- Bulletin 141-87
- 9. Dezember 1987
der bundesminister fuer bildung und wissenschaft,
juergen w. moellemann, hielt zur eroeffnung der
konzertierten aktion weiterbildung am 3. dezember 1987
im bundesministerium fuer bildung und wissenschaft,
bonn-bad godesberg, folgende ansprache:
sehr geehrte damen und herren!
ich danke ihnen, dass sie meiner einladung zur initiative
einer "konzertierten aktion weiterbildung" gefolgt sind. alle
hier vertretenen verbaende, koerperschaften und institutionen
sind in unterschiedlicher weise der weiterbildung
verbunden, sind fuer die weiterbildung in der bundesrepublik
mitverantwortlich.
wir alle sind uns wohl auch darin einig, dass sich die
weiterbildung zur "vierten saeule des bildungswesens" entwickeln
muss. wir alle wissen, dass strukturwandel, technische
entwicklung, bevoelkerungsentwicklung, allgemein hoeheres
bildungsniveau, freizeitbeduerfnisse - um nur das wichtigste
zu nennen - immer mehr weiterbildung erforderlich
machen.
weiterbildung ist lebenswichtig fuer den einzelnen, der sich in
dieser welt behaupten und seinen lebensbereich
mitgestalten will. sie ist ebenso lebensnotwendig fuer die
wirtschaftliche und gesellschaftliche entwicklung unseres landes,
denn der groesste reichtum, den die bundesrepublik besitzt,
ist die leistungsfaehigkeit ihrer bevoelkerung. hierin liegt fuer
mich die groesste herausforderung, vor die das
bildungswesen heute gestellt ist. es ist eine herausforderung an
jeden von uns.
es ist meines wissens das erste mal, dass sich alle grossen,
fuer die weiterbildung verantwortlichen institutionen
zusammenfinden. die in diesem raum vertretenen verbaende sind
in aufgabenstellung, klientel und organisationsform sehr
unterschiedlich. in dieser vielfalt, in der dezentralisierung,
in der gestaltungsfreiheit, im hohen anteil privater aktivitaet
liegt die staerke unserer weiterbildungsstruktur.
diese strukturmerkmale gilt es zu erhalten und zu foerdern.
sie bieten die beste voraussetzung fuer eine dynamische
entwicklung der weiterbildung und fuer eine flexible
anpassung an wechselnde erfordernisse.
wieso dann eine "konzertierte aktion"? entsteht hier nicht
der verdacht, der staat wolle seinen einfluss ausweiten,
wolle die weiterbildung mit regelungen ueberziehen und
durch vereinheitlichung die vielfalt reduzieren? oder es
sollten gar die ideologie-beladenen diskussionen der
siebziger jahre wieder aufgegriffen werden? nichts von
alledem. "konzertierte akxion" bedeutet,dass sich alle
interessierten unter voller wahrung ihrer unabhaengigkeit und
ihrer kompetenzen zur erreichung gemeinsamer ziele an
einem tisch zusammenfinden, um themen gemeinsamen
interesses zu erssrtern, ihre erfahrungen auszutauschen,
massnahmen abzustimmen und um neue initiativen - wo
moeglich auch gemeinsam - zu entwickeln und
durchzufuehren.
ich bin ueberzeugt, dass die hier versammelten bei aller
unterschiedlichkeit der auffassungen solche gemeinsamen
interessen und ziele haben. ich nenne einige beispiele:
erstens: wir alle wollen eine breite oeffentlichkeit fuer das
thema "weiterbildung" interessieren. die konzertierte
aktzon sollte daher dazu beitragen, die weiterbildung auch
in den augen der oeffentlichkeit zur bereits erwaehnten
gleichwertigen "vierten saeule" unseres bildungswesens zu
machen - wohlgemerkt: nicht nur des staatlichen
bildungswesens, wie das frueher hin und wieder gefordert wurde,
zweitens: wir wollen die angebote attraktiver machen
und - auch mit hilfe neuer medien - didaktisch verbessern,
drittens: wir wollen das angebot regional und thematisch
ausweiten und manche kapazitaeten gemeinsam nutzen,
viertens: wir wollen neue teilnehmer fuer die
weiterbildung gerade auch in den bevoelkerungsschichten mit
geringer formaler vorbildung gewinnen.
zugegeben: vieles zur erreichung solcher ziele kann auch
von den einzelncn institutionen allein getan werden. aber es
gibt auch manches, was in der gemeinsamkeit einiger oder
vieler institutionen besser und effizienter angeregt und
durchgesetzt werden kann. als bereiche, ueber die eine
verstaendigung nuetzlich waere, erschienen mir beispielsweise
fragen eines fairen wettbewerbs oder der umfang der
spezifisch oeffentlichen aufgaben in der weiterbildung.
sie werden eventuell die frage stellen, ueber welches eigene
instrumentarium das bundesministerium fuer bildung und
wissenschaft neben den moeglichkeiten der einwirkung auf
die gesamte bildungspolitik ueberhaupt verfuege. zweifellos
gibt es nur beschraenkte gesetzgebungszustaendigkeiten,
aber es gibt sie. wir koennen weiter massnahmen ueber
forschungs- und entwicklungsvorhaben, modellversuche und
tagungen unterstuetzen, wir koennen ausserdem ergebnisse
und vorschlaege in die bund-laender-kommission
einbringen, und ich habe dies ausdruecklich vor.
ich stelle mir auch vor, dass folge-aktivitaeten im ganzen
lande, nicht etwa nur in bonn, stattfinden. die "konzertierte
aktion weiterbildung" soll in alle regionen der
bundesrepublik hineingetragen werden, um ueberall anstoesse zu
geben und interesse fuer die weiterbildung zu wecken. noch
findet die weiterbildung in der oeffentlichkeit nicht die
aufmerksamkeit, die sie verdient.
ich hoffe, dass wir in den kommenden stunden, in denen
fragen und probleme nur aufgezeigt, nicht aber gleich
geloest werden koennen, zu dem ergebnis kommen, dass sich
gemeinsame arbeit lohnt, dass sie wahrscheinlich sogar
notwendig ist, um der weiterbildung den rang zu sichern,
den sie braucht.