Rede des Bundesministers des Auswärtigen, Joschka Fischer,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Abgeordnete Pau, ich kann nicht verstehen, wie Sie die Fakten, die nun alle offen auf dem Tisch liegen, weiter ausblenden können. Es gibt nicht nur die Srebrenica-Urteile des Haager Gerichtshofs, sondern mittlerweile auch einen Untersuchungsbericht einer Kommission, die die bosnisch-serbische Seite eingerichtet hat. Die kommt zu identischen Erkenntnissen, nämlich dass es sich damals im bosnischen Srebrenica um das größte Massaker an Zivilisten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehandelt hat. Genau dagegen hat sich die Intervention der Nato gerichtet. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie man heute noch eine Position vertreten kann, die diese Intervention, die Menschenleben gerettet und die ein Stück weit Frieden auf dem Balkan geschaffen hat, ablehnt.

Diese Mission zeigt auch – diese Bemerkung richte ich vor allen Dingen an die Opposition, mit der wir uns oft streiten –, dass es im außenpolitischen Handeln ein hohes Maß an Kontinuität gibt. Diese Mission wurde unter Ihrer Regierung als Nato-Mission beschlossen, sie wurde als Nato-Mission unter der rot-grünen Regierung fortgesetzt und sie wird jetzt zu einer europäischen Mission. Ich denke, das ist das Entscheidende; denn wir sehen zugleich, dass die Europäische Union angesichts der Transformation dieser eingefrorenen kantonalen Strukturen eine immer größere Bedeutung bekommt, vor allen Dingen angesichts der Tatsache, dass sich Kroatien energisch in Richtung Europäische Union entwickelt. Die Rückkehr der Flüchtlinge, die Überstellung von Kriegsverbrechern an den Haager Gerichtshof, aber auch das Festhalten an den notwendigen ökonomischen Reformen und Rechtsstaatsreformen über den Regierungswechsel in Zagreb hinaus haben eine sehr positive Wirkung auf die Köpfe in Bosnien, und zwar auf allen Seiten. Insofern glaube ich, dass die kroatische Entwicklung und die Übertragung der Sicherheitsverantwortung auf die Europäische Union mit der Mission Althea eine gewisse Parallelität zum Ausdruck bringen.

Eines unterstreiche ich ganz klar: Die Bundesregierung war und ist entschlossen, alle Beiträge, die sie leisten kann, zu leisten, damit die beiden Hauptkriegsverbrecher Mladic und Karadzic ihrem Richter, nicht ihrer gerechten Verurteilung zugeführt werden. Das ist das Entscheidende. Das unabhängige Gericht hat dann die Vorgänge zu bewerten und sofern sie schuldig gesprochen werden – wovon ich angesichts dessen, was uns bekannt ist, ausgehe –, haben sie dann die Strafe zu erhalten, die sie verdienen. Ich gehe davon aus, dass wir und auch die europäische Mission eng mit den anderen Partnern zusammenarbeiten werden. Denn – darin stimme ich Ihnen zu – das Problem muss gelöst werden. Zu den Details kann ich zwar keine Stellung nehmen, aber ich unterstreiche nachdrücklich: Das Problem muss gelöst werden.

Die Zukunft des Balkans ist eine Zukunft in Europa. Ohne die regionale Orientierung in Richtung eines Europas der Integration wird eine Lösung nicht möglich sein. Dabei handelt es sich aber um einen langfristigen Prozess, der mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchlaufen wird und in dem Sicherheit noch lange von außen garantiert werden muss.

Ich möchte nochmals unterstreichen, was auch der Abgeordnete Lamers meines Erachtens sehr gut dargestellt hat, nämlich dass sich alle Ängste, dass sich zwischen den EU-Missionen und den Nato-Missionen ein Widerspruch ergeben könnte, im Lichte der Erfahrungen als irrelevant erwiesen haben. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Auch hier wird seitens der europäischen Althea-Mission auf die Mittel und Fähigkeiten der transatlantischen Allianz zurückgegriffen werden. Ich sehe auch hierin eine sehr gute Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Nato und ein weiteres Beispiel dafür, dass diese Zusammenarbeit funktioniert, dass beide Organisationen aufs Engste kooperieren und in politischer Hinsicht zusammengehören.

Deswegen wünsche ich unseren Sicherheitskräften in diesem Einsatz alles Gute und eine gesunde Rückkehr. Ich möchte mich bei diesem Haus für das Verständnis bedanken, das es für die Notwendigkeit nicht nur dieses Mandats und dieser Mission aufbringt. Ich sichere ausdrücklich nochmals zu, dass wir, sofern dies gewünscht und von einer Fraktion beantragt wird – seitens der Opposition wurde dies betont –, einen erneuten Beschluss fassen, obwohl dieses Mandat in der Vergangenheit sozusagen zeitlich unbegrenzt erteilt wurde. Aber ich denke, es dient der Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg und es liegt auch im Interesse der eingesetzten Kräfte und der Bundesregierung. Ich möchte mich bei Ihnen allen nochmals für die Unterstützung bedanken.