in der Aktuellen Stunde zur Krise auf dem Wohnungsmarkt vor dem Deutschen Bundestag am 8. Februar 2023 in Berlin:
- Bulletin 17-4
- 8. Februar 2023
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Ich danke der Union ganz ausdrücklich für diese Aktuelle Stunde: eine gute Gelegenheit zum Austausch, welche Medizin es für die Krise am Wohnungsmarkt braucht, und auch eine gute Alternative zu langen Debatten über Insekten im Essen.
Die Krise am Wohnungsmarkt: Welche Medizin hilft da? Ich bin sehr überzeugt davon: Geld alleine ist nicht die richtige Medizin. Schauen wir zurück: Im Jahr 2021 wurden weniger als 300.000 Wohnungen fertiggestellt. 2021, das war die Zeit, als wir niedrigste Zinsen hatten, als wir eine milliardenschwere Bundesförderung für effiziente Gebäude hatten, als wir noch keinen furchtbaren Krieg Putins in der Ukraine hatten und Hunderttausende Bauprojekte genehmigt waren und in der Warteschlange standen.
Also, das ist ganz klar: Viel Geld hilft nicht viel. Das ist ein Punkt, der uns zum Nachdenken bringen muss. Denn es gibt sogar Preiseffekte: Wenn ich in einen begrenzten Markt mit einer begrenzten Kapazität Milliardenförderung reingieße, dann führt das dazu, dass die Preisspirale für alle, die bauen wollen, angetrieben wird. In jedem Fall gilt aber: Geld alleine baut keine Häuser. Vielmehr gibt es auch tiefer liegende Gründe, warum in Deutschland nicht schneller mehr Wohnungen gebaut werden. Über 800.000 Wohnungen fertig geplant im Bauüberhang, das ist doch nicht von alleine gekommen, und das ist auch nicht erst seit gestern da.
Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag bescheinigt der Baubranche eine verhältnismäßig niedrige Produktivitätsentwicklung und eine geringe Innovationstätigkeit. Dort heißt es: „Die Art und Weise, wie Bauwerke errichtet werden, ist in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen gleichgeblieben. Mauerwerk und Beton bilden nach wie vor die hauptsächlichen Baustoffe.“ Und: „Auch an der auf den Baustellen eingesetzten Maschinentechnik hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren kaum Grundlegendes geändert.“
Ich frage Sie: Fällt Ihnen noch eine andere Branche ein, wo es so ist, dass sich in den letzten 15 Jahren die Produktionstechnik nicht verändert hat? Nein! In der Baubranche verharrte die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigenstunde in den Jahren von 2000 bis 2017 bei circa 25 Euro. In der Gesamtindustrie hingegen stieg die Arbeitseffizienz bis 2017 jährlich um durchschnittlich ein Prozent auf schließlich 42,50 Euro – 65 Prozent über dem Wert der Baubranche. Wir haben ein massives Produktivitätsproblem.
Natürlich ist der Bausektor etwas ganz Besonderes, den man nicht so einfach eins zu eins mit jedem anderen Wirtschaftszweig vergleichen kann. Ich bin sehr viel in der Branche in Deutschland unterwegs – das wissen Sie –, und ich weiß, wie gut und hart die Menschen dort arbeiten, insbesondere diejenigen auf den Baustellen. Sie verdienen unseren größten Respekt.
Deshalb bedauere ich, dass die vielen Milliarden der letzten Jahre in Gießkannenförderung und eben nicht in die Innovationsförderung gegangen sind. Wir brauchen mehr Bauforschung, zum Beispiel für neue Ideen und Lösungsansätze, etwa 3-D-Druck. Dies ist der Schlüssel zur Zukunft in jeder Branche. Ich bin sehr froh, dass das aktuelle Bildungs- und Forschungsministerium da sehr offen auf unsere Wünsche reagiert und sagt: Wir sehen ebenfalls die Notwendigkeit, den eklatant niedrigen Anteil der Bauforschung zu erhöhen.
Wir stärken serielle beziehungsweise modulare Verfahren, um beim Bauen und Sanieren effizienter und schneller zu werden; denn so, wie wir es jetzt machen – manuell –, werden wir auch die notwendige Sanierungsrate bei Weitem nicht erreichen können. Wir brauchen Typengenehmigungen, und wir setzen natürlich auf nachwachsende Baustoffe wie Holz mit der großen Holzbauinitiative, die ich zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium vorbereite.
Wir werden auch im Baubereich die Planungs- und Genehmigungsprozesse deutlich beschleunigen. Das betrifft zum einen den Ausbau von Dachgeschossen. Hierdurch ist es möglich, flächensparend neue Wohnungen entstehen zu lassen, übrigens auch durch seriellen Ständerbau auf dem Dach.
Auch die FDP hat sich ja gestern mit der Frage beschäftigt: Was kann man noch machen? Viele Grüße auch an Herrn Föst; er ist heute leider erkrankt. Aber er ist ein großer Experte, und er weiß – der Digitalisierungindex des Bundeswirtschaftsministeriums hat es uns deutlich ins Hausaufgabenheft geschrieben –: Wir müssen in der Baubranche mehr digitalisieren. Das ist eine Priorität, die wir nach ganz oben setzen. Sie wissen: Diese Bundesregierung hat sich den Onlinezugangsgesetzkatalog angeguckt und ihn vom Kopf auf die Füße gestellt. Die Verwaltungsleistungen, die häufig gebraucht werden, nämlich der Wohngeldantrag und der Bauantrag, werden zuerst digitalisiert und manch Abseitiges dann erst zum Schluss.
Das ist einer der Punkte, wo ich Ihnen zusagen kann: Der Bund nimmt sehr viel Geld in die Hand, um das Land Mecklenburg-Vorpommern dabei zu unterstützen, noch dieses Jahr die EfA-Lösung, die „Einer für Alle“-Anträge möglich zu machen, damit alle Bundesländer in der Lage sind, dann digitale Bauanträge entgegenzunehmen.
Ein Punkt, der heute im Bauausschuss diskutiert wurde – ich finde es toll, dass das jetzt öffentlich passiert, dass jeder zugucken kann –, ist die Frage der Wohngeldreform; denn es sind noch mal Milliarden des Bundes in bezahlbares Wohnen für bis zu 4,5 Millionen Menschen geflossen. Und was mussten wir uns alles anhören! Natürlich, die Vorbereitungszeit war kurz; aber das haben wir nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern weil die Menschen das Geld brauchen, weil die Krise jetzt da ist. Die Wohngeldreform läuft, und ich danke noch mal ganz ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den örtlichen Wohngeldstellen. Die hatten in der Tat einen Riesenberg zu wuppen; aber allen Unkenrufen zum Trotz ist es gut angelaufen, und die Gelder fließen.
Ein Punkt, der von Anfang an wichtig war, ist, dass wir dem sozialen Wohnungsbau, der über Jahrzehnte die Neubauförderung der Republik geprägt hat, wieder diesen Stellenwert geben, und zwar mit 14,5 Milliarden Euro; dieses Jahr sind es allein mehr als zwei Milliarden Euro. Und weil Ulrich Lange sich immer freut, wenn ich Eduard Oswald zitiere: Als Eduard Oswald Bauminister war, haben Bund und Länder zusammen nicht so viel Geld ausgegeben wie jetzt der Bund alleine. Das führt natürlich zu Folgereaktionen in den Ländern. Damit man mir nicht vorwirft, SPD-Wahlkampf in den Tagen vor der Berlin-Wahl zu machen, nehme ich mal Hessen; das ist unverdächtig.
Hessen hat jetzt angekündigt, die eigenen Investitionen in den sozialen Wohnungsmarkt deutlich zu erhöhen, auf 2,7 Milliarden Euro. Andere Länder, etwa Schleswig-Holstein und Sachsen, sind ebenfalls dabei, ihre Förderung deutlich anzupassen, weil der Bund die Mittel in der sozialen Wohnungsbauförderung angehoben hat – eine historische Höhe.
Wir müssen endlich dafür sorgen, dass nicht mehr und mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, sondern neue entstehen. Wir werden unsere steuerliche Unterstützung anpacken; das haben Sie teilweise schon mitbeschlossen.
Wir stellen im März unser Konzept für die neue Wohngemeinnützigkeit vor, das aus zwei Komponenten besteht: zum einen aus der steuerlichen Förderung der Wohngemeinnützigkeit und zum anderen aus einer Investitionszulage. Ich freue mich jetzt schon auf die Debatte im Bau- und im Haushaltsausschuss.
Wir haben ein Förderprogramm für Wohngenossenschaften aufgelegt, das bereits sehr gut angenommen wird, und zum 1. Januar ist die lineare Absetzung für Abnutzungen von zwei auf drei Prozent angehoben worden. Vieles Weitere passiert, zum Beispiel der klimagerechte Neubau, der über die Bundesförderung für effiziente Gebäude gefördert wird.
Jetzt gibt es ja einige, die sagen: Die Medizin ist nicht nur „mehr Milliarden in die Grundförderung für Neubauten“, sondern „weniger ökologische Standards“. Ich sage Ihnen: Wer versucht, die eine Krise, die Krise am Bau, durch eine andere Krise, nämlich die ökologische Krise, zu bekämpfen, der macht einen Schildbürgerstreich.
Denn die Baukosten, die ich heute, im Jahr 2023, spare, werden sich natürlich in den Nebenkosten der nächsten 40 oder 50 Jahre niederschlagen; die sind dann höher, wenn ich heute mit niedrigen ökologischen Standards vorangehe. Etwas anderes ist natürlich auch ganz klar: Häuser baut man nicht für fünf Jahre, Häuser baut man nicht für zehn Jahre. Wenn es unser Ziel sein soll, dass Europa ein klimafreundlicher, CO2-neutraler Kontinent wird, dann können wir heute doch nicht mit Steuermitteln ökologische Niedrigstandards im Neubaubereich fördern. Das geht nicht.
Ein Punkt, den wir stärker als bis jetzt in den Blick nehmen müssen, ist der Leerstand, zum einen von Bürogebäuden, zum anderen aber natürlich auch von Wohngebäuden in vielen Gegenden in Deutschland. Hier schafft Homeoffice die Möglichkeit, dass Menschen auch dorthinziehen, wo jetzt Leerstand herrscht, weil sie nicht mehr jeden Tag zum Arbeiten in die großen Städte müssen.
Und wir werden – erstmalig für eine Bundesregierung – dieses Jahr ganz intensiv die Menschen in den Blick nehmen, die keine Wohnung haben, die Menschen, die obdachlos sind, die wohnungslos sind. Wir werden mit allen Ressorts, mit den Kommunen und den Ländern einen nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit erstellen. Das ist eine soziale, eine auf Innovation und ökologische Verträglichkeit ausgerichtete Baupolitik.
Ich danke für die Gelegenheit zur Debatte.