NATO als Grundlage für gemeinsame Sicherheit

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Kanzler empfängt NATO-Generalsekretär Rutte NATO als Grundlage für gemeinsame Sicherheit

Das zentrale Versprechen der NATO lautet: „Wir werden jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebietes verteidigen.“ Das betonte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem neuen NATO-Generalsekretär Mark Rutte in Berlin.

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 4. November 2024
Auf dem Foto zu sehen sind Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) und NATO-Generalsekretär Mark Rutte im Budneskanzleramt bei einer Pressekonferenz.

Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) hat NATO-Generalsekretär Mark Rutte in Berlin empfangen. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen sicherheitspolitische Themen.

Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler

Bundeskanzler Olaf Scholz hat NATO-Generalsekretär Mark Rutte zu dessen Antrittsbesuch im Bundeskanzleramt empfangen. Bei der gemeinsamen Pressebegegnung bezeichnete der Kanzler die NATO als Grundlage für die gemeinsame Sicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks. Die Friedensordnung in Europa sei jedoch so stark und massiv bedroht wie seit vielen Jahrzehnten nicht.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauere bereits mehr als zweieinhalb Jahre. Russland habe seine Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt und rüste massiv auf. „All das kann und darf die NATO nicht ignorieren,“ so Scholz. Denn: Die Bürgerinnen und Bürger vertrauten darauf, dass jeder Quadratzentimeter das Bündnisgebiet verteidigt werde.

Das Wichtigste aus dem Statement des Kanzlers in Kürze:

  • Europäischer Pfeiler der NATO: Kanzler Scholz ist überzeugt, dass der europäische Pfeiler der NATO weiter gestärkt werden muss. Dafür wird Europa in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen tätigen, um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen. „Es geht darum, jeder Bedrohung der Sicherheit in Europa begegnen zu können“, betonte Scholz.
  • Unterstützung der Ukraine: Nach den USA ist Deutschland der weltweit größte Unterstützer der Ukraine – diese Unterstützung soll fortgesetzt werden. So hat Deutschland der Ukraine gerade einen Kredit von 50 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. „Das ist ein ganz starkes Signal in Richtung des russischen Präsidenten“, sagte der Kanzler.
  • Erhöhung der Verteidigungsausgaben: Deutschland gibt in diesem Jahr mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus und wird diesen Weg in den kommenden Jahren entschlossen weitergehen. Mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro wird die Bundeswehr modernisiert.
  • Konkreter Beitrag zur NATO: Deutschland hat Soldatinnen und Soldaten in Litauen stationiert und stärkt damit die Ostflanke des Bündnisgebiets. Außerdem beteiligt sich Deutschland mit 35.000 Männern und Frauen sowie mehr als 200 Schiffen und Flugzeugen im nächsten Jahr am NATO Force Model. Es sieht vor, dass diese Truppen innerhalb von nur 30 Tagen voll einsatzbereit sind. „Das ist unser konkreter Beitrag zur NATO“, so Scholz.

Sehen Sie hier das Video der Pressekonferenz:

20:25

Video Pressekonferenz des Bundeskanzlers und des NATO-Generalsekretärs

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

Bundeskanzler Olaf Scholz: Sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber Mark, schon viele Male habe ich dich hier auf diesem Podium willkommen geheißen. Trotzdem ist es heute etwas ganz Besonderes. Denn zum ersten Mal und mit großer Freude kann ich dich als neuen NATO-Generalsekretär begrüßen. Herzlich willkommen! Natürlich, auch von dieser Stelle noch einmal: Herzlichen Glückwunsch zur Amtsübernahme! Die NATO kann sich sehr glücklich schätzen, in diesen herausfordernden Zeiten einen so erfahrenen Transatlantiker an ihrer Spitze zu haben. Du kannst dich auf ein spannendes Amt freuen. Wir kennen und mögen uns schon sehr lange. Ich freue mich auf unsere vertraute und enge Zusammenarbeit, die wir nun auf diese Weise fortsetzen können.

Lieber Mark, die Anforderungen an die NATO sind nicht gering. Die Friedensordnung in Europa ist so stark und massiv bedroht wie seit vielen Jahrzehnten nicht. Russland führt nun schon seit mehr als zweieinhalb Jahren einen erbarmungslosen Angriffs- und Eroberungskrieg gegen die Ukraine. Mit immer brutaleren Mitteln verfolgt Russland seine imperialistischen Ziele, hat seine Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt und rüstet massiv auf. All das kann und darf die NATO nicht ignorieren. Das zentrale Versprechen der Allianz heißt: Wir werden jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebietes verteidigen. Das sind wir dem Bündnis schuldig, den Alliierten und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern der NATO-Staaten. Sie vertrauen auf uns.

Deutschland hat deshalb eigene Soldatinnen und Soldaten bei unserem NATO-Partner Litauen stationiert und stärkt damit die Ostflanke des Bündnisgebietes. Mit 35 000 Männern und Frauen sowie mehr als 200 Schiffen und Flugzeugen beteiligt sich Deutschland im nächsten Jahr auch am so genannten NATO Force Model. Es sieht vor, dass diese Truppen innerhalb von nur 30 Tagen voll einsatzbereit sind. Das ist unser konkreter Beitrag zur NATO.

Grundsätzlich hat die Bundesregierung auf die Veränderung der sicherheitspolitischen Lage entschlossen reagiert. Unsere Verteidigungsausgaben haben wir in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt. Erstmals wieder geben wir in diesem Jahr zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Diesen Weg werden wir in den kommenden Jahren entschlossen weitergehen. Mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro modernisieren wir die Bundeswehr. Wir sind dabei, unsere Streitkräfte in allen Bereichen konsequent zu verstärken. Unser Ziel, das Ziel der atlantischen Allianz, ist klar: so stark zu sein, dass niemand auch nur auf die Idee kommt, uns anzugreifen. Die NATO ist und bleibt die Grundlage für unsere gemeinsame Sicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks. Auch 75  Jahre nach ihrer Gründung ist sie Ausdruck der transatlantischen Zusammenarbeit und unserer gemeinsamen Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Die Bürgerinnen und Bürger aller NATO-Staaten profitieren von diesem Bündnis.

Dem russischen Machthaber ist es nicht gelungen, die Allianz auseinanderzutreiben. Das Gegenteil ist der Fall. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat dafür gesorgt, dass die NATO noch näher zusammenrückt. Mit Finnland und Schweden haben sich zwei weitere Mitglieder unserem Verteidigungsbündnis angeschlossen. Das Bündnis ist stark und wird es bleiben.

Lieber Mark, wir beide sind überzeugt, dass wir den europäischen Pfeiler der NATO weiter stärken müssen. Europa wird dafür in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen tätigen, um unsere Verteidigungsausgaben zu erhöhen und unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Es geht darum, jeder Bedrohung der Sicherheit in Europa begegnen zu können.

In unserem Gespräch haben wir auch über die Ukraine gesprochen. Nach den USA ist Deutschland der weltweit größte Unterstützer der Ukraine, und wir werden das fortsetzen. Gerade haben wir, wie im Sommer in Italien im Kreis der G7 miteinander vereinbart, der Ukraine einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Damit kann sie sich weitere Waffen und Rüstungsgüter beschaffen. Das ist ein ganz starkes Signal in Richtung des russischen Präsidenten. Russland kann diesen Krieg nicht gewinnen. Es wird endlich Zeit, dass das erkannt wird und dass Russland bereit ist, über ein Ende dieses furchtbaren und sinnlosen Krieges zu sprechen, dem schon Hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen sind.

Lieber Mark, vielen Dank für deinen Antrittsbesuch in Berlin. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in dieser Rolle und auf den NATO-Gipfel im kommenden Juni in deiner Heimatstadt Den Haag.

Herzlichen Dank.

Generalsekretär Mark Rutte: Herr Bundeskanzler, (auf Deutsch) lieber Olaf, vielen Dank für den herzlichen Empfang heute hier in Berlin. (auf Englisch) Es ist mir immer eine Freude, hier zu sein. Wir arbeiten als Freunde zusammen,  ich denke hier noch an meine Zeit als Ministerpräsident der Niederlande , und ich freue mich darauf, diese gute Zusammenarbeit jetzt auch in meiner Eigenschaft als NATO-Generalsekretär fortzusetzen.

Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag zu unserer gemeinsamen Sicherheit: Sie erhöhen Ihre Präsenz im östlichen Teil unseres Bündnisses, Sie haben jetzt die Bereitschaft erklärt, eine Brigade dauerhaft in Litauen zu stationieren, Sie sind Teil der Truppen, die den Luftraum über den baltischen Staaten mit überwachten, und Sie werden auch in den nächsten vier Jahren dazu beitragen, dass man wichtige Handels- und Lieferwege schützt und in die Infrastruktur in der Ostsee investiert.

Sie investieren jetzt zwei Prozent Ihres Bruttosozialproduktes in das Bündnis, in Ihre Verteidigung. Das ist wichtig für Deutschland, aber auch für die NATO. Alle Bündnismitglieder werden noch mehr investieren müssen, und ich vertraue darauf, dass Sie das auch tun werden.

Lieber Olaf, das, was wir erreicht haben, verdanken wir auch deiner persönlichen Führungsrolle. Die deutsche historische Zeitenwende hat einen großen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit Deutschlands und zur Stärkung des Bündnisses geleistet und sendet gleichzeitig ein deutliches Signal nach Moskau, nämlich dass wir geschlossen unsere demokratischen Werte und die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen.

Als ehemaliger Ministerpräsident weiß ich, dass es für Regierungen nicht immer leicht ist, Mittel für die nationale Verteidigung und für die Hilfe der Ukraine zuzuweisen. Aber beide sind von entscheidender Bedeutung für unsere kollektive Sicherheit. Deshalb haben wir auch heute über die Fortführung unserer Unterstützung für die Ukraine gesprochen. Deutschland ist der größte europäische Unterstützer und Beitragsleister von militärischer Hilfe an die Ukraine. Jeden Tag leisten Sie einen Beitrag zur Ukraine auf dem Kampffeld, und Sie leisten auch einen Beitrag zur Ausbildung und Sicherheitsunterstützung der Ukraine.

Das NATO-Kommando für die Ukraine ist von integraler Bedeutung für das Paket, das wir beim Washington-Gipfel für die Ukraine verabschiedet haben. Dazu gehört auch die Zusage einer langfristigen Sicherheitsunterstützung und einer Unterstützung der Ukraine auf dem unumkehrbaren Weg zur Mitgliedschaft in der NATO.

Putin wird es nicht bei der Ukraine belassen; daran müssen wir denken. Er intensiviert seine hybride Kampagne gegen uns alle. Er mischt sich direkt in unsere Demokratien ein, sabotiert unsere Industrien und unsere Wirtschaft. Das Ziel ist immer, uns zu schwächen und zu spalten.

Das macht deutlich, dass eine sich verändernde Frontlinie in diesem Krieg nicht mehr nur an der Ukraine entlanggezogen ist; vielmehr zieht sich die Front jetzt auch in den baltischen Raum, in den Ostseeraum, in Richtung Europas, in den hohen Norden. Die NATO steht aber bereit, sich zu verteidigen und abschreckend zu wirken. Wir investieren in unsere Fähigkeiten, und zwar in allen Bereichen: zu Land, zur See, im Luftraum, aber auch im Cyberraum. Wir versuchen, unsere Industrieproduktion im Verteidigungsbereich zu erhöhen und zu stärken.

Ihre Verteidigungsindustrie, die deutsche Verteidigungsindustrie, leistet einen entscheidenden Beitrag für die Sicherheit Europas und für die Verteidigung der Ukraine. In Bayern haben amerikanisch-europäische Unternehmen mit der Unterstützung der NATO 1.000 Patriot-Luftabwehrraketen produziert. Das soll ein Beitrag zur Stärkung der Verteidigungsindustrie sein; da sehen wir ein praktisches Beispiel, und das ist wichtig für die transatlantischen Beziehungen. Die deutsche Firma Rheinmetall hat gerade das erste Werk in der Ukraine eröffnet, mit einem zweiten Werk, das demnächst eröffnet werden wird. Rheinmetall hat auch ein deutliches Hochfahren der Munitionsproduktion beschlossen. Wir müssen hier dranbleiben. Wir müssen dafür sorgen, dass eine Million Menschen sicher leben können. Wir müssen unsere Unterstützung für die Ukraine verstärken. Hier arbeiten wir auch mit der EU und mit anderen gleichgesinnten Ländern zusammen.

Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, noch einmal herzlichen Dank dafür, dass ich heute hier in Berlin sein darf, danke für deine Führungsrolle in diesen unsicheren Zeiten und vielen Dank für die entscheidende führende Rolle, die Deutschland hier in der NATO spielt. Vielen Dank!

Fragerunde im Anschluss:

Frage: Eine Frage an den NATO-Generalsekretär: Bereitet es Ihnen Sorgen, dass sich mit Deutschland und den USA möglicherweise ab Mitte der Woche zwei bedeutende NATO-Mitgliedstaaten in einer Phase der innenpolitischen Instabilität befinden?

Herr Bundeskanzler, halten Sie es angesichts der Lage und der Herausforderungen, denen sich Europa gegenübersieht, für verantwortbar, dass Deutschland kein Bild der Stabilität abgibt?

Generalsekretär Rutte: Ich kommentiere die politische Entwicklung in einzelnen Mitgliedstaaten nicht. Ich weiß aber, dass dieser Bundeskanzler und dieses Land zu diesem Zeitpunkt zu den wichtigsten Unterstützern und Truppenstellern der Ukraine und der NATO zählen, sich verpflichtet haben, unsere Verteidigung und Abwehr in der Ostsee und Nordsee zu stärken, und einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung neuer Fähigkeiten leisten. Sie haben gerade mit dem Vereinigten Königreich eine Vereinbarung unterzeichnet. Sie arbeiten zusammen mit Norwegen an der Errichtung von regionalen Hubs zur Kontrolle und Überwachung der Unterwasserinfrastruktur, und sie werden sich in den nächsten Jahren im Ostseeraum engagieren. Das sind alles Beispiele für den wichtigen Beitrag, den Ihr Land, Deutschland, leistet. Sie spielen eine führende Rolle in der NATO. Was auch immer auf nationaler Ebene geschieht, dazu kann und will ich nichts sagen. Aber ich werde sicherlich mit diesem Kanzler weiter zusammenarbeiten.

Wer auch immer Wahlen gewinnt, und das gilt auch für die USA: Wir werden mit wem auch immer, der gewählt wird, zusammenarbeiten, ob das Kamala Harris oder Donald Trump ist. Wir werden darauf hinarbeiten, dass das Bündnis geschlossen bleibt; denn das ist in unserem Interesse, in unserem Interesse hier, aber auch im Interesse der USA, weil wir ja nicht die Fehler wiederholen wollen, die wir nach dem Ersten Weltkrieg gemacht haben. Nein, wir sind alle Teil dieses Bündnisses und dieser Bemühungen, denn wir wissen: Wenn Putin in der Ukraine erfolgreich sein wird, und wir wissen ja, dass Polen an der Ostflanke des Bündnisses liegt, dann wird das eine direkte Bedrohung für diese Ostflanke und damit für das Territorium der NATO werden. Darum geht es ja auch, um den Beitrag der NATO.

Bundeskanzler Scholz: Die Regierung wird ihre Aufgaben erledigen. Ich bin der Kanzler. Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderungen bewältigen, vor denen wir stehen. Es geht um Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es geht um Pragmatismus, nicht um Ideologie, und das ist das, was gegenwärtig verhandelt wird. Koalitionsregierungen sind ja nicht nur in Deutschland bekannt und manchmal etwas herausfordernd, aber die Aufgaben stehen, und die Regierung ist gewählt, im Amt und wird ihre Aufgaben erledigen.

Frage: Ich habe eine Frage, die sich sowohl an den NATO-Generalsekretär als auch den Bundeskanzler richtet. Es geht noch einmal um die Ukraine und die nordkoreanischen Truppen, die dort mittlerweile auf der Seite Russlands aktiv sind und auch in die Kämpfe eingreifen. Ich würde Sie gerne beide fragen, ob man angesichts der Tatsache, dass die Ukraine jetzt gegen zwei Länder Krieg führen muss, die Anstrengungen, dem Land zu helfen, vielleicht nicht doch noch einmal erhöhen muss. Es gibt eigentlich seit Wochen Berichte, dass die russischen Truppen in der Ostukraine trotz der Hilfe aus dem Westen weiter vorankommen.

Herr Bundeskanzler, ich habe noch einmal eine kurze Nachfrage zu der innenpolitischen Situation. Sie haben eben Pragmatismus erwähnt, der nötig sei. Jetzt hat die SPD-Vorsitzende heute Morgen gesagt, dass in dem Lindner-Papier kein einziger Punkt sei, der mit einer sozialdemokratischen Regierung umsetzbar sei. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob das auch Ihre Meinung ist oder auf welcher Basis man eigentlich mit FDP und Grünen weiterverhandeln sollte.

Generalsekretär Rutte: Nordkoreanischen Truppen, die in Russland im Kampf gegen die Ukraine zum Einsatz kommen – das ist eine eindeutige Eskalation. Das bestärkt uns noch in unserer Fokussierung und unserer Entschlossenheit, in dem Bestreben, sicherzustellen, dass die Ukraine hat, was sie braucht, um sich gegen die Russen zu wehren. Dazu gehören ja jetzt auch die Nordkoreaner.

Deutschland hat jetzt 28 Milliarden an militärischer Unterstützung und Hilfe für die Ukraine bereitgestellt. Mit dieser Summe ist Deutschland der zweitgrößte Beitragszahler zur Unterstützung der Ukraine geworden. Wie gesagt: Nur die USA tun mehr. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Verteidigungsproduktion hochgefahren wird. Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine obsiegen kann, dass Putin sich nicht in der Ukraine durchsetzt.

Zu Nordkorea: Hier arbeiten wir, wie Sie wissen, eng mit den Partnern im Indopazifik zusammen, auch mit Südkorea, Seoul, aber natürlich auch mit Japan, Australien und Neuseeland, um sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, auch angesichts der neuen Entwicklung alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um nicht nur den Euroatlantik, sondern auch den Indopazifik zu einem sicheren Raum zu machen und als solchen zu bewahren. Russland arbeitet hier ja nicht nur mit Nordkorea zusammen, sondern China liefert auch Dual-Use-Güter. Wir wissen ja auch, dass sich der Iran beteiligt und Russland in seinen Kriegsanstrengungen unterstützt.

Wir fühlen uns dadurch angesprochen, noch mehr zu tun. Denn Sie haben voll und ganz recht, wenn Sie sagen: Ja, das ist eine sehr ernstzunehmende Entwicklung.

Bundeskanzler Scholz: Ich unterstreiche, was der Generalsekretär gesagt hat: Es ist wichtig, dass wir der Ukraine jetzt die notwendige Hilfe weiter zur Verfügung stellen. Deutschland hat sich als ein Partner bewährt, der liefert und nicht nur Ankündigungen macht. Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn in dieser besonderen Situation manche der Ankündigungen, die bereits gemacht worden sind, jetzt in die Tat umgesetzt werden würden. Das würde schon das Szenario in der Ukraine erheblich zugunsten der Ukraine verbessern, weil sie dann auf die Mittel zurückgreifen könnte, die sie zur Verteidigung ihres eigenen Landes braucht.

Was die Situation in Deutschland betrifft, bestehe ich darauf, dass die Regierung ihre Arbeit zu machen hat und dass Pragmatismus dabei die richtige Maßgabe ist. Wir haben dafür eine Grundlage: Das ist der Koalitionsvertrag, der ist verhandelt. Wir haben einen Haushaltsentwurf im Sommer auf den Weg gebracht. Jetzt geht es darum, die notwendigen Entscheidungen zu treffen – angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch der Notwendigkeit, dem Parlament noch ein paar zusätzliche Vorschläge für den endgültigen Abschluss des Haushaltes für das nächste Jahr zu machen.

Noch einmal: Mir ist wichtig, dass dabei Wirtschaft und Arbeitsplätze im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Deshalb habe ich auch nicht für die Tribüne, nicht für das Theaterstück, sondern für die Realität noch einmal – zusätzlich zu den vielen in der Vergangenheit durchgeführten Diskussionen – das Gespräch mit Industrie und Wirtschaft gesucht, um darüber zu reden, was ganz konkret notwendig ist, damit wir mit einer schwierigen weltwirtschaftlichen Lage, einer Lage, die von den Herausforderungen auch für die Energieversorgung, für Preise, für Energiesicherheit geprägt ist, die mit dem russischen Angriff auf die Ukraine verbunden sind, ‑ fertig werden können und darüber gleichzeitig nicht die Modernisierung unserer Volkswirtschaft vergessen. Das sind alles Aufgaben, die gelöst werden müssen und die gelöst werden können. Und dazu muss man seriös arbeiten. Das ist das, was ich von allen erwarte.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich würde gerne noch einmal zum Thema Ukraine fragen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jetzt noch einmal angesprochen, dass er beim NATO-Beitritt der Ukraine Deutschland als Hindernis sieht. Könnten Sie bitte darlegen, warum Sie jetzt oder auch zu einem späteren Zeitpunkt gegen diese Mitgliedschaftsperspektive der Ukraine in der NATO sind? Was sehen Sie als Alternative? Eine neutrale Ukraine möglicherweise? In welchem Zusammenhang wäre das auch in den Friedensverhandlungen wichtig, die möglicherweise einmal mit den BRICS-Staaten und irgendwann auch mit Russland geführt werden müssten?

Dieselbe Frage an den NATO-Generalsekretär: Was denken Sie zur Forderung nach einer Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO?

Bundeskanzler Scholz: Wir haben in Vilnius und in Washington Entscheidungen getroffen, die gut der gegenwärtigen Situation entsprechen. Ich glaube, in dieser Angelegenheit gibt es gegenwärtig keinen neuen Entscheidungsbedarf, weil die Situation unverändert die ist, die wir schon bei den Entscheidungsfindungen vorgefunden haben. Jetzt geht es darum, ganz praktisch dafür zu sorgen, dass der Ukraine nicht die Waffen ausgehen. Und da ist Deutschland in Europa führend und weltweit vorne dabei, wie Sie eben schon wiederholt gehört haben. Das wird auch so bleiben.

Generalsekretär Rutte: Der Gipfel in Washington hat sich verpflichtet, dass der Pfad zur Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO unumkehrbar ist. Seit Washington arbeiten wir im Kommandozentrum in Wiesbaden für die Umsetzung der 40-Milliarden-Dollar-Zusage. Viele Staaten leisten Militärhilfe an die Ukraine, und die USA und Deutschland sind die führenden zwei Staaten dabei.

Viele Länder haben außerdem bilaterale Sicherheitsabkommen mit der Ukraine zu einer ganzen Reihe von Themen und Bereichen abgeschlossen. Alles zusammen bildet dies langfristig gesehen eine Brücke zur Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO. Ich bin fest davon überzeugt, dass eines Tages die Ukraine Mitglied der NATO sein wird.

Nun, den Siegesplan hat Präsident Selenskyj ja vorgelegt. Das ist auch hilfreich. Denn es macht deutlich, wie die Ukraine die nächsten Schritte sieht.

Aber nun als Antwort auf Ihre Frage: Wenn Sie sich alles anschauen, was zurzeit passiert, dann sehen Sie, dass wir in ganz praktischer Art und Weise eine Brücke bauen. Deutschland und die USA sind hier, wie gesagt, in führender Rolle.