Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser,

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! 
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer!

Im Jahr bevor unser Grundgesetz 1949 in Kraft getreten ist, hat der große Sozialdemokrat Carlo Schmid eine Rede vor dem Parlamentarischen Rat, der verfassungsgebenden Versammlung der Bundesrepublik, gehalten, und er stellte damals klar – ich zitiere –, „daß es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, daß sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft“. Er brachte damit die wichtigste Lehre aus dem Schicksal der gescheiterten Demokratie von Weimar auf den Punkt.

Es geht um ein Scheitern, das nicht zuletzt ein Scheitern der Demokratinnen und Demokraten war, weil sie es versäumt hatten, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, um ihre Demokratie zu schützen und zu verteidigen, weil sie ihre Institutionen nicht robust gegen Angriffe aufgestellt hatten – von außen und von innen.

Unser Grundgesetz, das in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden ist, hat diesen Erfahrungen in vielerlei Hinsicht Rechnung getragen. Und es war das Bundesverfassungsgericht, das maßgeblich dazu beigetragen hat, unseren demokratischen Rechtsstaat zu festigen und fortzuentwickeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den letzten 75 Jahren als Hüter unserer Verfassung im Institutionsgefüge des Grundgesetzes fest etabliert. Seine Entscheidungen haben sichergestellt, dass die Menschen in Deutschland sich darauf verlassen können: Die Grundrechte gelten, unsere Gewaltenteilung funktioniert, Machtkonzentration und Machtmissbrauch werden verhindert. Zu Recht genießt das Bundesverfassungsgericht daher sehr großes Vertrauen in der deutschen Bevölkerung und ist auch im Ausland sehr hoch angesehen.

Seine Erfolgsgeschichte wurde weltweit aufmerksam beobachtet. Es dient als Inspiration und hat Vorbildfunktion für andere Verfassungsordnungen überall auf der Welt. Und auch ich möchte dem Bundesverfassungsgericht heute meinen größten Respekt zollen angesichts dieser Leistungen in den letzten 75 Jahren. Vielen Dank an alle Beteiligten!

Umso wichtiger ist, dass wir dieses Erfolgsmodell auch selbst in der Verfassung entsprechend absichern, indem wir die zentralen Regelungen zu Status und Organisation des Bundesverfassungsgerichtes in das Grundgesetz aufnehmen, damit die Feinde unserer Demokratie im Ernstfall kein Einfallstor haben. Denn wir sehen beim Blick ins Ausland: Wenn Autokraten an die Macht kommen, wenden Sie sich fast immer als Erstes gegen die Wirksamkeit und die Unabhängigkeit der Justiz. Selbst wenn sie den Rechtsstaat formal nicht abschaffen, können sie großen Schaden anrichten. Sie entkernen diesen Rechtsstaat, und dabei sind die Verfassungsgerichte häufig ihre ersten Ziele.

In diesem Kontext möchte ich vor allem auf zwei Punkte des vorliegenden Entwurfs hinweisen, die ich für besonders wichtig halte. 

Zum einen: Wir schreiben mit dem Gesetz die Anzahl der Senate sowie die Zahl der Richterinnen und Richter in der Verfassung fest. Zugleich sichern wir die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichtes, damit nicht Einfluss genommen werden kann auf Arbeitsprozesse und vor allen Dingen auf die Entscheidungsprozesse. 

Zum anderen legen wir die Dauer der Amtszeit der Richterinnen und Richter verfassungsrechtlich fest. Dadurch erhalten die Mitglieder des Gerichts in dieser Frage Gewissheit, und das schützt ihre unabhängigen Entscheidungen. Das ist in einem Rechtsstaat so wichtig.

Wir als Bundesregierung unterstützen diese Gesetzesinitiative ausdrücklich; denn der Rechtsstaat ist die innerste Bastion unserer Demokratie. Deshalb möchte ich heute ausdrücklich der SPD, der CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und auch dem Abgeordneten Stefan Seidler für diese Initiative, die ein großer Schritt zur Sicherung unserer Demokratie ist, sehr herzlich danken. Vielen Dank dafür!