Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem heute vorgelegten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beginnt nichts Geringeres als eine Revolution – in der Art und Weise, wie wir Krankenhausplanung gestalten und wie die Versorgung in Krankenhäusern stattfinden soll. Worum geht es? Wir haben das Gleichgewicht zwischen Medizin und Ökonomie verloren. Es wird derzeit im Krankenhaussektor in Deutschland zu viel durch die Belange der Ökonomie bestimmt. Die medizinischen Aspekte sind in den Hintergrund gerückt. Dieses Gleichgewicht muss neu justiert werden.

Insbesondere müssen wir auch darüber nachdenken, wie das System der Fallpauschalen überwunden werden kann. Denn durch die Fallpauschalen wird eine Qualität, die minderwertig ist, genauso bezahlt wie eine besonders hochwertige Qualität. Die Pauschale ist immer gleich hoch. Es gibt auch einen massiven Anreiz, viele Pauschalen abzurechnen.

Dieses System betont die Kriterien „billig“ und „Menge“ statt „Qualität“ und „Angemessenheit“. Das muss neu justiert werden. Wir können im Krankenhaussektor nicht nach den gleichen Regeln vorgehen, nach denen zum Beispiel Lidl Lebensmittel verkauft. Hier müssen die Qualität und die medizinischen Aspekte wieder in den Vordergrund rücken. Diese Revolution beginnt mit dem heutigen Gesetz.

Wenn ein solches Fallpauschalensystem so eingeführt wird, wie wir es gemacht haben, nämlich als 100-Prozent-Ansatz, dann bleiben die Bereiche zurück, wo man keine Gewinne machen kann. Das gilt insbesondere für die Pflege, das gilt zum Beispiel für die Kinderheilkunde, das gilt aber auch für die Geburtshilfe. Daher fangen wir in diesen Bereichen an, um dort sozusagen ein neues Gleichgewicht aufzubauen. Es darf nicht länger sein, dass auf dem Rücken von Kindern, Pflegekräften und Hebammen Gewinne gemacht werden und dass das Medizinische zurückgedrängt wird. Das wollen wir nicht weiter hinnehmen.

Daher hat dieses Gesetz fünf Schwerpunkte im Bereich Krankenhaus. Zum Ersten die Pflege. Dort wird dokumentiert: Wie ist eigentlich die Pflegesituation auf den Stationen? Wo es eine Unterdeckung gibt, können und müssen mehr Pflegekräfte eingestellt werden und die Arbeit übernehmen.

Der zweite Punkt ist aus meiner Sicht eigentlich fast der wichtigste: In den Kinderkliniken haben wir eine enorme Not. Das war mir schon klar, bevor ich überhaupt Minister wurde. Daher war es eine meiner ersten Initiativen, dass wir die Fallpauschalen in der Kinderheilkunde stark zurücknehmen. In einem Korridor von 80 bis 100 Prozent bekommen die Kinderkliniken jetzt das gleiche Geld, egal wie viele Fälle sie abrechnen, sodass dieser Hamsterradeffekt da sofort herausgenommen wird. Stellen wir uns vor, wir hätten das nicht gemacht! Wir beschließen heute dieses Gesetz; wir haben Monate daran gearbeitet. Es war und es ist jetzt dringend notwendig. Wir brauchen das Geld. Unmittelbar ab dem 1. Januar 2023 gibt es 300 Millionen Euro als Soforthilfe für die Kinderkliniken, sodass sie aus diesem Hamsterrad herauskommen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei den Pflegekräften und den Ärztinnen und Ärzten bedanken, die jetzt Fälle der schweren RSV-Epidemie in Deutschland behandeln. Sie leisten Großartiges. Sie können sich unserer Unterstützung hier völlig sicher sein. Wir werden alles tun, um sie durch diese schwierige Krise zu bringen. Das schulden wir den Pflegekräften und den Ärztinnen und Ärzten, aber in allererster Linie den Kindern. Wir werden nichts unterlassen, was wir den Kindern bieten können. Wir sind hier in der Pflicht.

Dritter Punkt: Genauso gehen wir auch bei der Geburtshilfe vor. Es wird dort Zuschläge geben. Und was auch wichtig ist: Kosten für Hebammen werden zu 100 Prozent außerhalb des Budgets erstattet. Jede Hebamme, die im Krankenhaus arbeitet, wird voll finanziert. Sie werden da den Pflegekräften gleichgestellt. Auch dort müssen wir mehr investieren.

Vierter Punkt: Dazu kommen tagesstationäre Versorgungsangebote durch Hybrid-DRGs, damit mehr ambulant gemacht werden kann. Mehr ambulante Versorgung ist auch für die Pflege wichtig. Denn jede Leistung, die ambulant gemacht werden kann, setzt Pflegekräfte frei; jede Übernachtung, die entfallen kann, weil sie nicht notwendig ist, setzt Kapazitäten bei Nachtdiensten und Schichten frei. Das heißt, auch diese Maßnahmen sind zentral, um eine verbesserte Versorgung in der Pflege hinzubekommen. Daher ist es ein großes Gesetz.

Dieses Gesetz schafft fünftens auch noch ein paar Grundlagen für die Digitalisierung. Das werden meine Kolleginnen und Kollegen nachher erläutern; ich muss mich hier kurzfassen. Wir setzen damit auch einen Prozess dafür in Gang, dass die elektronische Patientenakte in Deutschland genutzt werden kann. – Im Großen und Ganzen ist es ein wichtiges Gesetz.

Bereits in der nächsten Woche werden wir dann mit der Expertenkommission Krankenhaus der Bundesregierung die nächsten Schritte vorstellen. Wir arbeiten hier mit hoher Taktzahl, mit großem Tempo. Daher möchte ich allen Abgeordneten, die diese schnelle Taktzahl mitgehen, aber auch den Mitarbeitern im Haus ganz herzlich danken. Ich weiß, dass ich Ihnen viel abverlange. Wir sind mit hohem Tempo unterwegs; aber es wird eine gute Qualität geliefert. Das ist aus meiner Sicht eine gute Zeit für die Entwicklung des Krankenhauses.

Ich danke Ihnen für die Zusammenarbeit und für die Unterstützung. Bitte stimmen Sie diesem wichtigen Gesetz heute zu!