Rede des Bundesministers der Finanzen, Christian Lindner,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was hat uns der Auftakt der Haushaltsberatungen in dieser Sitzungswoche gezeigt? Wir haben zum einen die größte Oppositionsfraktion von CDU und CSU. Hier haben Herr Middelberg, Herr Merz und andere ihre Argumentation überwiegend darauf aufgebaut, zu schauen, welcher Rednerin, welchem Redner von welcher der Koalitionsfraktionen wie applaudiert worden ist. Glauben Sie wirklich, dass Sie damit dem Ernst der Lage gerecht werden?

Wir haben eine zu hohe Inflation, wir haben eine schwächelnde Konjunktur, und wir haben einen strukturellen Reformbedarf, der nicht erst seit gestern besteht. In dieser herausfordernden Situation kann man nicht Oppositionspolitik mit dem Applausometer machen. Es wäre Ihre Aufgabe, gute alternative Konzepte vorzuschlagen. Diese Konzepte bleiben Sie leider schuldig.

Wenn man das addiert, was Sie hier in dieser Woche dargestellt haben – Kürzungen, die Sie ablehnen, wie gerade in der Debatte zum Etat des Arbeits- und Sozialministeriums, Mittelverstärkungen, die Sie fordern, und das alles kombiniert mit breitflächigen Steuerentlastungen –: Für vieles von dem, was Sie sagen, habe ich auch Sympathie. Nur, der Haushalt hat einen besonderen Charakter. Man kann jeden Euro nur ein Mal ausgeben oder auf den Euro verzichten. Sie hingegen versuchen, jeden Euro ein vielfaches Mal auszugeben oder auf Einnahmen zu verzichten, und zwar in einer zweistelligen Milliarden-Euro-Größenordnung. Sie müssen sich ehrlich machen in Ihrer Haushaltspolitik.

Der Bundeskanzler hat in dieser Sitzungswoche einen Deutschlandpakt vorgeschlagen. Das war für viele überraschend, aber es ist aus meiner Sicht eine richtige und gute Initiative. Wir müssen, wie er gesagt hat, bei vielen Dingen, die wir gemeinsam ja auch als erforderlich erachten, tatsächlich Tempo machen. Aus der Opposition wurde dann der Vorwurf geäußert, das sei nur PR. Das ist überhaupt nicht nur Öffentlichkeitsarbeit, sondern dahinter steckt ein wirklich substanzieller Kern.

Nehmen Sie doch alleine das Wachstumschancengesetz, von dem ja auch die CDU/CSU in Gestalt des Fraktionsvorsitzenden Merz gesagt hat, das sei eine gute Initiative; wir müssten jetzt Investitionen stärken, wir müssten die Forschung verstärken, wir müssten den Mittelstand entlasten. Er hat für die CDU/CSU gesagt: Wir werden daran konstruktiv mitarbeiten. – Aber es sind doch von der Union geführte Länder wie Schleswig-Holstein und Berlin, die jetzt schon eine Blockade im Bundesrat ankündigen. Und darum geht es beim Deutschlandpakt: dass auch die Länder das mit unterstützen, was nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern auch die CDU/CSU für richtig halten. Das ist der Kern des Deutschlandpakts.

Wir haben eine intensive Diskussion über die Sondervermögen geführt und werden sie fortsetzen. Ich warne davor, dieses Instrument pauschal zu dämonisieren; wir brauchen es. Beispielsweise der Klima- und Transformationsfonds hat ja eigene Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, die nicht mit dem Gesamtdeckungsprinzip im allgemeinen Haushalt untergehen sollen, sondern sie sollen auch für transformative Investitionen eingesetzt werden, die letztlich dazu beitragen, insgesamt weniger CO2 zu emittieren.

Also bitte nicht pauschal dieses Instrument kritisieren, und bitte verstärken Sie nicht die Erzählung, der Haushalt sei intransparent! Sie im Haushaltsausschuss und wir im Deutschen Bundestag beraten doch gemeinsam die Wirtschaftspläne dieser Sondervermögen. Die werden doch nicht von der Regierung exklusiv klandestin aufgestellt und unter Verschluss gehalten.

Darüber wird mit Ihnen gemeinsam beraten und entschieden. Die sind ein Instrument unserer Haushaltsführung, aber das ist kein Instrument der Verschleierung der Finanzlage. Im Übrigen haben wir starke Verbündete, wenn es darum geht, die haushaltspolitische Trendwende nachzuweisen. Die starken Verbündeten sind die nüchternen Zahlen – mögen Sie sprechen über Milliarden hier und Sondervermögen dort. Die nüchternen Zahlen in den nächsten Jahren werden es zeigen: Nach Jahren einer ab 2019 steigenden Staatsschuldenquote in Deutschland wird jetzt in jedem Jahr die Schuldenquote unseres Landes sinken, je nach wirtschaftlicher Entwicklung schneller; aber die Tendenz ist klar.

Jetzt stehen uns intensive Wochen bevor, nicht nur wegen dessen, was vorliegt, sondern auch wegen all dessen, was noch eingearbeitet werden muss. Es gibt ja Veränderungen, die wir ins parlamentarische Verfahren einbringen. Ich nenne beispielsweise die Anpassung der Regelsätze des Bürgergeldes zum 1. Januar des kommenden Jahres. Es haben sich die Löhne und Preise anders entwickelt als in der Frühjahrsprognose vorhergesehen, und deshalb wird das Bürgergeld angepasst werden müssen nach einem Verfahren, das unverändert ist und das Sie seinerzeit auch gebilligt haben. Das ist eine Größenordnung von 1,1 Milliarden Euro.

Aber was für die Bezieher sozialer Leistungen recht ist, das muss für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch billig sein. Deshalb werden wir im Zuge dieser Haushaltsberatungen auch darüber sprechen müssen, die Anpassung des Existenzminimums zu übertragen auf das Steuerrecht. Zum 1. Januar 2024 muss deshalb der steuerfreie Grundbetrag um 180 Euro auf 11.784 Euro steigen und der Kinderfreibetrag um 228 Euro auf 6 612 Euro.

Das sind zusätzliche steuerliche Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger in einer Größenordnung von rund 1,94 Milliarden Euro – 1,94 Milliarden Euro zusätzliche steuerliche Entlastung, zu der wir aus verfassungsrechtlichen Gründen ja auch veranlasst sind. Und dies ist auch gut und richtig; denn zwischen diejenigen, die Sozialleistungen beziehen, und diejenigen, die diesen Staat mit ihrer Arbeit finanzieren, darf kein Keil getrieben werden, und auch dafür steht diese Koalition.