das deutschlandlied - eine dokumentation - briefwechsel zwischen bundeskanzler konrad adenauer und bundespraesident theodor heuss

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unter der ueberschrift "das deutschlandlied ist
nationalhymne" veroeffentlichte das bulletin in seiner nr. 51
vom 6. mai 1952 auf dem titelblatt folgenden
briefwechsel zwischen bundeskanzler konrad adenauer
und bundespraesident theodor heuss:

bundesrepublik deutschland
der bundeskanzler
bonn, 29. 4. 52

an den
bundespraesidenten der
bundesrepublik deutschland
herrn prof. dr. theodor heuss
bonn

sehr geehrter herr bundespraesident!

die frage einer "national-hymne" ist in den vergangenen
zwei jahren wiederholt zwischen uns besprochen worden.
ich achtete, wenn auch mit zweifel an dem gelingen, ihren
versuch, durch einen neuen text und durch eine neue
melodie ueber die unliebsamen zwischenfaelle
hinwegzukommen, die bei der wiedergabe oder bei dem absingen des
"deutschland-liedes" sich ereignet haben, es sollte
vermieden bleiben, hier einen neuen streit in unser volk zu
tragen.
sie haben mir selber gelegentlich zum ausdruck gebracht,
dass sie das bemuehen als gescheitert betrachten muessen. die
gruende moegen jetzt uneroertert bleiben. als das kabinett sie
vor monaten durch mich bitten liess, sich fuer die dritte
strophe des "deutschland-liedes" zu entscheiden, gab ich
zu, dass ihre damalige gegenargumentation eine innere
berechtigung besass.
inzwischen ist nun die frage dringend geworden, und ich
muss den wunsch der bundesregierung darum pflichtgemaess
wiederholen. sie wissen selber um die lage, in der bei
amtlichen veranstaltungen unsere auslaendischen
vertretungen sich befinden. ich will in diesem augenblick die
innerdeutschen gefuehlsmomente, deren gewicht von uns beiden
gleich hoch gewertet wird, gar nicht in anschlag bringen. es
ist wesentlich der aussenpolitische realismus, der uns, ihnen
wie mir, nahelegen muss, die entscheidung nicht weiter
hinauszuzoegern, ich moechte auch hoffen duerfen und glaube,
dazu grund zu haben, dass die innenpolitischen vorbehalte,
die sich auf den missbrauch des "deutschland-liedes" durch
die vernichter des alten deutschland beziehen, an schaerfe
verloren haben - war es doch der reichspraesident friedrich
ebert, der das "deutschland-lied" durch eine
staatsmaennische entscheidung zur nationalhymne erklaerte.
daher die erneute bitte der bundesregierung, das
hoffmann-haydn'sche lied als nationalhymne anzuerkennen.
bei staatlichen veranstaltungen soll die dritte strophe
gesungen werden.
mit freundlichen gruessen
ihr
gez. adenauer

der praesident der bundesrepublik deutschland
bonn/berlin, 2. 5. 1952

sehr geehrter herr bundeskanzler!
sie haben recht: ich wollte vermieden wissen, dass in
oeffentlichen veranstaltungen mit einem vaterlaendischen akzent,
gleichviel wie ihre ausdehnung oder wie ihr rang sei, ein
missklang ertoene, weil sehr, sehr viele menschen unseres volkes
haydns grosse melodie nur eben als vorspann zu dem "dichterisch"
und musikalisch, minderwertigen horst-wessel-lied im
gedaechtnis haben, dessen banale melodie den marsch-takt in
ein volksverderben abgab.
doch das ist es nicht allein. als mich die frage nach einer
nationalhymne bewegte - und das liegt innerlich laengst vor
meiner wahl zum bundespraesidenten - glaubte ich, dass der
tiefe einschnitt in unserer volks- und staatengeschichte einer
neuen symbolgebung beduerftig sei, damit wir vor der
geschichtlichen tragik unseres schicksals mit zugleich reinem und
freiem herzen, in klarer nuechternheit des erkennens der lage
bestehen werden. ich weiss heute, dass ich mich taeuschte. ich habe
den traditionalismus und sein beharrungsbeduerfnis unterschaetzt.
man hat mir wegen meines planes manche herzhafte
zustimmung gegeben, und zwar aus schier allen heute wesentlichen
politischen gruppen, man hat mich bewegend, entruestet,
toericht, banal in zahllosen briefen, telegrammen, resolutionen
belehrt, dass man in der not die vergangenheit nicht verleugne
usf. usf. wenn mich jemand ueber geschichtliches wuerdegefuehl
belehren wollte, habe ich das kuehl auf die seite geschoben.
denn ich bin stolz und selbstbewusst genug, zu meinen, dass
einige meiner in der vergangenheit liegenden literarischen und
wissenschaftlichen arbeiten der deutschen wuerde
bekoemmlicher waren als die leistung mancher "prominenter"
protestler von heute, die besser schweigen.
da ich kein freund von pathetischen dramatisierungen bin und
mit mir selber im reinen bleiben will, muss ich nach meiner natur
auf eine "feierliche proklamation" verzichten. wenn ich also der
bitte der bundesregierung nachkomme, so geschieht das in der
anerkennung des tatbestandes.
ich moechte daran zwei erwartungen und wuensche knuepfen. in
den letzten jahren habe ich, zum teil durch recht prominente
mitglieder aus den reihen der cdu, der fdp, der spd
versicherungen erhalten, wie richtig, wie falsch das sei, was ich
versucht habe - es waere ein glueck, wenn nun das kapitel der
parteiauffassungen abgeschlossen waere, das auch in einigen
landtagen abgehandelt wurde. zum anderen: man hatte mir
nahegelegt, bei der freigabe von helgoland den erwarteten akt
der "proklamation" zu vollziehen, weil bekanntlich auf dieser
insel hoffmann seine verse gedichtet hat. das ist nun so:
hoffmann von fallersleben war ein schwarz-rot-goldener,
sogar leicht veraergert, dass nach 1870 sein gedicht gar nicht in
aufnahme kam. ich wuerde sehr froh sein, wenn alle, die sich
jetzt in briefen und entschliessungen und artikeln so lebhaft zu
ihm bekannt haben, auch die folgerungen daraus weiter ziehen,
und es waere verdienstlich, herr bundeskanzler, wenn die
bundesregierung mit dafuer sorgen koennte, dass diese farben bei
festlichen anlaessen, da man die worte von hoffmann von
fallersleben singen will und singen wird, nicht bloss an den
amtsgebaeuden wehen, sondern von den mitgliedern der
gruppen, die sich dafuer in beschluessen erklaert haben, als das
symbol unseres staates auch oeffentlich bekannt wuerden.
mit guten gruessen
ihr
gez. theodor heuss