Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Johanna Wanka,

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Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Alle kennen PISA, TIMSS und die anderen internationalen Leistungsvergleiche, die Antworten geben auf die Frage: Wie ist das Bildungssystem in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Diese Vergleiche sind manchmal nicht einfach zu lesen.

Die Bedingungen in Deutschland sind in einigen Bildungsbereichen ganz anders als beispielsweise in Frankreich oder Spanien. Deswegen haben wir – „wir“ heißt: die Kultusministerkonferenz und die Bildungsministerin – 2006 beschlossen, dass wir eine eigene statistische Erhebung machen. Das heißt, alle zwei Jahre gibt es einen Bericht: Wie steht es um die Bildung in Deutschland? Wie viele Kinder gehen in den Kindergarten? Wie ist der Leistungsstand et cetera? Damit haben wir eine ausführliche Darlegung des Bildungsstandes in Deutschland und bekommen eine Längsschnittstudie. Wir wissen jetzt nicht nur, wie hoch die entsprechenden Zahlen sind, sondern wir können einen Vergleich zu der Situation vor zwei, vor vier Jahren anstellen.

Wir haben uns dann in der Kultusministerkonferenz mit dem Bund über die Indikatoren verständigt. Das ist die Basis dieses Berichts. Dadurch, dass er eine Längsschnittstudie ist, kann man zum Beispiel ablesen, wie viele Kinder mit sozialpädagogischem Sonderbedarf inklusiv beschult werden. Man kann weiterhin ablesen, wie es mit der Weiterbildung vor fünf Jahren, vor sieben Jahren gewesen ist.

Man kann jetzt erkennen, dass wir eine Weiterbildungsbeteiligung von 51 Prozent haben. Die Bundesregierung hatte sich mal 50 Prozent vorgenommen. Jetzt sind es 51 Prozent. Man sieht, wie die Kompetenzzuwächse in den einzelnen Fächern sind. Man erkennt die Zahl der Schüler, die einen Schulabschluss schaffen oder nicht schaffen. Es ist die wesentliche Stärke des Bildungsberichtes, dass man dort zu einzelnen Fragen sehr ausführliche Antworten finden kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Bildungsstand und Bildungsbeteiligung über einen längeren Zeitraum kontinuierlich gewachsen sind, sich positiv entwickelt haben, dass aber der nationale Bildungsbericht auf Problemfelder aufmerksam macht, die wir noch in Deutschland haben.

Ein Punkt, über den wir hier öfter gesprochen haben, ist der bestehende Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand und dem sozioökonomischen Status des Elternhauses und dem Bildungserfolg des Einzelnen. Auch dort kann man sehen, dass sich die Dinge positiv entwickeln. Wir haben in den Jahren seit dem ersten PISA-Bericht gerade einen Leistungszuwachs – wenn ich das Fach Mathematik nehme, aber auch in anderen Fächern – bei den schwächeren Schülern, die oft aus solchen Elternhäusern kommen, zu verzeichnen.

Wir stellen eine Differenzierung des Bildungsumfeldes und der Ergebnisse nach Regionen fest, die in dieser Intensität neu ist. Wir haben zum Beispiel die Entwicklung – dies besagt der nationale Bildungsbericht –, dass es mittlerweile 163 Gemeinden gibt, in denen es keinerlei staatliche Beschulung im Sekundarschulbereich mehr gibt. Es gibt also Bereiche, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, in denen es nur noch private Schulangebote gibt. Das sind Dinge, über die wir natürlich nachdenken müssen. Entsprechende Entwicklungen kann nur ein solcher Bericht in umfassender Weise zum Ausdruck bringen.

Der Bildungsbericht umfasst Indikatoren, die alle zwei Jahre gemessen werden. So kann man die Zahlen vergleichen. Und im Bildungsbericht gibt es immer ein Sonderkapitel. Da nehmen wir Millionen in die Hand und beauftragen eine Forschergruppe, sich ein Bild der Lage in Deutschland mit Blick auf ein bestimmtes Thema zu verschaffen. Das Thema war zum Beispiel einmal die kulturelle Bildung im Lebenslauf. Beim allerersten Bildungsbericht von 2006 hatten wir als Sonderthema „Migration und Bildung“. Wir haben uns überlegt, nach zehn Jahren dieses Thema noch einmal auf-zurufen. So sehen wir im Vergleich noch besser, wie sich die Situation entwickelt hat.

Man kann sagen, dass der Bildungsbericht an dieser Stelle deutlich zeigt, dass Verbesserungen möglich sind und auch erreicht wurden, es aber eines längeren Atems bedarf. Wir sehen dort zum Beispiel den Fakt – er wird viele überraschen –, dass von den drei- bis unter sechsjährigen Kindern mit Migrationshintergrund 90 Prozent in Kindereinrichtungen sind und sich auch bei den unter Dreijährigen die Zahl derer, die in Kindereinrichtungen sind, in den letzten Jahren fast verdoppelt hat.

Wir hatten noch vor drei oder fünf Jahren die Situation, dass gut 30 Prozent derjenigen mit Migrationshintergrund und 56 Prozent derjenigen ohne Migrationshintergrund einen mittleren Bildungsabschluss erreichten. Jetzt sind die Zahlen für beide Gruppen gleich; sie liegt in beiden Fällen bei 56 Prozent. Bei den höheren Bildungsabschlüssen – Gymnasium, Fachhochschulreife – ist der Anteil derjenigen mit Migrationshintergrund immer noch wesentlich geringer.

Allerdings ist auch eine These durch diesen Bericht belegt: Der sozioökonomische Hintergrund ist ganz entscheidend. Man hat nicht nur verglichen, wie viele deutsche Schüler und wie viele Schüler mit Migrationshintergrund in einer Schulform sind, sondern man hat auch geschaut, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die einen ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund haben. Ihr Anteil ist in den einzelnen Bildungsstufen jeweils gleich hoch.

Der Bericht umfasst also sehr interessante, differenzierte Schlussfolgerungen und auch eine Bewertung dazu, was wir mit unseren Maßnahmen bewirkt haben, wo wir Verbesserungen erreicht haben und wo wir noch handeln müssen. Ich glaube, gerade beim Thema „Bildung und Migration“ ist der Bericht angesichts der Problematik, jetzt die vielen jungen Flüchtlinge zu integrieren, für uns sehr anregend und nützlich. Man kann dort auf Erfahrungen mit KAUSA-Beratungsstellen und anderes zurückgreifen.

Insofern ist dieser nationale Bildungsbericht aus meiner Sicht eine Ermutigung. Wir empfinden ihn als Zustimmung zu dem, was wir in Deutschland – „wir“ umfasst natürlich in starkem Maße die Länder – im Schulbereich tun, aber eben auch als Hinweis auf Schwachstellen.