„Wir wollen, dass die Waffen schweigen”

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Ukrainischer Präsident Selenskyj in Berlin „Wir wollen, dass die Waffen schweigen”

Deutschland und die Ukraine seien sich im Zuge des Krieges nähergekommen, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin. Beide Staats- und Regierungschefs einigten sich, intensiver zusammenzuarbeiten.

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 28. Mai 2025
Bundeskanzler Merz begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem Bundeskanzleramt mit Handschlag. Im Hintergrund sind Medienschaffende zu sehen.

Bundeskanzler Merz und Präsident Selenskyj stimmten sich über die weitere Zusammenarbeit in der Ukraine ab.

Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

„Die Menschen in der Ukraine halten seit mehr als drei Jahren dem russischen Angriffskrieg stand. Sie verteidigen ihr Leben, ihr Land und unsere gemeinsame Freiheit. Unter großen Opfern verteidigen sie eben auch die Sicherheit Europas.” Mit diesen Worten würdigte Bundeskanzler Friedrich Merz den Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer gegen die russische Aggression beim Empfang des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin.

Niemand wolle den Frieden mehr als die Ukraine selbst. „Wir wollen, dass die Waffen in der Ukraine schweigen. Wir wollen einen dauerhaften Frieden für die Ukraine, und wir wollen Sicherheit für ganz Europa. Das alles wollen wir in engstmöglicher Partnerschaft mit unseren Freunden in Europa und in den USA", betonte der Kanzler. Dafür stehe Deutschland fest an der Seite der Ukraine.

Das Wichtigste des Statements in Kürze:

  • Bilaterale Beziehungen: Die enge Zusammenarbeit der beiden Regierungen und ihrer Mitglieder soll weiter ausgebaut werden. Deshalb „werden wir gegen Jahresende – erstmals seit sehr vielen Jahren wieder – deutsch-ukrainische Regierungskonsultationen" abhalten, sagte Merz.
  • Bemühungen um Waffenstillstand: Die jüngsten massiven russischen Luftangriffe auf Kyiw seien ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich um einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen bemühten – in der Ukraine, in Europa und in den USA. Deshalb werde man den Druck auf Russland erhöhen.
  • Unterstützung der Ukraine: Der Kanzler machte klar: „Wir werden unsere militärische Unterstützung fortsetzen und wir werden sie ausbauen.“ Deutschland finanziere einen beträchtlichen Teil der Starlink-Abdeckung des Landes. Zudem würden die Verteidigungsminister beider Länder noch am selben Tag eine Absichtserklärung über die Beschaffung weitreichender Waffensysteme aus ukrainischer Produktion unterzeichnen. Hierbei werde es keine Reichweitenbeschränkung geben.
  • Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Mit Blick auf eine „Zukunft jenseits des Krieges” kündigte der Bundeskanzler Gespräche mit Vertretern der deutschen Wirtschaft an. Das Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland sei da, Themen lägen auf der Hand: Energie, Infrastruktur, Bau, Landwirtschaft, Maschinenbau, Medizintechnik. Dieses Potenzial wolle man gemeinsam und partnerschaftlich erschließen, betonte der Kanzler.

Sehen Sie hier das Video der Pressestatements:

30:52

Video Pressekonferenz von Bundeskanzler Merz mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj

Lesen Sie hier die gesamten Pressestatements:

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

Bundeskanzler Friedrich Merz: 

Meine Damen und Herren, ich heiße in Berlin den Präsidenten der Ukraine herzlich willkommen. Lieber Wolodymyr, herzlich willkommen in Berlin im Bundeskanzleramt! Wir haben uns gleich nach meinem Amtsantritt in Kyjiw getroffen, zusammen mit Emmanuel Macron, Keir Starmer und Donald Tusk. Ich freue mich, dass du heute meine Einladung angenommen hast, nach Berlin zu kommen.

Die Menschen in der Ukraine halten seit mehr als drei Jahren dem russischen Angriffskrieg stand. Sie verteidigen ihr Leben, ihr Land und unsere gemeinsame Freiheit. Unter großen Opfern verteidigen sie eben auch die Sicherheit Europas gegen den militanten Revisionismus Russlands. Wir fühlen mit den Menschen. Wir fühlen mit dir, lieber Wolodymyr. Wir danken den Menschen in der Ukraine, dass sie dies tun. Wir helfen den Menschen in der Ukraine. Wir werden dem Land helfen, und das werden wir tun, solange es notwendig ist.

Wir haben aus unserem heutigen Austausch fünf Punkte festgehalten, die ich Ihnen gern kurz vortragen möchte:

Erstens. Der Krieg hat die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine verändert. Wir sind uns nähergekommen als Gesellschaften, aber eben auch als Regierungen. Fast alle Minister der Bundesregierung arbeiten heute eng mit den ukrainischen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Das wollen wir weiter ausbauen. Deshalb werden wir gegen Jahresende - erstmals seit sehr vielen Jahren wieder – deutsch-ukrainische Regierungskonsultationen haben.

Zweitens. Natürlich prägt der russische Angriffskrieg die Beziehungen zwischenKyjiw und Berlin ganz entscheidend. Aber er darf auch nicht alles überschatten. Deshalb denken wir gemeinsam voraus in eine Zukunft jenseits des Krieges. Wir werden im Anschluss an dieses Pressestatement zusammen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft über die wirtschaftlichen Zukunftschancen beraten und uns austauschen. Das Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland ist da. Die Themen liegen auf der Hand: Energie, Infrastruktur, Bau, Landwirtschaft, Maschinenbau, Medizintechnik. Es geht um viele weitere Branchen. Wir wollen dieses Potenzial erschließen, gemeinsam und partnerschaftlich.

Drittens. Wir haben heute intensiv beraten, wie wir die diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand vorantreiben können. Du hast dabei, Wolodymyr, sehr klar gemacht: Niemand will den Frieden mehr als die Ukraine selbst. Die Regierung in Kyjiw ist seit Wochen zu einem sofortigen bedingungslosen Waffenstillstand bereit. Die Ukraine ist bereit, im nächsten Schritt technische Gespräche mit Russland zu führen, ganz gleich an welchem Ort, sei es im Vatikan, in Genf oder an jedem beliebigen dritten Ort.

Wir Europäer sind bereit, diese Gespräche zu unterstützen, und ich weiß mich darin einig mit unseren Partnern in Paris, London, Warschau, Rom, Helsinki, Brüssel und vielen anderen Städten Europas. Wir zählen dabei auch auf die Unterstützung der USA, deren Engagement unverzichtbar für erfolgreiche Verhandlungen bleibt. Ich will an dieser Stelle dem amerikanischen Präsidenten für sein persönliches Engagement in den letzten Wochen ausdrücklich danken.

Dagegen spielt Moskau auf Zeit. Das Positionspapier für Verhandlungen, das Präsident Putin vor über einer Woche zugesagt hat, lässt bis heute auf sich warten. Die massiven Luftangriffe vom Wochenende, insbesondere auf die Stadt Kyjiw, sprechen nicht die Sprache des Friedens, sondern sie sprechen die Sprache eines aggressiven Angriffskrieges.

Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die um einen Waffenstillstand ringen, in der Ukraine selbst, aber auch in Europa und in den USA. Wir werden deshalb den Druck auf Russland weiter erhöhen. Wir tun das, um die Kriegsmaschine Moskaus zu schwächen. Wir tun es aber auch, um den Weg für Verhandlungen zu öffnen.

Ich sage für die Bundesrepublik Deutschland: Wir werden in diesem Zusammenhang alles tun, damit Nord Stream 2 eben nicht wieder in Betrieb genommen werden kann.

Viertens. Wir haben heute auch über Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine gesprochen. Ich werde mich hier daran halten, nicht in die Details zu gehen. Aber ich kann so viel sagen: Wir werden unsere militärische Unterstützung fortsetzen, und wir werden sie ausbauen, damit sich die Ukraine jetzt und in Zukunft gegen diese russische Aggression weiter zur Wehr setzen kann.

Ich will in diesem Zusammenhang etwas Neues hervorheben: Wir finanzieren einen beträchtlichen Teil der Starlink-Abdeckung des Landes. Unsere Verteidigungsminister werden heute eine Absichtserklärung über die Beschaffung weitreichender Waffensysteme aus ukrainischer Produktion, sogenannter Long-Range-Fires, unterzeichnen.

Es wird hierbei keine Reichweitenbeschränkungen geben. Die Ukraine kann sich damit vollumfänglich verteidigen, auch gegen militärische Ziele außerhalb des eigenen Staatsgebiets. Das ist der Einstieg in eine neue Form der militärisch-industriellen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern, die großes Potenzial hat.

Und schließlich, fünftens. Unsere gemeinsame Arbeit leisten wir mit einem sehr klaren Kompass. Wir wollen, dass die Waffen in der Ukraine schweigen. Wir wollen einen dauerhaften Frieden für die Ukraine, und wir wollen Sicherheit für ganz Europa. Das alles wollen wir in engstmöglicher Partnerschaft mit unseren Freunden in Europa und in den USA.

Lieber Wolodymyr, nochmals herzlichen Dank für dein Kommen heute nach Deutschland. Ich will dir persönlich danken. Ich will dem Land danken, dem Volk danken, deiner Regierung danken. Ich will all denen danken, die diesen unglaublichen Einsatz in den letzten dreieinhalb Jahren erbracht haben. Und es soll noch einmal gesagt werden: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine.

Präsident Wolodymyr Selenskyj: 

Lieber Friedrich, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Anwesende, geehrte Journalisten, ich danke dir noch einmal für deinen Besuch, dass du zusammen mit den Freunden in Kyjiw gewesen bist. Das war äußerst wichtig. Das ist eine sehr starke Unterstützung für uns, für die Ukrainer in der Ukraine. Das war ein wichtiges Signal. Wir haben viel besprochen und viel vereinbart.

Unser heutiges Treffen ist ebenso sehr detailreich gewesen. Wichtig ist: Wir sind zusammen, wir arbeiten zusammen am Frieden. Wir helfen unseren Menschen, wir bemühen uns um mehr Sicherheit für unsere Menschen und tun alles, um effektiv zu sein.

Deutschland ist einer der führenden Partner für die Weltordnung, die auf Regeln basiert. Regeln müssen erhalten bleiben, damit Menschenleben fortbestehen. Wir haben über die gemeinsame Diplomatie, gemeinsame Sicherheit, gemeinsame Projekte in Deutschland und in der Ukraine gesprochen.

Zum einen müssen wir Frieden herbeiführen. Wir haben über die diplomatischen Möglichkeiten gesprochen. Seit einer Woche wartet die Welt darauf, dass die Russen endlich die Absichtserklärung unterschreiben, damit sie aufhören, die Menschen zu töten. Sie haben nichts Neues gesagt. Sie sind mit ihren Ansprachen weiterhin da. Es soll ja keine Voraussetzungen geben, um den Waffenstillstand zu erreichen. Ich danke Deutschland dafür, dass wir schnellstmöglich einen Waffenstillstand anstreben.

Der Grund für jede Aggression im Krieg und für diesen Krieg Russlands gegen die Ukraine, gegen die Menschen in der Ukraine, ist einfach der gewaltsame Wunsch, die Menschen zu töten und Leben zu zerstören. Russland muss diesen Wunsch ablegen. Damit das tatsächlich geschieht, muss man auf Russland jeden möglichen Druck ausüben, damit sie die Folgen dieser Handlungen verstehen. Deswegen müssen die Sanktionen verstärkt werden. Die Verlängerung des Krieges soll schmerzhaft für Moskau werden. Deutschland unterstützt uns auch bei Sanktionen. Vielen Dank dafür.

Ein Weiteres ist die Sicherheit: Deutschland hat sehr viel dafür gemacht, dass unsere Luftverteidigung gestärkt wird. Tausende Leben sind gerettet worden. Sie sehen, was Putin jede Nacht macht. Es gibt massive Angriffe von Drohnen und Marschflugkörpern, von ballistischen Raketen. Um Leben zu schützen, brauchen wir Unterstützung bei der Luftverteidigung. Das ist äußerst wichtig für uns.

Äußerst wichtig für uns sind die Absprachen mit Deutschland, was die Luftverteidigungssysteme betrifft. Deutschland unterstützt uns sehr andauernd mit Raketen für die Luftverteidigung. Dafür danke ich. Ich unterstreiche, eine solche Unterstützung macht russischen Terror sinnlos.

Wenn wir über die Waffenlieferungen sprechen, müssen wir auch über die Reichweite von Waffen reden. Dahinter steht die Frage, wie wir den russischen Angriffen den Sinn entziehen. Solange es diese Angriffe gibt, wird reale Diplomatie von Russland vermieden. An ganz Europa und die USA gerichtet sagen wir: Für uns ist es wichtig, dass alle Länder die Reichweite nicht einschränken, damit unsere Armee und unsere Standhaftigkeit weiterhin fortbestehen.

Russische Aktiva sollen eingefroren werden. Deutschland kann uns dabei helfen.

Zum Dritten – gemeinsame Produktion und Industrie. Ich bin froh, dass wir neue Absprachen zu neuen gemeinsamen Projekten getroffen haben. Ich werde jetzt nicht alle Details öffentlich machen. Wir haben jedoch Absprachen zur Waffenproduktion in der Ukraine getroffen. Dabei geht es um Drohnen. Drohnen helfen effektiv, das Leben unserer Soldaten zu schützen. Die Vertreter unserer Regierungen haben Absprachen getroffen und Verträge unterschrieben, dass wir mit der gemeinsamen Produktion anfangen und sie verstärken und entwickeln.

Wir werden zusammen mit Friedrich, mit dem Herrn Kanzler, ein Gespräch mit deutschen Unternehmen führen, und wir möchten, dass sich deutsche Unternehmen an dem Wiederaufbau der Ukraine aktiv beteiligen, genauso wie sie uns jetzt im Krieg unterstützen.

Wir wollen, wie Friedrich das schon gesagt hat, unsere Regierungskonsultation wieder ins Leben rufen, damit wir hervorragende Ergebnisse unserer Arbeit haben.

Danke, Friedrich. – Es lebe die Ukraine!

Sehen Sie hier die Fragerunde im Anschluss: 

Frage: (auf Deutsch) Guten Tag. Was ist nun mit Taurus? Sie haben sich doch so in der Opposition dafür eingesetzt. Wir, die ukrainische Presse in Berlin, dachten tatsächlich, es sei nur eine Frage der Zeit. Werden Sie sich in dieser Koalition durchsetzen können? Werden wir davon erfahren?

(auf Ukrainisch) Meine Frage an den ukrainischen Präsidenten: Sie haben von Investitionen in Waffen gesprochen, auch in weitreichende Waffen. Wann können wir – realistisch betrachtet – diese Waffen bekommen? Denn die Zeit läuft uns weg.

Bundeskanzler Friedrich Merz: Ich habe darauf hingewiesen, dass es heute Nachmittag eine Absichtserklärung zwischen den beiden Verteidigungsministern gibt, in diesem Bereich enger zusammenzuarbeiten. Wir wollen weitreichende Waffen ermöglichen. Wir wollen auch eine gemeinsame Produktion ermöglichen. Wir werden über Details nicht öffentlich sprechen, aber wir werden die Zusammenarbeit intensivieren. Wir werden vor allem darum bemüht sein, die ukrainische Armee mit allem auszustatten, was ihr wirklich die Möglichkeit gibt, das Land erfolgreich zu verteidigen. Das ist das, was wir auch in unseren Gesprächen miteinander intensiv besprechen und vertiefen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj: Vielen Dank für die Frage. Heute wird diese Absichtserklärung unterzeichnet. Das ist der Anfang der Finanzierung dieser neuen Projekte. Diese neuen Projekte sind schon da. Sie sind schon vorhanden. Wir wollen, dass diese Projekte so aussehen, wie wir es brauchen. Das heißt, der erste Schritt ist die Finanzierung zwischen unseren Ländern. So viel dazu.

Frage: … (auf Englisch, ohne Dolmetschung)

Bundeskanzler Merz: Wir haben bereits im vergangenen Jahr Verabredungen auf Ebene der G7-Staaten getroffen. Die Zinsen der eingefrorenen Assets werden abgeschöpft. Das allein macht ein Volumen von ungefähr 50 Milliarden Euro aus, um die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Gegebenenfalls werden wir auf dem nächsten G7-Gipfel erneut über dieses Thema sprechen. Aber ich kann für die Bundesregierung sagen, dass wir auch in diesem Jahr 2025 die Ukraine mit weiteren finanziellen Mitteln unterstützen werden. Wir richten uns auch darauf ein, dass wir in zukünftigen Bundeshaushalten, die wir noch zu verabschieden haben, zum Beispiel dem für 2026, entsprechende Mittel für die Ukraine bereitstellen.
Wir tun das, um auch ein höchstmögliches Maß an Effizienz in der Beschaffung von Waffensystemen zu ermöglichen. Deswegen wollen wir auch eine Kooperation in der Produktion eingehen. Die Gespräche darüber werden geführt und fortgesetzt. Wir haben heute auch bereits über einige Details gesprochen. Aber auch da bitte ich um Verständnis. Diese Dinge haben wir zunächst zwischen den beiden Regierungen zu besprechen.


Präsident Selenskyj: Wir haben Signale von Partnern zur Teilnahme der Ukraine am NATO-Gipfel bekommen. Wir wollen genauso wie Sie offene Gespräche mit unseren Partnern führen. Es ist wichtig, welche Teilnahme und welche Ergebnisse es für die Ukraine nach der Teilnahme an diesem Gipfel geben wird. Das ist, finde ich, offen und ehrlich. Wenn die Ukraine an dem NATO-Gipfel nicht teilnimmt, dann wird es ein Sieg für Putin sein, nicht im Krieg mit der Ukraine, sondern ein Sieg Putins gegen die NATO. Die Entscheidung liegt natürlich bei unseren Partnern.


Frage: Meine Frage geht an beide Staatsoberhäupter. Es wurde gesagt, dass das nächste Treffen in Genf stattfinden werde, mit Teilnahme Russlands und der USA. Es wurde gesagt, das Treffen sei in Vorbereitung. Unter welchen Voraussetzungen findet es statt?

Ich habe auch eine Frage an Herrn Bundeskanzler. Die europäischen Länder, vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien, haben immer betont, dass sie sich an Friedensverhandlungen beteiligen wollten. Aber derzeit sieht es eher danach aus, als würden die Gespräche nur zwischen der Ukraine, den USA und Russland geführt. Ist Europa jetzt ausgeschlossen und unterstützt nur, oder vertritt die Ukraine sozusagen die gemeinsame europäische Position?


Bundeskanzler Merz: Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass wir jede Bemühung unterstützen, dass es zu weiteren Gesprächen kommt. Diese Gespräche sind eigentlich zugesagt gewesen, auch bei der ersten Runde der sogenannten technischen Gespräche, die es in Istanbul gegeben hat. Aber wie Präsident Selenskyj es gesagt hat: Wir warten jetzt seit vielen Tagen auf die zugesagte Stellungnahme der russischen Seite, und es gibt überhaupt keine Bereitschaft Russlands, zu irgendeinem Gespräch zu kommen und an irgendeinem Ort diese Gespräche zu führen. Ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar dafür, dass er sogar gesagt hat, dass er ohne Vorbedingung bereit sei, Gespräche zu führen. Selbstverständlich bieten wir an, dass wir seitens der Europäer an diesen Gesprächen teilnehmen. Wir bieten das zusammen mit der amerikanischen Seite an. Aber wichtig ist, dass es überhaupt zu Gesprächen kommt.


Ich will es noch einmal unterstreichen. In den letzten Tagen und Wochen hat es nun wirklich an keiner diplomatischen Bemühung gefehlt, Gespräche zu führen. Wer jetzt ernsthaft noch behauptet, wir hätten nicht genug in Diplomatie investiert, der hat die letzten drei Wochen offensichtlich gar nicht wahrnehmen wollen. Mehr Diplomatie als in den letzten drei Wochen hat es von europäischer Seite in diesem Krieg noch nicht gegeben, in ganz enger Abstimmung mit Präsident Selenskyj, in enger Abstimmung mit Präsident Trump. Ich hoffe, dass Russland dies sieht und dass es unseren Willen, zu Gesprächen, zu einem Waffenstillstand und zu Friedensgesprächen zu kommen, auf allen Ebenen ernst nimmt. Wenn es das jetzt nicht tut, beweist es damit der Weltöffentlichkeit, dass es tatsächlich kein ernsthaftes Interesse an Gesprächen hat und diesen Krieg militärisch fortsetzen will.


Präsident Selenskyj: Wir wollen den Krieg beenden. Wir wollen alles dafür tun, damit die Welt Russland zwingt, den Krieg zu beenden. Wir sprechen ständig. Wir sind sehr offen. Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns. Es gibt sogzusagen verschiedene Ebenen der Gespräche, die Ebene der Regierungen untereinander, mit den Ländern der EU, mit den USA. Jeden Tag sind wir im Gespräch. Wir sind bereit.


Dogma ist nicht die Plattform, sondern das Ergebnis. Wir wollen das Ende des Krieges. Wir sind offen für jede Plattform, für jedes Format. Russland soll nicht schon wieder sagen: Das wollen wir so nicht. Jetzt sagen wir Ja. Ach, wir wollen nicht, dass es vom Westen aufgezwungen wird, Vatikan oder Genf, vielleicht wieder Istanbul, aber vielleicht doch nicht. – Sie suchen ständig einen Ausweg, um den Krieg nicht zu beenden. Das ist nicht seriös. Sie wollen nicht nach Genf. Das ist neutral. Sie wollen in das NATO-Land Türkei. Okay, gut. Es ist egal, in welchem Land. Die Frage ist nur: In diesem Spiel auf Zeit, der Verzögerungspolitik, suchen sie ständig nach irgendetwas, um das weiter in die Länge zu ziehen.

Wir haben gesagt: Okay, vielleicht erst einmal ein Waffenstillstand. – Aber auch das klappt nicht. Nur der Druck wird etwas bewirken. Wir warten auf weitere Sanktionen. Wir haben gewartet. Sie werden sagen: Was ist ihre Agenda? Was brauchen sie? Ja, Waffenstillstand und dann? – Wir haben das vor dem Austausch erwartet. Sie haben gesagt: Okay, diese Agenda gibt es nach dem Gefangenenaustausch. – Aber da kam nichts. Wir haben mit den Russen kommuniziert. Unser Verteidigungsminister hat sein russisches Pendant, Herrn Medinski, angerufen. Sie sagten: Ja, es kommt, es kommt. – Aber es kam nichts. Niemand hat etwas bekommen. Wir haben die USA gefragt. Auch sie haben nichts bekommen; sie warten auch. Alle warten. Man soll nicht warten, sondern etwas tun, einfach ernstere Schritte gehen.

Frage: Herr Bundeskanzler, als sie Mitte Mai in Kyjiw waren, haben Sie dem russischen Präsidenten mit Sanktionen gedroht. Sie haben ihm ein Ultimatum zur Durchsetzung einer Waffenruhe gestellt. Seitdem ist nichts passiert. Worauf warten Sie noch? Wann wird es diese Sanktionen geben?

Eine Nachfrage zur Produktion weitreichender Waffen in der Ukraine: Worum geht es dabei? Geht es um Finanzierung, oder geht es auch um die Lieferung von Komponenten oder um technische Unterstützung durch die Rüstungsindustrie oder vielleicht sogar durch die Bundeswehr vor Ort?

Herr Präsident, zu den Sanktionen: Wie enttäuscht sind Sie sie davon, dass die zusätzlichen Sanktionen, die in Kyjiw angekündigt wurden, noch nicht gezogen worden sind?

Zu den weitreichenden Waffen: Wenn diese nun in der Ukraine produziert werden, in welchem Maße sind Sie dann noch auf die Lieferung solcher Waffen von europäischen oder amerikanischen Partnern angewiesen? Mit anderen Worten: Brauchen Sie Taurus überhaupt noch?

Bundeskanzler Merz: Herr Fischer, wir haben seit meinem Besuch in Kyjiw vor zweieinhalb Wochen das 17. Sanktionspaket der Europäischen Union in Kraft gesetzt, am Dienstag darauf. Das war lange vorbereitet, aber die Inkraftsetzung dieses Sanktionspakets war vom Ergebnis unseres Besuches abhängig. Dadurch, dass es leider keine Bereitschaft der russischen Seite gegeben hat, zu einem Waffenstillstand zu kommen, ist dieses Sanktionspaket in Kraft gesetzt worden.
Parallel dazu laufen bereits jetzt die Arbeiten an einem 18. Sanktionspaket. Wir führen dazu Gespräche mit Amerika. Sie wissen, dass die amerikanische Regierung und der amerikanische Kongress miteinander in einem intensiven Dialog über weitere Sanktionen aus Amerika stehen. Diese Gespräche begleiten wir. Sie werden auch unter meiner Beteiligung intensiv geführt.

Das Dritte ist: Wir gehen heute einen ersten Schritt in einer entsprechenden Zusammenarbeit in der Produktion weitreichender Waffen mit der Ukraine, zwischen Deutschland und der Ukraine. Das wird eine Zusammenarbeit auch auf industrieller Ebene sein, die sowohl in der Ukraine als auch hier in Deutschland stattfinden kann. Weitere Details dazu werden wir bis auf Weiteres nicht geben.

Aber gehen Sie davon aus, dass die Weigerung der russischen Seite, Gespräche zu führen, und die Weigerung, einen Waffenstillstand einzuhalten, jetzt wirklich Konsequenzen haben. Diese Konsequenzen ziehen wir jetzt jeden Tag mit den drei Maßnahmen, die ich gerade beschrieben habe, und weiteren. Dass wir nach meinem Besuch nur weitere Reaktionen Russlands abgewartet hätten, ist falsch. Das Gegenteil ist richtig. Wir sind aktiv dabei, jetzt gemeinsam weitere Maßnahmen vorzubereiten.

Präsident Selenskyj: Vielen Dank für die Frage. Ja, vor Kurzem habe ich mit Journalisten in der Ukraine gesprochen. Ich hatte eine Art geschlossenen Gesprächs. Man hat mich nach Sanktionen gefragt. Ich konnte das teilen, was ich von unseren Sicherheitsdiensten hatte. Ich habe gesagt, dass wir verstehen, dass die Wirtschaft in Russland diese Sanktionen spürt. Die russische Armee wird es zu spüren bekommen, nächstes Jahr, ab Juni oder Juli 2026. Das ist sehr gut für uns. Denn wir wollen diesen Krieg nicht so lange führen. Wir wollten es gar nicht. Aber es ist sehr kompliziert. Niemand möchte auf Jahre Krieg führen.

Was braucht man noch? – Man braucht stärkere Sanktionspakete. Man kann dann das Ende herbeiführen, weil dann die Armee in Russland vonseiten der russischen Regierung nicht so stark, nicht so gut finanziert wird. Das kann man maximal annähern, wenn man die russische Wirtschaft mit stärkeren Sanktionen belegt, wenn Russland keine Komponenten mehr aus westlichen Ländern beziehen darf und kann. Es gibt private Unternehmer, die etwas nach Russland liefern, Komponenten, die in Drohnen eingebaut werden, usw. Das heißt, starke Sanktionen. Auch die Preise für Energie sollen sinken.

Das 17. Paket hilft. Es reicht nicht. Wir hoffen sehr, dass das 18. Paket verabschiedet wird. Es ist in Arbeit. Wir sind sehr dankbar für einige Punkte in diesem Paket. Man braucht auch ein starkes Paket aus den USA. Denn Russland ist nicht bereit, einen Waffenstillstand einzugehen. Das heißt, es sollte eine Abstimmung im Senat, im Kongress geben, damit es auch dort ein Paket gibt. Dann wird dieser Krieg früher zu Ende gehen, weil Putin und die Wirtschaft in Russland es zu spüren bekommen. Die Armee wird ein Loch im Haushalt haben. Das ist außerhalb der Diplomatie.

Weitreichende Waffen, die in Deutschland und anderen Ländern produziert werden: Natürlich brauchen wir diese Waffen. Wir besprechen diese Fragen.

Vielen Dank.

Bundeskanzler Merz: Danke schön!