Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen  

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

In den letzten Wochen sind die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus deutlich in die Höhe geschnellt. Viele Gesundheitsämter sind aufgrund der schieren Zahl Infizierter an ihrer Belastungsgrenze und können die Kontakte nicht mehr im Einzelnen nachverfolgen. Es zeigt sich bereits, dass sich die höhere Zahl der aktiven Krankheitsfälle auch in steigenden Patientenzahlen in den Krankenhäusern widerspiegelt. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Fälle hat sich in den letzten zehn Tagen verdoppelt. Am 18.10. waren es 769 betreute Patienten, am 28.10., zehn Tage später, 1.569. Eine solche Dynamik wird unsere Intensivmedizin in wenigen Wochen überfordern.

Dies alles zeigt: Wir befinden uns zum Beginn der kalten Jahreszeit in einer dramatischen Lage. Sie betrifft uns alle, ausnahmslos. Deshalb haben sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs des Bundes und der Länder gestern zu einer weiteren Konferenz getroffen und weitere Vereinbarungen beschlossen. Wir haben also gemeinsam mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Folgendes beschlossen: Vom 2. November bis zum 30. November werden weitreichende Kontaktreduzierungen eingeführt. Nach zwei Wochen werden wir uns wieder treffen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen vornehmen. Die Kontaktbeschränkungen beziehen sich vor allen Dingen auf private Kontakte. In der Öffentlichkeit soll es in Zukunft nur noch die Begegnung von zwei Hausständen, maximal zehn Personen, geben. Private Kontakte sind insgesamt auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren. Auf nicht notwendige private Reisen ist zu verzichten, auch im Falle von Besuch bei Verwandten. Touristische Übernachtungsangebote wird es nicht geben. Einrichtungen der Freizeitgestaltung, der Kultur und der Unterhaltung werden geschlossen, ebenso Gastronomiebetriebe und bestimmte Dienstleistungsangebote.

Wir haben uns entschlossen, alles daranzusetzen, neben dem sonstigen Wirtschaftsleben vor allen Dingen auch den Betrieb von Kitas und Schulen aufrechtzuerhalten.

Der Bund wird den betroffenen Unternehmen, Einrichtungen und auch Vereinen helfen, ökonomisch über diese schwierige Zeit hinwegzukommen. Die Bundesminister Scholz und Altmaier werden dazu in den nächsten Tagen sehr konkrete Vorschläge machen.

Ich will es ganz klar sagen: Ich verstehe die Frustration, ja die Verzweiflung gerade in diesen Bereichen sehr. So viele Hygienekonzepte wurden erarbeitet, und die Betroffenen fragen sich: Soll das alles sinnlos gewesen sein? Ich erwidere: Nein, das war es nicht, und diese Hygienekonzepte werden auch wieder gebraucht werden. Aber im gegenwärtigen exponentiellen Infektionsgeschehen können diese Hygienekonzepte ihre Kraft nicht mehr entfalten. Wir können bei 75 Prozent der Infektionen nicht mehr zuordnen, wo sie geschehen sind, und aus diesem Zustand müssen wir schnellstmöglich wieder heraus. Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen müssen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

Es gibt insbesondere kein anderes, milderes Mittel als konsequente Kontaktbeschränkungen, um das Infektionsgeschehen zu stoppen und umzukehren und damit auf ein beherrschbares Niveau zu bringen. Die Gesundheitsämter sind derzeit in weiten Teilen unseres Landes trotz personeller Verstärkung und Unterstützung durch Bund und Länder nicht mehr ausreichend in der Lage, die Kontakte von Infizierten nachzuverfolgen und eine Ausbreitung des Virus auf diese Weise einzudämmen. Daraus genau resultiert das exponentielle Wachstum. Damit steigt auch die Gefahr, dass sich immer mehr Angehörige von Risikogruppen anstecken.

Um es ganz klar auszusprechen, auch mit Blick auf andere Vorschläge: Eine vollständige Abschirmung solcher Risikogruppen vor Ansteckungsgefahren kann schon aufgrund der sehr unterschiedlichen Lebens- und Wohnsituationen, aber auch aufgrund der besonders belastenden Folgen für die Betroffenen kein milderes Mittel sein. Und ich erinnere daran, dass zu den Risikogruppen nicht nur die Älteren gehören, sondern auch die Vorerkrankten und dass es auch bei ganz gesunden und ohne Vorerkrankung lebenden Menschen sehr, sehr schwere Krankheitsverläufe gibt. Deshalb überzeugen mich die anderen Konzepte nicht.

In der aktuellen Lage kann der dynamische Anstieg der Infektionszahlen mit seinen dramatischen Folgen für Gesundheit und Leben einer sehr großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern entscheidend nur durch eine generelle und systematische Reduzierung der Kontakte verhindert werden. Ziel aller Maßnahmen ist, die Zahl der Begegnungen der Menschen in den unterschiedlichsten Alltagssituationen massiv und am besten um 75 Prozent zu senken und dadurch Ansteckungsgefahren zu verringern. Bei den vereinbarten Maßnahmen berücksichtigen Bund und Länder ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen und ihre Bedeutung für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger.

Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der Bildung und Betreuung der Kinder sollen insbesondere Schulen und Kindergärten, wo immer dies möglich ist, geöffnet bleiben. Ich füge allerdings hinzu: mit verstärkten Hygienemaßnahmen, und bitte die Länder, da es in ihre Zuständigkeit fällt, hier auch kreativ und fantasievoll zu sein.

Zudem soll das wirtschaftliche Leben dort weiterhin stattfinden können, wo nicht erforderliche Kontakte konsequent vermieden werden können. Deshalb wiederhole ich: Die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sind geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

Wenn wir stattdessen warten würden, bis die Intensivstationen voll sind, dann wäre es, weil die Situation auf den Intensivstationen der Ansteckung nach einer beträchtlichen Anzahl von Tagen folgt, zu spät, und zwar nicht nur für die Sicherstellung unserer Gesundheitsversorgung, sondern in Folge auch für die Sicherstellung der gesamten Infrastruktur unseres Landes, das heißt also auch ökonomisch und sozial.

Wir befinden uns zu Beginn der kalten Jahreszeit in einer dramatischen Lage, die ausnahmslos alle betrifft. Die Lage ist besorgniserregend, und wir dürfen uns nichts schönreden. Beschwichtigendes Wunschdenken oder populistische Verharmlosung wären nicht nur unrealistisch, sondern wären unverantwortlich.

Wir haben es selbst in der Hand, wie es weitergeht. Es kommt auf alle, auf jede und jeden Einzelnen, an, auf unser aller Engagement, unsere Ausdauer, unsere Rücksichtnahme. Die Pandemie stellt unsere demokratische Gesellschaft auf eine besondere Bewährungsprobe, und zwar nicht nur in einer, sondern in mehrfacher Hinsicht, die alle relevant, alle schmerzhaft und alle ernst zu nehmen sind.

Diese Pandemie ist eine medizinische, eine ökonomische, eine soziale, eine politische, eine psychische Bewährungsprobe. Wir werden ihr nur mit Zusammenhalt und mit der Bereitschaft zum transparenten und offenen Austausch miteinander begegnen können.

Wir schauen jetzt zurück auf acht Monate Erfahrung im Umgang mit dem Virus. Das war und ist eine Zeit des gemeinsamen und immer neuen und fortwährenden Lernens. In diesen Monaten haben wir gemeinsam mit der wissenschaftlichen Forschung zu dem Virus politisch, aber auch als Gemeinschaft gelernt. Und das lässt mich dankbar sein. Die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung haben ja bislang allen Bürgerinnen und Bürgern schon sehr viel abverlangt. Viele Maßnahmen waren und sind eine ungeheure Belastung. Sie schränken nicht nur hart erkämpfte Freiheitsrechte ein, sondern sie schwächen auch viele Betriebe und Unternehmen; sie erschweren die Bildung, die Kultur, alle Begegnungen, und sie treffen uns im Kern unseres menschlichen Miteinanders. Doch wie all diese Anstrengungen von der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hingenommen werden, mit dem Wissen, dass sie dem Schutz des Gemeinwesens wie auch jeder und jedes Einzelnen dienen, beeindruckt und berührt mich zutiefst. Und dafür möchte ich einmal mehr, auch hier an dieser Stelle, ausdrücklich danken.

Dieser so überaus außergewöhnliche Rückhalt für die bislang ergriffenen Maßnahmen war und ist auch hier im Parlament spürbar. Und auch dafür bin ich ungeheuer dankbar, auch und gerade in einer Ausnahmesituation wie der einer Pandemie. Natürlich streiten wir um die besten Lösungen, und zwar im allerbesten parlamentarischen Sinne. Aber bitte erlauben Sie mir trotzdem oder eigentlich gerade deswegen, auch ausdrücklich zu betonen: Ich bin besonders dankbar für den Willen aller Verantwortlichen zur Einigung, mit dem uns die notwendigen Abstimmungen in dieser schwierigen Zeit gelingen: in der Bundesregierung, hier im Deutschen Bundestag, mit den Bundesländern und innerhalb der Europäischen Union.

Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Es ist richtig, es ist wichtig, es ist unverzichtbar, dass die Maßnahmen, die die Pandemie bekämpfen sollen und erheblich in unsere Freiheitsrechte eingreifen, öffentlich diskutiert, öffentlich kritisiert und öffentlich auf ihre Angemessenheit hin befragt werden. Das begreife ich als Zeichen unserer offenen Gesellschaft. Die kritische Debatte schwächt nicht die Demokratie, im Gegenteil: Sie stärkt sie. Denn nur durch die öffentliche Debatte über die politischen Entscheidungen kann Akzeptanz entstehen oder auch Widerspruch, der uns hilft und uns dann auch weiterführt. Aber lassen Sie es mich auch genauso klar sagen: Lüge und Desinformation, Verschwörung und Hass beschädigen nicht nur die demokratische Debatte, sondern auch den Kampf gegen das Virus. Dass Unterschiede zwischen wahr und unwahr, richtig und falsch verwischen, dürfen wir nicht zulassen; denn was sich als wissenschaftlich falsch erwiesen hat, muss als solches klar benannt werden. Von unserem Bezug zu Fakten und Informationen hängt nicht nur die demokratische Debatte ab. Davon hängen Menschenleben ab!

Diese Pandemie rückt einen Begriff in den Mittelpunkt, der zu unserem Grundwortschatz gehört: die Freiheit. Und dieses Mal ist es sehr konkret; denn die Maßnahmen, die Bund und Länder im Frühjahr und die wir gestern vereinbart haben, schränken die Freiheit ein. Zugleich spüren wir, Freiheit ist nicht: "Jeder tut, was er will", sondern Freiheit ist – gerade jetzt – Verantwortung: Verantwortung für sich selbst, für die eigene Familie, die Menschen am Arbeitsplatz und darüber hinaus für uns alle.

Die Pandemie macht uns so klar wie selten: Wir sind Teil des Ganzen. Verhalten wir uns rücksichtslos, ohne Mindestabstand, ohne Mund-Nase-Schutz, mit Feiern auf engstem Raum, dann heizen wir die Ansteckungen weiter an und bringen unsere Mitmenschen in ernste Gefahr. Halten wir uns an die Regeln, die jetzt gelten, dann helfen wir unserem Land und im Ergebnis jeder und jedem von uns, diese gewaltige Prüfung zu bestehen. Dann üben wir Freiheit in Verantwortung aus. Das ist nicht einfach; das verlangt uns allen Verzicht ab. Wir alle müssen uns einschränken in dem, was uns besonders kostbar ist: der Begegnung mit Menschen. Sommer, in dem die Zahlen der Neuinfektionen weitgehend stabil waren und wir es vor allem mit regionalen Ausbrüchen zu tun hatten, die Situation inzwischen deutlich verschärft hat. Vor vier Wochen, als die Zahl der täglichen Neuinfektionen in ganz Deutschland noch bei etwa 1.000 lag, erschienen den meisten von uns die mittlerweile täglich erreichten Werte von deutlich über 10.000 Neuinfektionen kaum vorstellbar. Auch die Zahl der Kreise und Städte mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 50 infizierten Menschen pro 100.000 Einwohner stieg unaufhörlich an. Mittlerweile haben wir auch im Bundesdurchschnitt diese Marke sehr deutlich überschritten.

Dies unterstreicht eindrücklich, welch einer enormen Arbeitsbelastung die Gesundheitsämter und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Tagen ausgesetzt sind. Angesichts der Vielzahl der Fälle können dort nicht mehr alle Infektionsketten nachvollzogen werden, und die fehlende Unterbrechung von Infektionsketten bedingt wiederum stärker steigende Neuinfektionen.

Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass wir das vergangene halbe Jahr dazu genutzt haben, wichtige Weichenstellungen für die weitere Pandemiebewältigung vorzunehmen. Das gilt zum Beispiel für die Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung. Im Frühjahr waren wir noch vermehrt auf stark umkämpfte Importe angewiesen, um den heimischen Bedarf zu decken. Inzwischen haben wir durch Förderprogramme nationale Produktionslinien für persönliche Schutzausrüstung aufgebaut, die es uns ermöglichen, zumindest zum Teil unseren eigenen Bedarf zu decken.

Darüber hinaus haben wir unsere Teststrategie regelmäßig der aktuellen epidemiologischen Lage angepasst. Mit der Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests beginnt jetzt ein neues Kapitel der Testung. Damit kann zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen schnell erkannt werden, ob ein Besucher aktuell infektiös ist oder nicht. Gerade im Bereich der präventiven Testung werden wir damit sehr viel schneller und ressourcenschonender zu Ergebnissen kommen.

Natürlich ist die Pandemie auch für Europa eine enorme Herausforderung. Wir sehen auch bei vielen unserer unmittelbaren Nachbarn in Europa, wie dramatisch sich die Situation mit rasant steigenden Fallzahlen entwickelt und damit einhergehenden ernsten Krankheitsverläufen und Todesfällen. Auch unsere Nachbarn ergreifen einschneidende Maßnahmen. Sie werden gestern die Fernsehansprache des französischen Präsidenten verfolgt haben; aber das gilt auch für Belgien, Niederlande, die Tschechische Republik, Polen und viele, viele andere. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir europäisch auf die gegenwärtige Situation besser vorbereitet und besser koordiniert sind als zu Beginn der Pandemie. Wir wollen die Einschränkungen und den Druck insbesondere auf den Binnenmarkt und das Schengensystem so gering wie möglich halten.

Europäischen Zusammenhalt bei der Pandemiebewältigung gibt es auch bei der Impfstoffversorgung. Durch die Europäische Impfstoffinitiative hat die EU-Kommission gemeinsam mit den Gesundheitsministern – auch hier ein herzlicher Dank an Jens Spahn – inzwischen mit verschiedenen Impfstoffherstellern Rahmenverträge über mehrere Millionen Impfdosen unterzeichnet; und Verhandlungen mit weiteren Unternehmen sind weit fortgeschritten. Vorbereitungen für das Impfen auch in Deutschland laufen sowohl strukturell, was Impfzentren anbelangt, als auch hinsichtlich der Ausarbeitung ethischer Leitsätze für die Frage, wie wir die Prioritäten bei der Impfung setzen, wenn ein Impfstoff zur Verfügung stehen sollte.

Darüber hinaus stimmen wir uns intensiv zwischen den Mitgliedstaaten über Einreisen aus Drittstaaten ab. Wir koordinieren uns zur Corona-Warn-App und haben uns auf ein koordiniertes Vorgehen für die Ausweisung von Risikogebieten und damit verbundenen Einreisebestimmungen geeinigt. Im nächsten Schritt geht es nun um eine Abstimmung zum Testregime, zu grenzüberschreitender Kontaktnachverfolgung und zu den Quarantäneregeln.

Heute Abend werde ich zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und den anderen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu einer Videokonferenz zusammenkommen, wo wir die nächsten Schritte besprechen. Denn wir wissen: Wie wir auf europäischer Ebene mit der Pandemie umgehen, entscheidet nicht nur über die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer Volkswirtschaften, sondern das wird auch maßgeblich beeinflussen, wie die Leistungsfähigkeit Europas und damit die Legitimität unseres europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells weltweit beurteilt werden. Hier stehen wir in einem starken globalen Wettbewerb.

Mit der Corona-Warn-App haben wir in Deutschland ein Warnsystem auf den Weg gebracht, mit dem Kontaktpersonen ermittelt und alarmiert werden können. Hier liegen wir derzeit bei fast 21 Millionen Downloads. Auch die Zahlen der über die App geteilten Testergebnisse steigen gerade deutlich an; hier müssen wir allerdings noch nacharbeiten. Aktuell sind 90 Prozent der niedergelassenen Testlabore angeschlossen, die Tendenz steigt. Damit wird die Corona-Warn-App natürlich auch zu einem Hilfsmittel für die Gesundheitsämter. Auch wenn sie durch den dezentralen Ansatz den Gesundheitsämtern nicht direkt hilft, so gibt es doch Kontaktbenachrichtigungen, die nicht über die Gesundheitsämter, sondern über die Warn-App laufen. Die App wird inzwischen in weiteren Sprachen zur Verfügung gestellt und kann mit anderen europäischen Apps kommunizieren und Warnungen austauschen. Und ich sage: Ihre Bedeutung wächst mit jedem Tag. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch hier weiter dafür werben.

Nicht zuletzt wissen wir im Vergleich zum Beginn der Pandemie inzwischen mehr über das Coronavirus und seine Übertragungswege. Dasselbe gilt für die von ihm ausgelöste Erkrankung Covid-19 und ihre Behandlung. Die Wissenschaft leistet einen überragend wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie. Das reicht von der Erforschung und Entwicklung neuer Impfstoffe, Therapeutika und Testverfahren über die Entschlüsselung von Infektionsmechanismen und infektionsepidemiologische Fragestellungen bis hin zur Erforschung der gesellschaftlichen, sozialen und politisch-rechtlichen Auswirkungen. Nicht zuletzt ist hier die herausragende Expertise des Robert-Koch-Instituts zu nennen, aber auch die so vieler anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der unterschiedlichen Disziplinen. Ein herzliches Dankeschön! Da werden viele Überstunden in diesen Tagen geleistet.

In den kommenden Wochen und Monaten wird entscheidend sein, dass möglichst alle verstehen, warum wir in dieser Zeit solche Maßnahmen ergreifen. Jeder von uns muss dazu einen Beitrag leisten, und jeder von uns muss verstehen, was seine Möglichkeiten sind, diesen Beitrag auch auszuführen. Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim hat genau darüber neulich in einem Fernsehinterview etwas gesagt, was ich persönlich nie so anschaulich formulieren könnte wie sie und was zugleich auch meine tiefe Überzeugung beschreibt. Deshalb möchte ich es hier aufgreifen.

Es ging ihr um unsere Haltung zu dem Virus, das – man stelle sich mal vor, es könnte denken – von sich denken würde –: "Ich habe hier den perfekten Wirt. Diese Menschen, die leben auf dem ganzen Planeten, die sind global stark vernetzt, sind soziale Lebewesen; die können also nicht ohne soziale Kontakte leben. Die sind hedonistisch veranlagt, die gehen gerne feiern. Also, besser kann es gar nicht sein!" Weiter sagte sie – jetzt wieder aus der Perspektive der Menschen –: "Nee, Virus! Hast du denn gar nichts aus der Evolution gelernt? Da haben wir Menschen ja schon mehrfach gezeigt, dass wir verdammt gut darin sind, uns in schwierigen Situation anzupassen (…) Wir werden dir zeigen, dass du dir hier den falschen Wirt ausgesucht hast." Und aus all dem schlussfolgerte Frau Nguyen-Kim: "Wenn wir uns klarmachen, dass es sonst auch viel schlechter laufen könnte, kann man da auch die Motivation für manchen Verzicht draus ziehen."

In anderen Worten: So wie wir Menschen schon so viele große Probleme in unserer Geschichte bewältigt haben, so kann auch in der Pandemie jede und jeder von uns aktiv dazu beitragen, dass wir diese Pandemie mit vereinten Kräften bewältigen. Aktiv dazu beitragen, das heißt in diesem Fall verzichten: auf jeden nicht zwingend erforderlichen Kontakt. Das genau ist der Kern der Pandemiebekämpfung, an dem unsere Maßnahmen alle ansetzen.

In diesem Sinne wünsche ich mir für die kommende Zeit vor allem eines: dass wir alle weiter füreinander einstehen. Miteinander und füreinander – nur so kommen wir durch diese historische Krise. Der Winter wird schwer – vier lange schwere Monate –, aber er wird enden. Wir haben in den vergangenen acht Monaten schon gesehen, wie wir gemeinsam lernen und uns beistehen können. Das zeichnet diese Gesellschaft aus. Diese Hilfsbereitschaft, dieser Gemeinsinn sind es, die mich zuversichtlich sein lassen.

Ich danke Ihnen.