Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Es ist mir eine große Ehre, dass ich heute zum ersten Mal im Deutschen Bundestag reden darf.

Wir wollen mehr Fortschritt wagen. Fortschritt braucht Sicherheit. Nur so werden wir den notwendigen Rückhalt für Veränderungen haben. Wir sind ein starkes Land. Die überwältigende Mehrheit in unserem Land steht hinter unserer Demokratie und ihren Institutionen. Die überwältigende Mehrheit verhält sich in der Pandemie solidarisch und rücksichtsvoll, und dieser überwältigenden Mehrheit möchte ich heute im Namen der Bundesregierung ausdrücklich meinen Dank aussprechen.

Aber zur Wahrheit gehört auch: Die Pandemie zeigt Risse in unserer Gesellschaft: Protest, Erschöpfung, Wut. Aber unsere Gesellschaft ist nicht gespalten, und wir lassen uns auch nicht spalten. Wir sind ein Land und halten zusammen.

Wer Wissenschaftlerinnen, Journalisten, Polizistinnen oder Politiker attackiert oder einschüchtert, der führt keine Diskussionen mehr. Wir sehen hier keine „Spaziergänge“, sondern organisierte Aktionen, an vielen Orten gleichzeitig – immer wieder mit Gewalt, immer wieder mit massenhaften Verstößen gegen Coronaregeln. Rechtsextremisten gewinnen leider zunehmend regional an Einfluss. Sie kämpfen nicht gegen Corona; sie kämpfen gegen unsere Demokratie. Ich möchte sehr klar sagen: Wir lassen uns das nicht bieten. Unsere Demokratie ist wehrhaft. Bei Gewalt muss der Rechtsstaat hart durchgreifen. Die Täterinnen und Täter müssen mit konsequenter Strafverfolgung rechnen.

Den Polizistinnen und Polizisten, die gerade jetzt für uns alle den Kopf hinhalten, danke ich sehr herzlich. Sie haben unsere große Unterstützung. Ich weiß, wie schwer ihr Job in diesen Tagen ist. Ich habe mir davon am Montagabend während der Proteste im Lagezentrum der Polizei in Dresden selbst ein Bild gemacht.

Allen, die protestieren, weil die Impfung sie umtreibt, sage ich: Natürlich gehört Protest zur Demokratie. Natürlich hören wir zu. Aber lassen Sie sich nicht von Extremisten vor den Karren spannen! Grenzen Sie sich ab von Hass und Gewalt!

Wir stellen uns Menschenverachtung und gefährlichen Verschwörungsideologien klar entgegen. Das gilt bei Coronademonstrationen, und das gilt überall sonst, auch und gerade im Netz, bei Telegram genauso wie auf anderen Plattformen. Es darf keinen Zweifel daran geben: Wir werden dafür sorgen, dass Hetzer identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden.

Sicherheit ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wir wollen ein Land sein, in dem alle Menschen frei und ohne Angst leben, ganz gleich in welchem Viertel sie leben, wen sie lieben, woran sie glauben oder woher ihre Familien einmal kamen. Wir haben alle extremistischen Bedrohungen im Blick: den Islamismus, den Rechtsextremismus und den Linksextremismus. Aber die größte Gefahr für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus. Deshalb hat die Bekämpfung des Rechtsextremismus für mich auch besondere Priorität.

Eines möchte ich gleich zu Beginn sagen: Es ist unser aller Pflicht, für den Schutz von Jüdinnen und Juden zu sorgen. Die Hetze, die viele dieser Tage in unserem Land noch erleben müssen, ist eine Schande für unser Land. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, der antisemitische Anschlag in Halle, die rassistischen Morde in Hanau – diese entsetzlichen Verbrechen lassen mich nicht los. Die jahrelange Auseinandersetzung mit dem Terror des NSU hat mich persönlich sehr geprägt. Deshalb sage ich auch heute hier im Deutschen Bundestag: Der Staat ist den Opfern weitere Antworten schuldig. Die Aufarbeitung muss weitergehen, und wir werden sie vorantreiben.

Serpil Temiz Unvar hat in Hanau ihren Sohn Ferhat verloren. Was sie gesagt hat, ist eine Mahnung an uns alle: „Unsere Kinder dürfen nicht umsonst gestorben sein. Ihr Tod muss das Ende rassistischer Angriffe sein.“ Ich kann Ihnen, liebe Frau Unvar, und allen Familien der Opfer von Hanau sagen: Wir werden Ihre Kinder nie vergessen, und wir werden alles tun, um die Menschen, die in unserem Land bedroht und angegriffen werden, besser zu schützen. Deshalb werde ich als Bundesinnenministerin bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen.

Wir werden alles daransetzen, Radikalisierung zu stoppen, rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite sind Engagement, politische Bildung und ganz viel Prävention. Für beides werde ich mich gleichermaßen einsetzen. Wir werden demokratische Initiativen verlässlich unterstützen. Gemeinsam mit Familienministerin Anne Spiegel möchte ich mit dem Demokratiefördergesetz dafür so schnell wie möglich eine neue Grundlage schaffen.

Wir werden unsere Polizei- und Sicherheitsbehörden stärken. Wir werden für Respekt für ihre harte Arbeit und für gute Ausbildung und faire Arbeitsbedingungen sorgen, zum Beispiel mit einer schnellen Einführung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage.

Wir werden besser als früher aus Fehlern lernen. Und wir werden die Balance von Freiheit und Sicherheit wahren. Sicherheit bedeutet Schutz vor Extremismus, und Sicherheit bedeutet Schutz vor Kriminalität.

Drei Prioritäten möchte ich nennen: Wir werden die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität, von Clankriminalität und Cyberkriminalität verstärken. Wir werden alles unternehmen, um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen und die Täter und ihre Netzwerke zu verfolgen. Und wir werden die Gewalt gegen Frauen bekämpfen und auch die strukturellen Ursachen dafür angehen.

Ich bin auch Ministerin für Heimat. Heimat sind alle Menschen, egal wo sie herkommen. Heimat ist, wo ich mich nicht groß erklären muss. Heimat ist, was zum Beispiel in Sportvereinen jeden Tag an Integration gelebt wird. Ich werde all denen den Rücken stärken, die sich für uns alle einsetzen. Das sind kommunalpolitisch Aktive. Das sind Freiwillige und Ehrenamtliche. Das sind Engagierte in Kirchen und Religionsgemeinschaften. Das sind Feuerwehrleute und THW-Helfer.

Wie alle diese Menschen unsere Gesellschaft zusammenhalten, haben wir auch nach der furchtbaren Flutkatastrophe im letzten Sommer gesehen. Die Folgen des Klimawandels treffen uns hier und heute. Daraus müssen wir jetzt Konsequenzen auch für einen starken Bevölkerungsschutz ziehen. Auch das wird eine der wichtigen Aufgaben der neuen Regierung sein.

Sehr geehrte Abgeordnete, wir sind stolz darauf, dass wir ein vielfältiges Einwanderungsland sind, und wir sagen das auch endlich deutlich. Jetzt wollen wir ein besseres Integrationsland werden. Uns geht es um Bildungschancen und Arbeit von Anfang an. Wir schaffen ein modernes Einwanderungsrecht, auch und gerade um Arbeitskräfte zu gewinnen, die wir dringend brauchen.

Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung für geflüchtete Menschen. Wir ermöglichen legale Fluchtwege, damit das Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende hat. Wir sorgen für zügige Asylverfahren und gute Perspektiven für Menschen, die gut integriert sind. Wir sorgen aber auch – das sage ich deutlich – für konsequente Rückführungen, insbesondere von Straftätern. Die Ampelkoalition steht für einen neuen Geist und ein neues Handeln in der Migrationspolitik. Legen wir damit los!

Neue Kräfte setzen wir auch in der Digitalpolitik frei. Wir wollen eine digitale Verwaltung, die aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht ist. Mit einem Digitalcheck werden wir Gesetze darauf abklopfen, ob sie das Leben einfacher und digitaler machen. Als Bundesinnenministerium wollen wir Vorreiter und Antreiber für den digitalen Staat sein.

Wir haben uns viel vorgenommen. Fortschritt braucht Sicherheit. Dafür setze ich auf eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen allen Demokratinnen und Demokraten. So werden wir das Vertrauen in unsere Demokratie stärken und für unsere offene Gesellschaft werben und sie gegen ihre Feinde verteidigen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.