Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck,

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Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Vielen Dank für die Gelegenheit, in diese Debatte einführen zu dürfen mit einer Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht, der vorgestern vom Kabinett beschlossen wurde. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Sachverständigenrat für sein Gutachten danken. Es war ein Fundus an Bezugsmöglichkeiten, die den Jahreswirtschaftsbericht stark geprägt haben. Also vielen Dank für die gute Zusammenarbeit.

Die Situation der deutschen Wirtschaft ist mit dem Begriff „opak“ zu beschreiben. Wir haben eine robuste Wirtschaft und einen stabilen Arbeitsmarkt. Nach dem Jahreswirtschaftsbericht – das ist ja vor zwei Tagen schon durch die Medien gegangen – beträgt die BIP-Wachstumsprognose für dieses Jahr 3,6 Prozent; das ist etwas reduziert gegenüber der Herbstprojektion der Vorgängerbundesregierung, was an der Coronapandemie liegt. Und wir erwarten ein Wachstum im Jahr 2023 von 2,3 Prozent. Die Dynamik wird sich im ersten Quartal erst etwas gebremst entwickeln, was vor allem an der Coronapandemie und den einschränkenden Maßnahmen liegt, aber natürlich auch an der außenpolitischen Situation. Krisenhafte Zeiten sind häufig Zeiten, in denen das Investitionsklima leidet. Wir erwarten dann aber, dass das Vorkrisenniveau im zweiten Quartal dieses Jahres erreicht wird.

Die Inflation in diesem Jahr wird nach unserer Prognose bei 3,3 Prozent liegen und sich dann im Jahre 2023 bei um die zwei Prozent einpegeln, also dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank. Diese 3,3 Prozent allerdings sind etwas genauer aufzuschlüsseln oder aufzudröseln. Die Kerninflation, also die Inflation ohne Berücksichtigung der Preise für Energie und Lebensmittel, liegt bei 2,4 Prozent. Daraus kann man ablesen, dass die Inflation in den Bereichen „Energie“ und „Lebensmittel“ der besondere Treiber ist. Da gerade für Haushalte mit niedrigem Einkommen die konsumtiven Ausgaben in diesen Bereichen sehr hoch sind, ist diese hohe Inflationsrate hier gerade für diese Menschen eine besondere Belastung. Das gilt natürlich für alle, auch für die Unternehmen, auch für die Wirtschaft. – Aber dort gibt es eine besondere sozialpolitische Abhängigkeit und Komponente, die auch politisch berücksichtigt werden muss.

Die Arbeitslosigkeit wird sich entsprechend der Prognose von derzeit 5,7 Prozent auf 5,1 Prozent reduzieren. Wir werden eine Zunahme von Beschäftigung haben. Etwa 400.000 Menschen werden zusätzlich in Erwerbsarbeit kommen. Und wir erwarten einen Anstieg der Nettolöhne um 3,5 Prozent. So weit die Daten des Wirtschaftsberichtes. Er umfasst ja fast 130 Seiten und bietet noch mehr; aber das sind wahrscheinlich die Kerndaten, auch die Kerndaten der Debatte heute. Es lohnt allerdings ein genauerer Blick in das Umfeld, in dem wir uns bewegen, und da beginnt ja dann die Politik. Der Jahreswirtschaftsbericht ist vor allem ein Analysekasten zur Findung der richtigen Instrumente. Wir sind in einer Zeit, die viele Unsicherheiten bereithält für die Menschen, die investieren wollen, für die Unternehmen und für das unternehmerische Umfeld.

In der kurzfristigen Situation, der Coronasituation, muss man feststellen, dass es der öffentlichen Hand, dem Staat, mit ungefähr 170 Milliarden Euro gelungen ist, die Unternehmen in der Überbrückung zu halten. Aber das hat natürlich Konsequenzen gezeitigt. Wir haben eine geringere Beschäftigungsdynamik und vor allem eine ausbleibende Investitionstätigkeit in den letzten Jahren zu verzeichnen gehabt. Dazu kommen dann eben die hohen Preise für Energie; ich habe es schon angesprochen. Die Gründe sind sicherlich in der Krise und in vielen Einmaleffekten dieses Jahres zu suchen; aber auch die sprunghafte Erholung der Wirtschaft im letzten Jahr hat zu ebenso sprunghaften Dynamiken, vor allem beim Gaspreis, geführt.

Mittelfristig gibt es – das ist festzuhalten – andere Herausforderungen, die man schon jetzt sehr gut ablesen kann und die der Bericht auch auflistet. Wir werden in eine dramatische Lücke bei Fach- und Arbeitskräften hineinlaufen, wenn wir nicht mehr Maßnahmen ergreifen, mehr qualifizieren, aber auch mehr Fachkräftezuwanderung organisieren. Ein Fachkräftemangel hätte dann einen erhöhten Anstieg der Sozialausgaben als Konsequenz, was wiederum eine Belastung für wirtschaftliches Wachstum und Investitionstätigkeiten nach sich zöge.

Wir sind eine älter werdende Gesellschaft; der Anteil der Erwerbsbevölkerung nimmt ab. Darauf muss reagiert und das muss beantwortet werden. Schon 2023 kann es sein – der Bericht ist da vorsichtig, aber man kann es absehen –, dass es zu einer Produktivitätslücke kommt. Diese wird immer größer, sodass es am Ende mehr Möglichkeiten gibt, als Kapital und Arbeit zur Verfügung stehen. Das droht sich dann auch im nächsten Jahrzehnt fortzusetzen, wenn wir nicht politische Maßnahmen dagegen ergreifen.

Weiterhin leidet die deutsche Wirtschaft mittelfristig unter einem Investitionsstau. Dieser ist größer geworden in der Pandemie, weil die investive Decke natürlich dünner geworden ist, trotz der Überbrückungs- und der Stabilitätsmaßnahmen. Wir haben zu lange Planungszeiten in Deutschland, und die Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Kurzfristig, mittelfristig und langfristig gilt für alle Unternehmen, dass sie durch die Umstellung auf eine CO2-freie Wirtschaftsweise vor große Herausforderungen gestellt sind, was aber natürlich auch große Chancen bietet. Eine veränderte globale Wettbewerbssituation kombiniert sich damit. Wir müssen feststellen, dass die globale Wirtschaft so, wie sie im Grunde die letzten 30 Jahre organisiert war – wir verlagern die billigen Produktionsweisen ins Ausland, veredeln die Produkte hier in Europa und verkaufen sie dann gewinnbringend am Weltmarkt –, sich dem Ende zuneigt. In den vorherigen Billigproduktionsländern wächst ebenfalls der Wohlstand. Diese Länder haben eine höhere Nachfrage, auch eine höhere Nachfrage nach Energie.

Wir müssen gewärtigen, dass wir es mit einer Rückkehr der Geopolitik zu tun haben – wir sprachen schon gestern in der außenpolitischen Debatte darüber –, die sich auch wirtschaftspolitisch so äußert, dass es einen verstärkten strategischen Zugriff auf Rohstoffe und Schlüsseltechnologien gibt.

Insofern hat sich tatsächlich gegenüber den vorherigen Jahreswirtschaftsberichten viel verändert. Wir haben eine andere Situation, die andere politische Instrumente erforderlich beziehungsweise das Nachschärfen von politischen Instrumenten notwendig macht.

Man kann sich das anhand eines Vergleichs gut vergegenwärtigen: Bis 2015, nach der Erholung von der Finanz- und Eurokrise, beruhte die Stärke der deutschen Wirtschaft vor allem auf dem Export. Wir hatten 2015 einen Leistungsbilanzüberschuss – es war der höchste, den wir bis dahin hatten – von 8,5 Prozent. Der Leistungsbilanzüberschuss, also im Kern das Verhältnis von Exporten zu Importen, ist 2021 gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben, aber er fiel doch schwächer aus als 2015.

Wie ist der Leistungsbilanzüberschuss entstanden? Natürlich durch die starke Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, aber eben auch durch eine bei allem Wachstum vergleichsweise schwache Binnennachfrage. Wir haben vor allem ein Auseinanderfallen von Löhnen und anderen Einkommen gesehen: Auf der einen Seite hat sich ein Niedriglohnsektor aufgebaut, auf der anderen Seite liefen die Exporte gut. Das hat die Stärke der deutschen Wirtschaft in den Zehnerjahren ausgemacht.

Sie ist aber natürlich auch vulnerabel. So ein Wirtschaftsmodell ist in einem veränderten außenpolitischen Umfeld und angesichts von Rohstoff- und Energieabhängigkeiten angreifbar, sodass das, was die Bundesregierung vorhat und was der Jahreswirtschaftsbericht mit dem Begriff „Sozial-ökologische Marktwirtschaft“ skizziert, tatsächlich ein ausgewogeneres Wachstumsmodell darstellt, das auf eine höhere Binnennachfrage zielt, das darauf setzt, dass wir die Investitionstätigkeit hier im Land hochhalten – und damit Innovationen und Wachstum und auch Wettbewerbsfähigkeit schaffen – und dass wir eine stabile Einkommenssituation in Europa und in Deutschland haben.

Dass der Weg, auf dem wir sind, okay ist, zeigt der Gini-Koeffizient. Es gab ja eine gewisse Debatte darüber, ob es richtig oder falsch ist, dass der Jahreswirtschaftsbericht erweitert wurde um mehrere – andere – Faktoren, die davor nicht drin waren. Die Messung von Ungleichheit über den Gini-Koeffizienten ist erstmals mit aufgenommen worden. Daran, dass er kleiner wird, sehen wir, dass das tatsächlich ein Weg ist, den wir einschlagen können; wir müssen unsere Anstrengungen nur verstärken und energisch weiter vorangehen.

Die Erholung in diesem Jahr wird folgerichtig vor allem durch einen Rückgang der Sparquote und mehr konsumtive Ausgaben der Menschen in diesem Land getragen werden. Die Sparquote ist in der Coronapandemie – sicherlich auch durch diese Pandemie – auf 15 Prozent gestiegen. Von 100 Euro, die man hat, werden also 15 Euro zurückgelegt. Diese Quote wird unserer Prognose nach sinken auf elf Prozent; entsprechend wird dann mehr Geld ausgegeben. Insgesamt muss man feststellen, dass die deutsche Bevölkerung die höchsten Sparvermögen hat, die sie jemals hatte; die Summe ist auf 7,7 Billionen Euro angewachsen. Wenn ein Teil des Geldes wieder investiert würde, wenn es in Kultur, in Restaurants, in Dienstleistungen investiert würde, dann stabilisieren wir den Aufschwung.

Das passiert natürlich – hoffentlich – durch das Überwinden der Coronapandemie – ich glaube, keiner von uns kann das mehr gut leiden –; aber von alleine passiert es nicht. Es wäre fahrlässig, sich politisch zurückzulehnen, sondern wir brauchen – und darauf richtet sich die gesamte Strategie der Bundesregierung – eine Stimulierung von Innovations- und Wachstumsimpulsen, und zwar sowohl angebots- wie nachfrageseitig.

Dazu hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag – und wir sind ja dabei, es umzusetzen – eine Vielzahl von Maßnahmen identifiziert und entwickelt. So wollen wir den Kapitalstock der deutschen Wirtschaft modernisieren durch ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen. Die Investitionsquote in Deutschland war zum Teil im EU-Vergleich unterdurchschnittlich. Wir wollen sie über den Durchschnitt der Europäischen Union anheben. Wir wollen das aber nicht als nationalen Alleingang oder als Wettbewerb mit den anderen Partnern verstehen, sodass wir Wert darauf legen, dass gerade europäische Gemeinschaftsprojekte in der Infrastruktur durchfinanziert werden. Alle reden über Wasserstoff. Es macht natürlich Sinn, ein Wasserstoffnetz jetzt gesamteuropäisch zu planen, mit einer Regulatorik und auch mit einer Finanzausstattung zu versehen.

90 Prozent aller Investitionen sind privat getragen. Um diese 90 Prozent Investitionstätigkeit auszulösen, braucht es aber manchmal öffentliche Gelder, braucht es manchmal Impulse, braucht es Bürgschaften und Sicherheiten, damit in dem risikobehafteten Umfeld, das ich skizziert habe, der unternehmerische Mut, die Kreativität, der Wagemut der wirtschaftlichen Betätigung auch flankiert wird und sich gut entfalten kann.

Wir werden deswegen die Beiträge der Förderbanken erhöhen. Wir werden Carbon Contracts for Difference oder nur Contracts for Difference einführen, also Geschäftsmodelle stützen, die erst einmal in das Risiko gehen; im Gegenzug wird dann, wenn das Risiko beherrschbar ist und diese Geschäftsmodelle sich bewährt haben, das Geld, das gegeben wurde, über einen Preis, der vorher definiert wurde, zurückgezahlt.

Die Europäische Union hat die gemeinsamen Geschäftsfelder von strategischem Interesse identifiziert, die IPCEIs, und Deutschland mit seiner großen Wirtschaftskraft hat enorme Gelder bereitgestellt, um diese dann auch hier in Deutschland zu entwickeln. Wir werden in den nächsten Jahren im Rahmen dieser IPCEIs eine große Investitionstätigkeit in den Bereichen Batterieproduktion, Halbleiterfertigung und Wasserstoffproduktion, aber auch beim Verbrauch und bei der Umstellung der Industrie erleben.

Wir wollen den öffentlichen Gesellschaften mehr Möglichkeiten für Kreditermächtigungen geben, indem wir beispielsweise die Eigenkapitalausstattung erhöhen. Wir werden – darüber wurde schon mehrfach gesprochen – über den Klima- und Transformationsfonds Investitionen unterstützen und damit ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen auslösen.

All das ist bedingt durch die Coronapandemie. Die erhöhte Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand wurde deswegen nötig, weil die unternehmerische Kapitaldecke teilweise dünn geworden ist. Die Unterstützung durch die Maßnahmen, die wir jetzt gewährleisten, ist die Antwort darauf, dass die Coronapandemie eben nicht vorbei ist, sobald die Inzidenzen wieder runtergehen, sondern dass die Folgen von zwei, zweieinhalb Jahren wirtschaftlicher Erlahmung noch immer gravierend sind. Ich schaue die Union an und sage: Wer diesen Zusammenhang infrage stellt, hat den Jahreswirtschaftsbericht nicht sorgfältig genug gelesen.

Die Wirtschaft trägt sich in vielen Teilen schon wieder selbst, aber bei Weitem noch nicht in allen. Nach zweieinhalb Jahren wirtschaftlicher Einschränkungen und einem Abreißen der Lieferketten ist es geboten, über den Tag hinauszudenken. Der Tag kann nicht mit der Eröffnung von Restaurants enden, der politische Tag schon gar nicht. Vielleicht überdenken Sie noch einmal Ihre Ankündigung, gegen den Klima- und Transformationsfonds zu klagen. Sie schaden damit tatsächlich dem Aufschwung der deutschen Wirtschaft.

Vornehmliche Aufgabe in dieser Zeit – und sie ist nicht einfach – ist die Senkung und Stabilisierung der Energiepreise. Das ist deswegen nicht einfach, weil Deutschland noch in einem hohen Maße vom Import fossiler Energieträger abhängig ist. Es ist eine Gasinflation“, die wir im Moment erleben; sie treibt die Preise an. Die Märkte sind so ausgerichtet, dass immer die höchste Order den Preis bestimmt, und das sind im Moment die Gas-Orders. Je schneller wir aus der Nutzung fossiler Energien aussteigen, desto günstiger wird unsere Wirtschaft mit Energie versorgt werden können. Dass das nicht von heute auf morgen passiert, dass das an viele Voraussetzungen gebunden ist und dass auch mit vielen Widerständen zu rechnen ist, ist selbstevident; das muss ich hier an dieser Stelle nicht ausführen. Strategisch ist es jedenfalls allemal richtig, und zwar nicht nur, um das Klima zu schützen, sondern auch, um die Resilienz der deutschen Wirtschaft zu erhöhen. Das ist die Strategie, die wir verfolgen müssen.

Trotzdem besteht die Aufgabe jetzt natürlich darin, die Energiepreise zu senken, sowohl für die Menschen wie auch für die Unternehmen. Das heißt, den Preisanstieg, der ja auch für dieses Jahr prognostiziert ist und den wir erleben werden – die Preise wurden ja erst teilweise weitergegeben –, zu dämpfen. Dass die Energiepreise günstiger werden, kann man bei diesem Marktumfeld kaum erwarten. Aber wir werden die EEG-Umlage so schnell, wie es geht, abschaffen.

Wir werden im Bereich der Stromproduktion den Eigenstrombedarf beispielsweise bei Mieterstrommodellen, aber auch für die Unternehmen, für die Industrie, für die Wirtschaft, durch neue, innovative Formen der Stromversorgung, etwa durch Direktverträge mit den Stromanbietern, unterstützen, sodass diejenigen, die direkte Lieferbeziehungen mit Produzenten erneuerbarer Energien haben, dann tatsächlich einen Energiestrompreis bekommen, der deutlich unter dem Marktpreis liegt. Das sind die Unterstützungsmaßnahmen, die wir direkt im Energiebereich durchführen können.

Es wird weiter durch eine Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen flankiert, die die Kollegen hier demnächst ja sicherlich vortragen werden beziehungsweise die schon öffentlich diskutiert werden. Wir werden eine Reform der Netzentgelte durchführen. Wir werden das Marktdesign im Strommarkt und im Energiemarkt neu anpacken müssen.

Steuersenkungen, wie sie allerorts gefordert werden, sind natürlich theoretisch denkbar; aber sie müssen zu anderen politischen Forderungen, die erhoben werden, passen, beispielsweise der Einhaltung der Schuldenbremse. Insofern ist das zwar eine wirtschaftspolitisch sinnvolle, aber haushaltspolitisch konterkarierte Maßnahme.

Diesen Gegensatz im Haushaltsausschuss aufzulösen, das wäre eine interessante Übung. Die Planungsbeschleunigung muss vorangehen; sie muss schneller werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass Ersatzneubauten ohne größere Genehmigungsverfahren ermöglicht werden sollen. Da, wo schon etwas steht, sollte das Gleiche, am Stand der Technik orientiert, nach vorne gebracht werden können. Die Legalplanung, das heißt, gemeinschaftliche deutsche und europäische Interessen hier oder in anderen Parlamenten – gegebenenfalls in Landesparlamenten – per Beschluss festzulegen, halte ich ebenfalls für eine opportune Möglichkeit, damit wir das Ob der Debatte dann irgendwann parlamentarisch entscheiden können. Natürlich gibt es da eine Menge von Planungsverfahren.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben steht, von öffentlichem Interesse – ich würde sogar sagen: von herausragendem öffentlichem Interesse –, sodass in den Prozessen der Abwägung zwischen den verschiedenen Schutzgütern, bis wir die Leistungsfähigkeit der erneuerbaren Energien aus den genannten Gründen, den Resilienzgründen, erreicht haben, dieser vorrangig zu behandeln ist.

Im Bereich der Digitalisierung muss das Marktfeld neu geordnet werden. Es ist ein Geschäftsfeld für viele Unternehmerinnen und Unternehmer, für viele Start-up-Unternehmen, die eine enorme Dynamik entwickelt haben und noch entwickeln können. Da dieses Feld immer international ist, arbeiten wir stark und eng mit der Europäischen Kommission daran, den Digital Markets Act und den Digital Services Act jetzt endlich zum Abschluss zu bringen, um dann ein organisiertes Marktfeld zu haben, in dem Europa seine digitale Kreativität auslösen und nach vorne bringen kann.

Es bleibt die Arbeit, genügend Fachkräfte zu finden. Ich sprach schon darüber, dass es ein Zusatzkapitel im Jahreswirtschaftsbericht gibt. Eine der erschreckendsten Zahlen, die ich da gelesen habe, ist, dass die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss noch immer bei zehn Prozent liegt. Wir entlassen viele junge Leute aus der Schule, ohne dass sie für die Berufsausbildung qualifiziert sind. Das kann so nicht bleiben. Wenn wir über Fachkräftemangel reden, ist das die erste Aufgabe, die wir angehen müssen. Aber natürlich werden wir auch Zuwanderung neu organisieren müssen: über ein Punktesystem, über Anwerbungen in allen Bereichen, über Hochqualifizierte ebenso wie über Menschen, die im Dienstleistungsbereich arbeiten.

Wenn man sich anschaut, wo wir stehen und wie volatil das Umfeld ist, so kann man leicht sagen: Mann, was sind das für große Schwierigkeiten? Wie sollen wir da bloß durchkommen? – Nur, wenn man sich anschaut, wo wir stehen und wie man die verschiedenen Indikatoren zusammennimmt, dann kann man die Geschichte auch anders erzählen. Das ist das, was der Jahreswirtschaftsbericht unter dem Strich besagt; es ist ein Bericht der vorsichtigen Hoffnung. Es ist möglich, Bruttoinlandsprodukt-Wachstum von Treibhausgasemissionen zu entkoppeln; wir sehen es in den Grafiken. Es ist möglich, die Gesamtrohstoffproduktivität zu erhöhen. Sie steigt, wir haben also ein höheres Wachstum und verbrauchen weniger Rohstoffe. Es ist möglich, den Flächenverbrauch zu reduzieren; wir sehen es an den Zahlen. Es ist möglich, die Luft von Schadstoffen frei zu halten, obwohl die Wirtschaft weiterwächst. Es ist möglich, die Einkommensungleichheit zu verringern bei einer wachsenden Wirtschaft. Es ist möglich – wir sehen es –, dass mehr Frauen in Führungspositionen sind und der Gender-Pay-Gap sich langsam schließt.

Das geht alles nicht schnell genug, im Klimabereich, im sozialen Bereich. Wir haben eine große Aufgabe vor uns. Aber dass sie erfüllbar ist, das beweist dieser Bericht, das beweist die Vergangenheit. Legen wir also nach diesem Bericht die Hände nicht in den Schoß, sondern packen wir an, sehen wir zu, dass wir die Dynamik entfalten, die Produktivität, den Wohlstand in diesem Land zu erhöhen und gleichzeitig den Zusammenhalt in diesem Land, den Schutz der Umwelt und den Schutz des Klimas nach vorne zu bringen. Wir können es. Die Dinge können besser werden, wenn sie besser gemacht werden.

Eine resiliente Wirtschaft, ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, ein ausgewogenes Wachstumsmodell, das sind die Stichworte für einen Bericht der vorsichtigen Hoffnung.

Vielen Dank.