Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

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Sehr geehrter Herr Professor Goldschmidt,

ich möchte Ihnen und der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft ganz herzlich dafür danken, dass Sie mir die Alexander-Rüstow-Plakette überreichen. Ich freue mich, sie noch dazu in einem Jubiläumsjahr der Sozialen Marktwirtschaft entgegenzunehmen. Sie haben ja schon darauf verwiesen, dass wir heute im Wirtschaftsministerium einen entsprechenden Festakt hatten. Der große Veranstaltungsraum im Wirtschaftsministerium heißt übrigens von nun an Ludwig-Erhard-Saal.

1953 wurde Ihre Aktionsgemeinschaft gegründet, also nicht lange nach der Geburtsstunde der Sozialen Marktwirtschaft. Sie haben sich sozusagen zum Wächter der Sozialen Marktwirtschaft gemacht – in der Zeit ihrer Entstehung, aber auch jetzt in Zeiten völlig veränderter ordnungspolitischer Gegebenheiten in der Welt. Der von Ludwig Erhard selbst angestellte Vergleich mit dem Fußball ist sehr richtig. In der Sozialen Marktwirtschaft werden die Leitplanken, innerhalb derer sich die Teilnehmer des Marktes frei entfalten können, durch den Staat gesetzt. Er muss auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Verteilungsmöglichkeiten bestehen, ohne auf Pump oder auf Schuldenbasis zu leben.

Mit Alexander Rüstow hatte die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft einen besonderen Botschafter. Er war Mitgründer und langjähriger Vorsitzender der Gemeinschaft; und er war sozusagen ein Universalgelehrter par excellence. Er studierte Mathematik, Physik, Philosophie, klassische Philologie, Jura und Nationalökonomie. Heutzutage würde manch einer sein ganzes Leben lang nicht fertig werden, das alles zu studieren. Aber er scheint auch noch etwas anderes gemacht zu haben. Er forderte eine "Wirtschafts- und Sozialpolitik, (…) die bewusst die Frage stellt, was getan werden kann, um den einzelnen Menschen glücklich und zufrieden zu machen" – also eine sehr umfassende Frage. Das bleibt natürlich zeitloser Anspruch jedweder Politik.

Aber Rüstow und mit ihm Erhard, Eucken, Röpke, Müller-Armack, Böhm und andere Verfechter der Idee einer Sozialen Marktwirtschaft trafen bei ihren Versuchen, das durchzusetzen, immer wieder auf erhebliche Widerstände. Ich habe darauf auch heute Morgen hingewiesen. In der geschichtlichen Verklärung sieht alles ganz einfach aus, aber in der Stunde der Entscheidung ist einfach sehr viel Mut notwendig gewesen. Ludwig Erhard musste bestimmte Entscheidungen sicherlich auch ziemlich alleine fällen.

Heute sind die großen neuen Herausforderungen die Globalisierung, getrieben durch die Digitalisierung, sowie die demografische Veränderung unseres Landes. Das heißt, wir müssen Soziale Marktwirtschaft zum Teil auch neu denken. Dazu ist eine Aktionsgemeinschaft wie die Ihre wichtiger Impulsgeber. Dafür möchte ich Ihnen danken.

Es ist mir eine Ehre, die Alexander-Rüstow-Plakette verliehen zu bekommen. Ich darf Ihnen verraten: Die Tatsache, dass ich in die Politik gegangen bin, hatte viel mit der Sozialen Marktwirtschaft zu tun. Damals aus meiner Perspektive in der DDR war das ein faszinierendes, aber sehr realistisches Konzept. Es gab viele Utopien; an die glaube ich nach der Zeit in der DDR nicht mehr so richtig. Die Soziale Marktwirtschaft aber hatte den Praxistest in der Bundesrepublik Deutschland bestanden. Insofern ist mir das heute eine große Ehre und auch eine große Freude. Danke schön.