zum Energiewirtschaftsrecht vor dem Deutschen Bundestag am 12. Mai 2022 in Berlin:
- Bulletin 60-1
- 12. Mai 2022
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Guten Morgen!
Lassen Sie mich kurz mit einem aktuellen Ereignis anfangen: Gestern Abend, um ungefähr 22:30 Uhr, hat Putin ein Dekret veröffentlicht, wonach europäische Gasversorger jetzt von Russland sanktioniert werden. In Deutschland sind Gazprom und ihre Töchter betroffen, das heißt, einige der Tochterunternehmen bekommen jetzt kein Gas mehr aus Russland. Aber der Markt bietet Alternativen; sie versorgen sich auf dem Markt mit anderem Gas.
Wir monitoren die Situation genau. Wir haben uns auf die Situation vorbereitet, und ich beziehungsweise die Bundesnetzagentur werden Sie im Laufe des Tages informieren. Aber die Situation ist so, dass der Gasmarkt den Gasausfall aus Russland kompensieren kann.
Es zeigt sich also, dass die Auseinandersetzung um Energie eine Waffe ist und dass Energie in einem Wirtschaftskonflikt hart eingesetzt werden kann. Insofern sind all die Anstrengungen, die wir im Moment unternehmen und unternehmen müssen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, nicht das Gegenteil dessen, was wir jetzt gleich diskutieren, sondern: Die Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft energiesicher sind, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Es gibt eine direkte Linie von dem Abschied von fossilen Energien aus Russland hin zum Abschied von fossilen Energien insgesamt. Das bedeutet: Ausbau der erneuerbaren Energien.
Das vorgelegte Paket ist die größte Energiemarktreform seit Jahren; ich würde sagen: seit Jahrzehnten. Es ist ein Paket, das verschiedene Gesetze zusammennimmt. Das wichtigste und das größte ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz; aber auch das Windenergie-auf-See-Gesetz und die Energiewirtschaftsgesetz-Novelle gehören dazu. Es ist eine fundamentale Neuausrichtung des gesamten Energiesektors auf Treibhausgasneutralität; und auch die ist dringend geboten bei allem, was uns in Europa und in Deutschland im Moment mit Blick auf die russischen Lieferungen bedrückt.
Wir dürfen den Blick auf den großen Horizont nicht verlieren. Die Organisation der Vereinten Nationen hat vor einigen Tagen gesagt, dass mit einer großen Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren das 1,5-Grad-Ziel überschritten wird – vielleicht noch nicht dauerhaft, aber dieses „vielleicht“ hängt ganz maßgeblich vom menschlichen Tun ab, von politischen Entscheidungen. Das heißt, die Zeit läuft uns buchstäblich davon.
Der Krieg und die Toten im Krieg in der Ukraine – das ist schlimm, das ist furchtbar. Aber Sie werden mitbekommen haben, dass an anderen Stellen der Erde Ernteausfälle, Hungersnot und Katastrophen drohen, weil die Erdatmosphäre sich in einem dramatischen Ausmaß erhitzt. Wir haben die Chance, dagegen anzuarbeiten; und wir tun es mit diesem Gesetzespaket, das wir heute vorlegen.
Das Gesetzespaket setzt die Ziele, die die alte Bundesregierung schon beschlossen und die diese Bundesregierung übernommen hat, in konkrete Maßnahmen um. Wir werden die Treibhausgasemissionen damit bis 2030 um 65 Prozent senken und bis 2040 um 88 Prozent. Wir werden die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien bis 2030 auf 80 Prozent anheben und dann in der Mitte der 30er Jahre im Strombereich die Treibhausgasneutralität erreichen können. Wir richten den Netzausbau diesen Anforderungen entsprechend neu aus. Wir heben die Ausschreibungsmengen für Windenergie auf See, also offshore, an. Wir nutzen dafür neue Instrumente, die noch nicht ausgewiesene Flächen ebenfalls in die Ausschreibung geben, sodass die Industrie dann die Chance hat, diesen Windstrom auch verstärkt für die Produktion von Wasserstoff zu nutzen.
Wir sorgen außerdem dafür, dass die Beteiligung der Menschen in diesem Land an den erneuerbaren Energien deutlich gesteigert wird: Bürgerwindparks, Eigenstromverbrauch, die Möglichkeit der Kommunen, von den Windparks zu profitieren - all das wird deutlich angehoben, sodass die Demokratisierung des Energiesystems, die Teilhabe der Menschen am Energiesystem tatsächlich noch mal deutlich angehoben und erweitert wird, bis an die Grenze des Möglichen.
Wo ich die Zwischenrufe hier von ganz rechts höre – hören Sie mir kurz zu; jetzt wird es interessant: – Sie werden vielleicht mitbekommen haben, dass gestern ein schwedisches Unternehmen – Northvolt – eine Investitionsentscheidung von 4,5 Milliarden Euro zur Batterieproduktion in Deutschland getroffen hat. Dieses Unternehmen hat europaweit nach dem besten Standort gesucht. Es hat sich für einen Standort entschieden, der die höchste Durchdringung mit erneuerbaren Energien hat. Es hat sich europaweit für den Standort entschieden, wo die meisten erneuerbaren Energien verfügbar sind.
Das zeigt, dass wir nicht nur das Klima schützen, dass wir nicht nur außen- und sicherheitspolitische Souveränität gewinnen, sondern Wohlstand und Wertschöpfung, Arbeitsplätze und die Industrie der Zukunft jetzt aufbauen. Wir schaffen damit auch die Zukunft für den Wohlstand in diesem Land. Alles spricht dafür, jetzt mit großer Geschwindigkeit und mit großer Entschlossenheit den Ausbau der Erneuerbaren und die Klimaneutralität umzusetzen.
Vielen Dank.