auch darauf vorbereitet – nämlich mit einer Reihe von Optionen. Die EU kann und sie wird ihre Interessen verteidigen. Mein Eindruck aus den Gesprächen mit dem amerikanischen Präsidenten ist aber: Die USA haben auch in wirtschaftlichen Fragen ein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit uns, mit Europa und vor allem mit uns in Deutschland.
Auch für die nationale Ebene gilt: Unsere Wirtschaftskraft schafft uns erst Gestaltungskraft und Verhandlungsstärke. Sie verschafft uns erst die Mittel, die wir brauchen, um die Sicherheit – auch und gerade die soziale Sicherheit – zu finanzieren, die unser Leben in Freiheit ermöglicht. Schon insofern folgt für verantwortungsvolle Politik und folgt für diese Bundesregierung, dass die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft eine Priorität sein muss. Darum gilt für unsere Bundesregierung, für diese Bundesregierung: Wir wollen, dass Deutschland ein modernes Industrieland bleibt, in dem es allen Menschen und Generationen Freude macht, zu arbeiten.
Wir werden daher jetzt sehr schnell und konsequent unser Sofortprogramm umsetzen, das wir im Kabinett bereits vereinbart haben. Mit den Ministerpräsidenten der Länder sind wir auf dem Weg zu einer Einigung. Wir werden die Rahmenbedingungen für private und staatliche Investitionen verbessern, damit vor allem die Unternehmen wieder mehr in Deutschland investieren.
Wir werden parallel schnellstmöglich und ambitioniert die strukturellen Wachstumsbremsen lösen, die unser Land hemmen. Das sind die zu hohen Energiepreise und vor allem die Bürokratielast. Unsere Energiepolitik wird dem Anspruch folgen: bezahlbar, sicher, technologieoffen.
Wir leiten einen grundlegenden Mentalitätswechsel bei der Regulierung ein, auch auf nationaler Ebene. Wir hören auf mit der Kultur des Misstrauens, die gegenüber den schwarzen Schafen nichts hilft, aber allen anderen nur Steine in den Weg legt. Vor diesem Hintergrund ist es ein sehr gutes Zeichen, dass die Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft zuletzt deutlich nach oben korrigiert worden sind. In diese Richtung muss es jetzt aber weitergehen.
Die nächste große Priorität für die Bundesregierung wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Menschen in Deutschland insgesamt wieder erfahren können, dass sich ihr Einsatz auszahlt, dass das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit wieder gilt. In diesem Sinne planen wir Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und in diesem Sinne arbeitet das Bundesarbeitsministerium in der Bundesregierung zum Beispiel am Ersatz des Bürgergeldes durch eine neue Grundsicherung.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Die vergangenen Wochen waren in großen Teilen der Welt erneut Wochen der Krise, des Umbruchs, auch der Gewalt: in der Ukraine, im Iran, in Israel, in Gaza. Die vergangenen Wochen haben einmal mehr gezeigt: Wir können nicht damit rechnen, dass die Welt um uns herum alsbald wieder dauerhaft zu ruhigeren Zeiten zurückkehrt.
Aber wir können sehr wohl Einfluss darauf nehmen, wie diese neue Normalität in unserem Alltag aussieht. Wir können dafür sorgen, dass sie wenigstens für uns einhergeht mit Freiheit, mit Wohlstand und mit Frieden. Die gesamte Bundesregierung widmet sich mit ganzer Kraft genau diesem Ziel.
In dieser Hinsicht haben die vergangenen Wochen mich insgesamt sogar ein wenig zuversichtlich gestimmt, weil sie gezeigt haben: Wir sind als Land dieser Aufgabe gewachsen, und wir können die Probleme aus eigener Kraft heraus bewältigen.
Die Voraussetzung dafür ist – dies will ich zum Abschluss noch einmal betonen –, dass wir stark sind: von innen heraus und nach außen als Gesellschaft, die zusammenhält und die weiß, was auf dem Spiel steht, und als Wirtschaftsstandort, der Investitionen ermöglicht, der Innovation, Wachstum und Mehrwert schafft.
Ich kann für die Bundesregierung versprechen: Wir arbeiten in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren weiter sehr hart dafür, dass Deutschland zu seiner Stärke zurückfindet, eben nach innen wie nach außen. Genau mit diesem Leitmotiv werde ich Deutschland beim anstehenden Nato-Gipfel in Den Haag und beim Europäischen Rat in Brüssel vertreten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.