Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach,

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Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal: Dieser Haushalt ist geprägt auf der einen Seite von der Bewältigung mehrerer großer Krisen – Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise, Inflationsanstieg – und auf der anderen Seite von notwendigen Reformen. Diese Reformen sind immer unmittelbar notwendig und Ausdruck von Gestaltung. Alle Bereiche gehen wir an, und das kann auch von uns erwartet werden. Wir gehen alle Bereiche an.

Bevor ich hierzu ausführe, möchte ich mich aber erst einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die diesen Weg mitgehen. Wir arbeiten derzeit mit sehr hoher Taktung. Vielen Dank an die Haushälter aller Fraktionen! Ich bedanke mich bei den Gesundheitspolitikern der Fraktionen. Ich möchte mich aber auch bei den vielen Mitarbeitern im BMG und in den untergeordneten Institutionen bedanken. Das Tempo ist derzeit hoch; wir haben viel vor uns. Aber ohne dieses Miteinander, diesen Teamgeist würde es nicht funktionieren. Daher mein Dank auch an alle hier im Haus, die konstruktiv mitgearbeitet haben!

Ich komme zunächst kurz auf die Pandemie zu sprechen. Hier ist die gute Nachricht: Ja, es ist so; wir haben Hinweise auf eine Entschärfung der Situation. Das hängt damit zusammen, dass das Virus aufgrund der Art und Weise, wie es sich weiterverbreitet, in eine Sackgasse geraten zu sein scheint, in der nur noch geringe Veränderungen für das Virus möglich sind, um noch ansteckender zu werden. Somit gehen die wissenschaftlich basierten Nachrichten tatsächlich in die richtige Richtung. Wenn es jetzt keine Sprunginnovation durch das Virus mehr gibt, dann sehen wir im nächsten Jahr Möglichkeiten, mit dem Virus ganz anders umzugehen.

An dieser Stelle möchte ich aber auch sagen: Verlieren wir jetzt bitte nicht die Geduld, wir, die Vernünftigen hier im Haus! Wenn wir diese Zeit noch bewältigen, wenn wir jetzt die Feiertage absichern, wenn wir die älteren Menschen und die Vorerkrankten jetzt absichern, wenn wir noch einmal vorsichtig sind, dann können wir mit einer Bilanz durch diese Pandemie gehen, die besser ist als die vieler anderer europäischer Länder. Dazu haben alle hier beigetragen. Dazu hat auch die Opposition, die Union, beigetragen. Daher bitte ich um Ihre Hilfe, Ihre Geduld. Wir haben noch ein paar Monate, in denen es schwerer sein wird. Danach können wir anders damit umgehen. Lassen Sie uns jetzt bitte nicht im Stich, auch nicht diejenigen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind!

Ich möchte auch sagen: Ob die Aufhebung der Isolationspflicht möglich ist, ist eine total legitime Frage. Aber wir wollen die Isolationspflicht erst einmal beibehalten; denn diejenigen, die zur Arbeit gehen und beispielsweise Risikofaktoren haben, die erkrankt sind – Krebskranke, Leukämiekranke, diejenigen, die sich nicht gut durch Impfung schützen können –, verdienen einen sicheren Arbeitsplatz. Das müssen wir gewährleisten. Die Isolationspflicht ist die Möglichkeit, die wir haben, um zu verhindern, dass sich der Einzelne am Arbeitsplatz nicht in Angst aufhalten muss.

Die Reformen, die vor uns liegen, betreffen vier Bereiche. Sie betreffen die Finanzierung. Wir haben große Finanzierungsreformen vor uns: bei der gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch bei der Pflege. Große Defizite wurden bereits beseitigt. Aber wir machen eine große Finanzierungsreform. Wir werden bei der Pflegeversicherung in zwei Schritten vorgehen. Zunächst werden wir den Beitragssatz bis zum 1. Juli stabilisieren; dann werden wir die Leistungen dynamisieren und auch die Eigenanteile in der Pflege reduzieren.

Wir werden darüber hinaus in der Krankenversicherung den Steueranteil für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und auch den Steuerzuschuss erhöhen müssen, sodass die Finanzstabilität der GKV gesichert ist. Erst einmal haben wir hier eine Reform umgesetzt, mit der wir die Lage stabilisiert haben. Jetzt gehen wir die Strukturreform an.

Das Gleiche machen wir im Krankenhaussektor. Hier hat es unmittelbaren Handlungsbedarf gegeben. Wir brauchten unmittelbar eine Lösung für die Kinderkliniken; denn sie waren von der Insolvenz bedroht. Wir brauchen unmittelbar eine Situationsverbesserung in der Geburtshilfe. Die kleinen Geburtshilfekliniken kommen nicht zurecht. Daher reagieren wir hier unmittelbar.

Wir brauchen eine Lösung für die tagesstationäre Versorgung. Oft übernachten die Patienten, obwohl es keine medizinischen Gründe dafür gibt, im Krankenhaus nur, weil der Fall sonst nicht abgerechnet werden kann. Das beseitigen wir jetzt. Und wir müssen endlich einen neuen Sektor schaffen, damit die gleiche Leistung, die im Ausland längst ambulant erbracht werden kann, auch bei uns ambulant erbracht werden kann, sodass wir Pflegekräfte entlasten. Patienten werden in Deutschland zum Teil nur deshalb stationär versorgt, weil sie sonst nicht versorgt werden können. Daher gehen wir diese Reformen so schnell an.

Ein Pflegeentlastungsgesetz bringen wir auf den Weg. Und an dem Tag, an dem wir diese Gesetze beschlossen haben werden, werden wir auch schon unser Konzept für eine große Krankenhausreform vorstellen, das die Überwindung der Fallpauschalen zum Ziel hat. Darauf warten wir seit 20 Jahren. Seit 20 Jahren wissen wir, dass das Fallpauschalengesetz zu einem Hamsterradeffekt in den Kliniken geführt hat. Wir werden jetzt, nach 20 Jahren, diese Reform durchführen. Wir arbeiten mit hohem Tempo. Wir werden die Krankenhausversorgung deutlich entökonomisieren und dafür sorgen, dass endlich die medizinische Indikation, dass die medizinische Arbeit und nicht mehr die ökonomischen Anreize im Vordergrund stehen.

Einen ähnlichen Stillstand – es wird ja hier zu Recht darauf hingewiesen – haben wir auch bei der Digitalisierung. Hier reden wir seit ewiger Zeit über die Einführung der elektronischen Patientenakte. Nie ist sie gekommen. Jetzt schaffen wir kurzfristig in einem Gesetz die dafür notwendigen Voraussetzungen, zum Beispiel bei der Authentifizierung derjenigen, die dies nutzen wollen. Und sofort danach schaffen wir in einem großen Digitalgesetz die strukturellen Voraussetzungen dafür, dass die elektronische Patientenakte auch genutzt werden kann. Schauen wir uns doch an, was international mit einer gut funktionierenden elektronischen Patientenakte alles möglich war und was wir nicht machen konnten.

Wir haben viele Dinge in der Pandemie nicht machen können. Aber wir konnten von ausländischen Daten profitieren, die wir zum Glück bekommen haben, auch aus Israel. Wir wollen demnächst so weit sein, dass sich das Ausland auch für unsere Informationen und Daten interessiert und dass wir nicht als Bittsteller gegenüber anderen Ländern auftreten müssen, um Daten zu erhalten, weil wir die elektronische Patientenakte nie auf den Weg gebracht haben. Daran arbeitet die Ampel. Wir reden nicht nur darüber, wir machen es, und zwar in höchster Geschwindigkeit.

Zu Ihrer Frage, Herr Sorge, zur Krankenhausstrukturreform: Ich hoffe auf sechs große Reformen im Krankenhausbereich. Erste Reform: Wir hoffen, die Entlastung bei der Energie – beim Gaspreis, beim Strompreis, bei den indirekten Energiekosten in der nächsten Woche zu beschließen. Zweite Reform: Wir hoffen, in der nächsten Woche das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz zu beschließen. Dritte Reform: Wir werden in der nächsten Woche die bessere Vergütung der Kinderkliniken beschließen. Vierte Reform: Wir werden in der nächsten Woche beschließen, dass die Geburtshilfe besser bezahlt wird. Fünfte Reform: Wir werden in der nächsten Woche beschießen, dass die tagesstationäre Versorgung eingeführt wird. Sechste Reform: Wir werden in der nächsten Woche die Hybrid-Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) beschließen.

Somit kommen sechs Reformen. In der letzten Legislaturperiode hat es keine einzige geben; nur zur Erinnerung. Daher, glaube ich, stehen wir gut da. Wir werden, unmittelbar nachdem wir diese sechs Reformen auf den Weg gebracht haben, das große von der Regierungskommission Krankenhausversorgung vorbereitete DRG-Reformgesetz vorlegen, mit dem wir die DRGs überwinden werden. Somit werden wir in sehr kurzer Zeit sehr intensiv arbeiten. Das haben wir schon in den letzten Wochen getan. Ich muss offen sagen – wenn ich ganz direkt sein darf –: Was wir jetzt machen, sind zum Teil Aufholarbeiten bei Reformen, die über Jahre hinweg liegen geblieben sind.

Zu Ihrer Frage zum Pflexit, Herr Gürnipar: Offen gesagt fällt es mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten. Denn offenbar verfolgen Sie die Diskussionen nicht, die wir seit Monaten im Ausschuss führen. Ich habe ja schon ausgeführt: Wir machen das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Der Pflegebonus ist umgesetzt. Es gibt mehr als 3.000 Euro in der Krankenpflege. In der stationären Pflege und in den Pflegeeinrichtungen sind die Mittel ausgezahlt worden. Da hat es am Anfang kurze Verzögerungen gegeben; wir haben darüber berichtet, dass die behoben werden konnten. Somit sind die Pflegeboni ausgezahlt.

Wir haben im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz zahlreiche Maßnahmen, die die Pflege unmittelbar entlasten werden, zum Beispiel die tagesstationäre Versorgung. Damit werden zahlreiche Nachtdienste nicht notwendig sein.

Das Hybrid-DRG-Gesetz wird dazu führen, dass viele stationäre Aufenthalte, die wir nur haben, damit sie abgerechnet werden können, durch ambulante Behandlungen ersetzt werden. Das wird die Pflege entlasten. Wir werden in der Kinderkrankenpflege und auch in der Geburtshilfe die Pflege entlasten. Wir rechnen die Kosten der Hebammen komplett auf das Pflegebudget an. Das gibt mir die Möglichkeit, zu berichtigen, was Sie, Frau Lötzsch, falsch gesagt haben: Die Hebammen werden nicht von den Krankenhäusern bezahlt, sondern von den Krankenkassen. In Ihrem Beitrag war das falsch dargestellt.

Ich will nur sagen: Es geht hier wirklich nicht um Polemik, sondern es geht darum, dass wir uns die Mühe machen, die Gesetze, über die wir durchaus kritisch diskutieren, wirklich zu verstehen. Es gibt immer auch Differenzen in der Umsetzung; da lernt man voneinander. Aber Ihre Frage zeigt aus meiner Sicht – ohne dass ich hier polemisch erscheinen möchte –, dass Sie sich nicht ausreichend mit dem Gesetz beschäftigt haben.

Ich komme zum Digitalbereich zurück. Wir werden im Bereich der Digitalisierung die Voraussetzungen für die elektronische Patientenakte schaffen. Wir werden sie dann umsetzen. Wir brauchen große Würfe; denn wir wollen dort wieder führend sein.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Bereich zu sprechen kommen, der ebenfalls massiv reformbedürftig ist. Wir müssen ein Versorgungsgesetz für die Menschen machen, die in den Gesundheitssystemen arbeiten, und zwar in jedem Bereich. Wir brauchen mehr Medizinstudierende. Wir brauchen endlich die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020.

Wir brauchen eine bessere Approbationsordnung. Wir brauchen eine bessere Regelung der Ausbildung der Psychotherapeuten. Wir brauchen eine verbesserte Verteilung der Psychotherapeuten, sodass man auch dort versorgt werden kann, wo die Verhältnisse prekär sind. Wir brauchen mehr Pflegepersonal aus dem Ausland, aber nicht von dort, wo es gebraucht wird. Und wir brauchen eine bessere Ausbildung in den Heilberufen, ein Nebeneinander akademisierter und beruflicher Ausbildungen. – Auch das werden wir alles angehen.

Wir haben viel vor uns. Ich darf mich bei allen bedanken, die bereit sind, diesen Weg konstruktiv mit uns zu gehen. Ich kann nur sagen: Es ist richtig, zu verlangen, dass wir anpacken. Aber in diesem Bereich gilt: Die Ampel wirkt und arbeitet.

Zu Ihrer Kurzintervention, Herr Sorge: Ich finde es immer wieder schade – das muss ich offen sagen –, so etwas hören zu müssen. Dabei tun wir hier etwas, was so vielen berechtigterweise hilft. Die Pflegekräfte verdienen diese Unterstützung, sie nehmen sie auch an, bedanken sich. Das sind die Pflegekräfte, die bei den Menschen am Bett stehen. Ich finde es immer wieder schade: Wir geben Geld aus und versuchen, zu helfen, und dann wird – ohne zu konkretisieren – anhand weniger Einzelbeispiele kritisiert. Diese Beispiele stimmen möglicherweise.

Unter den wenigen Fällen, die es gibt, sind wirklich welche dabei, die berechtigterweise Anlass zu Kritik geben; das ist tatsächlich so. Man darf nicht vergessen: Das Ganze wird von den Krankenhäusern umgesetzt. Es gibt durchaus Fälle, in denen jemand den Bonus nicht bekommt, obwohl er ihn verdient hat. Wir gehen wirklich jedem einzelnen dieser Fälle nach.

Es ist aber nicht richtig, den Eindruck zu erwecken, als ob die gesamte Reform nicht funktionierte und als ob wir hier die Pflegekräfte nicht zu würdigen wüssten. Wir haben uns bei den Pflegekräften ehrlich bedankt. Wir haben den Bonus so umgesetzt, wie es uns richtig zu sein schien. Wir haben uns diesbezüglich mit den Pflegeverbänden intensiv abgestimmt. Wenn es noch kleine Lücke geben sollte, dann gehen wir dem nach. Aber hier den falschen Eindruck zu erwecken, um ein paar Oppositionsmeilen zu machen, dass wir uns nicht um die Pflegekräfte kümmern würden, das ist nicht redlich und entspricht auch nicht der Haltung unserer Regierung.